Sozialgericht Berlin von Luise Bublitz und Johanna Bücker. Am Sozialgericht in Berlin finden vi...
Zeit, das Berliner „Neutralitätsgesetz“ zu ändern!
von Sabine Berghahn
Dieser Beitrag ist Teil der Reihe „Streit um das Kopftuch“
Die Wogen schlagen derzeit hoch rund um das Berliner „Neutralitätsgesetz“. Die Initiative „Pro Berliner Neutralitätsgesetz“ sammelt seit November 2017 Unterschriften für ihre Erklärung und hat schon eine beträchtliche Anzahl von Unterstützer*innen, darunter auch Prominente aus Politik, Schule und Bildung, gefunden. Die Anhänger dieses Gesetzes erhalten zudem Rückdeckung aus der Berliner Regierungspolitik, zumindest aus der SPD und von Senatsmitgliedern. Und das, obwohl etwa ein Kommentar im Tagesspiegel berichtet, dass “kein namhafter Jurist“ die Verfassungswidrigkeit des Berliner Neutralitätsgesetzes in seiner jetziger Form bezweifele. Diese Konstellation – ein Landesgesetz, an dem regierende Politiker*innen festhalten, obwohl seit drei Jahren feststeht, dass es grundgesetzwidrig ist – irritiert und ist erklärungsbedürftig.
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Recht und Gesellschaft: Vom Nutzen der Rechtssoziologie
„Rechtssoziologie“, Duden-Eintrag, https://www.duden.de/rechtschreibung/Rechtssoziologie
von Eva Kocher
Das Interesse an empirischer Rechtsforschung ist seit den 1980er Jahren ungebrochen groß. Empirisches Wissen, rechtssoziologisch angeleitet, wird in der Rechtsdogmatik durchaus nachgefragt. Denn wo das Recht sich auf soziale Tatbestände bezieht, hilft sozial- und geistes-wissenschaftliches Wissen, diese Tatbestände zu verstehen. Insbesondere die Bundesgerichte greifen immer wieder auf empirisches Wissen zurück, um herauszufinden und begründen zu können, wie eine rechtliche Regelung ihren Sinn und Zweck am besten erfüllen kann.
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Recht im Alltag mit Pierre Bourdieu
Dieser Beitrag ist Teil des Schwerpunkts „Das Potential Pierre Bourdieus für die Rechtssoziologie“
Bourdieus Beschäftigung mit dem Recht ist kaum als in sich geschlossene Rechtssoziologie beschreibbar – zu fragmentarisch ist sein Zugang zu diesem Themenbereich. So umfasst sein zentraler Text zum Recht, „La force du droit“ (Bourdieu 1986), gerade einmal 16 Seiten. Auch empirische Auseinandersetzungen mit dem Thema sind bei ihm kaum vorhanden. Ungeachtet der breiten Rezeption Bourdieus innerhalb der Soziologie bzw. der Sozialwissenschaften ist sein Rechtsdenken innerhalb der sozialwissenschaftlichen Rechtsforschung deshalb bislang kaum berücksichtigt worden; bis dato existiert nur eine einzige systematische Auseinandersetzung mit Bourdieus Rechtsbegriffen (siehe diesbez. Conradin-Triaca 2014). Bei der Beschäftigung mit Bourdieus Rechtsdenken stößt man deshalb bislang weniger auf Fragen nach dessen Gehalt als nach dem potenziellen Gewinn, der in deren Weiterführung liegt (vgl. Kretschmann 2016).
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Was macht eine Ehe zur echten Ehe?
Love padlocks on the Butchers‘ Bridge in Ljubljana, Slovenia (CC BY-SA 4.0) by Petar Milošević
Aktuell lässt sich im Recht ein Wandel hin zu einer erweiterten Anerkennung bisher marginalisierter Lebensformen erkennen. Dies beinhaltet beispielsweise die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder die Stärkung der Selbstbestimmung in Bezug auf die eigene Geschlechtsidentität. Diese Entwicklung schlägt sich auch im Migrationsrecht nieder. So steht der aus dem „besonderen Schutz von Ehe und Familie“ abgeleitete Ehegattennachzug mittlerweile auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Im Flüchtlingsrecht wird Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität als Asylgrund anerkannt.
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Was macht eine Ehe zur echten Ehe?
Love padlocks on the Butchers‘ Bridge in Ljubljana, Slovenia (CC BY-SA 4.0) by Petar Milošević
Aktuell lässt sich im Recht ein Wandel hin zu einer erweiterten Anerkennung bisher marginalisierter Lebensformen erkennen. Dies beinhaltet beispielsweise die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften oder die Stärkung der Selbstbestimmung in Bezug auf die eigene Geschlechtsidentität. Diese Entwicklung schlägt sich auch im Migrationsrecht nieder. So steht der aus dem „besonderen Schutz von Ehe und Familie“ abgeleitete Ehegattennachzug mittlerweile auch gleichgeschlechtlichen Paaren offen. Im Flüchtlingsrecht wird Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder der geschlechtlichen Identität als Asylgrund anerkannt.
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Strategische Prozessführung als demokratischer Akt
von Jelena von Achenbach (Gießen), Tim Wihl (Berlin)
Abstract für einen Vortrag auf dem Workshop für Wissenschaftler_innen in der disziplinübergreifenden Rechtsforschung, 19.–20. Mai 2017, Evangelische Hochschule Berlin
Selten wird bisher in der anschwellenden Diskussion über strategische Prozessführung (Rechtsmobilisierung, strategic litigation) die Frage aufgeworfen, ob diese Praxis demokratisch sei. Klageverfahren etwa gegen Racial Profiling oder andere diskriminierende Praktiken, sei es von staatlicher, sei es von privater Seite, haben in aller Regel einen individualrechtlichen Ansatzpunkt. Das deutsche Recht lässt auch überwiegend bisher keine Formen genuin kollektiver Rechtsmobilisierung zu. Die Doktrin der Klagebefugnis – als „standing doctrine“ in den USA schon lange umstritten – steht der Geltendmachung „objektiver“ Gemeinwohlziele durch Einzelne vorderhand entgegen. Diese normative Beschränkung des Zugangs zu Gerichten wird standardmäßig mit demokratietheoretischen Argumenten begründet: Gerichte dienten allein der Aufarbeitung vergangener, individualisierbarer Sachverhalte. Allgemein und für die Zukunft zu regeln, sei in der Demokratie Aufgabe des Gesetzgebers.
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Das Recht und die Zukunft
Ein studentischer Tagungsbericht und zugleich ein Plädoyer für mehr Zukunftsorientierung und Interdisziplinarität im Jurastudium.
von Deborah Wurm
“Die Versprechungen des Rechts”, so lautete der Titel des diesjährigen, mittlerweile dritten Kongresses der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen, der vom 9. bis 11. September 2015 an der Humboldt-Universität in Berlin stattfand. Gemeinsam mit einer Gruppe Jura-Studierender der Humboldt- Universität zu Berlin durfte ich an dieser äußerst spannenden und vielseitigen Tagung teilnehmen, die als die größte deutschsprachige Veranstaltung zur empirisch ausgerichteten, interdisziplinären Rechtsforschung angekündigt worden war. Müde von einem Studium, in dem die Anwendung des geltenden Rechts im Vordergrund steht und extra-curriculäre Aktivitäten sich viel zu häufig auf den Besuch eines Repetitoriums, in dem dieses Anwendungswissen verfestigt wird, beschränken, war ich umso gespannter, was mir auf dieser Veranstaltung über das Recht aus vielleicht ganz anderen Sichtweisen oder mit ganz neuen Denkansätzen zu Ohren kommen würde.
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Gerechtigkeit in Ausnahmefällen
Ein Gespräch mit Magdalena Benavente Larios, Mitglied der Berliner Härtefallkommission
Von Frederika Haug
Nicht viele BerlinerInnen wissen von der Existenz der Härtefallkomission. Gemäß § 23a Aufenthaltsgesetz können sich Menschen, die vollziehbar ausreisepflichtig bzw. nicht in Besitz eines Aufenthaltstitels sind an die Berliner Härtefallkommission wenden und um Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für Härtefälle bitten. Sozusagen die „letzte Chance“ für abgewiesene Asylantragstellende und alle anderen, denen das Aufenthaltsrecht keinen Aufenthaltstitel gewährt.
Vom 9. – 11. September 2015 fand an der Humboldt-Universität zu Berlin der bereits 3. Kongress der deutschsprachigen Rechtssoziologie-Vereinigungen mit über 350 Teilnehmenden aus verschiedensten Disziplinen statt, den das LSI Berlin ausgerichtet hat.
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Rule of Law and Governance
Von Matthias Kötter, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung
Themenschwerpunkt auf der Konferenz “Versprechungen des Rechts“, 9.-11.September 2015.
„Rule of Law“ verweist auf die institutionellen und die normativen Voraussetzungen, unter denen das Recht eine seiner zentralen Versprechungen erfüllen kann: die Herstellung von Ordnung und die Konfliktbewältigung mit den Mitteln und am Maßstab des Rechts. Während das für den demokratischen Verfassungsstaat weithin anerkannt ist, entstehen mit Blick auf Governance jenseits des Staates ‒ in transnationalen oder in Räumen begrenzter Staatlichkeit ‒ schwierige Fragen. Ohne den Staat als zentraler Rechtsetzungs- und Rechtsdurchsetzungsinstanz fehlt es meist an einem einheitlichen Verständnis vom Recht, an der Durchsetzbarkeit von Regeln und Entscheidungen und an einem Konsens über normative Grundfragen.
Im Themenschwerpunkt „Rule of Law and Governance“ haben Anke Draude (Freie Universität Berlin) und Matthias Kötter (WZB Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung) vier Sessions organisiert, die von folgende leitende Fragen ausgehen:
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