Statement: Thomas Stäcker – „Eine Bibliothek aus Texten weben“

Die neue alte Rolle der Bibliothek als Ort des Sammelns, Erschließens und Vermittelns von wissenschaftlicher Literatur im digitalen Zeitalter

»The Invention of Printing , though ingenious, compared with the invention of Letters, is no great matter«. Diese für manchen vielleicht überraschende Feststellung, die Hobbes in seinem Leviathan trifft, lässt die grundsätzliche Ebene der Schriftlichkeit gegenüber ihrem Träger, dem Buch, aufscheinen und relativiert zugleich die Bedeutung des letzteren in einer gleichsam phylogenetischen Perspektive. Bibliotheken wiederum, wie der große niederländische Gelehrte Justus Lipisus schreibt: »… sind eine alte Einrichtung und wurden, wenn ich mich nicht täusche, zusammen mit der Schrift erfunden.“


Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Augusteerhalle
(Foto: Friedrichsen | CC BY-SA 3.0)

Der enge Zusammenhang von Wissen, Schreiben und Bibliothek, so die These, löst sich auch in Zeiten des Internet nicht. Mit Lipsius gesprochen, kann das Wissen nicht mit Gewinn genutzt werden, wenn es nicht irgendwo aufbewahrt und bereitgestellt wird. Auch das elektronische Buch macht da keine Ausnahme, und es ist eine leichtfertige, ja gefährliche Vorstellung, dass das Internet gleichsam von selbst für die Kultur- und Wissenstradition und – sicherung sorgte. Bibliotheken und Archive behalten daher auch in Zeiten ubiquitärer digitaler Verfügbarkeit die Verantwortung für die Archivierung des Geschriebenen. Bibliotheken müssen sich jedoch im digitalen Zeitalter darauf einstellen, dass sich grundlegende Kulturtechniken, wie das Schreiben und Lesen, ändern und damit auch die traditionellen Formen des Sammelns, Erschließens und Zugänglichmachens. Überkomme und eingespielte Verhältnisse der Wissensproduktion und Aufgabenverteilungen müssen überdacht werden. Z.B. ist es in Zeiten des beliebig vervielfältigbaren Textes mittelfristig nicht mehr sinnvoll, wissenschaftliche Texte über ein gegenüber neuen „Lesetechniken“ wie maschine reading oder Anforderungen des semantic web weitgehend hermetisches Verlagssystem zu publizieren. Voraussetzung für Änderungen ist hier, dass es gelingt, die wissenschaftlichen Qualitätssicherungs- und Distributionssysteme neu auszurichten und dass Universitäten und Autoren die Kontrolle über ihre wissenschaftlichen Publikationen wieder stärker selbst in die Hand nehmen.

Bibliotheken sind Orte, an denen das Geschriebene, sei es analog oder elektronisch, zuverlässig als ein öffentliches, allen gemeinsames Gut für die Nachwelt gesichert wird, wo, unbeeinträchtigt von kommerziellen Interessen der freie Zugang über eigene Suchsysteme gewährleistet ist und wo in qualitativer Auswahl erworben wird. Allerdings sind Bücher nicht länger nur mehr materielle Gegenstände, die in Magazinen aufbewahrt werden, sondern in elektronischer Form miteinander semantisch vernetzte, an jedem Ort der Welt verfügbare, eben maschinenlesbare Texte, denen immer weniger ein end-user, sondern, wie McCarty es formulierte, ein end-maker gegenübersteht. Dieserart gewobene Texte bilden perspektivisch eine neue, eine digitale Bibliothek, die der analogen zur Seite tritt.

Dr. Thomas Stäcker ist Leiter der Abteilung „Neuere Medien, Digitale Bibliotheken“ und seit 2009 Stellvertretender Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt dabei unter anderem in der Akquise und Betreuung von Digitalisierungs- und Erschließungsprojekten. Er studierte Philosophie, Latinistik und deutsche Literaturwissenschaft und promovierte 1994 am Fachbereich Kultur- und Geowissenschaften der Universität Osnabrück.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/304

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Linkdossier (2): Kathedralen des Wissens – Bibliotheken im Internetzeitalter

Interessante Ansätze, wie mit Bibliotheken in Zukunft umgegangen werden kann, bietet unsere zweite Ausgabe des Linksdossiers. Dieses Mal gibt es nicht immer ernst gemeinte Vorschläge, wie eine Bibliothek zu organisieren ist. Über weitere erheiternde Vorschläge für die Bibliotheken der Zukunft sind wir wie immer dankbar.

Wie man eine öffentliche Bibliothek organisiert
Ein über 20 Jahre alter Text, der noch heute funktioniert und zu einem Klassiker geworden ist. Umberto Eco darüber, wie eine öffentliche Bibliothek zu organisieren ist:

“1. Die Kataloge müssen so weit wie möglich aufgeteilt sein; es muß sehr viel Sorgfalt
darauf verwandt werden, den Katalog der Bücher von dem der Zeitschriften zu trennen
und den der Zeitschriften vom Schlagwort- oder Sachkatalog, desgleichen den Katalog
der neuerworbenen Bücher von dem der älteren Bestände. Nach Möglichkeit sollte die
Orthographie in den beiden Bücherkatalogen (Neuerwerbungen und alter Bestand)
verschieden sein: beispielsweise Begriffe wie “Code” in dem einen mit C, in dem anderen
mit K oder Namen wie Tschaikowski bei Neuerwerbungen mit einem C, bei den anderen
mal mit Ch, mal mit Tch.”

“Bibliothekslatein” oder Umberto Eco 2.0
Auf Eco aufbauend hat Dr. Oliver Obst in seinem Blog die Regeln ins Internetzeitalter verschoben:

“1.
Der Bibliothekar muß den Benutzer als dumm betrachten, informationsinkompetent, RSS-unwissend, ein Nichtstuer (andernfalls säße er an der Arbeit) und YouTube-Süchtiger.”

Auf ins Lesefreudenhaus
In der Zeit berichtet Pia Volk darüber, dass die Menschen nicht mehr in die Bibliotheken kommen, weil sie Bücher brauchen:

»Die Menschen kommen zu uns, um sich den Kopf wieder frei zu machen«, sagt Bürger. Was paradox klingt.

Bibflirt.de
Bibliotheken dienen nicht immer nur der Wissens-, sondern manchmal auch der Partnervermittlung. Auf Bibflirt.de können ganz Schüchterne anonym ihr Herz zum Beispiel so ausschütten:

“An den Zuckerjungen von der Ausleihe, der uns Mädchen in senem himmelblauen Hoodie verzaubert! Wir wollen, dass du weißt, dass dein verträumtes Lächeln der einzige Grund für uns ist, Tag für Tag die Bibliothek zu betreten! Danke <3″

Library turns to pole dancing to entice new readers
Auch eine Möglichkeit, potentielle Leser*innen anzusprechen: die Bibliothek einfach Zweck entfremden, das soll laut Guardian in Schottland passieren. Am 2. Februar, dem “Love Your Library Day”, wird die Bibliothek in eine Poledance-Klasse verwandelt. Daneben soll mit Büchern statt mit Schlägern Tischtennis gespielt werden. Die Motivation dahinter:

“Love Your Library Day is a marvellous opportunity for us all to celebrate the hugely important role libraries play in the heart of our local community.”

Quelle: http://gid.hypotheses.org/268

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Video | Keynote Address by Elias Khoury at the “Inverted Worlds” Congress

The Inverted Worlds – Congress on Cultural Motion in the Arab Region was held in October 2012 by the Orient Institut Beirut and focussed on exploring arenas and manifestations of cultural change effective in the eventful and disruptive outbursts of the Arab spring. The Keynote Address was given by the journalist, literary critic, novelist and dramaturge Elias Khoury. Khoury was born in Beirut in 1948 and studied history and sociology at the Lebanese University in Beirut and in Paris.

He supported the interests and rights of Palestinians and worked at the PLO Research Center in Beirut in the 1970s and published Shu’un filastiniya (Palestinian Affairs) together with the Palestinian lyric poet Mahmud Darwish. In 1979, as editor for literature, he switched to the daily paper As-Safir, where he worked until 1991. Since 1992 Khoury has been publisher and editor-in-chief of the culture and literary supplement to Beirut’s daily paper An-Nahar.

Elias Khoury
(Suz, CC BY-SA 2.0)

Elias Khoury is considered one of the leading contemporary Arabic intellectuals and writers. His literary work includes eight novels, including al-Jabal al-Saghir (1977), Rahlat Gandhi al-Saghir (1991), and Abwab al-Madinah (1993). The novel The Kingdom of Strangers (1996) shows the Lebanese capital as the scene of warring historical and political powers, as the scene of the Israeli-Lebanese war, which breaks apart at the seams of its various ethic groups, languages, and religions during the civil war.

His novel Bab Al-Shams (1998) was translated into Hebrew and received the Palestine Prize. It was named Best Book of the Year by Le Monde Diplomatique, The Christian Science Monitor, and The San Francisco Chronicle, and a Notable Book by The New York Times and The Kansas City Star. A novel was thereby honoured that told of the Palestinian exodus and the life of the Palestinian refugees in the Lebanese camps. In 2004 the novel was turned into a film by Yousry Nasrallah.

Khoury’s novels have been translated into numerous languages. His recently released As Though She Were Sleeping was shortlisted for the Guardian’s 2011 Book of the Year. He also is the author of numerous plays, which have been performed, among other places, in Beirut, Cairo, Paris, and Vienna. Since 2001, Elias Khoury is global distinguished professor at New York University (NYU), and since 2011 he is the editor of the Journal of Palestine Studies.

During his Keynote at the Inverted Worlds Congress, Khoury made the point that the Arab Revolutions are still in the forming and that the Arab World is in the midst of a change, what oblies people like him to be humble. The Keynote Adress was filmed and can be watched here:

Congress “Inverted Worlds”: Keynote Address by Elias Khoury, October 4, 2012 from maxweberstiftung on Vimeo.

Quelle: http://oib.hypotheses.org/155

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Dan Diner stellt die „Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur“ am DHI Warschau vor

Prof. Dr. Dan Diner bei der Vorstellung der Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur. Prof. Dr. Dan Diner (Leipzig) war am 15. Oktober 2012 im DHI Warschau zu Gast und stellte in einer Abendveranstaltung die ersten zwei erschienenen Bände der insgesamt siebenbändigen Ausgabe der „Enzyklopädie jüdischer Geschichte und Kultur“ vor. Dieses Editionsvorhaben ist Teil des seit 2007 an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig durchgeführten Forschungsprojekts „Europäische Traditionen–Enzyklopädie jüdischer Kulturen“. Der Herausgeber stellte die Grundlinien und Arbeitsprinzipien der Enzyklopädie vor, an der über 500 renommierte internationale Fachwissenschaftler und Fachwissenschaftlerinnen mitarbeiten. Herr Diner führte aus, dass der in dem Lexikon präsentierte enzyklopädische Kanon Ausdruck einer komplexen Konfiguration dreier ineinander verschränkter Perspektiven sei: Zum einen gehe es um die Innensicht der jüdischen Selbstverständigung; ferner um die Außensicht, die mithilfe von wissenschaftlichen Disziplinen auf das jüdische Thema gelenkt werde und letztlich um die Perspektive der universellen Bedeutung jüdischer Existenzerfahrung, die genau genommen über Juden und Judentum hinausweise. Ferner unterstrich er, dass es sich bei dieser Enzyklopädie um ein originäres Werk handele und in ihr keine früheren Enzyklopädien fortgeschrieben würden, obgleich sie zweifelsohne von der Tradition der jüdischen Enzyklopädiekultur beeinflusst sei. Das vorgestellte Werk beschränke sich auf ca. 800 Artikel, wobei es  Schlüsselartikel, Dach- und Einzelartikel gebe. Die Liste der Lemmata sowie die inhaltlichen Zielvorgaben für die Artikel wurden innerhalb des o.g. Akademieprojekts unter der Leitung des Herausgebers erarbeitet. Nach der äußerst anregenden Projektvorstellung erläuterte Prof. Diner detailliert die Zusammenarbeit zwischen Herausgeber und Autoren und beantwortete zahlreiche interessierte Fragen.    

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1810

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DHI Warschau veröffentlicht einzigartige Quellenedition zum Warschauer Ghetto

Gemeinsam mit dem Jüdischen Historischen Institut und der Generaldirektion der polnischen Staatsarchive hat das Deutsche Historische Institut Warschau eine einzigartige Quellenedition veröffentlicht. Mit der Edition wird das Alltagsleben der jüdischen Bevölkerung im Warschauer Ghetto in den Jahren 1939-1943 dokumentiert. Die Publikation, die ursprünglich in Form zweier umfangreicher gedruckter Bände geplant war und von dem im Jahre 2008 verstorbenen Direktor des Archivs der Stadt Warschau Józef Kazimierski vorbereitet wurde, besteht aus einem Buch, das die Einleitungstexte sowie die Titel und Nummern der Quellenbestände beinhaltet sowie einer CD, auf der die eigentlichen Quellen zugänglich sind.

Warschauer Ghetto, o.J.

Warschauer Ghetto, o.J.
Archiv des Jüdischen Historischen Instituts Warschau

Die erstmals veröffentlichten Dokumente umfassen die administrative Berichterstattung sowohl der deutschen Zivilverwaltung des Distrikts Warschau als auch des Judenrates innerhalb des Ghettos aus den Jahren 1939-1943. So finden sich hier u. a. wöchentliche, monatliche Berichte, Tabellen und numerische Zusammenstellungen über die Wohnsituation im Ghetto, über das jüdische Bildungswesen, Zwangsarbeit, Sterblichkeit in Krankenhäusern, die Epidemien oder die Beschlagnahme jüdischen Besitzes im Ghetto. Die Autoren sind sowohl deutsche Beamte als auch Mitglieder des Judenrates. Die Dokumente sind eine Fundgrube an Informationen über das alltägliche Funktionieren des Ghettos und über die deutsche Besatzungswirtschaft im Distrikt Warschau sowohl für den professionellen Historiker wie für den interessierten Laien, der mehr über das Alltagsleben im besetzten Warschau zu erfahren sucht. Zugleich verbirgt sich hinter den „trockenen“ statistischen Daten z.B. über die Ernährungsrationen, die konfiszierte Kinderbekleidung oder über die Zahlen der an Typhus gestorbenen Kranken das Ausmaß des Elends, dem die jüdische Bevölkerung in jener Zeit ausgesetzt wurde.

Ludność żydowska w Warszawie w latach 1939-1943. Życie-Walka-Zagłada. Bearbeitet von Józef Kazimierski, unter Mitarbeit von Jan Grabowski, Marta Jaszczyńska, Danuta Skorwider, Warschau 2012, 60 zł, ISBN 978-83-7181-303-0

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1818

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Wie die Armut reduzieren? Eine neu begründete transregionale Forschergruppe erforscht die indische Bildungspolitik

Für das Deutsche Historische Institut London beginnt das Jahr 2013 mit einer großen Aufgabe. In den nächsten fünf Jahren wird der Direktor des Londoner Instituts, Andreas Gestrich, Leiter einer transregionalen Forschungsgruppe in Neu-Delhi. In Kooperation mit dem King’s India Institute am King’s College in London und dem Centre for Modern Indian Studies (CEMIS) der Universität Göttingen soll zur Sozial- und Bildungspolitik in Indien seit dem 19. Jahrhundert geforscht werden. Das Thema des Projekts ‘Poverty Reduction and Policy for the Poor between the State and Private Actors’ wird dabei in sieben Forschungsbereiche aufgeteilt, die wir hier vorstellen.

waterdotorg | Flickr | CC BY-NC-SA 2.0

Wozu arbeitet die Transregionale Forschergruppe?

Trotz der Geschwindigkeit seiner wirtschaftlichen Entwicklung bleibt Indien weltweit das Land mit den meisten Armen. Die Forschergruppe wird sich auf einen Aspekt der Armutsverringerung konzentrieren und vor allem zu Erziehungs- und Schulpolitik arbeiten. Ebenso wie Ernährung, Wohnen und Gesundheitsversorgung ist Bildung ein zentraler Politikbereich im Kampf gegen Armut. Die schnellen gegenwärtigen Änderungen im indischen Bildungssystem und neue privatwirtschaftliche Akteure machen das Thema zum vielversprechenden Gegenstand interdisziplinärer Forschung. Die von der Max Weber Stiftung finanzierte transregionale Forschungsgruppe versammelt weltweite Expertinnen und Experten aus Geschichtswissenschaft, Erziehungs- und Sozialwissenschaften, insbesondere aus Indien, Großbritannien und Deutschland. Sie ermutigt – bei Konzentration auf Indien – zum vergleichenden Arbeiten und wird sich mit vergleichbaren Projekten fortwährend austauschen.

1. “Nineteenth- and twentieth-century global educational reform movements and their impact on universal schooling in India”

Bereits Mitte des 19. Jahrhunderts gab es neben den bekannten christlichen Missionen, sowohl von Kolonialmächten als auch von einheimischen Pädagogen und Intellektuellen, Anstrengungen zum Ausbau der Bildungsmöglichkeiten. In der Zwischenkriegszeit nahmen diese Anstrengungen, beeinflusst durch die beginnende indische Unabhängigkeitsbewegung und die europäischen und US-amerikanischen Bildungsreformbewegungen, deutlich zu. Zu dieser Entwicklung gehört auch die enge Verbindung Indiens mit dem New Education Fellowship, einem internationalen Netzwerk von Reformpädagogen. Das Netzwerk wurde 1921 gegründet und ist von Beginn an sehr mit Indien und insbesondere mit dem bengalischen Nobelpreisträger und Bildungsreformer Rabindranath Tagore verbunden. Am DHI London beschäftigt sich Valeska Huber in ihrer Habilitationsschrift ‘”The Great Plan for Mass Education”: Colonial and Postcolonial Experiments with Education in the Twentieth Century’ neben einem starken Fokus auf Afrika auch mit Indien.

Die Vielfältigkeit der indischen Kasten, Stämme und Regionen stellt eine Herausforderung für homogene Vorstellungen dessen, was ein gebildetes Kind ausmacht, dar. Der Veränderung dieser Vorstellung – betrachtet vor dem Hintergrund der historischen Verbreitung schulischer Bildung – kann hierbei eine besondere Bedeutung bei zukünftigen Forschungsarbeiten zukommen, einen wichtigen Beitrag leistet dabei die Arbeit des Forschergruppenmitglieds Sarada Balgopalan. Daneben ist zudem geplant, die Arbeit von indischen Intellektuellen und Pädagogen im 19. Jahrhundert – wie beispielsweise Romesh Chunder Dutt – zu untersuchen (Benedikt Stuchtey), aber auch die sich wandelnden Konzepte des “gebildeten Kindes” in den europäischen Schulreformen mit einzubeziehen.

2. “The quest for universal elementary/school education, the private sector and edu-business
Die Einführung einer Schulpflicht und die Ausweitung von Ausbildungsangeboten wurden in den letzten Jahren durch die UNESCO und deren Bildungsprogramm EFA (Education for all) weiter vorangetrieben. Das Ziel von EFA ist es, bis 2015 allen Kindern den kostenfreien Schulbesuch zu ermöglichen. Tatsächlich gibt es in diesem Bereich allerdings kaum Fortschritte und die Zahl der Kinder, die eine Schule besuchen, fällt eher, als dass sie steigt. Private Träger gewinnen im Bereich der Ausbildung der Armen an Bedeutung, zum Teil, weil viele Länder nicht in der Lage sind, die notwendige Infrastruktur zur Verfügung zu stellen und die Schulpflicht einzuführen. Allerdings gibt es wegen der möglichen Gewinne, die ein ‘low cost’-Schulbesuch für die Armen bietet, ein wachsendes Interesse an Bildungsmärkten. In diesem Kontext steht dabei zudem die “Liberalisierung” des Bildungsmarktes in Europa, den USA und auch in den Entwicklungsländern.

Internationale Unternehmen und lokale non state actors bauen transnationale Befürworter-Netzwerke und Organisationsstrukturen auf und verfolgen dabei eine Strategie, in Bildung zu investieren, die nicht frei von kommerziellen Interessen ist und mit anderen Sparten ihres Unternehmens in vielen Gebieten verknüpft bleibt. Diese Trends haben erhebliche Auswirkungen auf das Recht auf Bildung für alle Kinder – besonders wenn sie zu den gesellschaftlichen Randgruppen gehören – und die Rolle des Staates, wenn non state actors diese Trends realisieren. Diese Problematik hat erst vor kurzem das Interesse einer kritischen Forschung der Geschichtswissenschaft und der Bildungssoziogie geweckt. Eine Studie, die zu diesem Thema in einem geschichtlichen Kontext forschen soll, da die Verbreitung von Bildungseinrichtungen von Nicht-Regierungsorganisationen (Sozialreformer, religiöse Gruppen) auch in Indien eine lange Tradition hat, wird von der Transregionalen Forschergruppe gefördert. Dabei können die Forscherinnen und Forscher auf die Expertise von Professor Geetha B. Nambissan zurückgreifen, die bereits auf diesem Gebiet und über die Schulpolitik in Indien geforscht hat.

3. “Caste discrimination and education policy
Ein erster Versuch der “sozialen” Gesetzgebung in Britisch-Indien befasste sich mit dem Versuch Bildung für die verarmten “unteren” Kasten anzubieten. Dieses Gesetz wurde selten umgesetzt, da man sich protestierenden Eliten gegenübersah, die nicht wollten, dass ihre Kinder Kontakt mit gesellschaftlich Niederstehenden hatten. Dennoch spielte das Gesetz eine entscheidende Rolle als historische Vorlage: es wird heute als unstrittige Verantwortlichkeit der Regierung gesehen, niederen Kasten den Zugang zu staatlich finanzierter Bildung zu ermöglichen. Dabei stellt sich die Frage, welche Denkweisen dazu geführt haben, dass Entscheidungsträger Bildung als zentralen Punkt in der Führung der Armen der unteren Kasten erachten. Dieses Forschungsprojekt soll den massiven Anstieg der Popularität dieser Strategien im postkolonialen Indien untersuchen.

Abgesehen von den deutlichen Veränderungen in den Regierungsformen, haben die Strategien nicht nur Bestand, sondern auch an Bedeutung gewonnen. Können die Auswirkungen dieser Strategien in Zusammenhang mit den erfolgreichen Bestrebungen von Bewegungen der niederen Kasten, innerhalb der letzten zwei Jahrzehnten politische Macht zu erlangen, gesetzt werden? Und wie wirken sich die sozialen Folgen dieser Politik im Kontext eines zunehmend privatisierten Bildungsbereiches aus? Dieses Projekt ist eng verbunden mit dem Forschungsschwerpunkt der Sozialgeschichte der untergeordneten Kasten von Prof. Viswanath, die an der Universität Göttingen am Centre for Modern Indian Studies lehrt.

4. “Industrial restructuring, informalization, and their consequences for access to elementary education”
Die Ursprünge der Probleme Indiens, die Schulpflicht einzuführen und die berufliche Ausbildung sowie die Erwachsenenbildung weiter zu verbreiten, stehen in Zusammenhang mit strukturellen Änderungen im indischen Arbeitsmarkt. Die Liberalisierung des Arbeitsmarktes und Arbeitsschutz führten zu einem tiefgreifenden Anstieg von lockeren, unsicheren und weitestgehend kurzfristigen Beschäftigungsverhältnissen. Während ältere industrielle Zweige mit entwickelten sozialen und bildungserzieherischen Einrichtungen seit den 1980ern abnahmen, bildeten sich an neuen Orten sehr beträchtliche Industriekonglomerate und Belegschaften heraus.

Die Auswirkung dieser Veränderungen in Bezug auf die Bildungseinrichtungen auf der einen Seite und, auf der anderen Seite, auf die familiären Finanzen, die Chancen für langfristige Planungen und Investition in die Bildung von Kindern werden im Rahmen des Arbeitskreises untersucht. Diese Untersuchung wird unterstützt durch bereits laufende Forschungen zu Arbeit und industrieller Restrukturierung in den alten Zentren der Textilindustrie Ahmedabad (Rukmini Barua), Bombay (Dr. Aditya Sarkar) und Kalkutta (Anna Sailer) am Centre for Modern Indian Studies in Göttingen.

5. “Adult education and the popularisation of practical scientific knowledge
Ein weiteres Gebiet im Bereich von Bildung und Erziehung ist die Weitergabe von Wissen an Erwachsene. In diesem Kontext erlangt die Popularisierung von Wissen und Wissenschaft eine besondere Bedeutung – nicht zuletzt in ländlichen Gebieten. Die Herausforderung (westliches) Wissen weiter zu vermitteln war bereits Thema einer Session während der Tagung ‘Knowledge Production, Pedagogy, and Institutions in Colonial India‘ des DHI London. Auf Basis der Ergebnisse dieser Session soll das Thema im Kontext des postkolonialen Zeitraums weiterverfolgt werden.

Die Weitergabe von wissenschaftlicher Erkenntnis an ländliche Gebiete im kolonialen und postkolonialen Zeitraum steht dabei im Vordergrund, so soll ein Beitrag zur Entwicklung der Infrastrukturen von Wissen geleistet werden. Bildung im Kontext von internationaler Entwicklungszusammenarbeit in Bereichen wie z.B. der Landwirtschaft könnten hier eine Rolle spielen. Das Thema hat außerdem ein hohes Potential für transnationale Vergleiche.

6. “Industrial and technical institutions and the resignification of manual labour
Es ist mittlerweile bekannt, dass Missionaren eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Elite-Bildungseinrichtungen westlicher Prägung, aus denen die Gründungsväter des postkolonialen Staates hervorgingen, zukam. Weit weniger bekannt ist, dass die Missionare in Wirklichkeit eine Hierarchie der Schulen einführten, von denen einige denjenigen zugedacht waren, die als ungeeignet für den englisch-basierten, buchzentrierten, “richtigen” Unterricht erachtet wurden. Während diese “Armen-” oder “Industrieschulen” auf Modellen beruhten, die zuerst in der Metropole erprobt wurden, waren sie in Indien dazu gedacht, die Bedeutung der Handarbeit zu verändern. Es wurde angenommen, dass dies von den traditionellen Eliten als Beeinträchtigung des indischen Wirtschaftswachstums abgewertet wurde.

Die Forschung in diesem wenig durchdrungenem Gebiet soll den Umfang dieser Art von Ausbildung – finanziell und ideologisch – sowohl unter den kolonialen als auch den postkolonialen Regierungen untersuchen. Zudem stellt sich die Frage, ob, wie und mit welchen Auswirkungen neue Werte tatsächlich mit den spezifischen Fähigkeiten der Armen verknüpft wurden. Die koloniale Verbreitung der schulischen Ausbildung war auch untrennbar mit der Resignifikation der Kasten-Unterschiede durch Beeinflussung z.B. des Curriculums, von Schulzeiten und der Pädagogik innerhalb der Schule verbunden mit dem erklärten Ziel, dass Kinder der unteren Kasten kein Leben außerhalb der Handarbeit anstreben sollten.

7. “The impact of schooling on life-histories
Die Auswirkung schulischer Bildung auf Biographien hat sich zu einem wichtigen Thema innerhalb von Autobiographien und Biographien der niederen Kasten und der Dalits entwickelt. Die Rolle, die Kasten-Verbände bei der Förderung der Bildung dieser Gemeinschaften spielen, ist innerhalb der Regierungspolitik in Bezug auf das erweiterte Feld der Bildungsgeschichte in Indien weder adäquat anerkannt, noch diskutiert worden. Bildung spielt außerdem eine wichtige Rolle beim Aufbau von Lebenswegen in europäischen Autobiographien von Menschen aus einem prekären Hintergrund.

Am DHI London untersucht derzeit ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Arts and Humanities Research Council gefördertes Projekt “pauper narratives “. Dieses Projekt wird interessante vergleichende Perspektiven der ambivalenten Schulerfahrungen armer Kinder in Europa und zudem methodologische Expertise beisteuern. Zeitgleich ist das DHI London an biographischem Schreiben und Erzählungen, die in einem kolonialen Kontext stehen, interessiert. Das Institut hat dazu bereits im Frühjahr 2012 eine Konferenz veranstaltet.

Über die Transregionale Forschergruppe “Poverty Reduction and Policy for the Poor between the State and Private Actors: Education Policy in India since the Nineteenth Century”

Die transnationale Forschergruppe wird von der Max Weber Stiftung finanziert und vom Deutschen Historischen Institut London geleitet. Das DHI London kooperiert dabei mit  Centre for Historical Studies und dem Zakir Husain Centre for Educational Studies der Jawaharlal Nehru University, Neu-Delhi, dem Centre for the Study of Developing Societies, Neu-Delhi, dem Centre for Modern Indian Studies, Universität Göttingen und dem King’s India Institute, King’s College London.

Projektleiter sind Prof. Ravi Ahuja  (Moderne Indische Geschichte, Göttingen), Dr. Sarada Balagopalan (Soziologie, Neu-Delhi), Prof. Neeladri Bhattacharya  (Moderne indische Geschichte, Neu-Delhi), Prof. Andreas Gestrich (Moderne europäische Geschichte, London), Dr. Valeska Huber (Moderne europäische Geschichte und Geschichte des Mittleren Ostens, London), Prof. Sunil Khilnani (Politikwissenschaft, London), Prof. Janaki Nair (Moderne indische Geschichte, Neu-Delhi), Prof. Geetha B. Nambissan (Erziehungssoziologie, Neu-Delhi), Dr. Jahnavi Phalkey (Wissenschafts- und Technikgeschichte, London), Dr. Indra Sengupta (Moderne indische Geschichte, London), Dr. Silke Strickrodt (Moderne afrikanische Geschichte, London), Prof. Benedikt Stuchtey (Moderne europäische Geschichte, London), Dr. Louise Tillin (Politikwissenschaft und Developmental Studies, London), Prof. Rupa Viswanath (Religionswissenschaft, Göttingen).

Quelle: http://mws.hypotheses.org/1555

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Linkdossier zur Geschichtspolitik

Deutungen der Vergangenheit sind immer auch ein Politikum. In unseren Linktipps zur Veranstaltung Umkämpfte Erinnerung. Wie mit Geschichte Politik gemacht wird möchten wir unterschiedliche Einschätzungen und Meinungen zur Geschichtspolitik zeigen. Die Linkliste wird sukzessive erweitert. Für Hinweise sind wir immer dankbar!

Politik mit Geschichte – Geschichtspolitik?

Peter Steinbach, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Mannheim und Wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Deutscher Widerstand in Berlin, hat sich 2008 für die Bundeszentrale für politische Bildung mit Geschichtspolitik beschäftigt und kommt zu dem Schluss:

“Geschichtspolitik lässt sich nicht abschaffen. Aber sie lässt sich durchdringen und durchschauen.”

Die Erfindung der Vergangenheit

Der kürzlich verstorbene Historiker Eric Hobsbawm stellte 1994 in der Zeit fest:

“Mythen und Erfindungen sind für eine Politik der Identität entscheidend, mit der heute Völkergruppen, indem sie sich nach Ethnien, Religion oder nach neuen oder alten Staatsgrenzen definieren, in einer unsicheren und wankenden Welt Sicherheit mit der Aussage zu gewinnen hoffen: ‘Wir sind anders und besser als die anderen.’”

Geschichtspolitik als politisches Handlungsfeld

Berthold Molden, derzeit visiting professor an der University of New Orleans (Marshall Plan Chair), analysierte den Begriff Geschichtspolitik 2011 für die österreiche Zeitschrift Bildpunkt, online auf linksnet.de abrufbar:

“Politische Ideologien aller Art haben sich stets, wenn auch in höchst unterschiedlicher Weise, auf Geschichte berufen, um ihre jeweiligen Zukunftsentwürfe zu rechtfertigen. Somit kann Geschichtspolitik verstanden werden als jedwedes politische Handeln, das sich auf historische Argumente stützt oder die Deutung und Repräsentation von Geschichte zu beeinflussen versucht.”

Griff nach der Deutungsmacht. Zur Geschichte der Geschichtspolitik in Deutschland

2004 veröffentlichte Heinrich August Winkler den Sammelband zur Geschichtspolitik. Zehn Historiker beschäftigen sich in diesem mit der Geschichtspolitik in Deutschland seit 1848. Rezensionen zum viel diskutierten Band lassen sich auf HSoz-Kult, Sehepunkte, Cicero, FAZ-Online und Zeit-Online finden.

Was ist Geschichtspolitik?

Der Arbeitskreis “Geschichte und Politik” der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft stellt seine Sitzungsprotokolle online zur Verfügung und hat sich Folgendes zum Ziel gesetzt:

“Neben dem praktischen Anliegen, der wissenschaftlichen Arbeit ein Forum zu bieten, zielt der Arbeitskreis zugleich auf den Öffentlichkeitsaspekt. Da Interpretationen von Geschichte schon immer zum politischen Geschäft gehörten, ist es notwendig, sie unter diesem Gesichtspunkt auch zu untersuchen und auf diese Weise im Rahmen des gesellschaftlichen Diskurses Stellung zu beziehen.

Primat der Politik versus Primat der Gesellschaft

Bei der internationalen Tagung Deutsche Zeitgeschichte nach 1945. Stand der Forschung aus westeuropäischer Sicht im November 2010 diskutierten Lutz Klinkhammer, Gustavo Corni, Jay Rowell und Ulrich Herbert über das Verhältnis zwischen dem Primat der Politik und dem Primat der Gesellschaft und nahmen eine Standortbestimmung vor. Die Diskussion ist als mp3-Datei kostenlos bei perspectivia.net abrufbar.

Deutsche Erinnerungsorte

Auf facebook wurden wir von Jutta Abu-Obed auf die Deutschen Erinnerungsorte von Étienne François und Hagen Schulze aufmerksam gemacht. Das dreibändige Werk vertritt den Ansatz, mit insgesamt 120 Beiträgen den Fokus auf Rezeption und Wirkung geschichtlicher Vorgänge anstelle der Darstellung von Abläufen zu legen. Unter den Autoren der Beiträge finden sich größtenteils Historiker, durch die Mitarbeit von Germanisten, Publizisten, Volkskundlern und Politologen erschließen sich aber auch andere Blickwinkel auf die Deutschen Erinnerungsorte. Der Beck-Verlag stellt mit Arnold Eschs Ein Kampf um Rom, Gérald Chaix’ Die Reformation und Rudolf Vierhaus’ Die Brüder Humbold Leseproben aus allen Bänden online zur Verfügung. Auf zeitgeschichte-online.de lässt sich überdies noch der Beitrag von Jürgen Danyel Der 20. Juli finden.

Rezensionen zu den Bänden sind auf HSoz-Kult (Bd. I), HSoz-Kult (Bd. II), HSoz-Kult (Bd. III), Sehepunkte (Włodzimierz Borodziej), Sehepunkte (Christoph Cornelißen), BZ-Online und archiv.iwm.at erschienen. Für den Online-Auftritt des Instituts für Geschichte der Universität Oldenburg erklärte Mareike Witkowski 2009 “Was ist ein Erinnerungsort?” und auf dradio.de findet sich ein verschriftlichter Radiobeitrag, der auch Étienne François zu Wort kommen lässt.

Generationen und Gedächtnis

Ebenfalls bei der Tagung Deutsche Zeitgeschichte nach 1945. Stand der Forschung aus westeuropäischer Sicht abgehaltene Diskussion zwischen Andreas Gestrich, Mark Roseman, Georgi Verbeeck, Dorothee Wierling zum Thema Generation und Gedächtnis. Roseman konstatierte z.B., dass nicht nur über der intensiven Beschäftigung mit dem Holocaust Kriegsfolgen aus dem Blickfeld geraten seien, auch habe das laute Auftreten der 68er-Generation dazu geführt, normative Forderungen an die Erinnerungskultur zu stellen, die mit einer authentischen Erinnerung nicht viel gemein gehabt hätten. Der Tagungsbericht lässt sich auf HSoz-Kult abrufen, die mp3-Datei der Diskussion auf Perspectivia.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/87

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Gesamtüberblick Videos/Abstracts

Nach und nach gingen in den letzten Wochen die Abstracts und Videomitschnitte unserer Tagung ‘Max Weber in der Welt’ online.

Alle Videos und Abstracts sind hier noch einmal zusammengefasst.

Begrüßung

 

1. Die internationale Weber-Rezeption in der Vergangenheit
/ Die Rezeption Max Webers durch die Welt
Warschau: Die Reaktion polnischer Intellektueller auf Max Webers Polenschriften
Referentin: Marta Bucholc (Universität Warschau)
Abstract

 

Moskau: Die Rezeption der Russlandstudien im Kreis der russischen Intelligenz
Referent: Dittmar Dahlmann (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)

 

Tokio: Japanische Kontroversen über Max Webers »Protestantische Ethik«
Referent: Wolfgang Schwentker (Osaka University)
Abstract

 

Istanbul: Die Rezeption Max Webers in der republikanischen Türkei
Referent: Alexandre Toumarkine (Orient-Institut Istanbul)
Abstract

 

Diskussion

 

2. Max Webers Rezeption der Welt
Rom: Der Romaufenthalt (1901–1903) und Max Webers Verhältnis zum Katholizismus
Referent: Peter Hersche (Universität Bern)
Abstract

 

Paris: Max Weber und die »Philosophie de l’art« von Hippolyte Taine
Referent: Francesco Ghia (Università degli Studi di Trento)
Abstract

 

Washington: Max Weber und die USA
Referent: Lawrence A. Scaff (Wayne State University, Detroit)
Abstract

 

London: Max Weber and the World of Empire
Referent: Sam Whimster (London Metropolitan University und Käte Hamburger-Kolleg »Recht als Kultur«)
Abstract

 

Paris: Der »Soziologe« und der Krieg. Max Weber 1914–1920
Referent: Hinnerk Bruhns (Centre de recherches historiques, CNRS / EHESS, Paris)
Abstract

 

3. Die internationale Weber-Rezeption in der Gegenwart / Die Rezeption Max Webers durch die Welt
Max Weber weltweit. Zur Rezeption eines Klassikers in Zeiten des Umbruchs
Referentin: Edith Hanke (Bayerische Akademie der Wissenschaften, Max Weber-Gesamtausgabe, München)
Abstract
Internationale Tagung „Max Weber in der Welt“: Vortrag von Edith Hanke, 5. Juli 2012 from maxweberstiftung on Vimeo.

 

Beirut: Max Weber und die arabische Welt
Referent: Stefan Leder (Orient-Institut Beirut)

 

Kairo: Max Weber and the Revision of Secularism in Egypt: The Example of Abdelwahab Elmessiri
Referent: Haggag Ali (Academy of Arts, Egypt)
Abstract

 

Max Weber und die »universalgeschichtlichen Probleme«
Referent: Gangolf Hübinger (Europa-Universität Viadrina, Frankfurt/Oder)
Abstract

 

Abschlussvortrag

Quelle: http://maxweber.hypotheses.org/601

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Heinz Duchhardt: Geschichtspolitik als „Aushandlungsprozess“


Über alle Epochen hinweg und von politischen Systemen jedweder Couleur wird Geschichte nicht nur als „Argument“ (so der Titel und Schwerpunkt des Münchener Historikertags 1996), sondern auch als „Waffe“ (so der Titel eines Buchs von Edgar Wolfrum) instrumentalisiert.

Geschichtspolitik – ein vergleichsweise junger, anfangs durchaus polemisch gebrauchter Neologismus, der auf die mittleren 1980er Jahre zurückgeht – ist wenigstens in den „westlichen“ Demokratien freilich immer ein „Aushandlungsprozess“, in dem auch die Presse, die Wissenschaft und medialen Vermittler von „Geschichte“, ja, alle gesellschaftlichen Kräfte ihren Platz haben.

Die Tendenz, Geschichte zu instrumentalisieren, verstärkt sich in Zeiten von Krisen, Brüchen und in Phasen, in denen es um die Neukonturierung von Identitäten geht (und gehen muss). In Einzelfällen kann das zu weitgehend neuen Geschichtsbildern einer politischen Einheit führen.

Versuche, Museen zum Vermittler von staatlicher/überstaatlicher Geschichtspolitik zu machen, stoßen immer an ihre Grenzen – Paradebeispiel sind die mehrfachen Versuche, ein „Europäisches Museum“ mit einer entsprechenden „Botschaft“ aus der Taufe zu heben.

Versuche, sich über Parlamentsbeschlüsse oder die Jurisdiktion von einem bestimmten Geschichtsbild bzw. Teilen von ihm zu distanzieren (im Sinn einer perhorreszierenden Geschichtspolitik), sind problematisch.

Ein neues Phänomen sind die Bemühungen einer supranationalen Organisation wie der Europäischen Union, über ihre verschiedenen Rahmenprogramme geschichtspolitisch aktiv zu werden und eine Art europäische Identität zu evozieren und zu kreieren. Auf der anderen Seite der Skala gilt es, die Geschichtspolitik von politischen Einheiten unterhalb der Nationalstaatsebene – also z.B. Bayern – im Auge zu behalten.

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Prof. Dr. Dr. h. c. Heinz Duchhardt ist Präsident der Max Weber Stiftung – Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland. Von 1994 bis 2011 war er Direktor des Instituts für Europäische Geschichte in der Abteilung für Universalgeschichte. Seine Forschungsschwerpunkte sind die internationalen Beziehungen in der Vormoderne, die Verfassungs- und Sozialgeschichte des Alten Reiches und die europabezogene Grundlagenforschung. Er ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/63

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Umkämpfte Erinnerung – wie mit Geschichte Politik gemacht wird


Quelle: CC-BY-SA 3.0 Anteeru

Seit der Antike dient der Bezug auf die Vergangenheit dazu, die politische Ordnung zu stabilisieren und zu legitimieren. Von besonderer Bedeutung ist die Geschichtspolitik nach politischen Umbrüchen, also in Zeiten, in denen es um die Konstruktion neuer Identitäten geht. So wurde in Deutschland nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur sowie nach dem Epochenjahr 1989 über die Bildung von Identitäten gestritten. Die aktuellen Umwälzungen des Arabischen Frühlings sind ebenso beispielhaft. In pluralistischen Gesellschaften spielt sich dieser Streit in den Medien ab. Betroffene können reagieren, kritisieren, alternative Deutungen entfalten und durchsetzen. Die Vergangenheit ist mithin auf der Ebene der Gefühle, der Identität und der politischen Orientierungen höchst lebendig. Je nach Zeit und Kontext werden alte Mythen durch neue ersetzt. Debatten über Erinnerung, Schuld, Abrechnung und Bestrafung, über Vergessen und Vergeben erweisen sich dabei als geeignet, der Macht der Vergangenheit zu entkommen oder sich diese zu Diensten zu machen.

Geschichtspolitik zielt nicht nur auf das Bild von der Vergangenheit, sondern auch auf die Macht über Köpfe, auf Deutungshoheit und auf die Legitimation politischen Handelns. Sie kann zur Verschärfung von Konflikten beitragen, politische Gegner diskreditieren, aber auch das Fundament für eine gemeinsame Kultur der Verständigung schaffen. Die mitunter heftigen Auseinandersetzungen um Denkmäler, Museen und Gedenktage zeigen: Deutungen der Vergangenheit sind immer auch ein Politikum. Dass dabei mit Geschichte Politik und umgekehrt mit Politik Geschichte gemacht wird, wurde nicht zuletzt in der Diskussion um ein deutsches Freiheits- und Einheitsdenkmal deutlich. Zugleich werden Versuche, Geschichtsbilder mit staatsoffizieller Unterstützung zu erzeugen, durch gesellschaftliche Initiativen verändert, wie das “Haus der Geschichte” und auch das “Deutsche Historische Museum” zeigen.

Die Geschichte als politisches Instrument?

Wie wurde und wird Geschichte politisch instrumentalisiert? Wie stellt sich die Wechselwirkung zwischen Politik und Geschichte in Zeiten des Umbruchs dar? Was kennzeichnet den spezifisch politischen Umgang mit Geschichte in der Öffentlichkeit, der seit einiger Zeit als “Geschichtspolitik” bezeichnet wird? Wer schreibt und beeinflusst unser Geschichtsbild und wo liegen die Interessen und Motive der Akteure? Kann es überhaupt eine “allgemeinverbindliche” Geschichtserzählung als Orientierungspunkt geben? Welche Bedeutung hat öffentliches und kollektives Erinnern an Vergangenheit für das Selbstbild einer Gesellschaft und des Einzelnen? Gibt es ein “kollektives Gedächtnis”?

Zu einer Diskussion dieser und weiterer Fragen laden wir Sie am 30. November um 17 Uhr herzlich in die Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig ein.

Quelle: http://gid.hypotheses.org/46

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