Partizipation durch Standardisierung? Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation
Ausgehend von der These, dass ein wesentliches Merkmal von Archive 2.1 die Einbindung der Nutzer in das archivarische Kerngeschäft sei, beleuchtet der Referent Voraussetzungen, die ein Crowdsourcing-Management, dessen Ziele maßgebend von den Nutzern mitbestimmt werden, ermöglichen können.
Der „Archival Divide“ zwischen Historikern und Archivaren führte zu einem heute vielerorts anzutreffenden Unverständnis von archivischen Erschließungsgrundsätzen seitens der Historiker. So wird mitunter auch das Provenienzprinzip von Vertretern der Geschichtswissenschaft als nicht mehr zielführend kritisiert, da man als Nutzer „nach Themen, nicht nach Herkunftsstellen“ suche. Heute können Archivare diesem Defizit methodisch auf neue Weise begegnen.
In einer digitalen Welt sind es nicht mehr die Dinge, durch deren Anordnung erkennbare Ordnungssysteme entstehen, vielmehr entsteht Ordnung durch das Arrangement der den Dingen beigegebenen Metadaten. Gleichwohl behält der Archivar die Aufgabe, Transparenz, Kontexte und Authentizität der Quellen bei der Erschließung zu bewahren, indem er die dafür einsetzbaren Metadatensets vorgibt und standardisiert. Allerdings ist es ihm in einer digitalen Welt zudem möglich, Beziehungsgemeinschaften mehrerer Ebenen sichtbar zu machen, ohne durch die Betonung des einen Beziehungsstrangs den anderen auszublenden. Dabei kann es sinnvoll sein, den egoistischen Wunsch des Historikers, Themen, nicht Herkunftsstellen zu erkennen, ein Stückweit zu adaptieren. Ungeachtet der Notwendigkeit klassisch provenienzorientierter Erschließung kann der Blick auf für das Schriftgut entstehungsursächliche Funktionswahrnehmungen die sachbezogene Ausrichtung der Ordnung und Erschließung bei der Visualisierung von Erschließungsprodukten bedarfsgerecht in den Vordergrund rücken.
Die Ordnung oder Sortierung von Verzeichnungseinheiten auf der Grundlage ihrer Metadaten ist flexibel, wenn die Metadatensätze Flexibilität vorsehen. Um die Voraussetzungen dafür zu schaffen, zu einer vom einzelnen Nutzer vorzunehmenden Metadatenpriorisierung und nachfolgenden, auf das einzelne Nutzungsvorhaben zugeschnittenen Bestands- und Findmittelgenerierung zu gelangen, sind Erschließungsarbeiten in nicht unerheblichem Umfang zu leisten. Das digitale Metadatenmanagement bricht mit monohierarchischen Strukturen und strebt nach Ontologien. Die Archive geraten hier an die Grenzen ihrer Ressourcen und die Partizipation des emanzipierten Nutzers wird zur Notwendigkeit für moderne Erschließung, das Social Web 2.0 zur Plattform und zum Werkzeugkasten. Dabei spielen Standardisierungen eine wesentliche Rolle. Übergreifend genutzt und durch Metadaten arrangiert werden können nur solche Archivgutbeschreibungen, die sowohl inhaltlich als auch formal denselben Standards folgen.
Standardisierung durch Archivare und Partizipation qualifizierter und emanzipierter Nutzer werden somit zur Bedingung für ein Erschließungsmanagement, das die Einbindung externer Ressourcen ins Kerngeschäft eines Archivs zum Modell und perspektivisch zur Regel machen will.