Hartmut Kaelble bei Saisir l’Europe: „Hat das soziale Europa eine Zukunft?“

Im Rahmen der Konferenz „Herausforderung Europa“ des BMBF-Projekts Saisir l’Europe hat Prof. Dr. em. Hartmut Kaelble einen Vortrag zur Frage „Hat das soziale Europa eine Zukunft“ gehalten. Auf dem Blog des Porjekts ist jetzt ein Mitschnitt dieses Vortrags, zusammen mit einer Einleitung von Prof. Dr. Gabriele Metzler, zu sehen.

Quelle: https://gafprojekt.hypotheses.org/802

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Die vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung

Hilf uns, Esping-Andersen!

von Paul Morawski

Im Forschungsfeld Sozialpolitik droht fast dauerhaft die Gefahr, sich ob seines schieren Umfangs, seiner Verzweigungen und seiner Querverbindungen geradezu zu verirren. Aus diesem Grund sind Orientierungshilfen äußerst hilfreich und letztlich auch dringend notwendig.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat sich in einer Nachbardisziplin der Geschichtswissenschaften, in den Politikwissenschaften, besonders ein Wegweiser etabliert: die Wohlfahrtsstaatstypologie nach Esping-Andersen. Sie ist das vielleicht prominenteste Analysewerkzeug der sogenannten Vergleichenden Wohlfahrtstaatsforschung – Anwendung findet sie aber auch über die Disziplinengrenzen hinweg, etwa in den Geschichtswissenschaften. Grund genug, sich in diesem Blogbeitrag einmal näher mit ihr auseinanderzusetzen.

Bevor jedoch auf die genannte Typologie direkt eingegangen wird, soll zuerst das Feld der Vergleichenden Wohlfahrtsstaatsforschung kurz ausgeleuchtet werden.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/422

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Die Stadt als Beute – Hintergründe und Debatten um „Gentrifizierung“

von Tim Köhler

Ausgangsüberlegung

In den Off-Kinos deutscher Großstädte ist derzeit ein Dokumentarfilm zu sehen, der schon seinem Titel nach „Die Stadt als Beute“ auf höchst aktuelle Debatten zum Thema Stadtentwicklung, soziale Gerechtigkeit und der Frage danach, wem die heutige Stadt gehört, aufmacht. „Die Stadt als Beute“ ist ebenfalls der Titel eines Sachbuches aus dem Dietz-Verlag Bonn (1999), dass sich als kritischer Text mit Stadtumbau, Fragen von Kommerzialisierung, Stadtplanung und der Zukunft unserer Städte beschäftigt. Der Film ist keine Verfilmung des Buches, er greift aber zentrale Fragen daraus auf.

Der 80-minütige Debütfilm von Andreas Wilcke befasst sich als dokumentarische Langzeitbeobachtung (2010 bis 2014) mit dem stark beschleunigten Wandel des Berliner Wohnungsmarktes und erschien 2016. Autor, Kameramann und Produzent Wilcke porträtiert Wohnungsmieter und -Eigentümer, Immobilienmakler und -Investoren in Berlin. Die kritischen Positionen Wilckes werden im Film immer wieder deutlich. Zwar unkommentiert, aber deutlich nuanciert wählt er seine Bilder und lässt die Geschichte sich aus den Interviewpassagen mit den Protagonisten heraus entwickeln.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/430

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Sozialpolitik im Ersten Weltkrieg

von Ronja Hochstrat

 

Der Erste Weltkrieg wird häufig als „Schrittmacher“ der Sozialpolitik bezeichnet. Doch ist diese Zuschreibung überhaupt gerechtfertigt? Lassen sich eigentlich tiefgreifende Veränderungen in unseren vier Bereichen der Sozialpolitik finden? Und welche Akteure haben dabei eine wichtige Rolle gespielt? Kam es dabei zu einer Verschiebung der Kompetenzen?

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 schuf eine bislang unbekannte dramatische soziale Situation, die weite Teile der Gesellschaft erfasste. Auf die vielfältigen Probleme – zahlreiche Tote und Invaliden, Armut, Hunger, Inflation – hatte die staatliche Sozialpolitik keine Antwort.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/309

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Die Kriegsopferfürsorge in der Weimarer Republik – ein Vorbote des Wohlfahrtstaates?

von Juliane Hoheisel

Der Erste Weltkrieg forderte nicht nur Millionen von Menschenleben. Er hinterließ auch zahlreiche Schwerverletzte und eine große Anzahl an Witwen und Waisen. In Deutschland zählte man am Ende des Weltkriegs über drei Millionen Kriegsopfer – darunter fielen ca. 1,5 Millionen Kriegsbeschädigte und ca. 1,7 Millionen Kriegshinterbliebene. Der Begriff „Kriegsopfer“ – unter den sowohl Kriegsbeschädigte als auch Kriegshinterbliebene fallen – ist übrigens erst zur Zeit des Ersten Weltkriegs entstanden.

So standen viele Länder am Ende des Krieges vor der Aufgabe, Millionen von Kriegsopfern zu versorgen. Die Kriegsopferfürsorge, welche sich schon im Krieg herausbildete, musste gesetzlich festgeschrieben und ein Rechtsanspruch auf Versorgung festgelegt werden.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/370

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Wohnungspolitik und Wohnraumbewirtschaftung in der Weimarer Republik

von Thomas Bussemer

Dieser Beitrag fußt auf einem gruppeninternen Referat der AG Wohnen, das ich am 21. November während unserer Gruppensitzung hielt. Dabei lag mein Hauptaugenmerk auf dem Komplex der Wohnungsbewirtschaftung, also dem Zusammenspiel aus (sozial-) politischen Vorgaben seitens des Staates (sofern vorhanden) sowie der praktischen Umsetzung vor Ort durch die Träger und Handelnden des jeweiligen Wohnungsmarktes. Welche Voraussetzungen hatte die Weimarer Republik, was für Herausforderungen galt es zu bewältigen? Dieser Bericht soll darüber einen Kurzüberblick verschaffen und dabei eventuell erkennbare Brüche oder Kontinuitäten aufzeigen, um dem Verlauf einiger Diskussionen aus den Seminarsitzungen gerecht zu werden.

Die verantwortlichen Experten und Politiker, die sich während des Entstehungsprozesses der Weimarer Reichsverfassung 1918/19 mit sozialpolitischen Themen befassten, hatten bezüglich der „Wohnfrage“ zweierlei Aufgaben zu bewältigen: Zum einen mussten wohnpolitische Verfehlungen aus dem Kaiserreich erkannt und korrigiert werden, zum anderen musste auf den enormen Druck, der generell auf dem Wohnungsmarkt lastete, entsprechend reagiert werden. Zwischen 1871, dem Jahr der Reichsgründung und 1918, dem Ende des Kaiserreiches nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg, war der Wohnungsmarkt von der Politik nahezu unberührt geblieben und wurde frei und privatwirtschaftlich gestaltet. Dem wohl größten und grundlegendsten Missstand wurde schließlich in der Verfassung Rechnung getragen: durch die offizielle Anerkennung des Gesamtkomplex „Wohnen“ als einen sozialpolitischen Aspekt von enormer Wichtigkeit und sozialer Sprengkraft.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/355

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Expert(is)e gefragt – Was beim ExpertInneninterview beachtet werden sollte

von Juliane Hoheisel

Interviews mit ExpertInnen begegnen uns in fast jedem Dokumentarfilm. Auch in unserem Seminar sind wir schon mit ihnen in Berührung gekommen. So haben wir den Einsatz von ExpertInneninterviews in der Dokumentation The Civil War (Referat von Seth Bargo) und mehreren ZDF History-Dokumentationen (Referat von Max Stroux und Leon Bollinger) diskutiert. Sicherlich werden wir auch bei der Planung unseres Dokumentarfilms über die Geschichte der Sozialpolitik Deutschlands entscheiden müssen, ob wir ExpertInneninterviews führen und in den Film integrieren möchten. Einige Studierende aus unserem Seminar haben bereits im Rahmen der Tagung „Herausforderung Europa: Arbeit, Migration und Alterssicherung in Wissenschaft und Praxis“, die am 01./02.12.2016 in Berlin stattfand, erste Gespräche mit ExpertInnen geführt. Ausschnitte dieser Interviews werden bald auf unserem Blog zu sehen sein.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/366

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Vom Wohlfahrtsstaat zum Wohlfahrtsmarkt?

von Anna Parrisius

Übernehmen Wohlfahrtsmärkte seit den 1990er Jahren immer mehr Aufgaben des deutschen Wohlfahrtsstaates? Dieser Frage ging Hans Günter Hockerts in seinem Beitrag bei einem Symposium 2010 in Jena nach, aus welchem der Artikel „Vom Wohlfahrtsmarkt zum Wohlfahrtsstaat? Privatisierungstendenzen im deutschen Sozialstaat“ entstand. Er soll im Folgenden untersucht werden. Gemeinsam mit weiteren Symposiums-Vorträgen ist Hockerts‘ Beitrag 2012 im Sammelband „Privatisierung. Idee und Praxis seit den 1970er Jahren“ erschienen. Ziel der Jenaer Tagung und des Sammelbandes war es, das Konzept Privatisierung kritisch zu historisieren, so die Herausgeber Norbert Frei und Dietmar Süß, beide Historiker an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Konkreter Anlass hierfür sei die Finanzkrise 2008/2009 gewesen, durch die offensichtlich geworden sei, dass das Konzept Privatisierung nicht länger unhinterfragt als politische Erfolgskomponente wahrgenommen werden könne.



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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/358

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Boom und Krise – Neunte Sitzung am 12.12.16

Schnellen Schrittes nähern wir uns dem Ende unserer Reise durch die Geschichte der deutschen Sozialpolitik. In unserer letzten Sitzung vor der Weihnachtspause ließen wir das zerrüttete Nachkriegsdeutschland hinter uns, machten einen Satz über Wiederaufbau, Teilung und Wirtschaftswunder hinweg und hielten an bei der nächsten großen Herausforderung für den Sozialstaat nach Kriegsende: der Krise der 70er-Jahre mit Zerfall des internationalen Währungssystems und Ölpreis-Schock, mit Industriekrise, Staatsschulden und Konsolidierung von Sockelarbeitslosigkeit.

Benita Stalmann brachte uns zum Einstieg mit einer Vorstellung der Monografie „Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970“[1] von Anselm Doering-Manteuffel und Lutz Raphael die Strukturbruchthese der beiden Autoren näher, die in den 70er-Jahren einen Umbruch der Industriegesellschaft verorten. Anders als wir in unseren bisherigen Überlegungen und auch gegenläufig zur klassischen Dekadisierung setzen Raphael und Doering-Manteuffel hier allerdings keine Zäsur, sondern betrachten den „Strukturbruch“ als ein Nebeneinander von Prozessen und Problemlagen, die sich von der Mitte der 60er-Jahre bis ins Jahr 2000 erstrecken.

Anhand eines Aufsatzes[2] von Winfried Süß stellten wir uns der Frage, inwieweit die Krise(n) der 70er-Jahre auch in der Sozialpolitik Wandel hervorgerufen hat. Süß erhebt diesbezüglich die These, dass in diesem Bereich Kontinuitäten überwögen. Er erläutert dies anhand seiner Argumentationsstruktur, indem er zunächst den Kontext des „Booms“ und die darauffolgenden Krisen darstellt, um dann aufzuzeigen, wie sich die Präsenz des Wandels auf der Diskursebene (hoch) und in der sozialpolitischen Praxis (niedrig) unterschied und wie diese Inkongruenz entstand.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/351

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Personalisierung und Personifizierung: Zwei Erzählmuster

Ins unseren Debatten fielen, bisher vor allem in Bezug auf die Sozialgesetzgebung im Kaiserreich, immer wieder die Begriffe „Personifizierung“ und „Personalisierung“. Beide wurden dabei und werden oft synonym verwendet. In der Didaktik jedoch bezeichnen die Begriffe zwei unterschiedliche Darstellungsweisen von Geschichte, die sich auch in Dokumentarfilmen wiederfinden lassen.

Personalisierung beschreibt die mit dem Historismus verbundene Darstellung von Geschichte an „großen“ Persönlichkeiten – besonders bekannt ist in diesem Zusammenhang ein Zitat des umstrittenen Historikers Heinrich von Treitschke (1834-1896), der behauptete, es seien „Personen, Männer (…), welche die Geschichte machen. Männer wie Luther, wie Friedrich der Große und Bismarck.“[1] Hier wird Geschichte also an Akteur(_inn)en einer Epoche erzählt, sie vereinen in ihrer Person, in ihrem Handeln die Essenz ihrer Zeit.

Obwohl mit der Abkehr der Geschichtswissenschaft vom Historismus in den 1970er Jahren auch die Geschichtsvermittlung sich vermehrt den, die Handlungen der Akteure (mit-)bestimmenden, Strukturen zuwandte, herrscht in den Alltagsvorstellungen vieler Menschen bis heute zumeist ein personalisiertes Geschichtsbild vor. Es vereinfacht den Zugang, Geschichte wird „überschaubar, konkret und anschaulich“, wie der Didaktiker Michael Sauer meint: „[Diese Art von Geschichtsvermittlung] lässt sich als klare Handlungsabfolge erzählen.

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Quelle: http://gafprojekt.hypotheses.org/293

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