Über das Verständnis des Begriffs Resilienz in der Psychologie

Meyen (2015) beschreibt die Entwicklung des Resilienzbegriffs in Anlehnung an Endreß und Maurer (2015) folgendermaßen: „[g]eschlüpft Anfang der 1970er Jahre bei den Ökologen, wenig später aufgenommen, gehegt und gepflegt bei den Entwicklungspsychologen und dann still und heimlich aufgebrochen zu den Sozialwissenschaftlern“. In der Psychologie versteht man unter Resilienz „die Widerstandsfähigkeit eines Individuums, sich trotz ungünstiger Lebensumstände und kritischer Lebensereignisse erfolgreich zu entwickeln“ (Warner, 2014).

Klassischerweise sah man Resilienz als immunisierende angeborene Eigenschaft an, also als ein Persönlichkeitsmerkmal, welches man lediglich wecken und trainieren müsse, so besäße man eine Art universelle Unverletzlichkeit (Anthony & Cohler, 1987). In den 1980er Jahren entwickelte sich dann allerdings eine realistischere Auffassung von Resilienz als eine zumeist zeitlich begrenzte, von verschiedenen Schutzfaktoren gespeiste psychische Widerstandsfähigkeit (Fingerle, 2007). Mittlerweile ist nun der Begriff der „protektiven Faktoren“ üblich, der jedoch uneinheitlich und in Abwechslung mit den Begriffen Schutzfaktoren oder Ressourcen verwendet wird. Die Merkmalen der Personen bzw. Gruppen, der Umgebung sowie deren Interaktion werden nun gleichermaßen berücksichtigt.

Insgesamt geht es bei der Resilienz um die Bedingungen und Ressourcen, die der psychischen Widerstandskraft des Menschen zuträglich sind um die gesunde Entwicklung zu schützen, und sie steht damit im Gegensatz zur (Klinischen) Psychologie, die sich mit Ursachen und Korrelaten von psychischen Krankheiten und normativen Abweichungen befasst. Im Kern geht es stärker um das `Was hält gesund?´ statt das `Was macht krank?´ – Salutogenese und positive Psychologie anstelle von Pathogenese.

Diesen Ansatz verfolgte auch die Forschergruppe um Emmy Werner bei der Arbeit an der vielzitierten Studie auf der hawaiianischen Insel Kauai (Werner, 1999), bei welcher knapp 700 Kinder über 40 Jahre hinweg begleitet wurden. Dabei konnten die Forscher zeigen, dass die Kombination aus problematischen biologischen Faktoren, wie Schwangerschaftskomplikationen oder Komplikationen bei der Geburt, und umweltbedingte Faktoren, wie ungünstigen Familienbedingungen, in vielen, aber nicht allen Fällen, ungünstigen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern nehmen. Diejenigen Kinder von Kauai, die trotz der enormen Risiken ihr Leben positiv gestalten konnten besaßen wohl das, was Resilienz ausmacht.

Die protektiven Faktoren, die bei ungünstigen Umgebungsbedingungen resiliente Entwicklungen begünstigen, können in Anlehnung an den ökosystemischen Ansatz von Bronfenbrenner (1992) verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. Hieraus leitet sich die Annahme ab, dass an der Entwicklung von Resilienz adaptive Systeme auf vier Ebenen beteiligt sind: erstens personale Kompetenzen des Kindes, wie Stressverarbeitung, Selbstregulation, Motivation und Lernen, zweitens das Familiensystem mit Bindung, Interaktion und Erziehung, drittens Ressourcen des sozialen Netzwerks (Schule, Gleichaltrige) und viertens gesellschaftlich-kulturelle Faktoren, wie Normen und Werte.

Im Fokus der Resilienzforschung steht die Identifikation der protektiven Faktoren, die als (Moderator-) Merkmale die Wirkung der Risikofaktoren auf den Outcome lindern oder neutralisieren sollen. Einige der resilienzfördernden Faktoren aus den verschiedenen Systemen konnten so bereits bestätigt werden (z.B. mindestens durchschnittliche Intelligenz und akademische Fähigkeiten (Rechtschreibung, Mathematik), hohe Sozialkompetenz, familiärer Zusammenhalt, Verfügbarkeit sozialer Unterstützung oder ein hoher gesellschaftlicher Stellenwert von Kindergesundheit und Bildung).

In der gegenwärtigen Forschung hat die Rolle von Resilienz bei der Bewältigung von Belastungen im Berufs- und Alltagsleben an Bedeutung gewonnen. In diesem Bezug steht auch unsere Fragestellung im Projekt „Medienkompetenz als Resilienzfaktor“ des Bayerischen Forschungsverbunds Fit for Change: Ist Medienkompetenz ein Resilienzfaktor? Wie steht er mit anderen Schutz- und Risikofaktoren in (kausalem) Zusammenhang? Und wie können wir Medienkompetenz trainieren?

Im Zeitalter des rasanten technologischen Wandels kann Medienkompetenz einen Schutzfaktor darstellen um sich an die neuen Bedingungen anzupassen und um die zum Teil negativen Medienwirkungen zu kompensieren. Vorherige Studien zur Entwicklung der Medienkompetenz bei Vorschulkindern attestieren ihr einen stärkeren Einfluss auf schulische Vorläuferfertigkeiten in Mathematik und im Schriftspracherwerb als Intelligenz (vgl. Nieding et al., in press).

Im Projekt wird mittels des Würzburger Medienkompetenztests WüMek Medienkompetenz auf fünf Dimensionen online erhoben. Eine erste Querschnittstudie, die zwischen August und November 2014 stattfand, zeigte bereits einen starken Zusammenhang zwischen Medienkompetenz und Resilienzfaktoren wie Intelligenz, akademische Fähigkeiten, Empathie und potenziellen Risikofaktoren wie Computerspielabhängigkeit.

Im Rahmen der nun folgenden Längsschnittuntersuchung über einen Zeitraum von zwei Jahren erfassen wir mittels WüMek die Entwicklung der Medienkompetenz bei 200 13- und 19-Jährigen zu zwei Messzeitpunkten. Dabei lässt sich zusätzlich der kausale Einfluss von Medienkompetenz auf die kognitiven und sozial-emotionalen Fähigkeiten ermitteln um weitere Belege für die Rolle von Medienkompetenz als Schutz- und Resilienzfaktor zu liefern.

 

Literatur

Anthony, E. J., & Cohler, B. J. (Eds.). (1987). The invulnerable child. Guilford Press.

Bronfenbrenner, U. (1992). Ecological systems theory. Jessica Kingsley Publishers.

Davidson, R. J. (2000). Affective style, psychopathology, and resilience: brain mechanisms and plasticity. American Psychologist, 55(11), 1196.

Endreß, M. & Maurer, A. (2015). Resilienz im Sozialen. Wiesbaden: VS-Verlag.

Fingerle, M. (2007). Der „riskante “Begriff der Resilienz–Überlegungen zur Resilienzförderung im Sinne der Organisation von Passungsverhältnissen. Was Kinder stärkt. Erziehung zwischen Risiko und Resilienz, 2, 299-310.

Meyen, M. (2015). Resilienz als diskursive Formation. Was das neue Zauberwort für die Wissenschaft bedeuten könnte. In: Resilienz (online). URL: http://resilienz.hypotheses.org/365 (abgerufen am 02.03.2015).

Nieding, G., Ohler, P., Rey, G.D., Möckel, T., Diergarten, A.K. & Schneider, W. (in press). The development of media sign literacy – a longitudinal study with 4-year-old children.

Warner, L. (2014). Resilienz. In M. A. Wirtz (Hrsg.), Dorsch – Lexikon der Psychologie (17. Aufl., S. 1326). Bern: Verlag Hans Huber.

Werner, E. E. (1999). Entwicklung zwischen Risiko und Resilienz. Was Kinder stärkt: Erziehung zwischen Risiko und Resilienz. München, Basel, 25-36.

Quelle: http://resilienz.hypotheses.org/443

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