Erschließung von Beziehungsgeflechten mit MidosaXML – Teil 3: Der Verzeichnungsvorgang

Im dritten Teil des Beitrags geht es um den Verzeichnungsprozess in der Praxis, also um den Anleitungsteil in den Erschließungsrichtlinien. Ein vierter Teil wird abschließend die Findmittel als Erschließungsprodukte behandeln und eine zusammenfassende Beurteilung geben.

IV. Verzeichnung

1. Metadaten der Archivgutbeschreibung

1. Objekte der Beschreibung sind die Bestandsbildner, ihre Funktionen, ihr Schriftgut und die untereinander und zu anderen Akteuren und Beständen existierenden Beziehungen.

2. Metadaten der Verzeichnungsstufen (Pflichtfelder, wenn Eintrag möglich, sind fett gedruckt) bei der Beschreibung von Archivgut:

a. Verzeichnungsstufe Bestand:

i. Bestandsbezeichnung

ii. Bestandssignatur

iii. Bestandslaufzeit

iv. Zusammenfassung zum Inhalt des Bestands

v. Provenienz

vi. Bestandsgeschichte

vii. Entstehungsgeschichte oder Biographie und / oder Normdatei nach ISAAR-CPF

viii. Information über den Erschließungsprozess

ix. Benutzungsbeschränkungen

x. Bereitstellendes Archiv

xi. Erläuterung der Ordnung und Ordnungsmaßnahmen

xii. Sprache des Archivguts

xiii. Verweis auf ähnliches Material im eigenen und in fremden Archiven

xiv. Verweis auf einen Aktenplan

xv. Verweis auf andere Findmittel

xvi. Zitierempfehlung

xvii. Akzessionsnummer und Jahr

xviii. Beschreibung der Zugänge

b. Verzeichnungsstufe Klasse:

i. Titel

ii. Zusammenfassung des Inhalts

iii. Benutzungsbedingungen

iv. Laufzeit (sofern von Software erlaubt, in MidosaXML nicht möglich)

c. Verzeichnungsstufen Serie, File (Akte) und Vorgang / Einzelstück:

i. Titel

ii. Enthält/Darin

iii. Laufzeit

iv. Bestellnummer (bei Serie Sammelbestellnummer, bei Vorgang / Einzelstück Referenzierung auf File, nicht auf Bestand (Schema „1 in [Filenummer]“)!

v. Kompositionsform (Archivalientyp)

vi. Alte Signaturen (einzutragen ins Feld „Alte Signatur“ mit zusätzlicher Erläuterung (falls möglich) und in ein Sortierfeld)

vii. Provenienz (einzutragen ins Provenienzfeld und in ein Sortierfeld; bei mehrgliedrigen Provenienzangaben nach dem Muster: „Provenienz;Organisationseinheit“, z.B. „Universität Bayreuth;Abteilung I;Referat I/1“ (keine Leerzeichen einfügen!))

viii. Verwaltungsgeschichte bzw. Biographie (MidosaXML: Entstehungsgeschichte)

ix. Bestandsgeschichte

x. Bewertungsinformation

xi. Information zum Erschließungsvorgang

xii. Benutzungsbeschränkungen

xiii. Lagerungsort

xiv. Verweis auf ähnliches Material

xv. Verweis auf einen Aktenplan

xvi. Umfang (bei Schriftgut in Blättern, abgekürzt „fol.“)

xvii. Korporationsindex

xviii. Geographischer Index

xix. Personenindex

xx. Sachindex

xxi. Materialindex

xxii. Kompetenzindex

3. Für die einzelnen Erschließungsvorhaben werden Richtlinienspezifikationen erstellt, die die allgemeinen Erschließungsrichtlinien konkretisieren.

4. Für die Nutzung des Index siehe Abschnitt VII!

2. Grundsätze der Titelbildung

1. Der Nutzer soll anhand des Titels entscheiden können, ob die Durchsicht der beschriebenen Unterlagen für sein Vorhaben nützlich ist oder nicht. Sind bereits Titel aus der vorarchivischen Bearbeitung überliefert, sollen diese entweder übernommen oder an geeigneter Stelle als vorarchivische Titel vermerkt werden. Präzisierungen und Korrekturen sind dann mittels der Enthältvermerke vorzunehmen (s.u.). Sofern auf einen Aktenplan verwiesen werden kann, soll der vorarchivische Titel in MidosaXML als Erläuterung zur Altsignatur (= Aktenplannummer) vermerkt werden.

2. Ist eine Unterlage mittels einer Titelvergabe nicht hinreichend zu beschreiben, sind zusätzliche Vermerke anzubringen („Enthältvermerke“).

3. Titel sind kurz und prägnant im Nominalstil parataktischer Wortgruppen zu formulieren. Grammatische Sätze und durch Pronomina oder Konjunktionen eingeleitete Nebensätze sollen vermieden werden.

4. Die Titel sind sach- und betreffsbezogen zu formulieren, sofern damit der Entstehungsgeschichte der Unterlage entsprochen werden kann und die Ablageprinzipien der Provenienzstellen dem nicht entgegenstehen. Ist eine sach- und betreffsbezogene Titelbildung nicht möglich, soll eine inhaltsbezogene Konkretisierung in einem Enthältvermerk und ggf. eine Erläuterung der Unterlagenstruktur in einer Zusatzinformation zur Erschließung {processinfo} oder Bestandsgeschichte {custodhist} hinzugefügt werden.

5. In Titeln sollen Abkürzungen vermieden werden. Sind sie nicht zu umgehen, sollen nur allgemein gebräuchliche Formen verwendet werden. Wenn Abkürzungen verwendet werden, ist für das Findbuch ein Abkürzungsverzeichnis zu erstellen.

6. Der Enthältvermerk ist ein fakultatives Element eines Beschreibungsdatensatzes. Er dient der Erläuterung und Ergänzung des Titels oder / und zur Bezeichnung der Unterlagen- oder Schriftstücktypen, wie z.B. „Listen, Briefe, Manuskripte“ usw. Angaben zu Unterlagentypen sind zudem im Feld „Archivalientyp“ {genreform} zu vermerken, soweit das möglich ist.

7. Zum Einsatz kommen die folgenden Arten von Enthältvermerken in der folgenden verbindlichen Reihenfolge ihrer Aufnahme:

a. „Enthält:“ Die darauf folgende Angabe präzisiert den Titel oder erläutert den Inhalt vollständig. Die Angaben erstrecken sich auf die gesamte Verzeichnungseinheit.
b. „Enthält v.a.:“ „Enthält vor allem“ meint den inhaltlichen, betreffsmäßigen oder unterlagentypbezogenen Schwerpunkt einer Verzeichnungseinheit.
c. „Enthält u.a.:“ „Enthält unter anderem“ macht auf hervorhebenswerte inhaltliche, betreffsmäßige oder unterlagentypbezogene Teile einer Verzeichnungseinheit aufmerksam, deren Vorhandensein aus dem Titel nicht mit hinreichender Sicherheit hervorgeht.
d. „Enthält auch:“ Die darauf folgende Angabe weist auf Teile einer Verzeichnungseinheit hin, die auf der Grundlage des Titels nicht zu erwarten wären.
e. „Enthält nur:“ Die darauf folgende Angabe engt einen weiter gefassten Titel auf den tatsächlichen inhaltlichen Umfang einer Verzeichnungseinheit ein.

8. Eine weitere Form präzisierender Beschreibung drückt sich in der Verwendung des „Darinvermerks“ aus („Darin:“). Er bezeichnet Inhalte besonderer oder auffällig abweichender physischer Beschaffenheit (z.B. Fotos, Karten, Pläne in Akten) und wesentlich abweichende Dokumentationsformen (z.B. dreidimensionale Gegenstäde, Artefakten usw.), die sich in der Verzeichnungseinheit befinden.

9. Mehrere gleichartige Enthältvermerke werden zu einem zusammengefasst, so dass pro Verzeichnungseinheit jede Art von Enthältvermerk maximal einmal vorkommt. Mehrere Einträge innerhalb eines Enthältvermerks werden untereinander nach Spiegelstrich gesetzt. Hinter jedem Eintrag soll nach Möglichkeit eine auf den jeweiligen Eintrag bezogene Laufzeitangabe stehen.

10. Titel und Enthältvermerke schließen ohne Satzzeichen ab. Hat ein Titel oder Enthältvermerk ausnahmsweise satzähnliche Gestalt, ist er mit einem Punkt, im mehrgliedrigen Enthältvermerk an nicht letzter Stelle mit Semikolon abzuschließen.

3. Laufzeitbestimmung

1. Die Laufzeit beginnt mit dem ältesten und endet mit dem jüngsten Schriftstück einer Verzeichnungseinheit.

2. Bei Verwaltungsschriftgut umfasst die Laufzeit den Bearbeitungszeitraum. Sie beginnt mit dem Datum des ersten Eingangsvermerks (-stempels) oder alternativ mit dem Datum des ersten Entwurfs eines ausgehenden Schreibens, mit dem die Stelle einen Vorgang eröffnete, und endet mit dem Datum der letzten Bearbeiterverfügung. Sie soll grundsätzlich jahrgenau, erforderlichenfalls präzise mit Tag und/oder Monat angegeben werden. Bei der Verwendung von bloßen Jahresangaben steht zwischen Zahl und Bindestrich kein Leerraum, andernfalls ist vor und nach dem Bindestrich ein Leerzeichen zu setzen.

 

Muster: 1977-1987, 1977 – 1.4.1987, 13.11.1977 – 1.4.1987

 

3. Wichtige Datumsangaben, auf die sich der Inhalt des Archivguts bezieht (Bezugslaufzeit), sind in geeigneter Weise im Titel oder Enthältvermerk unterzubringen (z.B. „Jahresbericht für 1976“, während seine Entstehung und damit die Laufzeit das darauf folgende Jahr 1977 ist).

4. Ist ein Datum nicht ermittelbar, wird die Abkürzung „o.J.“ für „ohne Jahr“ eingetragen. Bei Schätzungen wird vor das Datum ein „ca.“ gesetzt. Ist ein Datum nur erschlossen, wird es in eckige Klammern gesetzt.

5. Datierungen von Schriftgut, das der Unterlage beigefügt, aber nicht im Bearbeitungsprozess bei einer der beteiligten Parteien entstanden ist, werden ggf. in runden Klammern vermerkt. In fast allen Fällen spielt dies nur eine Rolle, wenn solches Material beigefügt wurde, das vor dem Beginn der Bearbeitung entstanden ist oder nach Beendigung der Bearbeitung ablagetechnisch noch hinzugefügt wurde (i.d.R. Dokumentationsmaterial).

 

Muster: (1971) 1977-1987: Hier konnte z.B. eine zum Vorgangsbetreff passende Festrede, ein Bericht oder ein Zeitungsausschnitt von 1971 als Informationsmaterial für den Bearbeiter hinzugegeben worden sein, während die Vorgangsbearbeitung selbst (Eingangsstempel) erst 1977 begann.

 

6. Unterbrechungen oder längere Pausen der Bearbeitung können als unterbrochene Laufzeiten verzeichnet werden (z.B. 1977-1982, 1985-1987). Ob Unterbrechungen vermerkt werden sollen, liegt im Ermessen des Bearbeiters, soweit es nicht durch Richtlinienspezifikationen geregelt wird.

4. Indexierung

1. Kompetenzindex:

Im Kompetenzindex werden Funktionen im Sinne des ICA-Standards ISDF indexiert. Dafür stehen Funktionen erster und zweiter Ordnung zur Verfügung. Darüber hinaus ist derzeit keine weitere Vertiefung möglich. Indexiert wird nach folgendem Schema: Funktion-Semikolon (ohne Leerzeichen)-Subfunktion (Bsp.: „Studium;Graduierung“). Eine Funktion ist ein Wirken oder eine Aufgabe mit Entstehungsursächlichkeit für das betroffene Archivale. Dadurch unterscheidet sich der Kompetenzindex deutlich vom Sachindex, wo der inhaltliche Bezug ausschlaggebend ist.

Folgende Funktionen und Subfunktionen stehen für die Indexierung zur Verfügung (Indexierungsbegriff in Klammern, falls von Funktionsbezeichnung abweichend aufzunehmen!):

    • Forschung und Innovation

      • Strategische Entwicklung [Strategisches]
      • (Eintragungsform: „Forschung und Innovation;Strategisches“)
      • Wissenschaftliche Durchführung
      • Forschungsmanagement (Administration)
    • Lehre
      • Strategische Entwicklung [Strategisches]
      • Durchführung der Lehre
      • Evaluation
      • Studentische Beiträge
      • Angebote der Weiterbildung [Weiterbildung]
    • Studium
      • Anwerbung, Auswahl, Zulassung
      • Studierendenverwaltung und -betreuung
      • Studienberatung und Studiengestaltung
      • Schaffung und Bereitstellung von Lernumgebungen
      • Prüfungen, Examinierung, Graduierung [Graduierung]
    • Verwaltung
      • “Körperschaftlichkeit” (Existenzgrundlagen) [Körperschaftlichkeit]
      • Personalverwaltung
      • Administration (“Maintaining”, allg. Verwaltung)
      • Finanzierung und Drittmitttelförderung
      • Geographische Positionierung, Liegenschaften [Geographische Positionierung]
    • Sozialisation
      • Extrakurrikulare Aktivitäten
      • Schaffung und Bereitstellung sozialer Einrichtungen für Studierende [soziale Einrichtungen]
      • Beziehungen zu studentischen Gruppen
      • Alumni-Beziehungen
    • Kulturelles Engagement
      • Pflege wissenschaftlicher Sammlungen
      • Kulturelle Aktivitäten
      • Musische, sportliche und sonstige kulturelle Förderung der Studierenden
    • Außenbeziehungen
      • Lokale und regionale Vernetzung
      • Überregionale Vernetzung
      • Kontakte zu universitätsbezogenen Gruppen / Vereinen
      • Kooperation mit der Wirtschaft

2. Materialindex:

In den Materialindex werden abweichende und besondere Überlieferungsformen indexiert, die auch in den Darinvermerken erscheinen können (s. Definition dort, Abschnitt IV.2.8!).

3. Korporationsindex:

Körperschaften, juristische Personen, Firmen u.ä. Es ist auf die Verwendung der korrekten offiziellen Bezeichnungen sowohl bei der Titelbildung als auch bei der Indexierung zu achten!

4. Personenindex:

Personennamen, aufzunehmen nach dem Muster: Nachname, Vorname, (ggf. Titel oder Adelsprädikat)

5. Sachindex:

Sachen, Betreffe, Inhalte, zu denen das indexierte Archivgut in einer nicht unmittelbar entstehungsursächlichen Beziehung steht. Die Begriffe sollen in Titel oder Enthältvermerk bereits genannt sein.

6. Geographischer Index:

Orte, die in Titel oder Index genannt werden, Orte die ggf. auf Grund einer Richtlinienspezifikation darüber hinaus zu erfassen sind. Orte sind Städte und Gemeinden, Landschafts- und Regionsbezeichnungen, Ländernamen.
Über die Anwendung von Deskriptoren entscheiden die jeweiligen Richtlinienspezifikationen.

5. Personen- und Körperschaftsbeschreibungen

Abgebende Stellen und Provenienzstellen sollen in Form eines verwaltungsgeschichtlichen oder biographischen Abrisses in einer Zusatzinformation zur Entstehungsgeschichte kurz beschrieben werden. Soweit das Archiv einen ISAAR(CPF)-Beschreibung vorhält, soll zusätzlich auf diese verwiesen werden. Weitere Normdateien, insbesondere die GND-Datensätze, sollen ebenfalls berücksichtigt und referenziert werden.

Eintrag aus dem Akzessionsverzeichnis; die Verzeichnungseinheit entspricht hier der Gesamtheit einer Akzession von einer Abgabestelle.

6. Ordnung der Verzeichnungseinheiten

Mit dem Ordnungsvorgang ist die Bildung einer Klassifikation gemeint. Die Grundlagen für die Ordnung sollen in den Feldern „Alte Signatur“, „Kompetenzindex“ und den Sortierfeldern so weit gelegt sein, dass aus ihnen eine Bestandsgliederung abgeleitet werden kann. Die Gliederung wird am Ende der Verzeichnung manuell in einer Kopie der Findbuchdatenbank erstellt und ist die Grundlage zur Generierung eines Onlinefindbuchs. Bei umfassenderen Verzeichnungen kann die Gliederung auf oberster Ebene zur Abgrenzung mehrerer Findbücher voneinander dienen. Bei der Generierung von Findbüchern werden die Verzeichnungseinheiten innerhalb der Gliederungspunkte chronologisch sortiert.

7. Dokumentation des Erschließungsprozesses

Über die Erschließungsarbeiten führt jeder daran Beteiligte ein Arbeitsprotokoll. Gegliedert nach Verzeichnungseinheiten, sind Auffälligkeiten inhaltlicher Art, Besonderheiten im Erschließungsprozess, vorgenommene Ordnungsarbeiten, Bemerkungen über den konservatorischen Zustand usw. zu vermerken. Die Arbeitsprotokolle bilden eine Grundlage für die spätere Erstellung der Abschnitte über die Verwaltungsgeschichte bzw. Biographie, die Bestandsgeschichte, die Erläuterungen der Ordnung und des Erschließungsprozesses und für Normdateien, die mit dem Findbuch verlinkt werden sollen. Die gewissenhafte Führung des Arbeitsprotokolls ist daher von großer Bedeutung für eine qualitativ hochstehende Erschließung. Sofern ein Formular für das Arbeitsprotokoll bereitgestellt wird, ist dieses zu benützen.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1796

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Erschließung von Beziehungsgeflechten mit MidosaXML – Teil 2: Ziele, Ordnung, Verzeichnungsstufen


B. Erschließungsrichtlinien

I. Ziele und Aufgaben

  1. Ziel der archivischen Erschließung ist es, durch die Bereitstellung von Informationen über das Archivgut, die für seine Entstehung verantwortlichen Akteure und Funktionen sowie über das verwahrende Archiv den Zugang zum Archivgut zu ermöglichen. Hierzu werden geeignete Findmittel erarbeitet, die im Archiv der Universität und nach Möglichkeit im Internet zur Verfügung gestellt werden.
  2. Aufgabe der archivischen Erschließung ist es, die Struktur der Bestände, ihre Inhalte, ihre Entstehungs- und Überlieferungszusammenhänge transparent zu machen.
  3. Die Methoden der Erschließung orientieren sich an international anerkannten Standards.
  4. Die vorliegenden Richtlinien setzen einen Rahmen, der angesichts unterschiedlicher Strukturen des Archivguts zweckmäßige Abweichungen zulässt. Zu ihrer Dokumentation sollen gegebenenfalls Richtlinienspezifikationen für einzelne Erschließungsvorhaben niedergelegt werden.

II. Bewertung und Ordnung

  1. Dem Erschließungsvorgang geht die Bewertung grundsätzlich voraus.
  2. Die Bewertung erfolgt nach Möglichkeit auf der Grundlage von Aussonderungslisten. Darauf wird Archivwürdigkeit als A, Kassation als K und nötige Einsichtnahme als E vermerkt. Die mit A und E bewerteten Unterlagen werden ins Archiv übernommen. Die endgültige Bewertung der mit E gekennzeichneten Unterlagen erfolgt spätestens im Zuge der archivischen Erschließung. Über die mit K gekennzeichneten Unterlagen wird ein Inventar auf der Grundlage der Angaben in der Aussonderungsliste angefertigt. Dieses wird der Kassationsverfügung als Anlage beigegeben und im Archiv öffentlich einsehbar gemacht. Auf diese Weise wird der Bewertungsvorgang dauerhaft transparent und nachvollziehbar erhalten.
  3. Um Akzessionen schnellstmöglich nutzbar zu machen, können Aussonderungslisten und Akzessionsverzeichnisse als vorläufige Findmittel auch vor dem Abschluss der Bewertung bereits öffentlich zugänglich gemacht werden. Sofern dafür vorläufige Erschließungsarbeiten des Archivs erforderlich werden, sollen diese flach erfolgen. Anhand von Bewertungskategorien sollen Unterlagen, deren Archivwürdigkeit aus formalen Gründen bezweifelt werden kann, nur durch eine einfache Aufnahme des Vorlagetitels erfasst werden.
  4. Akzessionsverzeichnisse beziehen sich auf jeweils eine abgebende Stelle. Übergreifende Akzessionsverzeichnisse sind nach abgebenden Stellen gegliedert.
  5. Vor dem Beginn der eigentlichen Erschließung soll der Bestand nach Möglichkeit vorgeordnet werden. Fällige Feinordnungsarbeiten und endgültige Bewertungsentscheidungen in Einzelfällen können im Zuge der Verzeichnung erfolgen.
  6. Bei der archivischen Erschließung erfolgt die Gliederung der Bestände nach den die Unterlagen tatsächlich zuletzt bearbeitenden und die Unterlagen formierenden Stellen (Provenienzstellen). Keine Provenienzstelle in diesem Sinne ist eine abgebende Stelle, die die Unterlagen im Zuge ihrer Aufgabenerfüllung nur sammelte, aber nicht sachlich und inhaltlich weiterbearbeitet hat.
  7. Bei der Ordnung auf der Ebene der Archivalieneinheiten („file-level“) werden Dokumente und Vorgänge („item-level“) zu Verzeichnungseinheiten auf File-Ebene[1] zusammengefasst, sofern der Bearbeiter nicht entscheidet, dass diese als selbständige Einheiten in das Findmittelsystem Eingang finden sollen.[2] (Näheres in Abschnitt III. Stufen der Verzeichnung). Aus den Verzeichnungseinheiten definiert das Archiv Bestände und Tektoniken, die den Zugriff auf das Archivgut als Einheiten gemeinsamer Beziehungen ermöglichen.
  8. Die Identifikation des Archivguts erfolgt mittels Akzessionssignaturen, Magazinsignaturen und Archivsignaturen.
    1. Die Akzessionssignatur bezeichnet die abgebende Stelle durch eine römische Zahl, die Nummer der Aussonderung durch eine arabische Zahl (z.B. 1., 2. Oder 3. Aussonderung) sowie die Nummer der Unterlageneinheit (Akzessionseinheit) durch eine weitere arabische Zahl (Bsp: XV/1/193: Akte 193 aus der ersten Aussonderung der Abgabestelle Nr. XV). In gleicher Weise werden die Unterlagen bis zu Ihrer weiteren Bearbeitung beschriftet. Die Akzessionssignatur wird in MidosaXML in das Feld „Bestellnummer“ und in das Feld „Alte Signaturen“, dort mit dem erläuternden Text „Akzessionssignatur“, eingetragen. Ein separat geführtes Lokaturverzeichnis gibt Auskunft über den genauen Lagerungsort innerhalb des Magazins.
    2. Die Magazinsignatur ist eine fortlaufende Nummer, die bei der Erschließung anstelle der Akzessionssignatur vergeben wird. Sie bezeichnet eine physische Archivalieneinheit, die in dieser Form und in diesem Umfang im Magazin gelagert wird. Die Magazinsignatur wird in MidosaXML in das Feld „Bestellnummer“ und in das Feld „Lagerungsort“ eingetragen. Im Feld „Bestellnummer“ ersetzt sie die ggf. vorher dort befindliche Akzessionssignatur. Ein separat geführtes Lokaturverzeichnis gibt Auskunft über den genauen Lagerungsort innerhalb des Magazins.
    3. Die Archivsignatur bezeichnet zunächst eine im Erschließungsprozess identifizierte Beziehungsgemeinschaft im Rang einer Archivalieneinheit. Diese stimmt in Form und Umfang mindestens mit der magazinierten physischen Einheit überein. Deshalb ist in diesen Fällen die Magazinsignatur mit der Archivsignatur identisch. Es erfolgt dann kein eigener Eintrag für die Archivsignatur in MidosaXML.
    4. Die Archivsignatur kann darüber hinaus auch zur Identifizierung von Verzeichnungseinheiten auf der Grundlage von Beziehungsgemeinschaften dienen, die nicht für die registraturmäßige Struktur, Form und Umfang der physisch vorliegenden Archivalieneinheit[3] (Magazinierungseinheiten) verantwortlich waren.[4] Dies ist der Fall, wenn mehrere Magazinierungseinheiten oder Teile aus unterschiedlichen Magazinierungseinheiten zu einer Verzeichnungseinheit zusammengefasst werden. Dabei wird in das Feld „Bestellnummer“ anstelle der Magazinsignatur der Buchstabe D und eine innerhalb des Buchstabens fortlaufende Nummer eingetragen (z.B. D 143). Die betroffenen Magazinierungseinheiten werden dann mittels ihrer Magazinsignaturen im Feld „Lagerungsort“ hintereinandergereiht. Sofern es sich nur um Teile von Magazinierungseinheiten handelt, sind hinter der betreffenden Magazinsignatur die jeweiligen Folionummern zu vermerken.

Beispiel: „13, 35 fol. 13-54, 44, 105 fol. 87-99“; d.i.: Magazinierungseinheit 13, Magazinierungseinheit 35 (nur Blätter 13 bis 54), Magzinierungseinheit 44 und Magazinierungseinheit 105 (nur Blätter 87 bis 99). Um derartige Verzeichnungseinheiten tatsächlich vorlegbar zu machen, ist eine Digitalisierung des betroffenen Archivguts auf Dauer unumgänglich.

Die Zuordnung desselben Archivguts kann zu beliebig vielen Verzeichnungseinheiten mit D-Signaturen erfolgen.[5]

E. Erscheint es im Hinblick auf die Nachnutzbarkeit zur Bildung von Verzeichnungseinheiten mit D-Signaturen zweckmäßig, können Magazinierungseinheiten bei der Verzeichnung in Unterabschnitte eingeteilt werden. Diese sind in MidosaXML als „Vorgänge“ anzulegen und am physischen Archivgut durch geeignete beschriftete Einlageblätter zu kennzeichnen.

III. Stufen der Verzeichnung

Die Tradition, Archive in voneinander abhängigen, in hierarchischen Beziehungen stehenden Ebenen zu beschreiben, wurde als Stufenmodell im International Standard Archival Description (General), kurz ISAD(G), manifestiert. Erschließung in Stufen bedeutet, dass Erschließungsinformation, die bereits auf höherer Ebene erfasst wurde, sich auf die nachgeordneten Ebenen vererbt und dort nicht mehr explizit wiederholt wird. Auf diese Weise unterscheidet sich die archivische Erschließung fundamental von der bibliothekarischen Katalogisierung. Die Stufenverzeichnung ist ein Versuch, der „Vereinzelung von Archivguteinheiten entgegenzuwirken, indem diejenige Information, die mehrere Verzeichnungseinheiten gleichzeitig betrifft, auf einer höheren Stufe erfasst und dadurch mit den Elementen der nachgeordneten Ebenen verknüpft wird.“[6] Damit soll der Gefahr der Individualisierung der Einzelstücke begegnet werden. Mit diesem Verzeichnungsprinzip ist ein Bestandsabgrenzungsprinzip verbunden, das die Kohärenzen innerhalb eines Bestandskorpus zu bewahren bestrebt ist. Der Verzeichnungsstandard ISAD(G) setzt somit ein hierarchisches Informationsgeflecht zwischen Archivalieneinheiten, Archivaliengruppen und Teilbeständen voraus, um sinnvoll angewandt zu werden. Auf diese Weise ergänzen sich das Prinzip der Bestandsbildung auf der Grundlage der Provenienz und das Prinzip der integrativen Verzeichnung hierarchisch aufeinander aufbauender Informationsebenen (Stufenverzeichnung). Die Verzeichnungseinheiten werden dadurch allerdings in statischen Kontextstrukturen fixiert. Sie zusätzlich in anderen Beziehungsgemeinschaften darzustellen, kann problematisch werden, wenn Information über die Verzeichnungseinheit referenziert werden soll, die nicht unmittelbar mit ihr verknüpft, sondern hierarchisch höher, z.B. auf der Ebene eines Teilbestands fixiert wurde.

Das Stufenmodell, das die Bezeichnung der einzelnen Ebenen im Begriff der „Verzeichnungsstufe“ differenziert, lässt sich mit den „Kompositionsstufen“ der Erschließungslehre von Johannes Papritz in Beziehung bringen. Dabei besteht jede Kompositionsstufe aus Einheiten von verknüpften Elementen (Kompositionen), deren jedes für sich in einer voneinander verschiedenen Entstehungsstufe (Entwurf, Ausfertigung usw.) existieren kann. Diese Einheiten oder Kompositionen bieten die Grundlage für die Verzeichnungsstufe. Eine Zusammenstellung von Schriftstücken kann unter bestimmten Voraussetzungen als Akte bezeichnet werden, die auf der Verzeichnungsstufe der Akte beschrieben wird. Bilden mehrere Akten eine Serie, wird die Serie auf der Verzeichnungsstufe der Serie/Aktengruppe beschrieben, wobei die Erschließungsinformationen, die für alle diese Akten zutreffen, auf der Verzeichnungsstufe der Serie hinterlegt werden. Auf der Verzeichnungsstufe Akte finden sich dann nur die Informationen, die die einzelne Akte der Serie von der anderen Akte unterscheiden. Das Stufenmodell des ISAD(G) ist somit ein hierarchisches Modell der Beschreibung von Einheiten ohne informative Redundanz. Das Beschreibungsmodell wird auf diese Weise sehr komplex, je höher die oberste Verzeichnungsstufe angesetzt wird.

Die deutsche Terminologie überschneidet sich in einigen Fällen bei Kompositionsstufen und Verzeichnungsstufen, wobei die stufenmäßige Abgrenzung von Kompositionen selten tatsächlich eine Rolle spielt. Deshalb soll im Folgenden stattdessen vorwiegend von Kompositionsformen die Rede sein.

Verzeichnungsstufe = relative Kategorisierung von Archivgut gemäß der durch Findmittel dargestellten Mikro-Tektonik;
Kompositionsstufe = absolute Kategorisierung nach Aggregationsgrad von Archivgut;
Kompositionsform = Kategorisierung nach Archivaliengattungen.

Eine solche Unschärfe besteht beispielsweise bei der Kompositionsform Akte und der Verzeichnungsstufe Akte. Da auf der Verzeichnungsstufe „Akte“ jeweils das verzeichnet wird, was vom Bearbeiter als für diese Ebene vorgesehene Kompositionsform vorgesehen wird, können dies z.B. Fotos oder Fotoalben, Filme, Urkunden, Briefe oder – auch – Akten sein. Es wäre daher empfehlenswert, die Terminologie der Verzeichnungsstufen von der der Kompositionsformen deutlicher zu trennen. Brauchbar könnte eine Unterscheidung innerhalb der Verzeichnungsstufen auf unterer Ebene zwischen „file“ als der kleinsten bei der Erschließung als selbständig behandelten Verzeichnungseinheit und „item“ als der kleinsten unselbständigen bei der Verzeichnung berücksichtigten Verzeichnungseinheit (z.B. Foto (item) innerhalb eines Fotoalbums (file)) sein. Die terminologische Entsprechung dazu, dass Verzeichnungsstufen relative Größen sind und ein nur relatives Verhältnis zu den Kompositionsformen und Kompositionsstufen haben, macht auch die Verwendung des Serienbegriffs als Verzeichnungsstufe fragwürdig. Die Serie im Sinne einer Verzeichnungsstufe ist nichts anderes als eine selbständige oder unselbständige, den als kleinste selbständige definierten Einheiten übergeordnete Einheit.[7] Der Begriff der Serie bezieht sich als Terminus für eine Verzeichnungsstufe demnach auf die tektonische Behandlung von Archivalieneinheiten im Archiv, während sich die Begriffe der Kompositionsformen und –stufen auf die Archivaliengattung und ihre Strukturtypen erstrecken.

Folgende Verzeichnungsstufen werden verwendet (in Klammern dafür gebräuchliche englischsprachige Begriffe für die häufigsten damit verbundenen Kompositionsformen und -stufen):

  1. Bestandsgruppe [fakultativ]
  2. Bestand (fonds, collection)
  3. Teilbestand, Klasse (subfonds, subcollection, class)
  4. Serie (series) [fakultativ]
  5. Akte / File (file, record)
  6. Vorgang (subfile) [fakultativ]
  7. Einzelstück / Item (item, piece)

Weniger aus grundsätzlich-methodischen Erwägungen, als vielmehr aus pragmatischen Gründen, um Komplikationen bei der Datenverarbeitung aus dem Weg zu gehen, sollen die strengen Regeln der ISAD(G)-Vererbungslehre in diesen Richtlinien außer Kraft gesetzt werden. Die Verzeichnungsmethode im Universitätsarchiv Bayreuth strebt dahin, Erschließungsinformation über ein Objekt nach Möglichkeit unmittelbar mit dem Objekt selbst und direkt zu verknüpfen.

Die Trennung von Verzeichnungsstufe und Kompositionsform bzw. –stufe spielt insbesondere dann eine wichtige Rolle, wenn Strukturtypen unvoreingenommen bei der Erschließung so bezeichnet werden sollen, wie sie vorliegen, und zwar unter Berücksichtigung ihres Überlieferungskontextes. So ist es beispielsweise möglich, eine Sammlung innerhalb einer Akte vorzufinden. Dies sollte dann auch so verzeichnet werden. So könnten etwa folgende Entsprechungen in der Praxis vorliegen: Verzeichnungsstufe File – Kompositionsform Akte; Verzeichnungsstufe File – Kompositionsstufe Item; Verzeichnungsstufe File – Kompositionsstufe Sammlung; Verzeichnungsstufe Serie – Kompositionsform Fotoalbum usw.[8]

1. Bestandsgruppe

Die Bestandsgruppe ist ein fakultatives Element in der Tektonik eines Archivs, das nicht durchgängig für alle Bestände existieren muss. Bei der Erschließung werden die gemeinsamen Merkmale beschrieben. Die Bildung von Bestandsgruppen soll für den äußeren Betrachter nachvollziehbar, transparent und einsichtig sein.

2. Bestand

Der Bestand ist das zentrale Strukturierungselement des Archivguts eines Archivs. Er ist auf der ersten (bzw. zweiten, falls Bestandsgruppen vorhanden) Gliederungsstufe innerhalb der äußeren Tektonik eines Archivs angesiedelt. Ein Bestand, der nur Archivgut unter Wahrung der Entstehungszusammenhänge umfasst, wird als Fonds bezeichnet. – Auf die gemeinsame Herkunft des Archivguts in einem Bestand legt die Definition des ISAD(G) besonderen Wert. Bestand und Fonds werden dort grundsätzlich gleichgesetzt: „Alle Unterlagen, unabhängig von Form und Trägermaterial, die auf organische Weise bei einer Person, Familie oder Körperschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit und Funktion erwachsen und / oder von ihr zusammengestellt bzw. genutzt worden sind.“[9] Daneben existiert (ohne Erwähung im ISAD(G) (!) der Sammlungsbestand, der nach anderen als Provenienzkriterien zusammengesetzt sein kann.[10]

3. Teilbestand, Klassifikationsgruppe (Klasse)

Teilbestände werden als verknüpfende Elemente der Gliederung (Klassifikation) abgebildet (Gliederungspunkte). Sie sollen den Aufbau der Stelle wiederspiegeln, in deren Wirken der Bestand entstanden ist (Provenienzstelle). Sofern das nicht rekonstruierbar oder aus Gründen einer davon abweichenden Anwendung des Provenienzprinzips nicht beabsichtigt ist, gliedern Teilbestände den Bestand nach geographischen, chronologischen, funktionalen oder ähnlichen Kriterien.

4. Serie

Die Serie als Verzeichnungsstufe ist ein referenzierbarer (selbständiger) oder nicht referenzierbarer (unselbständiger) Container für nachgeordnete referenzierbare (selbständige) Verzeichnungseinheiten. Die Entscheidung darüber, ob die Verzeichnungsstufe Serie verwendet werden soll, soll sich nach Möglichkeiten an den Voraussetzungen orientieren, die eine Kompositionsform als Serie definieren:

Die Kompositionsform Serie sind „Unterlagen, die nach einem Schriftgutverwaltungssystem geordnet oder als Einheit aufbewahrt werden, weil sie aus derselben Sammlung, demselben Entstehungsprozeß oder derselben Tätigkeit erwachsen sind, eine besondere Form aufweisen oder weil sie in besonderer Beziehung zueinander stehen aufgrund ihrer Entstehung, ihres Empfangs oder ihrer Nutzung. Eine Serie kann als Aktenserie aufgefasst werden.“[11] Innerhalb einer Serie gibt es unter den Serienelementen keine inneren Anhaltspunkte zu einer Systematisierung. Als äußere Kriterien kommt beispielsweise die alphabetische, numerische oder chronologische Sortierung in Betracht, ebenfalls auch nach Korrespondenzpartnern. Die physischen Einschnitte werden durch Lagerungs- und Kompositionstechnik bedingt. Serienelemente können keine eigenen Titel haben, vielmehr muss dieser immer dem Serientitel entsprechen und kann durch einen Enthältvermerk bei Bedarf näher spezifiziert werden. Die Erfüllung dieser Mindestvoraussetzung muss auch dann bei der Bildung von Serien und Aktengruppen beachtet werden, wenn sie erst im Archiv geschieht (archivische Serien).

5. File / Akte

Die Verzeichnungsstufe File bezeichnet das, was in einem Findbuch als kleinste selbständige, d.h. mit eigener Signatur versehene Verzeichnungseinheit existiert. Dies ist unabhängig vom Strukturtyp und der Gattung des Archivale. Beispielsweise befindet sich eine Verzeichnung von Einzelfotos als selbständige Verzeichnungseinheiten mit jeweils eigener Signatur pro Foto aus diesem Grund auf der Verzeichnungsstufe der File-Ebene und nicht auf der der Item- oder Einzelstückebene, obwohl es sich um die Kompositionsstufe des Einzelstücks handelt.

6./7. Vorgang, Einzelstück

Vorgänge und Einzelstücke bezeichnen als Verzeichnungsstufen unselbständige, d.h. nicht selbständig referenzierbare Verzeichnungseinheiten, die immer einer selbständigen Verzeichnungseinheit (File) nachgeordnet sind. Als nicht selbständig sollen sie dann verzeichnet werden, wenn ihre selbständige Aufnahme ins Findmittelsystem dazu führen könnte, Entstehungskontext zu verdunkeln und das Archivgut ohne Not aus seinen Entstehungszusammenhängen herauszulösen und isoliert darzustellen. Möchte man Stücke, die ihrer Kompositionstufe entsprechend Einzelstücke sind, als selbständige Einheiten verzeichnen, ist dafür die Verzeichnungsstufe „File“ angebracht. Die übergeordnete Einheit wäre demzufolge in der Verzeichnungsstufe „Serie“ zu beschreiben.

Die Verzeichnungsstufe „Vorgang“ soll regelmäßig dann genutzt werden, wenn Archivalieneinheiten, z.B. Akten, in der Entstehungsstelle bewusst in erkennbar abgegrenzte Vorgänge untergliedert wurden, und wenn gleichzeitig wesentliche Information verloren ginge, wenn diese Untergliederung bei der Verzeichnung nicht abgebildet würde. Bei der Wahl der Verzeichnungsmethode ist in den übrigen Fällen zwischen der Nutzung von Enthältvermerken an Verzeichnungseinheiten auf File-Ebene und der Nutzung der tieferen Verzeichnungsstufe „Vorgang“ abzuwägen.

[1] In MidosaXML: Akte.

[2] In letzterem Fall ist die Einheit in MidosaXML als „Akte“ aufzunehmen.

[3] Physisch vorliegende Archivalieneinheiten = Magazinierungseinheiten.

[4] Beziehungsgemeinschaften können hier z.B. Gemeinschaften oder Schnittmengen von Funktionen sein, deren Ausübung für die Entstehung des Archivguts ursächlich war. Dabei können auch mehrere Funktionen zugleich für die ganze Akte oder Teile der Akte als entstehungsursächlich gewirkt haben. Daraus lassen sich mehrere – funktionsbasierte – Beziehungsgemeinschaften identifizieren.

[5] Über die bei der Vergabe von D-Signaturen jeweils anzuwendenden Verzeichnungsstufen in der Archivsoftware siehe Abschnitt III. Stufen der Verzeichnung.

[6] ISAD(G) – Internationale Grundsätze für die archivische Verzeichnung, 2., überarb. Aufl., übersetzt und neu bearbeitet von Rainer Brüning, Werner Heegewaldt, Nils Brübach, Marburg, 2002, S. 5 (= Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Nr. 23).

[7] Ganz anders dagegen die Kompositionsstufe oder -form „Serie“, die eine genuine selbständige Archivalieneinheit bezeichnet.

[8] Eine separate Erfassung von Verzeichnungs- und Kompositionsstufe in den Findmittelsystemen wäre wünschenswert. In EAD werden Kompositionsformen bereits jetzt im Abschnitt <physdesc> festgehalten. Denkbar wäre es, die Kompositionsstufe unter <arrangement> innerhalb der c-Ebenen einzufügen, etwa als „level of arrangement“.

[9] ISAD(G), deutsche Übersetzung 2002 (s. Fn. 12), Glossar s.v. Bestand.

[10] Vgl. Multilingual Archival Terminology, hrsg. vom International Council on Archives (ICA), s.v. Sammlung: http://www.ciscra.org/mat/termdb/term/1460.

[11] Angelika Menne-Haritz: Schlüsselbegriffe der Archivterminologie, Marburg, Nachdruck der 3., durchgesehenen Auflage, 2006, s.v. Serie (= Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Nr. 20).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1787

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Erschließung von Beziehungsgeflechten mit MidosaXML – Teil 1: Einleitung

Vorbemerkung

Dieser Text entspricht weitgehend den neuen Erschließungsrichtlinien des Universitätsarchivs Bayreuth, deren Erarbeitung im Juni dieses Jahres vorläufig abgeschlossen wurde. Sie sind den konkreten Umständen geschuldet, die die Praxis im Universitätsarchiv beeinflussen und können sicher nicht ohne Weiteres auf die Verhältnisse anderer Archive unverändert übertragen werden. Das Universitätsarchiv in Bayreuth ist sehr jung, das vierzigjährige Jubiläum der Universität steht 2015 ins Haus und will gefeiert werden, die laufenden Aussonderungen sind jeweils die ersten überhaupt und der Personalbestand, aus dessen Reichtum die damit verbundenen Aufgaben zu bewältigen sind, ließe sich aus medizinisch-anatomischen Gründen kaum noch reduzieren. Das Provisorium des Leistbaren auf eine solide und strategisch zielorientierte methodisch einwandfreie Basis zu stellen, war die große Herausforderung der vergangenen sechzehn Monate, und das insbesondere hinsichtlich des Gebiets der archivischen Erschließung. Mit einem gewissen Stolz konnte das Archiv Anfang Mai bekannt geben, dass mit Ausnahme der ältesten Bestände das gesamte Archiv, also alle Zugänge seit seiner Errichtung, mit Hilfe von Online-Findmitteln recherchier- und benutzbar ist. Dies war nur dadurch möglich, dass das Archiv mit einem parallelen Findmittelsystem arbeitet, das sich in Archivrepertorien und Akzessionsverzeichnisse unterteilt, wobei beide akkurat und für die Öffentlichkeit bestimmt geführt werden. Auf diese Weise konnte das Universitätsarchiv mittels eines umfassenden Akzessionsverzeichnisses und eines zusätzlichen vorläufigen Findbuchs für die Verwaltungsbestände den Zugriff auf alle Bereiche seines Magazins innerhalb kürzester Zeit ermöglichen. Die Findmittel befinden sich auf der Internetpräsenz des Universitätsarchivs www.uni-bayreuth.de/universitaetsarchiv und im Archivportal Europa (www.archivesportaleurope.net).
Da im Universitätsarchiv aus mehreren stichhaltigen Gründen bislang keines der großen Archivinformationssysteme eingeführt wurde, muss es sich bei der Erschließung mit einer Übergangslösung behelfen. MidosaXML heißt das „Zauberwort“, das diese Not zur Tugend werden ließ. Dutzende von Archiven haben in den letzten beiden Jahrzehnten diese für kleinere und mittlere finanzschwache Archive entwickelte und modernen Erschließungsstandards als Minimallösung weitgehend entsprechende Software bei sich eingeführt. Im Universitätsarchiv Bayreuth wurde nun ein Versuch unternommen, die eigenen Ansprüche an eine moderne Methode der Erschließung mit den Möglichkeiten einer weitverbreiteten, allein auf die Erschließungstätigkeit fokussierten Standardsoftware in Einklang zu bringen. Natürlich konnte das Ergebnis nur ein Kompromiss sein. Die Ergebnisse aus der Anwendung dieses Kompromisses sind so angelegt, dass sie von Software mit umfassenderen Möglichkeiten auf der Grundlage erprobter Austauschformate nachnutzbar sind und weiter vervollkommnet werden können.

A. Einleitung

Die Grundlage für die Erschließung im Universitätsarchiv Bayreuth ist ein Metadatenmodell, das auf der obersten Ebene aus den Entitäten „Akteure“, „Funktionen“, „Archivgut“ und „Repositorium“ besteht. Für jede der Entitäten hat der Internationale Archivrat (ICA) Beschreibungsstandards veröffentlicht. Sie bilden den Orientierungsrahmen für die Erschließungsrichtlinien.

 

Institutionelles Provenienzprinzip

Mit der ISAD(G)-konformen oder an diesen Standard angelehnt normierten Erschließungspraxis wird Archivgut in Kontextkategorien beschrieben und präsentiert. Traditionell bildet die Erschließung primär den Kontext der körperschaftlichen Provenienz ab, indem die Abgrenzung und Gliederung der Archiveinheiten der unterschiedlichen Verzeichnungsstufen von der Absicht bestimmt ist, die Einheit und Struktur von Schrifgutbildnern im Archiv und in den Findmitteln zu spiegeln. Auf diese Weise verfolgt die Erschließung das Ziel, den Entstehungszusammenhang von Archivgut transparent und methodisch einfach nachvollziehbar zu machen, woraus sich für den Nutzer eindeutige Kriterien für eine erfolgreiche Recherche ableiten lassen.

Durch die Integration von Angaben zu Vorprovenienzen in die Verzeichnung nähert sich die Erschließung einer weiteren Kontextbeschreibung. Das Augenmerk richtet sich dabei auf die Dokumentation der historischen Entwicklung des ursprünglichen Gebrauchs der Unterlagen, bevor sie ins Archiv gelangten. So geben die Informationen über Provenienzen Auskunft über die Entstehung und Nutzungsgeschichte des Archivguts.

Funktionen im Findmittelsystem

Fragt man danach, wofür Archivgut ursprünglich gebraucht wurde, so fragt man nach Funktionen und Aufgaben der Schriftgutbildner, deren Wahrnehmung die Entstehung von Unterlagen verursacht hat. Johannes Papritz forderte, dass die archivische Titelaufnahme „allein auf Erkenntnis und Wiedergabe des Entstehungszweckes ausgehen“ dürfe.[1] Diese Form der Verzeichnung kommt der Beantwortung der Frage schon sehr nahe. Indem bei der Verzeichnung der Betreff einer Archiv- oder Archivalieneinheit wiedergegeben wird, spiegeln sich dabei idealerweise die Funktionen, die der Schriftgutbildner im Einzelnen wahrgenommen hat, und zwar unabhängig davon, ob er dazu ein Mandat hatte oder nicht. Funktionen und Mandate bilden einen Kontextbereich, den zu kennen für das Verständnis von Archivgut essentiell ist. Auf seine Darstellung und Recherchierbarkeit muss die archivische Erschließung daher besonderen Wert legen. Eine Annäherung in der Formulierung der Titel reicht dafür nicht aus. Die Funktion muss klar und einheitlich an einer dafür bestimmten Stelle im Findmittel(system) benannt werden. Um sie übergreifend recherchierbar zu machen, muss ihre Bezeichnung und Beschreibung in standardisierter Weise erfolgen. Die traditionelle Erschließung sieht das nicht vor.[2] Auch ISAD(G) beinhaltet außerhalb des weiten Sektors der Verwaltungsgeschichte (Abschnitt 3.2.2) keinen klar definierten Bereich für die Aufnahme von Funktionen. Im derzeitigen EAD-Profil der Software MidosaXML ist seit einiger Zeit ein „Kompetenzenindex“ verfügbar, der in XML als <function> kodiert wird. Im APEx-Projekt wird die Integration von Funktionen ins Findmittelsystem diskutiert. Ein EAC(CPF)-Profil, das derzeit für das Archivportal Europa erarbeitet wird, beinhaltet demnächst ebenfalls ein <function>-Feld. Jedoch hat sich die parallele Erschließung von Archivgut in EAD- und Beschreibung von Schriftgutbildnern in EAC-Normdateien in Deutschland bislang nicht ansatzweise durchgesetzt. Als Instrumentarium müsste demnach zur Beschreibung jenes Kontextbereichs bis auf Weiteres eine geeignete Stelle innerhalb des klassischen Findbuchs dienen, möglicherweise in einer Art, die der derzeitigen Lösung in MidosaXML ähnelt oder entspricht.

Die skizzierten und in gegenseitiger Wechselwirkung stehenden Kontextbereiche „Entstehung“, „Gebrauch“, „Funktionen“ werden bei der traditionellen Erschließung in der Findbucheinleitung dargestellt. Die Entstehungs- oder Verwaltungsgeschichte (bei Nachlässen die Biographie), die Bestandsgeschichte sowie der Abschnitt über die Ordnung des Bestands sind die dafür einschlägigen Kapitel.

Den Hauptteil des klassischen Findbuchs bildet die Titelliste oder das Inhaltsverzeichnis eines Bestands. Durch seine klassischerweise hierarchische Strukturierung priorisiert es bestimmte Kontextkategorien gegenüber anderen. Ist der Bestand nach solcher Manier äußerlich durch die Gemeinsamkeit der institutionellen Provenienz abgegrenzt, so wird er nach innen gewöhnlich entweder nach oder in Orientierung an dem Registratur- oder dem Fondsprinzip gegliedert.

Bestand als beziehungsbegründetes Konzept

Ob zuerst der Auftragsnehmer oder der Auftrag existierten, ist so unerheblich wie der gleichartige Streit über die Existenz von Henne und Ei, wenn es darum geht, Bestandsabgrenzungskriterien zu formulieren. Immerhin ist es nicht vorstellbar, dass Archivgut nicht aus der Wahrnehmung einer definierbaren Aufgabe oder Funktion entstanden ist. Genauso unvorstellbar ist es, dass bei der Entstehung des Archivguts – und damit bei der Ausübung einer entstehungsursächlichen Funktion – kein Akteur beteiligt gewesen sei. Die Abgrenzung eines Bestands nach institutioneller oder funktionaler Provenienz sollte demnach zwei gleichberechtigte, sich gegenseitig ergänzende Alternativen für die Tektonik eines Archivs bedeuten. Indem diese Gleichberechtigung anerkannt wird, wird offenbar, dass es letztlich Beziehungen und Beziehungsformen sind, die einen Bestand als solchen abgrenzen und definieren. Die vielseitigen Entstehungs- und Nutzungskontexte eröffnen aber eine Vielzahl weiterer provenienzbegründeter Kontextkategorien, so dass die Tatsache, dass ein Archivale einer kaum begrenzbaren Zahl von Beziehungsgemeinschaften angehören kann, zur Kausalität dafür wird, dass der Bestandsbegriff ein konzeptualer ist, nicht aber eine fixe physische Aggregation von Archivgut meint. Es ist nicht zwingend nötig, seitens des Archivs bestimmte Kontextkategorien durch die Bildung von Tektonikstrukturen zu priorisieren. Sofern die technischen Voraussetzungen gegeben sind, kann die Generierung von Textoniken, von Beständen und Bestandsstrukturen auf der Grundlage von nutzungsvorhabensspezifischen Beziehungspriorisierungen weitgehend oder ganz dem Nutzer überlassen werden.[3] Bis auf weiteres wird das Universitätsarchiv aber Tektoniken erzeugen und sie als (Einstiegs-)Angebote zur Verfügung stellen.

Indexierung und Charakter der Verzeichnungsstufen

Um Beziehungsgemeinschaften visualisierbar mit Hilfe einfacher Erschließungswerkzeuge zu erfassen, kann man sich mit einer umfänglicheren Indexierung behelfen. So sollte jede Verzeichnungseinheit mindestens mit Angaben zu End- und zu Vorprovenienzen sowie zu Funktionen, Subfunktionen und Aufgaben, die für die Entstehung des Archivale ursächlich waren, versehen werden. Damit wird gewährleistet, dass eine virtuelle Ordnung des Bestands wenigstens nach Funktionen und Provenienzen auch bestandsübergreifend und auf der Basis der Verzeichnungsdaten jedes einzelnen Archivale (und nicht nur auf der Grundlage von Verzeichnungsdaten auf der Ebene des Bestands) ermöglicht werden kann. Auch ist das die Basis dafür, dass die Archivalien in ein Recherchesystem eines Conceptual Reference Model (CRM) sinnvoll einbezogen werden können, was bei der Bereitstellung der Erschließungsdaten in Portalanwendungen eine Rolle spielen kann. Um Archivgut zahlreichen Relationen eindeutig und darstellbar zuordnen zu können, ist es wichtig, die Verzeichnungseinheiten nicht zu weitläufig abzugrenzen, sondern eine Definition in eher kleineren Einheiten vorzunehmen, ggf. mit Untereinheiten wie File und Subfile oder Akt und Vorgang zu arbeiten. Es sollte bedacht werden, dass die Einrichtung einer Klasse oder Gliederungsstufe nach Möglichkeit nicht den Rang einer Serie einnimmt, sondern dass sie der angewandten Seriendefinition gerade nicht entspricht. Während eine Serie als archivalische Kompositionsstufe eine genuine Archivalien- oder Archivguteinheit darstellt, ist die Klasse oder Gliederungsstufe eine sekundär definierte Archiveinheit. Wird eine Registraturtektonik als Bestandstektonik übernommen, ist zu prüfen, ob die dadurch entstehenden Klassifikationseinheiten den Rang von Archivgutkompositionen haben. Dann sollen sie wie Kompositionsstufen behandelt und ggf. als Serien verzeichnet werden. Andernfalls dienen sie der Erhellung des weiteren Nutzungskontexts und spiegeln die Verwaltung und Organisation des Records Management und seine Grundsätze.[4] Als solche sind sie keine Kompostionsstufen von Archivgut, sondern Kontextinformation zur Bestandsgeschichte, die der Erläuterung der ursprünglichen Ordnung und Nutzung dient. Sie werden bei der Verzeichnung als Altsignaturen mit den dazu gehörenden Erläuterungen und in den Verweisen auf Registraturschemata festgehalten. Sobald der Archivar demnach eine Einheit zu verzeichnen hat, die als Ganze eine Komposition darstellt, die selbst als Archivale (und nicht als Tektonikeinheit) verstanden werden soll bzw. muss, soll er in MidosaXML mit den Verzeichnungsstufen Serie, Akt und Vorgang arbeiten und Klasse und Teilbestand nicht verwenden. Die Klassifikation aus Tektonikeinheiten des Archivs bzw. der Registratur soll sich im Index und in den Sortierfeldern befinden (analog einer externen Klassifikation, wie sie teilweise in anderen Softwareprodukten üblich ist; vgl. das frühere MidosaOnline).

Kleinste funktionale Einheit als kleinste Identifikationseinheit

Als nächstes gilt es abzuwägen, ob das Verhältnis von Serie und Akt oder von Akt und Vorgang jeweils besser geeignet ist, um dem Ziel der Verzeichnung im Einzelfall zu entsprechen. Dabei muss man sich von der Vorstellung lösen, dass die deutsche Bezeichnung dieser drei Verzeichnungsstufen mit den gleichnamigen Kompositionsstufen von Archivgut identisch sein müsse. Besser entsprechen die englischen Begriffe Series, File und Subfile einer neutralen Terminologie der Verzeichnungsstufen. In der Praxis werden die für Signaturen vorgegebenen Einstellungen der benützten Erschließungssoftware Einfluss auf diese Entscheidung haben. Daher sollte man sich mit seinem Softwareanbieter abstimmen, ob Signaturfelder auf den Ebenen Serie, Akte und Vorgang vorhanden sind und ob sie – idealerweise – optional aktiviert oder deaktiviert werden können. Die Vergabe von Signaturen ist geeignet, ein Archivale im Findmittelsystem als nicht mehr weiter aufzuspaltende Einheit zu konstituieren. Das kann Folgen für die Zuordnungen von Funktionen und Beziehungen haben. Sie können für tiefere Kompositionsebenen des mit einer Signatur versehenen Archivale nicht mehr mit eindeutig identifizierbarem Archivgut verknüpft werden. In der digitalen Archivierung ist dies bei der Abgrenzung der AIPs zu bedenken. Geht man von der Annahme aus, dass es das Wesen von Akten (records) sei, einzelne Handlungen (transactions) oder bloße Informationsfixierungen (documents) in eine inhaltliche und zielgerichtete Beziehung zueinander zu setzen, ja dass dadurch erst Akten entstehen und als solche bezeichnet werden können, so ergibt sich daraus die Notwendigkeit, als kleinste unteilbare archivalische Einheit den Umfang vorgangs- oder gar nur dokumentenartigen Niederschlags zu identifizieren (und demzufolge mit einem Identifikator zu versehen), der vollständig aus der Wahrnehmung je einer von potentiell gleichzeitig beliebig vielen ebenso zutreffenden Funktionen (oder Subfunktionen) entstanden ist. Die Vielzahl der möglichen Relationen, die auf eine solche Archivalieneinheit zugreifen, ergeben die Vielzahl der „archival bonds“, in denen sie steht, und damit die Vielzahl konzeptualer Akten (records), die die Handlungen und Handlungskontexte der sich darin findenden Akteure greifbar machen.[5] Diese Zusammenhänge der Identifizierung von Archivalien- und Archiveinheiten lassen sich auch auf andere Kompositions- und Verzeichnungsstufen übertragen. Die Identifikation von kleinsten funktional bestimmten Kompositionsformen und die Identifikation ihrer archival bonds können als die beiden Pfeiler gelten, die die Praxis der archivischen Erschließung bestimmen sollen. Archivische Erschließung schafft auf diese Weise die Voraussetzungen für ein endnutzerorientiertes digitales Informationsmanagement. Hier werden pragmatische Kompromisse einzugehen sein, so dass diese Wegweiser eher strategischen oder Grundsatzcharakter hinsichtlich der Formulierung der Richtlinienspezifikationen für die jeweiligen Erschließungsvorhaben beweisen werden.

Instrumente für die Erschließungspraxis

Um archivische Erschließung in der Praxis (bereits kurzfristig) ausführen zu können, werden folgende Instrumente benötigt:

  1. Identifikation von Funktionen:
    Die Funktionen und Subfunktionen des Schriftgutbildners müssen ermittelt und beschrieben werden. Es muss festgelegt werden, mit welchem Begriff oder Sigel sie einheitlich in der Archivgutbeschreibung zitiert werden, zum Beispiel bei der Indizierung. Die Beschreibungen der Funktionen dienen als Normdatensätze. Deshalb ist es wichtig, den Prozess der Funktionsidentifikation mit gleichartigen Archiven oder Repositorien ähnlicher Schriftgutbildner zusammen anzugehen und die so entstandenen Normdateien übergreifend verfügbar zu machen (linked open data, ISDF).
  2. Identifikation von Akteuren und Akteursgruppen:
    Vor und während der Archivgutverzeichnung sind Akteure zu kennzeichnen, die in Normdatensätzen beschrieben und mit dem Archivgut verknüpft werden sollen. Die ausgewählten Akteure werden Beschreibungsobjekte des Findmittelsystems, indem ihre Beziehungen zu Funktionen und Archivgut ebenfalls beschrieben werden.
  3. Relationenkatalog:
    Zur Beschreibung der Beziehungen zwischen Funktionen, Akteuren und Archivgut untereinander und innerhalb der eigenen Gruppe ist ein Katalog von Eigenschaften und Handlungen vonnöten. Zahlreiche Ansätze dafür sind in den traditionellen Findmitteln bereits in anderer Gestalt enthalten. So bedeutet die Inbeziehungsetzung von Provenienzstelle und Archivgut beispielsweise, dass eine Institution bei der Ausübung einer Funktion das Archivgut erzeugt hat. Wird hier die betreffende Funktion in den Kompetenzenindex aufgenommen, so sind die wichtigsten Aussagen über das Verhältnis zwischen einem Akteurs, einer Funktion und einem Archivale getroffen. Komplizierter wird es bei einer ebensolchen Beschreibung für einen Akteur, der nicht Schriftgutbildner ist und damit in die klassischen, den traditionellen Findmitteln inhärenten konkludenten Beziehungsmodelle nicht hineinpasst. Spätesten hier erscheint es sinnvoll, RDF-Komponenten in die Erschließungspraxis zu übernehmen.

Um mit der Erschließung im dargelegten Sinne kurzfristig beginnen zu können, kann zunächst auf den Relationenkatalog verzichtet und die wichtigsten Relationen über die Nutzung der üblichen Indextypen und Felder zur Provenienzangabe festgehalten werden. Insofern kann der Relationenkatalog zunächst mit einem Thesaurus der möglichen Indexbegriffe kompensiert werden.

[1] „Für die archivische Titelaufnahme bedeutet das, daß sie im Sinne des Provenienzprinzips und der sich daraus ergebenden Konsequenzen allein auf die Erkenntnis und Wiedergabe des Entstehungszweckes ausgehen darf. Entsprechen alte Titel ausnahmsweise dieser Forderung nicht, so müssen sie entsprechend verändert oder ergänzt werden.“ (Johannes Papritz, Archivwissenschaft, Bd. 3, Marburg, 2. Aufl., 1983, S. 265 (Nachdruck von 1998 = Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Nr. 3).

[2] Dies ist angesichts der großen Bedeutung, die den Funktionen Im Rahmen der Archivgutbeschreibung in der Archivwissenschaft seit langem zugemessen wird, umso erstaunlicher (vgl. u.a. bereits Jenkinson, Scott und viele andere).

[3] Vgl. hierzu den Hinweis Greg Bak’s (Continuous classification: capturing dynamic relationships among information resources, Archival Science (2012) 12:287-318; hier: S. 308)  auf die Rekonzeptualisierung von Provenienz in Chris Hurley’s Theorie von der parallelen Provenienz („parallel provenance“), nachzulesen u.a. in: Hurley, Parallel provenance (if these are your records, where are your stories?). – Online-Publikation des Autors, 2005: http://infotech.monash.edu/research/groups/rcrg/publications/parallel-provenance-combined.pdf.

[4] Peter Horsman bezeichnet die beiden Kontextbereiche als „Documenting“ einerseits und „Recordkeeping System“ andererseits und weist auf ihre gegenseitige Nähe und Verschränkung hin (Horsman, Wrapping Records in Narratives. Representing Context through Archival Description. – Bad Arolsen, 2011: https://www.its-arolsen.org/fileadmin/user_upload/Dateien/Archivtagung/Horsman_text.pdf).

[5] Vgl. Luciana Duranti: „Documents that are expressions of a transaction are not records until they are put into relation with other records, while documents that are not expressions of a transaction become records at the moment when they acquire an archival bond with other documents participating in the same activity.“ Die Generierung konzeptualer Akten findet sich bereits 1996 in der Argumentation von David Bearman, der forderte, dass Akten in elektronischen Dokumentenmanagementsystemen (DMS) erst auf eine spezifische Anfrage hin aus den einzelnen Dokumenten zusammengesetzt werden sollten (Bearman, Item level control and electronic recordkeeping. Arch Mus Info 10(3): 195-243). Clive Smith beschrieb den digitalen „virtual file“ bereits 1995: „In such an electronic environment, the correspondence file or dossier takes on a new dimension. It no longer exists physically, but only as a collection of electronic documents that are assembled through some search criteria, and it exists only as long as the search is maintained. A single document may participate in several such virtual files.” (Smith, The Australian series system. Archivaria 40:86-93; hier: S. 92). Dazu ist zu ergänzen, dass es entscheidend für die Aussagekraft des „virtual file“ ist, dass den von Smith erwähnten „search criteria“ geeignete und bei den „search“-Vorgängen fortzuschreibende Metadaten zugrunde liegen. In ähnlicher Tradition vertrat zuletzt u.a. Greg Bak die Ansicht, elektronischem Records Management und digitaler Archivierung entspräche wesensmäßig ein “item-level management” am besten (Bak, Continuous classification: capturing dynamic relationships among information resources, Archival Science 12.2012, S. 287-318).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1758

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Partizipation durch Standardisierung? Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation

Folien:

 

Einleitung: Forscher suchen nach Inhalten

Als ich vor ein paar Jahren begann, eine virtuelle provenienzmäßige Beständebereinigung in einem nach Pertinenzen geordneten Archiv vorzunehmen und es dabei tiefer zu erschließen, gab mir das Forschungsdepartment des Hauses den Hinweis, dass Historiker nach thematischen Inhalten, nicht nach Herkunftsstellen suchten. Rückblickend war für mich damit der Startschuss gefallen, konventionelle Methoden archivischer Erschließung zu hinterfragen. Es wäre zu einfach, das Ansinnen nach themenbezogenen Suchmöglichkeiten auf beigegebene Indizes und Thesauri zu verweisen, selbst aber an der hierarchischen Erschließung auf der Grundlage des Fonds- oder des Registraturprinzips als unbedingter Krönung der Archivgutbeschreibung, vermeintlich gar nicht unreflektiert, zu beharren.

Was wäre damit gewonnen? Das zentrale Anliegen des Archivars, Archivbestände in ihren Kontexten darzustellen und zu beschreiben, verlöre seinen Wert, wenn seine Erschließungsprodukte von den Nutzern weder mehr akzeptiert noch gar verstanden würden. Am Ende könnte man verführt sein, den Archivaren die Erstellung ihrer monohierarchischen, kontextorientierten Provenienzfindbücher als Steckenpferd in ihrem Elfenbeintürmchen zuzugestehen, während zur intensiven Nutzung das käme, was in den Augen der Archivare eher die Ergänzung, das Bonbon für die Googlegeneration sein könnte: Die Schlagwortsuche, der Index, die Freitextsuche und ähnlich aufwändige Findsysteme für den amateurhaften Nutzer von der anderen Seite des tiefen Grabens, des so genannten „Archival Divide“.

Nein, das wäre kein Gewinn. Leider kann man die Probleme, die Historikerinnen und Historiker und erst recht andere Nutzergruppen mit unseren nach klassischen Methoden erstellten Findmitteln haben, nicht hinwegreden. Wir alle kennen sie aus eigener Erfahrung mit unseren Kunden. Und selbst wenn wir auf die erfahrensten Nutzer sehen: Wie viele unserer Findbücher wurden als Repräsentanten ihres Genre, also in allen ihren Teilen, studiert, wer liest die Verwaltungs- und Bestandsgeschichten oder gar die Erläuterungen zum Erschließungsprozess und die Erschließungsrichtlinien, bevor er sich an die Titelliste macht? Ist die Stufenerschließung nach ISAD(G) eine Anleitung, treffsicher Einschlaflektüre zu generieren, die nie gelesen wird? Wir kommen also nicht umhin, uns mit den veränderten Nutzeranforderungen eingehend auseinanderzusetzen und unsere Methoden ergebnisoffen zu hinterfragen.

Kontextstiftende Ordnung und konzeptuelle Einheiten

In der archivischen Erschließung wird meist zwischen den Prozessen der Ordnung und der Beschreibung unterschieden. In der deutschen Erschließungstradition ebenso wie in den Ausprägungen der nationalen Traditionen in den bekannteren internationalen Standards wie dem ISAD(G) oder dem DACS wird Erschließung auf der Grundlage eines Bestands, eines Fonds, vorgenommen und ist eine vom Allgemeinen zum Besonderen hinabsteigende mehrstufige hierarchische Repräsentation von Verzeichnungseinheiten als einer größeren Einheit. Wichtig ist es, die Bedeutung des Bestands oder Fonds als die maßgebende kontextstiftende Einheit in einem Archiv zu begreifen. Ich sage bewusst „kontextstiftend“ und nicht „kontextwahrend“, weil in den meisten Fällen Bestände nicht konzeptuell, sondern pragmatisch als physisch abgegrenzte Einheiten innerhalb eines Archivs, also eher als Schellenberg’sche Record Group denn als Fonds, verstanden werden. Dann aber sind sie vom methodischen Ansatz her bereits ein Stückweit dekontextualisiert, so dass die Erhellung der in ihnen bewahrten Kontexte bereits, ebenfalls ein Stückweit, zu einer Rekontextualisierung durch den Archivar werden kann.

Geoffrey Yeo nennt solche Bestände daher generell Collections.[1] Jennifer Meehan umschreibt die Wirkung der Fonds-Bezogenheit der Erschließung in ihrem 2014 erschienenen Aufsatz „Arrangement and Description: Between Theory and Practice“ und damit die Wirkung der traditionellen Standards geradezu entlarvend mit den folgenden Worten:

„[…] the fonds has served to codify archival description as a singular, fixed representation of a whole and its parts and as a linear, top-down process, which doesn’t adequately reflect or address the complex realities of recordkeeping.“[2]

Der Fonds steht demnach Modell für ein fixiertes Abbild, das in seiner Akkuranz den Anspruch der Singularität erhebt.

Der Abschnitt 3.5.3 des ISAD(G) zu den Related Units of Description im eigenen und in auswärtigen Archiven weicht diese Starre zwar auf, verharrt aber ebenfalls in der Vorstellung des Bestands als abgeschlossener Einheit in der Struktur der Tektonik eines Archivs. Dass der Fonds aber vielmehr eine konzeptuelle Einheit ist, ergibt sich bereits aus der Definition des Committee on Descriptive Standards des ICA im terminologischen Abschnitt des ISAD(G):

“The whole of the records, regardless of form or medium, organically created and/or accumulated and used by a particular person, family, or corporate body in the course of that creator’s activities and functions.”

In der Praxis weichen wir von der Theorie insofern ab, als wir eher selten dazu neigen, unsere Bestände nur als Teilbestände umfassenderer relationaler Korpora zu begreifen oder gar darzustellen. Vielmehr sehen wir zu ihrer Abgrenzung auf die physische Aggregation von Archivalieneinheiten in unseren jeweiligen Archiven. In Wirklichkeit aber ist es durchaus nicht selbstverständlich, dass das, was wir als Archivbestand ansehen, mit der Gesamtheit des Materials übereinstimmt, das vom selben Registraturbildner stammt. Wir alle kennen die Zerstreuung von Archivgut amtlicher Provenienzen auf staatliche Archive und Nachlässe in den Stiftungsarchiven der Parteien oder die weit verstreute historische Überlieferung des Reichssicherheitshauptamts, des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt sowie der Kolonial- und Besatzungsbehörden, um nur eine kleine Auswahl zu nennen. Die aufkeimenden Archivportale geben geeignete Instrumente, um dieser Verstreuung von Archivgut durch einen Rechercheverbund zu begegnen.

Wir verharren an dieser Stelle unserer Betrachtungen immer noch in der Betonung der institutionellen Herkunft als bestandsbildendem Kriterium, haben uns aber mit der Akzeptanz des Fonds als einer konzeptuellen Größe in der Frage der „kodifizierten archivischen Erschließung als singuläre und fixe Repräsentation“ desselben insoweit bewegt, als sich diese Repräsentation über die physische Archivgutaggregation in unseren Magazinen hinaus auf ein durch die gemeinsame Relation zum Bestandsabgrenzungskriterium „institutionelle Provenienz“ definiertes Rekonstrukt ausgeweitet hat.

Das eingangs erwähnte Forschungsdepartment wird auch an dieser Stelle noch einwerfen können, dass unsere Erschließung in diesem Stadium des Ordnungsprozesses in Gestalt der Beständeabgrenzung in ihrem Kern immer noch keine Anstalten macht, eine themenbezogene Herangehensweise zu unterstützen.

Terry Cook bezeichnete den Fonds als ein intellektuelles Konstrukt.[3] Er sagte dies angesichts sich schnell verändernder Strukturen und komplexer Muster im Verwaltungsaufbau und im Verwaltungsablauf in modernen Organisationen. Peter Scott kam bereits in den 1960er Jahren zu einer ähnlichen Anschauung und wurde zum Vater des australischen „Series System“.[4] Ausgehend von häufig wechselnden Strukturen und Aufgabenverteilungen, sah er, dass die Federführung bei langfristig laufenden Aktenserien häufig wechselte. Er stellte fest, dass solche Serien dadurch mehrere Registraturbildner erhielten. Daraus folgte die Einsicht, dass es möglicherweise weniger die Organisationseinheiten sind, die für die Schriftgutentstehung verantwortlich sind, als vielmehr die Aufgaben und Funktionen, die in deren Mandat liegen. Das australische Series System implizierte, dass eine Serie mehreren Fonds zuzuordnen war.

Begreifen wir Aufgaben und Funktionen als Urheber von Aktionen und Prozessen und das Archivgut als deren Repräsentation, so müssen wir unser Verständnis von Provenienz über die an Organisationen gebundene hin zu einer an Funktionen gebundenen erweitern. Wir müssen die „funktionale Provenienz“ als Bestandsabgrenzungskriterium akzeptieren.[5] Und, was unsere Traditionen weit mehr erschüttern kann: Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass Archivgut mehreren Beständen angehören kann, dass demnach auch die Erschließung nicht mehr eine ihrem Wesen nach einzigartige Repräsentation eines in jeder Hinsicht einmaligen und fix strukturierten Bestandes zum Ziel hat. In Anlehnung an Terry Cook bedeutet die Zuweisung von Archivgut zu jeweils einem einzigen Bestand die Verdunkelung von Kontexten, da es seine Existenz vielfältigen entstehungsursächlichen Beziehungsgemeinschaften verdankt. Diese Vielfalt gilt es bei der Erschließung sichtbar zu machen.

Kontextwahrende Beschreibung in relationalen Modellen

Die Beschreibung von Beziehungsformen, Beziehungsgemeinschaften und die ergänzende Berücksichtigung entstehungsursächlicher Funktionen kann zu einer Erschließung führen, die in der Tat eine themenbezogene Herangehensweise seitens des Nutzers unter Wahrung der Konnotation zu den Entstehungskontexten begünstigt. Entsprechende Metadaten können zugewiesen und in Normdateien erläutert werden. Durch eine verstärkte Betonung der Beschreibung von Beziehungen und Eigenschaften der Entitäten des angewandten Metadatenmodells lassen sich die Grundlagen dafür legen, die so entstehenden Erschließungsprodukte mit den Rechercheinstrumenten des Semantic Web zu nutzen. Der bestandsbildende und damit die äußere Ordnung schaffende Prozess verlagert sich auf die Identifikation dieser Beziehungen und Eigenschaften und wird damit Bestandteil des analysierenden Prozesses der Beschreibung von Archivgut.

Peter Horsman weist in seinem Aufsatz „The Last Dance of Phoenix“ darauf hin, dass bereits Peter Scott mit seinem Seriensystem die Beschreibung von Archivgut gegenüber dem physisch nachvollziehbaren Ordnungsprozess den Vorzug einräumt:

Scott added an important conceptual element by stressing the power of description, indeed, by eventually preferring description to arrangement [6]

Horsman zeigt ferner auf, dass die Diskussion darüber, ob die Bestandsabgrenzung durch den Beschreibungsprozess und nicht durch eine starre Form des Arrangement erfolgen sollte, bereits bis zum Internationalen Archivarskongress in Brüssel im Jahr 1910, der ein Meilenstein für die internationale Durchsetzung des Provenienzprinzips werden sollte, zurückreicht und in Deutschland von dem Archivar Gustav Wolf bereits frühzeitig thematisiert wurde. Dennoch bedurfte es vor allem eines Terry Cook, um diesem Ansatz in der jüngeren Archivwissenschaft erneut Beachtung zu schenken. Nun, letztlich kommt Horsman zu dem Schluss, dass die Gestalt von Archivbeständen, von Fonds, er benutzt diesen Term, durch den beschreibenden Prozess der Erschließung erfolgt. Er definiert einen Fonds quasi mit einer mathematischen Formel, indem er sagt:

A fonds (F) is any set of relationships (r1, r2, r3, etc.), where a record (a1, a2, a3, etc.) is an element in any of the identified (and non-identified) relationships. Evidently, a record can be part of two or more relationships, and two or more fonds.[7]

Damit haben wir eine neue Ebene erreicht. Um Bestände auf diese Weise identifizieren zu können, müssen die Einzelteile potentieller Fonds mit Metadaten versehen werden, deren Auswertung Beziehungsgemeinschaften zur Grundlage visualisierbarer Archivkörper machen kann. Wir benötigen dafür standardisierte Metadatensets, die maschinenlesbar sind. Geoffrey Yeo weist in einem 2012 erschienen Beitrag in der Zeitschrift „Archivaria“ darauf hin, dass es ein Proprium gerade unseres digitalen Zeitalters sei, Objekte durch das Arrangement von Metadaten zu ordnen, und nimmt dafür Bezug auf David Weinbergers Theorie der „Third Order of Order“, die gerade dadurch geschaffen wird:

This is Weinberger’s ‚third order of order,’ in which resources can be arranged into as many sequences as may be desired and users can organize their work independently of the limitations imposed by analog systems.[8]

Rufen wir uns nun erneut ins Gedächtnis, dass sich Fonds durch Beziehungsgemeinschaften abgrenzen lassen und je nach der Priorisierung dieser Gemeinschaften andere Grenzen haben, die über die einzelnen Archive hinausgehen, so ist die Standardisierung der Metadaten eines der Erfordernisse, um den Nutzern mit neuen Konzepten begegnen zu können, die einen Mehrwert für die Auswertbarkeit von Archivgut bringen; Nutzern, die längst begonnen haben, selbst Quellen zu entdecken und mit Hilfe breit angelegter Projekt zu erschließen und der Forschergemeinschaft zugänglich zu machen. Ich nenne Projekte wie CENDARI, DARIAH, EHRI und nicht zuletzt die Europeana als Pionierin im Aufbau und Einsatz wegweisender Metadatenmodelle. Wir haben es mit Nutzern zu tun, die als Historiker und Vertreter verwandter Disziplinen sich nicht nur im aktiven Zugang sondern auch in der Zugänglichmachung von Archiv- und Kulturgut emanzipiert haben, die Aufgaben übernommen haben, die ursprünglich auf dem ureigenen Terrain der Archivare lagen, die aber dabei auch umfassendere Formen der Erschließung vornehmen konnten, für die den Archiven die Ressourcen fehlten.

Die Standards zu formulieren und die erforderlichen Metadatensets vorzuhalten ist die Aufgabe der Archivare, um eine Erschließung zu gewährleisten, die sich nicht in Beliebigkeit verliert, die nicht Beziehungsgemeinschaften konstruiert, sondern in ihnen Kontexte identifiziert; eine mögliche Fehlentwicklung übrigens, die Jennifer Meehan als die Regel in der weithin gängigen Erschließungspraxis brandmarkt.[9] Die praktische Anwendung der Sets im Prozess der Beschreibung der einzelnen Archivguteinheiten ist eine Aufgabe, an der sich der emanzipierte Nutzer beteiligen kann, ja wohl beteiligen muss, um sie angesichts der kaum veränderbaren Ressourcenknappheit überhaupt ernsthaft angehen zu können.

Um Beziehungen und Eigenschaften von Entitäten eines Metadatenmodells standardisiert identifizieren und beschreiben zu können, bedarf es der Festlegung der Entitäten, mit denen man arbeiten möchte, der Beschreibung der Entitäten als Objekte, etwa in Gestalt von Normdateien (Authority Records) und eines Katalogs von Beziehungsformen und Eigenschaften, mittels derer die Verbindungen der Entitäten untereinander beschrieben werden können. Auf diese Weise gelangt man zu einem Findmittelsystem in der Gestalt eines so genannten Entity-Relationship Model (ERM), ähnlich dem im Museumsbereich angewandten CIDOC Conceptual Reference Model, das mit einem Katalog arbeitet, der auf die Verhältnisse musealer Objekte abgestimmt ist.[10] Im Bereich der Archive muss hier wohl das Conceptual Model for Archival Description in Spain von 2012 hervorgehoben werden.[11] Ansätze für die Umsetzung solcher Modelle in Datenaustauschformate finden sich zum Teil bereits im EAD-Schema, insbesondere im neuen EAD3, in dem der Beschreibung von Rollen der Entitäten größeres Gewicht eingeräumt wird.[12] Beispielsweise kann Archivgut mit Funktionen in Beziehung stehen, die einerseits entstehungsursächlich waren oder andererseits einen Nutzungskontext bezeichnen, in den das Archivgut bei einer späteren Nachnutzung zu anderen als den Ursprungszwecken gestellt wurde. Das ist mit Rollenbeschreibung gemeint. Die konsequente Durchsetzung eines Conceptual Reference Model gibt jede den Nutzer bevormundende Priorisierung des einen oder des anderen Beziehungs- oder Kontextstranges auf, beseitigt monohierarchische Tektoniken, arbeitet mit Ontologien und lässt den Nutzer an seinem PC selbst entscheiden, welche Beziehungsformen für sein konkretes Nutzungsvorhaben welche Priorität bekommen soll. Er befindet sich sozusagen vor einem Bausteinkasten von Geschichten und Namen, von stories and names, wie Wendy M. Duff und Verne Harris ihren Aufsatz über archival description as narrating records and constructing meanings betitelten, und stellt nun legitime Verknüpfungen zwischen den Bausteinen her, wodurch historische Narrative wieder aufleben.[13] Auf diese softwarebasierte Priorisierung von Information durch den Nutzer folgt die Generierung einer virtuellen Kollektion, in der Kontexte und Hierarchien zusammen mit den Archivgutbeschreibungen und den digitalen Repräsentationen angezeigt werden, möglicherweise in der äußeren Gestalt eines Findbuchs, wenn auch als temporäres und nutzungsfallbezogenes Erzeugnis.

Nachdem ein solcher Katalog von Beziehungen und Eigenschaften erstellt bzw. ein entsprechendes Datenset als dafür geeignet identifiziert und nach Möglichkeit als Linked Open Data übergreifend nutzbar ist, gilt es, um zu dem skizzierten Ergebnis zu gelangen, User zu adressieren, die sich eignen und Interesse haben, in passender technischer Umgebung den Archivalien solche Metadaten zu attributieren und möglicherweise auch selbst zur Vervollkommnung dieses Katalogs beizutragen. Von der Vorgehensweise handelt es sich dabei um eine Art von Indizierung mit vorgegebenen Werten durch den Nutzer. Weiters kann ihm erlaubt werden, zusätzliche Werte für den Katalog der Beziehungen und Eigenschaften vorzuschlagen. Diese Form der Interaktion zwischen Archiv und Nutzer, der Partizipation des Nutzers an der Erschließung, benötigt visuelle Repräsentationen des Archivguts. Ohne dass die in Frage kommenden Archivalien digitalisiert vorliegen, ist diese Form der Erschließung ebenso wenig möglich wie jede andere Art des onlinebasierten Crowdsourcing.

Die Attributierung von Eigenschaften in der geschilderten Weise muss sich übrigens nicht zwangsläufig an den Grenzen physischer Archivalieneinheiten orientieren. Das Modell des konzeptuellen Fonds ließe sich womöglich mikrokosmisch auf die konzeptuelle Archivalieneinheit ausweiten. Wenn man aber tatsächlich Beziehungsgemeinschaften zwischen Vorgängen, Dokumenten und Einträgen in die Erschließung einbeziehen möchte, so bekämen die Digitalisate eine neue Qualität. Die metadatengesteuerte Komposition von Subfile-Elementen schüfe neue semantische Einheiten, wenn man möchte, virtuelle Repräsentationen intellektueller Rekontextualisierungen. Denn es entstünden quasi Archivguteinheiten, die weder in analoger noch in digitaler Form so jemals vorgelegen hatte. Im Archiv würden auf diese Weise mehr oder weniger filigrane Informationskollektionen gebildet.

Partizipatorische Erschließung mit Social Communities

Wer könnten nun die Adressaten partizipatorischer Erschließungsformen sein?

Die zeitgleiche Arbeit am selben Archivbestand war Gegenstand eines interinstitutionellen Erschließungsprojekts von Beständen des Internationalen Suchdienstes, das ich koordiniert habe. Die adressierten Teilnehmer an der Erschließung waren in jenem Projekt Spezialisten in den Archiven von Yad Vashem und dem USHMM in Washington, D.C.

Eine Möglichkeit der Erschließung in Zusammenarbeit mit Dritten sind demnach geschlossene Kreise, die sich beispielsweise in Form der Mitarbeiter in einer kooperierenden Institution oder in Gestalt der Glieder irgendeiner anderen, unter Mitwirkung des Archivs zu konstituierenden Community konkretisieren können. Ein offenes Crowdsourcing, ein Anzapfen der „Schwarmintelligenz“, wird je unmöglicher, je höher die Anforderungen an die Qualität der Crowd sind.

Möchten wir vielleicht (lieber) von Addressed Sourcing sprechen und diesen Begriff verwenden, wenn es das Ziel ist, soziale Communities zu identifizieren, die bei der Erschließung interaktiv mit dem Archivar kooperieren? Der Schwerpunkt liegt auf dem Identifizieren und dem Kooperieren als beidseitigen Aktionen. Damit wäre dem Prosumentengedanken des Web 2.0 – wie ich meine – sehr gut Rechnung getragen. Anders als bei Crowdsourcing-Projekten, bei denen die Nutzer oft lediglich die Möglichkeit haben, Information zu rezipieren und neue Information hinzuzufügen, wären sie beim Addressed Sourcing ebenso auf die Rückmeldung des Archivars angewiesen, wie der Archivar auf die des Nutzers. Addressed Sourcing ist insofern eine dialogische, interaktive und durative Kooperation. Sie kann sich nicht auf ein punktuell fassbares Kommunikationsereignis beschränken, sondern funktioniert nur durch steten Austausch innerhalb einer längeren Verlaufsdauer.

Schluss

Web 2.0-Technologien einzusetzen, um Dritte an der archivarischen Arbeit teilnehmen zu lassen ist ein entscheidender Schritt zu einem erneuerten Ressourcenmanagement in den Archiven. Web 2.0, Addressed Sourcing, Standardisierung und emanzipierte Nutzer sind die Voraussetzung für eine erfolgreiche Partizipation. Damit gelingt die Integration der User in das archivarische Kerngeschäft. Die Nutzung von Web 2.0 und Web 2.0-Technologie führte nicht dazu, dass Nebenaufgaben aufgebläht oder völlig neue Arbeitsbereiche an Land gezogen werden, vielmehr führte sie zum Ressourcengewinn für die zentralen Aufgaben. Derartige Partzipationsformen lassen sich vermutlich auch auf andere Bereiche übertragen, etwa auf eine partizipatorische Bewertungspraxis. Wir gelangen somit vielleicht bei dem an, was man „Archiv 2.0“ nennen darf. Ich schließe mit einem Satz von Jennifer Meehan, in dem sie, anknüpfend an die Erläuterung des Begriffs Archives 2.0 durch Kate Theimer am Ende Joy Palmer zitiert:[14]

Rather, an ‚Archives 2.0‘ mode of description might encompass participatory archives, which ‚posits a more radical user orientation, where both archivists and users collaborate to build the archive itself’.

[1] „We can perceive that a collection has physicality, but a fonds, as Cook affirmed, should be seen as an intellectual construct.“ (Geoffrey Yeo, The Conceptual Fonds and the Physical Collection. In: Archivaria 73 (2012), S. 53.

[2] Jennifer Meehan, Arrangement and description: between theory and practice. In: Archives and recordkeeping: theory into practice, hg. v. Caroline Brown, London, 2014, S. 63-99; hier: S. 75.

[3] Vgl. u.a.: Terry Cook, The Concept of the Archival Fonds in the Post-Custodial Era. In: Archivaria 35 (1993).

[4] Vgl. u.a.: Peter J. Scott, The Record Group Concept: a case for abandonment. In: American Archivist 29 (1966).

[5] Die Theorie ist keineswegs neu, hat sich aber als Kriterium zur äußeren Beständeabgrenzung im deutschsprachigen Raum wenig etabliert; vgl. David Bearman, Archival Methods: Archives and Museum Informatics Technical Report. In: Archives and Museum Informatics, Pittsburgh, 1989; Ders., Electronic Evidence: Strategies for managing records in contemporary organizations. In: Archives and Museum Informatics, Pittsburgh, 1994. Im “International Standard for Describing Functions” (ISDF) wird Provenienz wie folgt definiert: “The relationships between records and the organizations or individuals that created, accumulated and/or maintained and used them in the conduct of personal or corporate activity. Provenance is also the relationship between records and the functions which generated the need of the records.” (First Edition, 2007, S. 10; http://www.ica.org/10208/standards/isdf-international-standard-for-describing-functions.html).

[6] Peter Horsman, The Last Dance of Phoenix – The De-Discovery of the Archival Fonds“. In: Archivaria 54 (2002), S. 1-23; hier: S. 15.

[7] Ebd., S. 17.

[8] Geoffrey Yeo, Bringing Things Together: Aggregate Records in a Digital Age. In: Archivaria 74 (2012), S. 43-91; hier: S. 58. Vgl. David Weinberger, Everything is Miscellaneous: The Power of the New Digital Disorder, New York, 2007.

[9] Jennifer Meehan, Arrangement and Description, S. 76.

[10] Deutsche Fassung des CIDOC-CRM: http://cidoc-crm.gnm.de/wiki/CIDOC-CRM:Portal. Vgl. auch die Ausführungen von Geoffrey Yeo, The Conceptual Fonds, S. 71 ff.; ders, Bringing Things Together, S. 81 ff.

[12] Vgl. Kerstin Arnold, EAD3 and the Consequences of the New Version: http://www.apex-project.eu/index.php/en/articles/149-ead3-and-the-consequences-of-the-new-version.

[13] Die Vielfalt der dem Archivgut innewohnenden Narrative betonte in jüngster Zeit u.a. Eric Ketelaar: „The record is full of meanings, some may be read in the record, or inferred from the intertextuality that connects it to other documents, others have to be deduced from the context of archives‘ creation and use.“ Er geht danach auch auf mögliche Instrumentalisierungen solcher Narrative ein. (Eric Ketelaar, Archives and Archivists without Borders In: Archives without borders/Archivos sin fronteras, proceedings of the international congress in The Hague, August 30 – 31, 2010 / ed. Hildo van Engen et al. – Berchem ; Vlaamse Vereniging voor Bibliotheek-, Archief- en Documentatiewezen, Sectie Archieven ; 2012 (= Archiefkunde, 12), S. 355-359.

[14] Jennifer Meehan, Arrangement and Description, S. 94; Joe Palmer, Archives 2.0: if we build it, will they come? In: Ariadne, 2009: http://www.ariadne.ac.uk/issue60/palmer.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1555

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Warum das Universitätsarchiv Bayreuth (dennoch) bloggt

Es ist ein gutes Zeichen für den Fortschritt der Social Media Nutzung und der Vertrautheit mit Web 2.0-Komponenten in den deutschen Archiven, wenn es möglich ist, eine Blogparade zu veranstalten, die sich nicht nur, aber explizit an Archivare als Autoren richtet, und mit der um Mitteilungen über den fachbezogenen Umgang der Archive mit Blogs gebeten wird. Setzt man da nicht zu viel Aktivität und Interesse seitens unserer Zunft voraus, ist der potentielle Teilnehmerkreis nicht arg klein, möchte man fast fragen? Die mit Spannung erwartete Zusammenfassung der veröffentlichten Beiträge am Ende der Parade wird hierüber Aufschluss geben.

Nun ist das Universitätsarchiv Bayreuth, das im März 2013 gegründet wurde, noch sehr jung. Nach dem Einzug der ersten Bestände in ein adaptiertes und nun gut ausgestattetes Magazingebäude steht der „Ansturm“ der ersten Nutzer unmittelbar bevor. Derzeit 96 Facebook-Fans und 97 Twitter-Followers sind insofern nicht die unbeachtlichsten Zahlen. Die ersten Blogbeiträge folgten kurz darauf im Juni in “Archivalia” und “Archive 2.0″. Der Aufbausituation des neuen Archivs entsprechend, waren die Themen in den Blogbeiträgen weniger mit tagesaktuellen Archivalien und dem andernorts üblichen Tagesgeschäft verwoben. Vielmehr stehen eher Grundsatzfragen und Methodisches auf dem Programm. Da ging es um Metadatenmodelle von Erschließungssoftware ebenso wie um den Provenienzbegriff bei der Bestandsdefinition. Unser Leitbild ist das Streben danach, dem Nutzer via Internet Teilhabe und Teilnahme zu ermöglichen, das, was man heute Partizipation nennt.

Archive 2.0 als Baukasten der Partizipation

Die Beiträge der Teilnehmer der ersten Tagung „Offene Archive? Archive 2.0 im deutschen Sprachraum (und im europäischen Kontext)“ im November 2012 in Speyer äußerten sich noch relativ verschieden hinsichtlich ihres Verständnisses, was der Terminus „Archive 2.0“ beinhalte. Einer der vorgetragenen Gedanken war, dass Archive 2.0 nicht zuletzt ein Baukasten von Methoden und Instrumenten aus dem Umfeld der Web 2.0-Technologien sei, um damit Dritte in die Kernarbeiten eines Archivs einzubinden und partizipieren zu lassen.

Archiv 2.0 ist das Archiv, das moderne Internettechnologie einsetzt, um Nutzer an der Erschließung zu beteiligen, um Foren zu Bewertungsfragen bereitzustellen, um Archivaliennutzung zu virtualisieren und mit Personen und Institutionen in kollaborative Projekte zu treten. Die dafür geeigneten Technologien erlauben auch projektbezogene Kooperationen von Archivaren, zum Beispiel in ortsversetzten gleichzeitigen Erschließungsarbeiten am selben Bestand auf der Grundlage digitalisierten Archivguts. Auch der Aufbau virtueller Bestände auf der Grundlage gemeinsamer Leitlinien, die über die sozialen Medien diskutiert und vereinbart werden, kann eine Form der Bestandsbildung im Archive 2.0-Verbund sein.

Zusammengefasst geht es darum, eine Community zu koordinieren, den Interessen ihrer Mitglieder zu entsprechen, eine virtuelle Arbeitsumgebung zu schaffen und das freigesetzte Potential für die Erreichung nutzer- und serviceorientierter Ziele einzusetzen. Hier ist noch viel zu tun, doch Ansätze dazu sind allenthalben zu erkennen. Man sehe auf das Digitale Historische Archiv der Stadt Köln, auf die Planungen zur Nutzerbeteiligung in Archivportalen wie EHRI und dem Archivportal Europa, um nur einige wenige Beispiele zu nennen. Hinzu kommt der Einsatz der Social Media für die Fachdiskussion und den fachlichen Austausch auf kurzen Wegen. Die geschlossene Facebook-Gruppe „Archivfragen“ beispielsweise hat sich dafür bereits gut qualifiziert und umfasst heute bereits 269 Mitglieder aus dem In- und Ausland.

Was Archive 2.0 nicht sein sollte, ist eine Fassade für eine zusätzliche Aufgabe mit dem Charakter allein einer weiteren Komponente der allgemeinen Öffentlichkeitsarbeit mit dem Angebot informeller Kurzkommunikation als propagablem Novum. Freilich soll der Nutzen für die Außendarstellung auch dann nicht verneint oder abgelehnt werden.

Der Blog und das „Prosumieren“

Die Blogbeiträge des Universitätsarchivs Bayreuth betrafen bisher die Themenfelder Dokumentationsprofil, Tagungsdokumentation, Software und Methode der Erschließung. Dahinter war immer die Absicht gestanden, die Leser zur Diskussion zu ermutigen und auf diese Weise Work in Process zu „prozessieren“. Denn das darf der Blog sein: Ein Publikationsforum für Work in Progress, für Ware, die erörtert, korrigiert, fortgeführt und praxistauglich gemacht werden will.

Am 25. Juni 2013 erschien der erste Beitrag: „Ein Dokumentationsprofil für ein Universitätsarchiv – Teil 1: Grundlegung“. Dem folgten zwei weitere Teile. Eine Diskussion ergab sich nicht. Bis heute folgten noch vier Artikel, die insgesamt vier Diskussionsbeiträge zeitigten. Wurde das ursprünglich mit dem Bloggen angestrebte Ziel der konstruktiven Kommunikation mit dem partizipierenden Internetuser demnach nicht erreicht? Innerhalb des Blogs wurde zwar kaum diskutiert, jedoch entspannte sich als Folge in mehreren Fällen ein konstruktiver E-Mail-Verkehr. Auch das Abtauchen in die Nichtöffentlichkeit kann ein Weg des Prosumierens sein, analog zur geschlossenen Facebook-Gruppe oder zum privaten Chat. So willkommen diese Form der Kommunikation auch ist, so darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die technischen Instrumente, die für den Blog typisch sind, auf diese Weise umgangen werden und deshalb zu hinterfragen sind. Ist der Blog demnach für unser Archiv weiterhin ein geeignetes Medium?

Blogs dienen als Publikationsforen, in denen Veröffentlichen und gegenseitiges Austauschen ohne monatelange Wartezeiten auf die nächsten Ausgaben eines Printmediums möglich ist, in denen Material zur Nachnutzung bereitgestellt und ohne sofort sichtbare Spuren ausgewertet, verlinkt und erneut kontextualisiert wird. Das dazu erforderliche Informationsangebot wollen wir unseren potentiellen Nutzern und den übrigen am Archiv interessierten Kreisen nicht entziehen. Immerhin gab es für die bisherigen Beiträge des Universitätsarchivs doch 144 Verlinkungen zu den Social Media Facebook, Twitter und Google+, so dass die Texte offenbar durchaus Leser gefunden haben. Fraglich bleibt dabei, ob das bloße Weiterkommunizieren via Links in die Social Media bereits als Prosumieren bezeichnet werden kann, oder ob die Grenze vom Web 1.0 zum Web 2.0 damit nutzerseits vielleicht noch gar nicht wirklich überschritten wurde.

Der Blog als öffentliche Partizipationsplattform

Wird das Universitätsarchiv Bayreuth also auch künftig in Weblogs auftreten? Es darf nicht übersehen werden, dass die wissenschaftliche Akzeptanz dieses Mediums und der darin erfolgten Veröffentlichungen als seriöse und zitable Beiträge erst zuzunehmen begonnen hat, und dass Strategien zu einer weithin gut wahrnehmbaren Verbreitung von Blogbeiträgen auch erst ansatzweise befriedigend funktionieren. Doch geradezu täglich lässt sich die Dynamik beobachten, mit der die Bedeutung des Bloggens in den aufstrebenden „Digital Humanities“ vorangetrieben und die erforderlichen virtuellen Infrastrukturen optimiert werden.

Deshalb, und weil es unser Anliegen bleibt, die Möglichkeit zur öffentlichen Partizipation zu geben, werden aus unserem Archiv auch künftig Texte in Blogs wie „Archive 2.0“ oder „Archivalia“ und Materialien auf Plattformen wie Slideshare veröffentlicht werden.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1231

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„The Third Order of Order“ – Relationale Erschließung und Indizierung als Chance für die Defragmentierung von Kontexten und Überlieferung

Vortrag auf der internationalen Datenbanktagung – Conference on Digitization – der Archive von NS-Gedenkstätten, Dachau 23.-25. Oktober 2013

„In the third order of order, knowledge doesn’t have a shape. There are just too many […] ways to make sense of our world.” (Weinberger, Everything is Miscellaneous, 83).

Die so genannte „dritte Ordnung“, von der David Weinberger hier spricht, ist – auf Archivgut und Digitalisate übertragen – weder die der physischen Vorlage noch eine virtuell organisierte, aber statische digitale Abbildung, vielmehr ist sie eine vielfältig generierbare Ordnung auf der Grundlage von Metadaten über Relationen zwischen Objekten. „Unordnung der dritten Ordnung beseitigen wir, indem wir ihre Metadaten arrangieren; die Objekte selbst rühren wir dabei nicht an“, schreibt Weinberger.[1] Lassen Sie mich versuchen, sie als Chance für die Erschließung und Präsentation von Archivgut zum Zweck seiner Defragmentierung und Kontextualiserung zu illustrieren.

Das Thema „archivische Erschließung“ möchte ich heute unter dem Gesichtspunkt betrachten, dass sie die Defragmentierung von Kontexten und Überlieferung zum Ziel hat. Zusammenhänge innerer und äußerer Art müssen durch Beschreibungen benannt werden, andernfalls sind sie zwar vorhanden, aber nicht sichtbar. Die Akten und Dokumente der Konzentrationslager sind weltweit verstreut, fragmentiert. Ihre inhaltlichen Kontexte sind durch die Erschließung der einzelnen Archive, in denen sie sich befinden, erleuchtet, mal heller, mal weniger hell. Defragmentierung heißt ein mehrdimensionales Puzzle zusammenzusetzen, Fragmente zusammenzubringen, ihre Kontexte sichtbar zu machen.

Die Fragen, die ich dazu stellen möchte, richten sich darauf, inwiefern klassische Erschließungsmethoden zu einer solchen Defragmentierung beitragen, inwiefern neue technische Möglichkeiten eine Änderung der Methoden erfordern, welche Rolle dabei Standards und Standardisierung spielen und welche Bedeutung den Relationen zwischen den Teilen dieses Puzzle bei dessen Zusammensetzung zukommt.

Die Fragen lauten:

  1. Bildet das heute verbreitete Modell der fixen Beständetektonik die historische Realität ab?
  2. Welchen Zweck kann die Digitalisierung von Archivgut im Rahmen der Zugänglichmachung von Erschließungsinformation erfüllen?
  3. Worauf sollte sich Erschließung richten und welche Standards sollte sie nutzen?
  4. Was ist relationale Erschließung und welche Folgen hat sie für den Nutzer?

1.     Bildet das heute verbreitete Modell der fixen Beständetektonik die historische Realität ab?

CLASSIC FINDING AIDS

Die am weitesten verbreitete Methode der Erschließung von Archivgutbeständen besteht in der Verzeichnung und Zuordnung zu einer festgesetzten Gliederung oder Tektonik. Archive werden in Bestände unterteilt, die den Namen ihrer Provenienzstellen tragen, die Bestände werden nach Organisationseinheiten in diesen Provenienzstellen oder nach Funktionen, die die Provenienzstellen wahrgenommen haben, gegliedert. Das einheitliche zentrale Suchkriterium für den Nutzer nach für ihn passenden Beständen liegt in der Fragestellung: Was war die Aufgabe oder Funktion einer Provenienzstelle und kann ihre Überlieferung daher für mein Forschungsthema relevant sein?

Gerade angesichts der heutigen technischen Möglichkeiten stellt sich nun aber die grundsätzliche Frage: Ist das Provenienzprinzip im digitalen Zeitalter als Ordnungsprinzip noch zielführend? In der Tat wird das Provenienzprinzip als alleiniges Ordnungsschema in den internationalen archivwissenschaftlichen Fachjournalen seit einiger Zeit wieder kontrovers diskutiert.

MULTIPLE MEANINGS

Der ehemalige Generalarchivar der Niederlande Eric Ketelaar wies auf dem internationalen Archivarskongress „Archives without Borders“ 2010 in Den Haag darauf hin, dass der innere Sinn – „the meaning“ – eines Archivale oder auch jedes anderen Kulturguts immer ein vielfacher sei und nicht auf einen einzigen Kontextstrang reduziert werden könne.[2] Inhalte werden vom Wahrnehmenden bei ihrer Wahrnehmung in Kontexte gestellt, sie zeigen sich durch die Komposition der Teile des Archivale, einer archivischen Serie oder eines ganzen Archivkörpers und sie ergeben sich aus der Wahrnehmung der Entstehungszusammenhänge.

Erschließung nach einer provenienzmäßigen Ordnung oder Findmitteltektonik führt zur Konzentration auf den Kontext der Entstehungsgemeinschaft des Archivguts und erschöpft sich im Wesentlichen darin. Anders gesagt: Eine solche Erschließung läuft Gefahr, den Sinn der Archivalien auf einen einzigen Kontextstrang zu reduzieren. Dann geschähe genau das, wovor Eric Ketelaar warnte.

Peter Horsman, emeritierter Dozent für Archivwissenschaft an der Universität Amsterdam, zeigte in seinem Beitrag „Wrapping Records in Narratives“ auf einem archivwissenschaftlichen Workshop in Bad Arolsen im Oktober 2011, dass Archivalien vielfach aus ihrem ursprünglichen Gebrauch entfernt und zu anderen Zwecken weiterverwendet wurden.[3] Damit wurden sie auch in andere physische Kontexte gebracht, zum Beispiel in andere Registraturen verbracht. Er spricht von Dekontextualisierung und Rekontextualisierung. Prominente Beispiele finden sich zuhauf im Archiv des Internationalen Suchdienstes. Dokumente aus zahlreichen Provenienzen wurden dort in thematisch bestimmte Bestände zusammengebracht. Die aus ihrem ursprünglichen Entstehungs- und Nutzungskontext entfernten, also dekontextualisierten Dokumente wurden von da an für die Suche und Schicksalsklärung der darauf erwähnten Personen genutzt und mit neu entstehenden Fallakten verknüpft, sie wurden also rekontextualisiert, in einen neuen Kontext gebracht.

Rekontextualisierungen lassen sich in den uns geläufigen Findbüchern nicht abbilden, allenfalls in recht ausführlichen Bestandsgeschichten, die nicht unbedingt zur spannenden Lektüre einladen, oder andeutungsweise in mehr oder weniger übersichtlichen Graphiken.

Ketelaar geht mit seiner Aussage über den Sinn in den Archivalien weiter. Strebt man die Integration der von ihm angedeuteten Vielschichtigkeit archivalischer Kontexte in die Erschließung an, muss man sehen, dass diese über entstehungsursächliche und durch den Gebrauch der Unterlagen generierte Kontexte hinausgehen. Welche Konsequenzen sich auch für den archivwissenschaftlichen Diskurs ergeben, so wird doch eines hier bereits klar und soll die Antwort auf unsere erste Frage sein:

Das heute verbreitete Modell der fixen Beständetektonik bildet die historische Realität von Überlieferungskontexten nur sehr beschränkt ab. Sind wir damit nicht zufrieden, benötigen wir neue Modelle für die archivische Erschließung.

2.     Welchen Zweck kann die Digitalisierung von Archivgut im Rahmen der Zugänglichmachung von Erschließungsinformation erfüllen?

Sie sehen aus diesem scheinbar unvermittelten Übergang, dass ich eine bessere Abbildung der historischen Realität in den Erschließungserzeugnissen mit der Digitalisierung von Archivgut hier in einem unmittelbaren Zusammenhang darzustellen beabsichtige.

Wir kommen mit den Anforderungen an eine aussagekräftige Erschließung offenbar nicht so recht weiter, wenn wir nur fragen, wie Erschließung aussehen kann. Offenbar spielt es eine mindestens ebenso große Rolle, genauer zu betrachten, was das eigentlich ist, das wir erschließen wollen. Wir müssen uns daher hier der Frage zuwenden, was wir als Archivbestand im Sinne der Erschließung verstehen möchten. Daraus wird sich zeigen, welche Rolle dabei die Digitalisierung spielt.

Der technische Fortschritt erlaubt uns, die Digitalisierung und das Vorliegen oder wenigstens perspektivische Vorliegen unserer Bestände in Form von digitalen Repräsentationen, also Digitalisaten, in unsere Betrachtungen als für die Zukunft geradezu fundamental einzubeziehen.

IMAGES / AGGREGATIONS

Ein Archiv, das einen Großteil seines Archivguts digitalisiert hat, ist in der Lage, die dadurch produzierten Bilddateien in beliebig viele Strukturen zu bringen. Das geschieht entweder, indem die Dateien vorgefertigten Strukturen manuell zugeordnet werden, oder indem sie mit kodierten Metadaten versehen werden, die die Grundlagen für automatisierte Strukturierungsprozesse sind. Aggregationen solcher Dateien können ebenso als Einheiten definiert und mit Metadaten versehen werden, die diese Definition fixieren. Dadurch kann zum Beispiel eine Abfolge von dreißig Images als eine Akte, also als eine Aggregation, definiert und abgegrenzt werden.

Die unbegrenzt vielfache Verknüpfbarkeit der Imagedateien ermöglicht ebenso unbegrenzt viele definierbare Aggregationen, also Anhäufungen von Images in einer festzulegenden Reihenfolge und in einem festzulegenden Umfang.

Indem man so vorgeht, geschieht ein paradigmatischer Wechsel. War bisher die Erschließung an die Gestalt der physischen Vorlage der Archivalieneinheit gebunden, ist der Beschreibung nun ein Schritt voranzustellen: die Bestimmung des Umfangs und der Struktur der zu beschreibenden Einheit, die mit der physischen Vorlage nicht mehr identisch sein muss. Es kommt also zu einer Trennung von physischer Struktur und virtueller Struktur, zu einer Differenz von physischem und virtuellem Bestand. In der Archivwissenschaft spricht man von der Differenz zwischen dem physical fonds und dem conceptual fonds.[4]

Daraus wird deutlich, dass eine eindeutige Abgrenzung von Beständen dann kaum mehr möglich ist, denn: Entscheidet man sich für ein Abgrenzungskriterium, z.B. die institutionelle Herkunft, so bleiben andere Beziehungsgemeinschaften unberücksichtigt, auch wenn sie gleichermaßen als Abgrenzungskriterien tauglich wären. Peter Horsman hat in seinem bereits zitierten Vortrag anhand der Suchkartei des niederländischen Roten Kreuzes die Vielschichtigkeit von Entstehungszusammenhängen illustriert und ihre Beziehungen zu zahlreichen anderen physischen Beständen sichtbar gemacht. Strukturierung nach der Theorie des conceptual fonds hieße, die Elemente des physischen Bestands in ihren jeweiligen Beziehungen in der dafür erforderlichen Anzahl virtueller Bestände darzustellen, etwa in den jeweiligen Findbüchern solcher aus dem physischen Bestand gebildeten virtuellen Bestände.

Die so genannten Postkustodialisten unter den Archivwissenschaftlern sagen, es sei nicht möglich, Archivalien einem einzigen Bestand zuzuordnen, da dadurch nicht Bestände transparent, sondern Beziehungsgemeinschaften verdunkelt würden. Diese Ansicht scheint sich immer mehr durchzusetzen.

Der britische Archivwissenschaftler Geoffrey Yeo vom University College London schrieb vor wenigen Monaten in der kanadischen Fachzeitschrift „Archivaria“ folgenden Satz: „In the world of paper records, aggregations are brought together and arrangement is fixed before the user arrives on the scene, but many critics argue that the digital revolution overturns these conventions“.[5] Wir müssen uns zu Herzen nehmen, dass die Möglichkeiten dieses digitalen Umbruchs, den er als digitale Revolution bezeichnet, nur zu einem Teil von den neuen technischen Möglichkeiten der Erschließung abhängen, zum anderen Teil aber von der Art der Repräsentation des zu beschreibenden Materials. Diese muss in digitaler Form vorliegen. Das geht aus Yeo’s Satz ebenso klar hervor wie aus meinen vorigen Ausführungen. Für uns heißt das, dass die Digitalisierung unseres Archivguts die grundlegende Voraussetzung für eine Präsentation im Verständnis des conceptual fonds ist.

Ich komme zur Antwort auf die Frage, welchen Zweck die Digitalisierung im Rahmen der Zugänglichmachung von Erschließungsinformation erfüllen kann: Bisher diente Digitalisierung fast ausschließlich dazu, Archivalien leichter vorlegen zu können, sei es am Monitor im digitalen Lesesaal oder im heimischen Arbeitszimmer des Nutzers über das Internet.

Nun aber bedeutet Digitalisierung auch, Archivgut in Strukturen präsentieren zu können, die bislang nicht visualisiert werden konnten. Das ist ihr erweiterter Zweck in einer paradigmatisch veränderten Erschließungs- und Nutzungskultur.

3.     Worauf sollte sich Erschließung richten und welche Standards sollte sie nutzen?

Nach diesen strukturellen Betrachtungen von Archivgut wollen wir nun sehen, welche Objekte und Eigenschaften wir bei der Archivguterschließung und bei der Erschließung der damit in Beziehung stehenden Entitäten berücksichtigt haben sollten.

METADATA MODEL

Der Internationale Archivrat (ICA) hat vier Standards für die archivische Erschließung erarbeitet, die sich mit den vier Objektgruppen befassen, die in einem Findmittelsystem koordiniert werden sollten:

  1. Das Archivgut,
  2. Die Erzeuger des Archivguts und weitere damit im Zusammenhang stehende Akteure
  3. Die Funktionen und Aufgaben, deren Umsetzung für die Entstehung des Archivguts ursächlich waren
  4. Das verwahrende Archiv mit seinem Sammlungsmandat und seinen Zugangsdaten.

Die Zusammenschau der Objektgruppen, die in einem Findmittelsystem koordiniert werden sollen, ist die oberste Stufe des so genannten Metadatenmodells. Das Metadatenmodell eines Archivs gibt vor, was bei der Erschließung beschrieben werden soll. Es setzt sich in die Tiefe fort bis hinunter zur Definition der einzelnen Felder und Attribute bei der Erschließung eines Einzelstücks. Das Modell lässt sich nach den Bedürfnissen der einzelnen Archive oder Archivsparten beliebig erweitern, jedoch sollte für jede Objektgruppe, die man in sein Metadatenmodell aufnehmen möchte, ein einigermaßen verbreiteter Beschreibungsstandard genutzt werden, um die Erschließungsdaten archivübergreifend austauschbar zu machen.

Beispiele für Erweiterungen wären vor allem Ereignisse (Events) oder Orte (Places). Die besondere Bedeutung solcher Angaben im Rahmen der Holocaustforschung wurde im Projekt EHRI insofern berücksichtigt, als Standards für ihre Beschreibung und dazu nutzbare Thesauri vermerkt und erarbeitet wurden.

Gängige Standards sind die XML-basierten Formate EAD für Archivgut und EAC für Akteure (natürliche und juristische Personen).

Für die Beschreibung von Aufgaben und Funktionen ist ein XML-basierter Standard bislang nicht erstellt worden. Die auf dem Markt befindliche Archivsoftware beinhaltet in der Regel Export- und Importschnittstellten für EAD und zunehmend auch für EAC. Für die Überführung von Erschließungsdaten, die bereits in Datenbanken vorliegen, sind Mapping-Werkzeuge leicht zu erhalten. Zurzeit besteht seitens der beiden großen einschlägigen Portalbetreiber, dem Archivportal Europa und dem Archivportal D, großes Interesse, interessierten Archiven bei der Bereitstellung XML-basierter Findmittel nach dem EAD-Standard behilflich zu sein. Auch Softwareanbieter und Archivdienstleistungsfirmen übernehmen Mapping-Arbeiten. Durch die Datenbereitstellung in Archivportalen kann Archivgut im Internet virtuell gemeinsam durchsucht und gleiche Provenienzen als zusammengehöriges Ganzes sichtbar gemacht werden. Das Team der Kontaktstelle für an der Datenbereitstellung für das Archivportal Europa interessierte Archive befindet sich im Bundesarchiv in Berlin.

Wir können aber mehr erreichen als eine Abbildung und Anhäufung von Erschließungsinformation in der Qualität, die wir bereits bereitstellen können. Unser Anliegen ist es, Tools zu nutzen, die Erschließungsinformation nutzbar machen, die bereits in unseren Systemen gespeichert ist, aber noch nicht umfassend verwertet wird. Uns interessieren vor allem die Personen, die auf den Dokumenten erscheinen. Deshalb sind für uns nicht nur die Kontexte aus dem Entstehungs- und Nutzungszusammenhang des archivalischen Materials wichtig, sondern ebenso die Beziehungen zu den Akteuren, die nicht einmal unmittelbar an der Entstehung der Unterlagen beteiligt waren, eben der Inhaftierten und Opfer anderer Verfolgungsmaßnahmen. In unserem Metadatenmodell nimmt der Bereich der Akteure also einen herausragenden Platz ein.

Ich habe bereits im vergangenen Jahr auf unserem Treffen in Auschwitz erläutert, wie Information über Personen, die wir aus den Dokumenten bereits exzerpiert vorliegen haben, in Normdatensätze zusammenfließen können, die prinzipiell mit anderen Archiven austauschbar sind.

MATCHING DATA

Ähnliche Ziele wurden damals im EHRI-Projekt verfolgt. Die in unserem Kreis seit Jahren immer wieder aufscheinende Problematik der eindeutigen Identifizierbarkeit ein- und derselben Personen in unterschiedlichen Ihrer Datenbanken vereitelte dann aber doch die Umsetzung in die einrichtungsübergreifende Praxis, so dass es auch heute noch ein Desiderat ist, Instrumente zu bekommen, die die Identifikation von Personen über die eigenen Archivbestände hinaus in quantitativ hinreichendem Umfang eindeutig möglich machen.

Vielleicht hilft es weiter, und bitte verstehen Sie das nicht anders als eine Anregung zum Experiment, wenn sich die Erschließung nicht nur auf die Eigenschaften der Personen, sondern verstärkt auch auf die Qualität ihrer Beziehungen zu ihrer Umwelt, das heißt zu anderen beschreibungsfähigen Objekten und Objektgruppen, konzentrieren würde.

CIDOC CRM SCHEMA

Ich möchte hierzu auf die so genannten objektorientierten konzeptuellen Referenzmodelle (object-oriented Conceptual Reference Model – CRM) hinweisen, die als Metadatenschemata die Art und Weise der Erschließung, sprich: die Metadatenmodelle der Archivare, beeinflussen können. Angewandt werden solche Modelle derzeit bereits bei den Museen unter der Bezeichnung CIDOC CRM oder im Kulturgutportal Europeana unter dem Namen „Europeana Data Model“ (EDM). Solche Referenzmodelle bestehen aus Ontologien, die durch eine vorgegebene, aber erweiterbare Anzahl von Klassen und Eigenschaften beschrieben werden. Auf die archivische Erschließung abgestimmte Kataloge solcher Klassen und Eigenschaften sind mir bislang nicht bekannt. Sie müssten erarbeitet werden, was gerade auf Ihrem Arbeitsgebiet auch projektbezogen vielversprechend sein könnte. Konzeptuelle Referenzmodelle zielen also auf die Beschreibung von Beziehungen zwischen Objekten ab. Die Fokussierung dieser Beziehungen als Gegenstände der Beschreibung im Rahmen der archivischen Erschließung birgt die Chance, spätere Suchvorgänge von Nutzern auf der Qualität von Beziehungsformen basieren zu lassen und damit die Brücken, die zwischen den Objekten bestehen, nicht minder als die Objekte selbst zu beachten und als kurze Wege zum angestrebten Rechercheziel effizient zu nutzen: CRM bilden die Grundlage für Recherchen nach den Prinzipien des Semantic Web.

CIDOC/CRM MEDIATOR

Solche relationsbasierten Modelle haben eine strukturelle Affinität zu den Datenmodellen relationaler Datenbanken. Die Frage liegt demnach nahe, ob möglicherweise in Ihren Datenbanken bereits vorhandene Beziehungsdefinitionen schon jetzt in ein exportfähiges und in unterschiedlicher Umgebung einfach nachnutzbares Format gebracht werden könnten, das eine auf Information über Relationen basierende Suche erlaubt, ich denke an EAD-XML. Das wäre ein gewichtiger Schritt hin zur Auswertbarkeit solcher Daten im Rahmen eines relationalen bzw. eines Referenzmodells. Ein Conceptual Reference Model stellt eben gerade nicht den Anspruch, in einer Datenbank ein homogenes Metadatensystem zusammenzuführen. Vielmehr ist es geeignet, beliebig viele unterschiedliche Metadatensysteme zu durchsuchen und die Kodierungen in die Semantik des eigenen Metadatenschemas zu überführen und auf dieser Basis das Resultat des Suchvorgangs zu präsentieren. Demnach liegen Findbücher in EAD oder Personenbeschreibungen in EAC jeweils in einem dieser möglichen Vorlage-Metadatensysteme vor und können in eine CRM-basierte Suche einbezogen werden.

WORKING PORTALS

Als EAD-XML Files können Sie Ihre Daten bereits jetzt in das Archivportal Europa einspeisen. Von dort ist die Übernahme ins CRM-basierte Kulturgutportal Europeana quasi per Mausklick möglich. Die Nutzung relationaler Modelle kann gegebenenfalls künftig ein Weg sein, doch noch die Datenbanken der Gedenkstätten in einer Weise übergreifend recherchierbar zu machen, die die eindeutige Identifikation derselben Personen in verschiedenen Datenbanken leichter möglich macht als es bisher der Fall war.

Ich komme zur Ausgangsfrage zurück und fasse die Antwort wie folgt zusammen:

Die Erschließung sollte sich mindestens auf die Objektgruppen Archivgut sowie Schriftguterzeuger und andere im Zusammenhang mit der Archivgutentstehung als bedeutend angesehene Akteure erstrecken. Dafür sollte man sich an den Profilen des Archivportals Europa für die Standards EAD und EAC orientieren. Für die Nutzung objektorientierter konzeptueller Referenzmodelle fehlen derzeit noch auf die Bedürfnisse der Gedenkstättenarchive zugeschnittene Modelldefinitionen.

4. Was ist relationale Erschließung und welche Folgen hat sie für den Nutzer?

Ich habe nun einiges über die Umwandlung von vorliegenden Erschließungsdaten in relationale Modelle gesagt. Abschließend erlauben Sie mir noch einige Worte dazu, wie relationale Erschließungsdaten neu erfasst werden können und welche Veränderung sich für den Nutzer ergibt. Dafür nehme ich die Antwort auf die Eingangsfrage vorweg:

Relationale Erschließung basiert auf dem Zusammenspiel von Beziehungen zwischen zu beschreibenden Objekten. Sie kann mittels eines verlinkten Systems von Normdatensätzen (Authority Files), mittels Facettenklassifikationen oder mittels der Einbindung objektorientierter konzeptueller Referenzmodelle erfolgen. Bei der relationalen Erschließung gibt es keine fixen Klassifikationen oder Hierarchien, vielmehr lassen sich solche nach ausgewählten Kriterien on demand temporär generieren. Für den Nutzer heißt das, dass er seine eigenen, qualitativ hochstehenden Findmittel nach seinem Bedarf auf der Grundlage der Metadaten der beschriebenen Objekte und Relationen selbst erzeugen kann.

Relationale Erschließung knüpft an die Beziehungen an, die die zu beschreibenden Objekte, also beispielsweise das Archivgut, zu anderen Objekten haben. Relationale Erschließung basiert darauf, Beziehungsgemeinschaften zu kennzeichnen. In der Erschließungspraxis könnte die Relationsbeschreibung etwa durch Indizierung erfolgen. Sowohl die äußere Abgrenzung der Bestände als auch die innere Ordnung eines Bestands wird auf der Grundlage solcher Indizierungen hergestellt. Wir bewegen uns im conceptual fonds. Wir beschreiben Dokumente und Akten als Abfolgen von Digitalisaten und als virtuelle Einheiten, deren Elemente sich beliebig oft wiederholen dürfen und bei denen es keine Rolle spielt, ob ihre physischen Vorlagen in derselben Abgrenzung existieren oder nicht. Die gesamte Information, die man bisher in Gliederungen abbildete, wäre dann in den Indizierungen, also in den Metadaten der indizierten Objekte, enthalten.

Die neue Erschließungssituation wirkt sich auf die Nutzung aus.

USER-GENERATED COLLECTIONS

Erst bei Bedarf wird die auf die Inhalte und Strukturen der in den Indizierungen vorliegenden Metadaten gerichtete Sortierfunktion vom Archivar oder vom Nutzer aktiviert. Nach Vorgaben dazu, welche Indzierungswerte in welcher Hierarchie zur Bildung einer gegliederten Struktur für ein temporär benötigtes Findmittel zugrunde gelegt werden sollen, erfolgt eine automatische Sortierung und generiert ein Findbuch on demand. Der Nutzer, der die für ihn wichtigen Eigenschaften auswählt, generiert den Bestand, der durch die Gemeinsamkeit der ausgewählten Beziehungen definiert wird und sich im nutzergenerierten Findbuch spiegelt. Darüber hinaus muss dieses System gerade in Ihrem Metier auch die Erschließungsinformation beinhalten, die sich nicht auf das Archivgut selbst bezieht, sondern auf die Akteure, Orte und sonstigen relevanten Größen, die mit dem Archivgut verbunden sind oder über die es informiert. Dafür sind geeignete Verlinkungen zwischen Archivgutbeschreibungen und beispielsweise Personenbeschreibungen einzufügen.

Hier sind nun sind die Softwareentwickler angesprochen, in Kooparation mit uns die benötigten Instrumente herzustellen.

[1] Weinberger, Das Ende der Schublade, S. 210.

[2] Archives without borders/Archivos sin fronteras, proceedings of the international congress in The Hague, August 30 – 31, 2010 / ed. Hildo van Engen et al. – Berchem, Vlaamse Vereniging voor Bibliotheek-, Archief- en Documentatiewezen, Sectie Archieven, [2012]

[3] http://www.its-arolsen.org/fileadmin/user_upload/Dateien/Archivtagung/Horsman_text.pdf

[4] Vgl. hierzu u.a.: Peter Horsman, The Last Dance of the Phoenix or The De-Discovery of the Archival Fonds. In: Archivaria 54 (2002), und: Geoffrey Yeo, The Conceptual Fonds and the Physical Collection. In: Archivaria 73 (2011).

[5] Geoffrey Yeo, Bringing Things Together: Aggregate Records in a Digital Age. In: Archivaria 74 (2012).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/932

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Archiverschließung und -verwaltung mit standardkonformer Software

Maßgeblich für die Ausführungen zu den Standards ISDIAH, ISAAR, ISDF und ISAD in diesem Papier sind jeweils die englischsprachigen Ausgaben, die auf der Website des ICA verfügbar sind: http://www.ica.org/10206/standards/standards-list.html.

Gliederung:

0. Einleitung.

1. Erschließung.

1.1. Beschreibung des Archivs als Collection Holding Institution (ISDIAH/EAG).

1.2. Beschreibung von Bestandsbildnern (ISAAR-CPF/EAC-CPF).

1.3. Beschreibung von Funktionen (ISDF).

1.4. Beschreibung von Archivgut (ISAD-G und EAD).

1.5. Visualisierung von Beziehungsgemeinschaften mittels Digitalisaten, METS.

1.6. Beschreibung von semantischen Beziehungsgemeinschaften (CIDOC CRM).

2. Beständeverwaltung / Magazin.

3. Nutzungsverwaltung.

4. Anhang: Die Stufenverzeichnung nach ISAD(G).

0. Einleitung

Fragt man danach, was eine Archivsoftware heute zu leisten imstande sein soll, so könnte man in einem Brainstorming zu einem folgenden ersten Ergebnis kommen:

  • Standardgemäßes Erstellen und Verwalten von Authority Records (Thesauri?) für CPFs, Funktionen, Events, Orte (ISAAR, ISDF (ISAF?), EAC, …)
  • Standardgemäße Beschreibung von Archivgut (ISAD(G), EAD)
  • Standardkonforme Verwaltung digitaler Daten inklusive administrativer Metadaten (PREMIS), Verknüpfung zu digitalem Archiv möglich (DIMAG)
  • Integration von Digitalisaten in Erschließung und Findmittel, inkl. standardisierter Beschreibung (METS)
  • Relationale Erschließung durch standardisierte Beschreibung von Beziehungen und Entitäten (CIDOC CRM)
  • Nutzergesteuerte dynamische Generierung von Gliederungen und virtuellen Beständen auf der Grundlage von Thesauri o.ä.
  • Exportierbarkeit in EAD-XML und EAC-XML, Profilauswahl DDB, APEx, LoC sowie beschränkt frei konfigurierbar.
  • Ausdruck von Findmitteln nach ISDIAH-, ISAAR-, ISDF- und ISAD-Vorlagen sowie frei konfigurierbar
  • Erzeugung von onlinefähigen Findmitteln in Form von selbständigen HTML-Präsentationen  ohne Benötigung von Server-Komponenten oder Web-Diensten für ihre Nutzung

Sofort wird deutlich, dass Archivarbeit zu einer Arbeit mit internationalem Anspruch an die Standardisierung geworden ist, dass Metadatenformate zu „identity“ und „integrity“ eine zentrale Rolle spielen und dass die Nutzerorientierung der Archive zusammen mit den neuen technischen Möglichkeiten ein neues Verständnis von Erschließung und ihren Zielen geweckt hat. Daraus lassen sich Anforderungen ableiten, die eine markttaugliche Archivsoftware heute standardmäßig erfüllen sollte. Sie sind nicht unbedingt neu, sollen aber im Folgenden noch einmal zusammengefasst werden und dabei insbesondere Bezug auf die Bedürfnisse des Universitätsarchivs Bayreuth nehmen. Der Schwerpunkt liegt hier auf der Erschließung, die Bereiche der Beständeverwaltung, des Magazins und der Nutzungsverwaltung wird nur gestreift, wenngleich dem Autor bewusst ist, dass gerade die Unversehrtheit und Authentizität von Archivgut im Verlauf seiner Verwahrung hohe technische Standards zu beachten zwingt, insbesondere wo es sich um digitale Archivalien handelt. Diese Standards sind aber weitgehend unstrittig und die Ansprüche an ihre technische Umsetzung variieren bei den Archivaren wohl deutlich weniger als im Bereich der Erschließung.

1. Erschließung

1.1. Beschreibung des Archivs als Collection Holding Institution (ISDIAH/EAG)

Für die Beschreibung von Institutionen, die archivalische Bestände und / oder Sammlungen verwahren, hat der Internationale Archivrat (ICA) den Standard ISDIAH entwickelt. Ihm soll der für die Onlinedarstellung geeignete XML-basierte Standard EAG (Encodes Archival Guide) entsprechen.

Der Standard ISDIAH ermöglicht den Beginn der Stufenerschließung auf der Ebene des Archivs als erster Verzeichnungsstufe. Um von dort auf die nächst tiefere Stufe zu kommen, benötigt die Beschreibung entsprechende Schnittstellenbereiche. Im Abschnitt Control Area ermöglicht ISDIAH sowohl eine Kurzbeschreibung der einzelnen Archivbestände als auch eine Verknüpfung zu Normdateien, die Aktenbildner beschreiben und im Standardformat ISAAR vorliegen. Entsprechende Verknüpfungspunkte benötigt EAG zu EAC-Dateien. In bislang testweise eingesetzten EAG-Profilen in Deutschland liefert beispielsweise der Tag <repositorguides> die Verknüpfung zu Beständeübersichten.[1] Damit verhält sich EAG ebenso konsequent wie die Standards EAC und EAD, die kaum Überschneidungen mit Beschreibung anderer Erschließungsentitäten zulassen. Sie unterscheiden sich dadurch sowohl von ISDIAH als auch von ISAAR und ISAD. Letztere erlauben stets die Verknüpfung durch integrierte Kurzfassungen der Beschreibung. So erlaubt ISDIAH in seinem Kapitel 6, Kurzbeschreibungen von Bestandsbildnern und deren Überlieferung, die sich im Archiv befinden. Von hier aus ist der Link zu den ausführlichen ISAAR- und ISAD- Beschreibungen der Bestandsbildner und Bestände zu setzen. Diese Form der ineinander verflochtenen Beschreibungen beinhaltet zwar regelmäßig ein Stück Redundanz, ist aber zugleich nutzerfreundlich, weil dadurch exzerpierte Konzentrate von Information bereitgestellt werden.[2]

Das EAG-Profil des Bundesarchivs vom Februar 2009, das auf seiner Website veröffentlicht ist (http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/archivportald/090209_eag_profile_en.pdf), scheint mit ISDIAH weitgehend übereinzustimmen. Nicht zu finden waren im Beschreibungsbereich der ISDIAH-Abschnitt 5.3.2 Geographical and cultural context, 5.3.3 Mandates/Sources of authority, 5.3.5 Records management and collecting policies, 5.3.7 Archival and other holdings, 5.3.8 Finding aids, guides and publications. Im Bereich “Dienstleistungen” fehlt 5.5.3 Public Areas. Ferner fehlen einige Punkte im Kontrollbereich, vor allem 5.6.3 Rules and/or conventions used.

Ob die Abbildung aller ISDIAH-Abschnitte in EAG nötig ist, mag man differenziert sehen. Auf die Beschreibung der Public Areas (5.5.3) mag man wohl leicht verzichten können.

Eine Archivsoftware sollte gleichermaßen ISDIAH und EAG bedienen können. Wenn ein Archiv seine eigene Beschreibung als gleichsam oberste Erschließungsstufe ansehen möchte, so wird es dafür einen Erschließungsstandard anwenden, der angemessen ausführliche Informationen aufnehmen kann. Das vorliegende EAG-Profil ist dafür noch zu eng. Zweckmäßig erscheint es, im deutschen Archivwesen derzeit das EAG-Profil des Bundesarchivs zwar zugrunde zu legen, es aber flexibler zu gestalten, indem beispielsweise mehr Freitextfelder vorgesehen werden. Die angebotenen Crosswalks sind teilweise nicht wirklich kompatibel. So referenziert der bei Arnold angebotene ISDIAH-EAG-Crosswalk für Nr. 5.4.3 Accessibility von ISDIAH, wo geographische und Informationen zur Anreise zum Archiv und keineswegs nur Angaben über Barrierefreiheit einzutragen sind, lediglich auf <desc><buildinginfo><handicapped>.[3] Wo Angaben zur Anreisegeographie eingetragen werden können, ist nicht ersichtlich.

Die hier bestehenden Unklarheiten sollten insbesondere bei den zuständigen Stellen des Archivportals D (DDB) und des Projekts APEx vorgebracht werden. Erst wenn Klarheit über die künftige Ausrichtung eines EAG-Profils besteht, sollten Veränderungen bzw. Erstimplementierungen in der Software vorgenommen werden.

ISDIAH: http://www.ica.org/?lid=10198

1.2. Beschreibung von Bestandsbildnern (ISAAR-CPF/EAC-CPF)

Die Beschreibung mittels ISAAR-CPF / EAC-CPF bezieht sich in erster Linie auf Bestandsbildner (creator). Die Entwicklungen und Metadatenmodelle, die in unterschiedlichen internationalen Portalprojekten zur Anwendung kommen, verwenden zur Bezeichnung des Beschreibungsobjekts inzwischen lieber den Begriff des agent. Dabei spielt es mitunter explizit keine Rolle mehr, ob das Beschreibungsobjekt als Bestandsbildner oder sonstiger Akteur auftritt, der in irgendeiner Beziehung zur Entstehung, zum Inhalt oder zur Gestaltung von Archivbeständen und Sammlungen steht. Unter dieser Voraussetzung kommt der Beschreibung von Funktionen im Rahmen einer Akteursbeschreibung gesteigerte Bedeutung zu.

Metadatenmodelle zeigen Beziehungen zwischen Archiven, Bestandsbildnern und anderen Akteuren, Funktionen und Beständen auf. Demzufolge sind neben diesen vier Entitäten deren Beziehungen zueinander ein wesentliches Objekt der Erschließung. Die Darstellung von Erschließungsergebnissen dient der Visualisierung solcher Beziehungsgemeinschaften, wobei die Entitäten die Eckpunkte sind, die eine flexible Visualisierung durch die jeweilige Konzentration auf die eine oder die andere Entität ermöglichen. Die Folge ist, dass Archivbestände keine absolute Tektonik besitzen. Bisher wurden Tektoniken im Hinblick auf eine Ausrichtung auf jeweils eine einzige Entität fixiert. Archive waren entweder nach Bestandsbildnern gegliedert oder nach Funktionen, wobei letztere Fälle in der Realität zumeist nur Überreste des Pertinenzprinzips waren.

Die Zuweisung von mit Archivgut in Beziehung stehenden Akteuren ist von einer Tektonik jedoch zunächst völlig unabhängig. Bei der Erschließung von Archivgut sind solche Informationen Attribute, die den Beschreibungen hinzugefügt werden müssen. Um im Weiteren Beziehungsgemeinschaften anderer Art flexibel darstellen zu können, dürfte sich die Anwendung des Prinzips der Vererbung von Information von der höheren zur niedrigeren Verzeichnungsstufe nicht länger anwenden lassen. Denn auf höherer Stufe angebrachte Information fixiert die Strukturen, die unterhalb geschaffen werden. Das aber macht Erschließungsvisualisierung inflexibel. Es ist daher eine Anforderung an Archivsoftware, alle für eine Verzeichnungsstufe zutreffende Erschließungsinformation unmittelbar bei der Verzeichnungseinheit vorzuhalten, auch wenn dadurch scheinbar Redundanz entsteht.

Zusätzlich zur Information über Akteure bedarf die Erschließung der Information über die wahrgenommenen Funktionen. Es genügt dafür nicht, den einzelnen Akteuren bei deren Beschreibung Funktionen attributiert zu haben. Bei der Verzeichnung von Archivgut sind die einzelnen Funktionen beim Namen zu nennen, die sich in den Verzeichnungseinheiten spiegeln. Geht man auch hier so vor, dass die Information über die Funktionen nicht nach dem Vererbungsprinzip, sondern jeweils unmittelbar bei den Verzeichnungseinheiten vermerkt werden, ermöglicht man eine strukturierte Visualisierung des Archivbestands nicht nur nach den institutionellen, sondern alternativ auch nach den funktionalen Provenienzen.

Für eine Archivsoftware bedeutet das, dass eine feste Tektonik keine so wichtige Rolle mehr spielt. Zwar werden auch künftig viele Archivare das Tektonikmodell für die Erschließung nutzen. Eine Software, die das als einzige Erschließungstechnik zulässt, entspricht den Anforderungen der modernen Archivwissenschaft jedoch nicht. Flexible Erschließung von Beziehungsgemeinschaften könnte beispielsweise mit Thesauri arbeiten, die mit Normdatensätzen verknüpft sind. So müsste es einen Thesaurus für Akteure geben, die nach ISAAR-CPF / EAC-CPF beschrieben werden, und einen Thesaurus für Funktionen, die nach ISDF beschrieben werden. Die Beschreibung des Archivguts nach ISAD / EAD stünde weiterhin im Mittelpunkt der Software. Die Gliederung der Bestände sollte durch Hierarchisierungen innerhalb der Thesauri erfolgen, die durch die Attributierung eines Thesauruseintrags an die Verzeichnungseinheit übertragen würde. Die Tektonik ergäbe sich, indem die Software bei einer Findmittelgenerierung auf die Hierarchieinformation der attributierten Thesauruseinträge zugreift und die Verzeichnungseinheiten darauf gründend tektonisch sortiert. Der klassische Tektonikbaum wäre während der Verzeichnung nicht mehr nötig. Seine eigentlich Funktion, Strukturen zu fixieren, wäre noch dort anzuwenden, wo solche im Einzelfall vom Archivar festgesetzt werden, beispielsweise in der Abbildung von Serien.

Grundsätzlich ist es wünschenswert, alle Felder in einer Erschließungssoftware, in die deskriptive Metadaten eingetragen werden, mit einem jeweils passenden EAC- bzw. EAD-Tag zu versehen. Für Exporte wäre dann zu definieren, ob ein vorgehaltenes Fremd- oder Portalprofil (z.B. für das Archivportal Europa) angewandt oder ob ein Vollexport (oder manuell eingeschränkter Export) nach einem softwarespezifischen oder beispielsweise nach einem an der vollständigen EAD Tag Library orientierten Profil ausgegeben werden soll. Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass die komplette Verzeichnung standardgerecht erfolgt und in einem standardgerechten Export abgebildet werden kann.

ISAAR-CPF: http://www.ica.org/10203/standards/isaar-cpf-international-standard-archival-authority-record-for-corporate-bodies-persons-and-families-2nd-edition.html

1.3. Beschreibung von Funktionen (ISDF)

Für die Beschreibung von Funktion existiert noch kein XML-basierter Standard. Ein „EAC-F“ steht noch aus. Wie institutionelle Provenienzen im CPF-Thesaurus gemäß ISAAR-CPF oder EAC-CPF beschrieben werden sollen, so könnte analog dazu die Beschreibung von Funktionen im Funktionenthesaurus erfolgen. Die Feldaufteilung entspräche den Vorgaben des ISDF. Sobald es einmal einen Standard EAC-F geben wird, kann den Feldern mittels Crosswalk der jeweils zugehörige EAC-Tag hinterlegt werden.

ISDF: http://www.ica.org/10208/standards/isdf-international-standard-for-describing-functions.html

1.4. Beschreibung von Archivgut (ISAD-G und EAD)

Die meisten auf dem Markt erhältlichen Erschließungsprogramme sind weitgehend ISAD(G)-konform und bieten ein EAD-Exportmodul an. Nähere Ausführungen zur Anwendung von Verzeichnungsstufen finden sich im Anhang „Die Stufenverzeichnung nach ISAD(G)“. EAD-XML ist als Austauschformat mehr als nur ein Exportformat zur Präsentation von Erschließungsdaten in Portalen. Vielmehr ist es geeignet, kollaborative Erschließungsprojekte zu begünstigen, Inhalte zu exportieren, andernorts weiterzubearbeiten, wieder zu importieren und mit zusätzlichen Daten, die an einem dritten Ort dazu erhoben wurden, zu vervollständigen: kollaborative Erschließung am virtuellen Bestand. Insofern soll das EAD-Profil eher weit ausgreifen als auf wenige Felder beschränkt sein. Für das Universitätsarchiv Bayreuth soll das heißen, dass es sich bis zur Veröffentlichung des revidierten EAD-Schemas durch die Library of Congress am Profil des Bundesarchivs orientiert, das von diesem auf seinen Websites bereitgestellt ist. Zugleich soll eine Archivsoftware Tool bereitstellen, die einen flexiblen Umgang mit diesem Profil erlaubt, wie z.B. Matching mit Portalprofilen, freie Auswahl von zu exportierenden Daten, um Exportfiles zu beliebig unterschiedlichen Zwecken zu nutzen. Der Softwareanbieter muss in der Lage sein, hier nötigenfalls unkomplizierten technischen Support im Rahmen seines Lizenzvertrags zu leisten. Grundsätzlich sollen Exporte, Importe und Konfigurationen vom Bearbeiter über eine Menüsteuerung am Arbeitsplatz erfolgen. Das originale Findbuch soll der EAD-XML-File sein, der zusammen mit einer Ausgenerierung in eine HTML-Präsentation publiziert wird.

EAD: http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/archivportald/090407_ead_profil_findbuch_de.pdf

ISAD(G): http://www.ica.org/10207/standards/isadg-general-international-standard-archival-description-second-edition.html

1.5. Visualisierung von Beziehungsgemeinschaften mittels Digitalisaten, METS

Erschließung, die es sich zum Ziel setzt, die Mehrschichtigkeit von Kontexten, ihre (chronologische) De- und erneute Rekontextualisierung aufzuzeigen, muss, um nicht in der Theorie verhaftet zu sein, mit Digitalisaten arbeiten, die es auch erlauben, Beziehungsgemeinschaften in einer Weise zu rekonstruieren, der die Ordnung des analogen Archivguts nicht entspricht. Es muss möglich sein, beispielsweise Akten sichtbar zu machen, die als in dieser Struktur nicht oder nicht mehr real existieren. Durch eine flexible Aneinanderreihung von Images, die zusammen als Akte vom verzeichnenden Archivar definiert wird, ist diese Visualisierung möglich. Der Archivar würde diese neu entstandene Einheit mittels einer METS-konformen Beschreibung als Einheit kennzeichnen und sie seiner (EAD-konformen) Beschreibung hinzugesellen.

Eine Archivsoftware muss die Fähigkeit besitzen, zu jeder Magazineinheit (!) ein Korpus von dazugehörigen Digitalisaten zu verwalten. Die Verknüpfung von Digitalisaten zu METS-Einheiten und mit EAD-Beschreibungen muss stets so weit nachvollziehbar sein, dass die administrativen Metadaten der Images jederzeit genauestens treffsicher zu den Lagerorten der analogen Originalvorlagen führen. Die originalen Einzelteile einer virtuellen Verzeichnungseinheit, die aus 150 quer durch das Magazin verstreuten Blättern bestünde, müssten mittels der mit der Beschreibung verknüpften METS-Datei und der den Digitalisaten inhärenten Metadaten jederzeit treffsicher auffindbar sein.

1.6. Beschreibung von semantischen Beziehungsgemeinschaften (CIDOC CRM)

Bei dieser Form der Erschließung werden Beziehungen zwischen Archivgut, Funktionen und Akteuren beschrieben. Die Arten der Beziehungen werden im Vorfeld standardisiert und in einem Thesaurus niedergelegt. Dadurch werden bei der Recherche Hierarchien durch den Nutzer frei definierbar. Er steuert die dynamische Generierung von Gliederungen und virtuellen Beständen auf der Grundlage von Thesauri nach seinen Recherchezielen.

Ein möglicher Standard, von dem man ausgehen könnte, zeigt sich in dem im Museumswesen entwickelten CIDOC Conceptual Reference Model. Es „ist eine formalisierte Ontologie, mit der unterschiedlich strukturierte Informationen aus dem Bereich des Kulturellen Erbes integriert, vermittelt und ausgetauscht werden können. Das CRM ist der Kulminationspunkt eines über 10 Jahre währenden Prozesses der Standardisierung kultureller Informationen innerhalb des Internationalen Ausschusses für Dokumentation (CIDOC) des Internationalen Museumsrates (ICOM, International Council Of Museums).“[1] Er besteht im Wesentlichen aus einem System von Klassen und einem System von Eigenschaften. Die Klassen sind die zu beschreibenden Entitäten, die Eigenschaften drücken die Art der Beziehung der Entitäten zueinander aus.

Eine Erschließung in Anlehnung an CIDOC CRM in Kombination mit den übrigen in diesem Papier genannten Standards bedeutet, die Konversionsmöglichkeiten der Produkte auf der Basis der herkömmlichen Standards zu erproben und Wege zur Optimierung der Ausgangsdaten zu finden. Beispielsweise lassen sich EAD-XML-Files in CIDOC CRM prinzipiell konvertieren, wenngleich sie die Möglichkeiten von CIDOC CRM nicht ausschöpfen.

2. Beständeverwaltung / Magazin

Eine moderne Archivsoftware soll eine klassische Magazinverwaltung ebenso beinhalten wie eine Schnittstelle zur Verwaltung eines digitalen Archivs unter Beachtung der dafür geltenden Standards. Besonders wünschenswert ist die Beachtung der für die Nutzerarchive relevanten archivübergreifenden Projekte, da digitale Archivierung eher selten von Archiven in Eigenregie ausßerhalb von Verbundstrukturen durchgeführt wird. Für Süddeutschland ist hier sicher das Projekt DIMAG zu berücksichtigen. Die Nutzung des OAIS-Referenzmodells für digitale Archivierung sollte dennoch nicht ausschließlich durch Schnittstellen zu solchen Projekten quasi ausgelagert werden, sondern nach Möglichkeit auch in einer Komponente in die Software integriert sein, etwa zur standardgerechten Archivierung digitaler Fotos, Dateien, E-Mails etc, die – anders als Datenbanken – bereits kurzfristig ins Archiv gelangen können.

3. Nutzungsverwaltung

Hierher gehört die Unterstützung der Speicherung der Nutzungen von Archivalien durch konkrete Nutzer, ihre Forschungsthemen etc., ferner u.a. die Generierung von Ausleihzetteln für das Magazin und den Nutzerakt. Den Anforderungen einiger Bundesländern entgegenkommend wäre die Führung einer elektronischen Benützerakte in der Archivsoftware ein künftig zu erwägendes Desiderat. Zur Nutzungsverwaltung gehören auch die erforderlichen Tools zur Protokollierung von Aushebung und Reponierung von Archivgut.

4. Anhang: Die Stufenverzeichnung nach ISAD(G)

 

 

Die Stufenverzeichnung nach ISAD(G)

Leitfaden für die Implementierung von Verzeichnungsstufen in die Erschließungssoftware des Archivs der Universität Bayreuth

 

Auf dem XIV. Internationalen Archivkongress in Sevilla wurde im Jahr 2000 die zweite, überarbeitete und den Anforderungen der archivischen Praxis angepasste Auflage der ISAD(G) veröffentlicht. Sie liegt in einer deutschen Übersetzung von Rainer Brüning, Werner Heegewaldt und Nils Brübach als 23. Band der „Veröffentlichungen der Archivschule Marburg“ vor. Als Autor firmiert das „Komitee für Verzeichnungsstandards“ des Internationalen Archivrats (ICA-CDS). ISAD(G) soll zwar primär als Verzeichnungsstandard fungieren, der ggf. vorhandene nationale Standards ergänzt und modifiziert, zum zweiten wurde in seiner zweiten Auflage verstärkt betont, dass ISAD(G) zugleich Instrument zum internationalen Austausch von Verzeichnungsinformation sein kann. Hier findet sich die Verknüpfbarkeit zum Austauschstandard EAD, der mittels vorhandener Crosswalks vorgenommen werden kann.

 

Der Aufbau einer Erschließungssoftware orientiert sich meist an den ISAD(G). Das Aufbauprinzip dieser Richtlinien ist ein Stufenmodell. Das bedeutet in der Hauptsache, dass Erschließungsinformation, die bereits auf höherer Ebene erfasst wird, auf den nachgeordneten Ebenen nicht mehr wiederholt wird. Auf diese Weise unterscheidet sich die archivische Erschließung fundamental von der bibliothekarischen Katalogisierung. Die Stufenverzeichnung ist ein Versuch, der „Vereinzelung von Archivguteinheiten entgegenzuwirken, indem diejenigen Informationen, die mehrere Verzeichnungseinheiten gleichzeitig betrifft, auf einer höheren Stufe erfasst, aber mit den Elementen verknüpft und gemeinsam ausgetauscht wird.“[i] Der Gefahr der Individualisierung der Einzelstücke soll damit begegnet werden. Verbunden mit diesem Verzeichnungsprinzip ist ein Bestandsbildungsprinzip, das die Kohärenzen innerhalb eines Bestandskorpus zu bewahren bestrebt ist. Der Verzeichnungsstandard ISAD(G) setzt somit ein hierarchisches Informationsgeflecht zwischen Archivalieneinheiten, Archivaliengruppen und Teilbeständen voraus, um sinnvoll angewandt zu werden. Auf diese Weise ergänzen sich das Prinzip der Bestandsbildung auf der Grundlage der Entstehungsstellen und das Prinzip der integrativen Verzeichnung hierarchisch aufeinander aufbauender Informationsebenen (Stufenverzeichnung), dem Prinzip der ISAD(G). Gleich vorweggeschickt sei, dass das Stufenmodell zwar ein Ausgangspunkt, aber für eine realitätsbezogene Erschließung mit heutigen technischen Möglichkeiten nicht mehr ausreichend ist. Die Vielfalt von Kontexten, die Erschließung abzubilden in der Lage ist, lässt die Einschränkung auf eine einzige Struktur und Kontexteinbettung, wie sie ISAD(G) verlangt, heute als realitätsfern oder den bei seiner Entwicklung noch nicht vorhandenen erweiterten Möglichkeiten der Informationstechnologie geschuldet begreifen. Gleichwohl ist ISAD(G) nach wie vor ein geeigneter Einstieg und eine wichtige Grundlage für die archivische Erschließung, zumal der Standard ja nicht auf das Stufenmodell und den Vererbungsgrundsatz beschränkt ist.

 

Das Stufenmodell, das die Bezeichnung der einzelnen Ebenen im Begriff der „Verzeichnungsstufe“ differenziert, lässt sich mit den „Kompositionsstufen“ der Erschließungslehre von Johannes Papritz in Beziehung bringen. Dabei besteht jede Kompositionsstufe aus Einheiten von verknüpften Elementen (Kompositionen), deren jedes für sich in einer voneinander verschiedenen Entstehungsstufe (Entwurf, Ausfertigung usw.) existieren kann. Diese Einheiten oder Kompositionen bieten die Grundlage für die Verzeichnungsstufe. Eine Zusammenstellung von Schriftstücken kann ceteris paribus als Akt bezeichnet werden, der auf der Verzeichnungsstufe der Akte beschrieben wird. Bilden mehrere Akte eine Serie, wird die Serie auf der Verzeichnungsstufe der Serie/Aktengruppe beschrieben, wobei die Erschließungsinformationen, die für alle diese Akte zutreffen, auf der Verzeichnungsstufe der Serie hinterlegt werden. Auf der Verzeichnungsstufe Akte finden sich dann nur die Informationen, die den einzelnen Akt der Serie vom anderen unterscheiden. Das Stufenmodell der ISAD(G) ist somit ein hierarchisches Modell der Beschreibung von Einheiten ohne informative Redundanz. Das Beschreibungsmodell wird auf diese Weise sehr komplex, je höher die oberste Verzeichnungsstufe angesetzt wird. Der Bedarf an Verzeichnungsstufen dürfte mit den folgenden weitestgehend abgedeckt sein:

 

  1. Bestandsgruppe
  2. Bestand/Fonds
  3. Teilbestand/Subfonds
  4. Serie/Aktengruppe
  5. Akt/File
  6. Vorgang/Subfile/Item (intellektuell unteilbare kleinste Einheit)
  7. Einzelstück/Dokument/Piece (physisch nicht weiter unterteilbare Einzelstück).

 

Diese Verzeichnungsstufen bezeichnen die Position der Verzeichnungseinheit im Bestandsaufbau. Sie bedürfen der Erläuterung.[ii]

 

  1. Bestandsgruppe:
    Die Bestandsgruppe ist ein fakultatives Element in der Tektonik eines Archivs, das nicht durchgängig für alle Bestände existieren muss. Bei der Erschließung werden die gemeinsamen Merkmale beschrieben. Die Bildung von Bestandsgruppen soll für den äußeren Betrachter nachvollziehbar, transparent und einsichtig sein. Es empfiehlt sich, die Bestandsgruppe auch als Verzeichnungsstufe zu verstehen.

 

  1. Bestand:
    Der Bestand ist das zentrale Strukturierungselement des Archivgutes eines Archivs. Ein Bestand umfasst idealerweise eine zusammengehörende Gruppe von Archivgut meist von einem Schriftgutbildner. Er ist auf der ersten (bzw. zweiten, falls Bestandsgruppen vorhanden) Gliederungsstufe unter der umfassenden Tektonik eines Archivs angesiedelt. Ein Bestand, der nur Archivgut unter Wahrung der Entstehungszusammenhänge umfasst, wird als Fonds bezeichnet. – Auf die einheitliche Herkunft legt die Definition in den ISAD(G) noch größeren Wert. Bestand und Fonds werden hier grundsätzlich gleichgesetzt: „Alle Unterlagen, unabhängig von Form und Trägermaterial, die auf organische Weise bei einer Person, Familie oder Körperschaft im Rahmen ihrer Tätigkeit und Funktion erwachsen und / oder von ihr zusammengestellt bzw. genutzt worden sind.“

 

  1. Teilbestand:
    „Untergliederung eines Bestands, die den verwaltungsmäßigen Aufbau der Provenienzstelle widerspiegelt, oder, wenn dies nicht möglich ist, nach geographischen, chronologischen, funktionalen oder ähnlichen Kriterien erfolgt. Wenn die Provenienzstelle eine komplexe hierarchische Struktur aufweist, so hat jeder Teilbestand wiederum so viele Untergliederungen, wie notwendig sind, um die Stufen der hierarchischen Struktur der betreffenden Organisationseinheit deutlich zu machen.“ – Die Teilbestände finden sich im Aufbau eines Findbuchs demnach in der Gliederung. Jeder Gliederungspunkt bildet einen Teilbestand ab. Die Abbildung der Teilbestände erfolgt demnach nicht in der Titelliste.

 

  1. Serie:
    Dabei handelt es sich um „Unterlagen, die nach einem Schriftgutverwaltungssystem geordnet oder als Einheit aufbewahrt werden, weil sie aus derselben Sammlung, demselben Entstehungsprozess oder derselben Tätigkeit erwachsen sind, eine besondere Form aufweisen oder weil sie in besonderer Beziehung zueinander stehen aufgrund ihrer Entstehung, ihres Empfangs oder ihrer Nutzung. Eine Serie kann als Aktenserie aufgefasst werden.“ Menne-Haritz legt Wert darauf, dass es innerhalb einer Serie unter den Serienelementen keine inneren Anhaltspunkte zu einer Systematisierung gibt. Als äußere Kriterien nennt sie exemplarisch die alphabetische, numerische oder chronologische Sortierung, zum Beispiel auch nach Korrespondenzpartnern. Die physischen Einschnitte werden durch Lagerungs- und Kompositionstechnik bedingt. Man kann daraus folgern, dass Serienelemente keine eigenen Titel haben können, sondern dieser immer dem Serientitel entsprechen muss und durch einen Enthältvermerk bei Bedarf näher spezifiziert werden kann. Die Erfüllung dieser Mindestvoraussetzung muss auch bei der Bildung von Serien und Aktengruppen beachtet werden, wenn sie erst im Archiv geschieht. Diese Folgerung sollte zur Sicherheit der einheitlichen Handhabe in die Erschließungsrichtlinien einfließen. Subserien sind Serien, die von einem Serienelement abhängen. Für sie gilt grundsätzlich das Gleiche wie für die Serie. Der spezifizierende Enthältvermerk des subserienbegründenden Serienelements ist im Sinne der „Scope and Content“-Definition der ISAD(G) der Titel der nachgeordneten Subserienelemente.

 

  1. Akt/File:
    Der Akt (Plural Akte) bzw. identisch die Akte (Plural Akten) wird in den ISAD(G) definiert als „organisierte Einheit von Schriftstücken, die entweder von der Provenienzstelle für den laufenden Gebrauch oder im Prozess der archivischen Ordnung aufgrund ihres Bezuges zum selben Gegenstand, zur selben Tätigkeit oder zum selben Vorgang zusammengestellt wurde. Eine Akte ist gewöhnlich Teil einer Serie.“ Hier weichen die deutsche Erschließungstradition und das deutsche Aktenverständnis in zwei Punkten deutlich von der Definition ab. Zum einen lassen sich Akten und Vorgänge aktenkundlich unterscheiden. Zwar kann ein Vorgang mit einem Akt identisch sein. In sehr vielen Fällen setzt sich ein Akt aber aus einer Anzahl von Vorgängen zusammen, so dass eine Trennung in zwei Verzeichnungsstufen anzuraten ist.[iii] Zum anderen ist ein Akt durchaus nicht gewöhnlich Teil einer Serie. Das mag je nach Registraturbildner unterschiedlich oft der Fall sein, kann aber nicht als Proprium eines Akts formuliert werden. Für die Findbucherstellung bedeutet das, dass Serien und Akten jederzeit auf gleicher hierarchischer Ebene stehen können. File ist zugleich als Generalbezeichnung für Archivalieneinheit zu verstehen. So können auch Einheiten anderer Archivaliengattungen (z.B. Urkunden, Fotos usw.) in den allermeisten Fällen dieser Verzeichnungsstufe zuzuordnen sein, falls sie nicht als Einzelstücke im Sinne von Nr. 7 aufzunehmen sind.

 

  1. Vorgang/Subfile/Item:
    Der Vorgang ist die intellektuell kleinste unteilbare Einheit von Archivschriftgut und ist immer Teil solcher Akten, die nicht selbst intellektuell kleinste unteilbare Einheit sind. Dabei handelt es sich um einen jeweils einzelnen, meist kooperativen „Entscheidungsprozess mit schriftlicher interner Steuerung und genau definiertem Beginn und Abschluss im Rahmen des Geschäftsgangs. Der Begriff bezeichnet ebenso die in seinem Verlauf entstandenen und gemeinsam abgelegten Aufzeichnungen als unterste, sachlich nicht mehr teilbare Schriftgutgemeinschaft. Es gibt keine Standardformen eines Vorgangs.“ Das Ergebnis eines Vorgangs kann z.B. ein ausgehendes Schreiben, ein Bescheid, ein Rechtstitel wie eine Urkunde oder auch eine Rechtsvorschrift sein. Der Vorgang spielt als Verzeichnungsstufe nur dann eine Rolle, wenn er nicht auf Grund seines Umfangs als Akte formiert ist. Die Verzeichnungsstufe Vorgang erstreckt sich auf Einzelvorgänge in einem Betreffssammelakt. Eine Serie von Betreffssammelakten (Betreffsserie) kann in der Beschreibung der Serienelemente ebenfalls auf die Verzeichnungsstufe der Vorgänge weiter heruntergebrochen werden. Betreffssammelakten und Betreffsserien bezeichnen durch ihren Titel die beinhaltenden Vorgänge mit einem übergreifenden, oft verallgemeinernden Titel.[iv] Bei solchen Serien kann die Spezifikation der Serienelemente mitunter recht umfangreich oder sehr inhaltlich sehr unterschiedlich ausfallen. Hier empfiehlt es sich, die nächsttiefere Verzeichnungsstufe des Vorgangs zu nutzen. Die intellektuell kleinste unteilbare Einheit kann auch aus einem einzigen Blatt bestehen, wie es z.B. bei Urkunden häufig der Fall ist.

 

  1. Einzelstück/Document/Piece
    Gemeint ist die kleinste unteilbare physische Einheit, also das Blatt. Diese Verzeichnungsstufe spielt in der archivischen Erschließung eine untergeordnete Rolle, weil das Beschreibungsergebnis nicht in sachlichem Zusammenhang mit den Beschreibungen der übrigen Verzeichnungsstufen steht. Diese Stufe kann dann eine Rolle spielen, wenn Dokumente einer exakten Formalbeschreibung unterworfen werden sollen, z.B. zur Vorbereitung einer Edition. Einzelstücke können als solche Subelemente von Akten und Vorgängen sein. Hinsichtlich Einzelstücken, die zugleich intellektuell kleinste unteilbare Einheiten sind, s. Nr. 6. Von Bedeutung kann diese Verzeichnungsstufe bei der Erschließung von Unterlagen als Gattungsbestände sein. Die Erschließung von Karten und Plänen z.B. kann ganz bewusst ohne primäre Berücksichtigung von intellektuellen Zusammenhängen erfolgen. Beispielsweise können Pläne, die in Akten inseriert sind, mit einer eigenen Kartensignatur und einer Formalbeschreibung durch ein Kartenfindbuch auf der Verzeichnungsstufe des Einzelstücks gesondert erschlossen werden, ohne dem Akt entnommen zu werden.

 

Zwischen den Verzeichnungsstufen bestehen Abhängigkeiten. Dabei sind nach dem Stufenmodell folgende Fälle möglich, nach postkustodialistischer Ansicht sind alle Ebenen frei mit den anderen in jeder hierarchischen Abfolge zulässig:

 

Verzeichnungsstufe Subordinierbare Verzeichnungsstufen
Bestandsgruppe - Bestand
Bestand - Teilbestand- Serie- Akte

- Einzelstück

Teilbestand - Teilbestand- Serie- Akte

- Einzelstück

Serie / Bandfolge - Serie- Akte- Einzelstück
Akte/Archivalieneinheit - Vorgang- Einzelstück
Vorgang - Einzelstück
Einzelstück

Verzeichnungsstufen und mögliche Abhängigkeiten

 

In der modernen Archivwissenschaft wird teilweise die Ansicht vertreten, dass bei der Erschließung vielschichtiger Beziehungsgemeinschaften die Eindeutigkeit der Zuordnung von Archivalien zu je genau einem Bestand hinfällig werde. Damit einher geht der Verlust der Verbindlichkeit eindeutiger Abgrenzungen von Archivalien, da sich Beziehungsgemeinschaften nicht auf jeweils den gleichen Umfang eines Archivale beziehen müssen. Das wiederum bedingt die Aufhebung eines verpflichtenden Stufenmodells und der hierarchischen Vererbung von Information. Die große Errungenschaft von ISAD(G), mehrfach zutreffende Information nur einmal auf der jeweils höchsten zutreffenden Verzeichnungsstufe bringen zu müssen, erweist sich hier als Hindernis, das aufzulösen ist. Für eine moderne Erschließungssoftware bedeutet das, dass der Bearbeiter zwischen einer automatischen Vererbung festgesetzter Informationen auf die hierarchisch nachfolgenden Verzeichnungsstufen und dem Ausschluss dieser Vererbung wählen können sollte. Diese Anforderung wird für Softwareanpassungen allerdings nur dann relevant, wenn der Softwareentwickler bereits vorher die Kontextinformationsvererbung automatisiert hat, damit z.B. auch sachthematische Inventare aus der Findmitteldatenbank ohne Informationsverluste generiert und exportiert werden konnten. Eine moderne Archivsoftware muss es dem Bearbeiter möglich machen, Verzeichnungsstufen in beliebige Komposition zu bringen, z.B. einem Akt einen Bestand nachzuordnen. Gleichwohl müssen Warnhinweise eingebaut sein, die ungeübte Nutzer vor falschen Kombinationen zurückhalten.

Jede Verzeichnungsstufe hat ihr Profil, das die Verzeichnungselemente beinhaltet, die es auf der jeweiligen Stufe zu beschreiben gilt. In einer Erschließungssoftware kommt das einer Feldmaske für jede Verzeichnungsstufe gleich, die sich gestaltet, sobald der Bearbeiter die Verzeichnungsstufe für das zu beschreibende Objekt oder die Objektgemeinschaft ausgewählt hat. Diese Auswahl kann auf unterschiedliche Weise erfolgen.

Das Verzeichnungsprofil wird durch die Verzeichnungsstufe aus der Abgrenzung zu den jeweils anderen hierarchischen Ebenen in der Tektonik des Archivs in seine Form gebracht. Zum anderen wird das Verzeichnungsprofil durch die Anforderungen bestimmt, die an eine angemessene Beschreibung der einzelnen Archivaliengattungen zu stellen sind. Würden alle Felder, die sich im Hinblick auf Letzteres zusammenstellen lassen, unter Beachtung der zutreffenden Verzeichnungsstufe zu einem einzigen Verzeichnungsprofil zusammengeführt, ergäbe sich ein verwirrendes und unübersichtliches Verzeichnungsformular bzw. –maske. Es ist also nötig, bei der Programmierung eines Erschließungsclients darauf zu achten, dass gegebenenfalls mehrere Verzeichnungsmasken für die gleiche Verzeichnungsstufe zur Verfügung stehen.

[i] Zitate, wenn nicht anders angegeben, aus: ISAD(G) – Internationale Grundsätze für die archivische Verzeichnung, 2., überarb. Aufl., übersetzt und neu bearbeitet von Rainer Brüning, Werner Heegewaldt, Nils Brübach, Marburg, 2002.

[ii] Begriffsdefinitionen siehe: Angelika Menne-Haritz: Schlüsselbegriffe der Archivterminologie, Nachdruck der 3., durchges. Aufl., Marburg, 2006.

[iii] Die Version 1.3 der Archivsoftware MidosaXML hat diese Unterscheidung zwischen Akte und Vorgang in das Auswahlmenü der Verzeichnungsstufen übernommen und somit für den Bearbeiter klar visualisiert.

[iv] Beispiel: „Angelegenheiten ausländischer Arbeitskräfte“, Vorgänge: „Umgang mit deutschen Frauen“, „Einsatz in der mecklenburgischen Landwirtschaft“, „Heimat- und Urlaubsfahrten“ usw.

[1] Zitiert aus der deutschen Übersetzung des CIDOC CRM: http://cidoc-crm.gnm.de/wiki/index.php?title=Hauptseite&oldid=2337.

 

[1] So in der Software MIDEX.

[2] Kerstin Arnold schreibt im EAG-Anwenderleitfaden für eine Referenzanwendung für ein Archivportal Deutschland in diesem Sinne, dass beispielsweise die Abbildung der Archivtektonik in einem Verbundfindmittel „durch eine EAD-Beständeübersicht geschieht und Informationen nicht redundant gepflegt werden sollen“ (Das EAG-Proifl in MIDEX – Beschreibung und Anwenderleitfaden, bearb. v. Kerstin Arnold, Berlin, Februar 2009 (im Folgenden zitiert: Arnold, EAG-Profil), S. 8).

[3] Arnold, EAG-Profil, S. 75.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/794

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Jahreskonferenz der Universitätsarchivare und Archivare wissenschaftlicher Institutionen (SUV) im Internationalen Archivrat in Barbados

Tagungsgebäude: 3Ws Oval, University of Wes Indies, Bridgetown (Barbados)
(Tagungsgebäude)

Das West Indies Federal Archives Centre und die University of the West Indies auf dem Cave Hill Campus in Bridgetown/Barbados waren die diesjährigen Gastgeber der Jahreskonferenz der Sektion der Universitätsarchivare und Archivare wissenschaftlicher Institutionen im Internationalen Archivrat (ICA SUV). Über 65 Archivarinnen und Archivare aus fünf Kontinenten trafen sich vom 26. bis 29. Juni 2013 auf der Karibikinsel, um ihre Ansichten und Erfahrungen zum Leitthema „Managing Archives in a Digital World“ auszutauschen. Das Treffen bot ein Forum, auf dem Experten aus aller Welt neue Trends auf den Gebieten der Digitalisierung, der elektronischen Akten und der Möglichkeiten des Internets (Web 2.0, Social Media, Cloud Archiving) im Hinblick auf die tatsächlichen und noch erforderlichen Wechselwirkungen mit den archivischen Kernaufgaben erörterten. In sieben Arbeitssitzungen zeigten insgesamt 22 Referentinnen und Referenten ihre Präsentationen zu den Themenbereichen, unter ihnen als Keynote Speakers Sir Hilary Beckles, Luciana Duranti, Henry Fraser und Kenneth Thibodeau.

Kenneth Thibodeau, der zuletzt Direktor des Center for Advanced Systems and Technology der US National Archives war, führte in das Konferenzthema ein, indem er sowohl die Entwicklungskontinuität digitaler Unterlagen auf der einen Seite als auch die technischen Eingriffe durch Archivare und die damit verbundene Frage nach der archivarischen Kompetenz dafür auf der anderen Seite erörterte. Die gegenseitigen Einflüsse der mit Medien und Technik in Beziehung Stehenden führten zu Veränderungen des Wie, des Was und des Wer des Handelns. Ein Spezifikum digitaler Unterlagen sei, dass ihre Nutzung in jedem Fall die Aktivierung eines Bearbeitungsprozesses verursache. Da dies immer die Gefahr der Verwischung früherer Bearbeitungsspuren in sich berge, existiere hier eine Herausforderung an die digitale Bestandserhaltung. Es stelle sich die Frage, welche technische Kompetenz der Archivar benötige, um digitale Archivierung koordinieren zu können. Er solle nicht versuchen, zum Technikexperten zu werden, besonders nicht im Records Management. Vielmehr seien von ihm Grundkenntnisse über gebräuchliche Technologien bei der Erzeugung von Akten, bei Transmissionsvorgängen, bei der Schriftgutverwaltung und digitalen Bestandserhaltung sowie über Technologien für die Bereitstellung und Recherche zu erwerben. Diese Kenntnisse sollten den Archivar dazu befähigen, die Tauglichkeit von technischen Verfahren zu beurteilen, nicht aber sie zu beherrschen (judgement statt expertise). Thibodeau hielt eine Art „Archival App Store“ für wünschenswert, das sich aus der Trias der Anforderungen der Archivare, der technologischen Möglichkeiten der Techniker und der Erwartungen der Nutzer speise. Sein abschließendes Statement beinhaltete die Aussage, dass die Archivare heute noch nicht die Möglichkeiten besäßen, elektronische Unterlagen sicher zu archivieren. Das technologische Umfeld sei dafür noch nicht ausreichend entwickelt. In jedem Fall könne digitale Archivierung aber nur in interinstitutioneller Kooperation gelingen.

In der ersten Session sprachen Alan Bell vom Centre for Archive and Information Studies bei der Universität Dundee und Lekoko Kenosi von der King Abdullah University of Science and Technology im saudiarabischen Jeddah. Beide wiesen darauf hin, wie nötig es sei, dass Systeme, in denen elektronische Unterlagen entstehen, den archivfachlichen Standards entsprächen und die Unterlagen nicht isoliert, sondern in ihren Kontexten archivierbar machten. Zugleich müssten solche Werkzeuge des Record Management in der Lage sein, flexibel auf ständig neu hinzukommende und vorhergehende ablösende Beziehungsvisualisierungen, Arbeitsweisen und Prioritätssetzungen zu reagieren. Dabei sei auch der Kreativität der Nutzer solcher Systeme genügend Raum zu geben, um Workflows durch Partizipation optimal zu gestalten. Außerdem sollten geeignete Systeme finanziell erschwinglich sein. Nicht zuletzt läge es aber auch an den verantwortlichen Records Managern, sich neuen Herausforderungen immer wieder bereitwillig zu stellen und selbstkritisch veränderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen. Als einschlägige professionelle Belange, die beim „mainstream information manager“ häufig zu wenig ausgeprägt seien, nannte Bell vor allem das Problembewusstsein bezüglich Bewahrung oder Rekonstruierbarkeit von Provenienz und der Geschichte der administrativen Aktivitäten.

Lekoko Kenosi befasste sich vorwiegend mit digitalen Vorgängen und Dokumenten einschließlich Social Media Records und Archivierungsstrategien in der „Cloud“. Das zentrale Problem bei der Nutzung der Cloud für Archivierungszwecke sei die fehlende Nachprüfbarkeit, was dort mit den Daten geschehe. Nur verbindliche Vorgaben an die Provider könnten Rahmenbedingungen schaffen, die eine Archivierung in der Cloud in Erwägung ziehen ließen. Sein Vortrag stieß eine Diskussion über den Kompositionscharakter von Social Media-Beiträgen an. Dabei wurde die Ansicht vertreten, dass erst dann von Records bei dieser Art von Unterlagen gesprochen werden könne, wenn sie im Kontext einer umfassenderen Aufgabenwahrnehmung mit mehr oder weniger klaren Funktionsbezügen entstanden seien, etwa wenn es sich um einen behördlichen Facebook-Account handele, dessen Pflege in die Aufgaben der Stelle integriert sei. Lägen diese Voraussetzungen nicht vor, könne allenfalls von Dokumenten die Rede sein, nicht aber von Records. Wenngleich Folgerungen daraus für mögliche Bewertungen von Social Media Dokumenten und Records nicht explizit diskutiert wurden, deutete sich im Verlauf der Konferenz mehrmals an, dass ihre Archivwürdigkeit in der Mehrzahl der Fälle offenbar überwiegend noch verneint werden könne. Wie stark Social Media und Web 2.0 in zentrale Bereiche von Universitäten dennoch verwoben seien, zeigte Elizabeth Shaffer in ihrer Präsentation am Ende der Konferenz (s.u.).

Geoffrey Yeo, der Records Management und Archivische Erschließung am University College London (UCL) unterrichtet, befasste sich mit der veränderten Situation der Erschließung im digitalen Zeitalter. Die Tendenz zur flachen Erschließung, durch die Erschließungsrückstände vermeintlich aufgeholt werden könnten, sei kontraproduktiv zum Anliegen der Archivare, den Benützerinteressen zu entsprechen. Dagegen sei auch eine gute Kontextbeschreibung auf höherer Verzeichnungsstufe kein Heilmittel und schon gar nicht dürfe eine solche Kombination zum Erschließungsprinzip werden. Vielmehr müssten die Archivare die offengelegten Kontextinformationen auf die Aktenebene herunterbrechen und anhand der Inhalte greifbar machen. Er stellte die Frage, ob nicht im Laufe des (vorarchivischen) Lebenszyklus digitaler Unterlagen bereits so viele Metainformation entstehe, dass ein automatisiertes Abgreifen im Zuge der Übernahme ins Archiv die retrospektive Erschließung weitestgehend ablösen könne. Dabei sei es wünschenswert, dass die von Sachbearbeitern im Alltag genutzte Software die erforderlichen Metadaten automatisch generiere. Anzustreben sei des Weiteren, die Möglichkeiten des softwarebasierten Natural Language Processing (NLP) zu nutzen. Dieses Verfahren erkennt Namen und Ortsbezeichnungen bei der Digitalisierung von Dokumenten und kann die Grundlage für die Auswertung ihrer Bezüge untereinander und zu den Inhalten der betroffenen Akten liefern. Eingesetzt werde NLP beispielsweise bereits im ChartEx Projekt (www.chartex.org). Das Verfahren eigne sich auch zur Analyse von E-Mail-Accounts. Problematisch sei jedoch der Umgang mit sensiblen Daten, die mit automatisierten Verfahren vollständig erkannt zu haben nur schwer garantiert werden könne. Perspektivisch sah Yeo die erschließende Funktion des Archivars zunehmend zugunsten eines automatisierten Metadaten-Managements schwinden.

Geoffrey Yeo
(Geoffrey Yeo)

Mehrere Beiträger berichteten über Ergebnisse aus den Projekten „InterPares“ und „InterPares Trust“, „Records in the Clouds“, „Digital Records Forensics“ und „The Law of Evidence in the Digital Environment“ des Centre for the International Study of Contemporary Records and Archives an der School of Library, Archival and Information Studies der University of British Columbia (UBC), darunter auch dessen Direktorin Luciana Duranti. Genaue Information über die Projekte findet sich im Internet unter www.ciscra.org.

In seinem Beitrag über digitale Forensik und Archivwissenschaft empfahl Adam Jansen den Universitätsarchivaren nachdrücklich, ihre besondere Situation zu nutzen und hochqualifizierte Kräfte innerhalb der eigenen Universität in die Lösung von Fragen der digitalen Archivierung einzubeziehen und mit Instituten und Postgraduates in Projekten zusammenzuarbeiten. In seinem Vortrag ging er auch auf die Risiken der Archivierung in der Cloud ein, die eine Kontrolle über den Bereich der „Integrity Metadata“ (administrative Metadaten) unmöglich mache. Er sah in ihr eine Gefahr für die Integrität und Authentizität des Archivguts.

Um digitalisiertes Material und die Nutzung digitaler Techniken zur Auswertung und Verbreitung ging es in den Beiträgen von Lucia Velloso de Olivieira, Dominique Taffin und Ruth Frendo. Unter anderem stellte Dominique Taffin das „Portail de la Banque Numérique des Patrimoines Martiniquais“ (www.patrimoine-martinique.org) vor, das sich mit der Geschichte dieses französischen Übersee-Départements befasst. Ruth Frendo von der Londoner Theater- und Bildungseinrichtung Shakespeare’s Globe präsentierte die Methoden ihrer Einrichtung bei der Archivierung und Auswertung mit Hilfe neuer Technologien. Ihr Beitrag warf ein Schlaglicht darauf, wie das Mandat einer archivierenden Institution sowohl die Ziele als auch die Methodik zu beeinflussen in der Lage sein kann. Zugleich stellte sie wesentliche methodische Unterschiede im Umgang mit Inhalts- und Kontextinformation bei einer Dokumentation einerseits und einer Archivierung andererseits klar heraus. Kenneth Thibodeau wies darauf hin, dass angesichts der Flut der auf die Archive zuströmenden elektronischen Daten die Gründe, weshalb bestimmte Information als archivwürdig angesehen werde, mit besonderer Sorgfalt transparent gemacht werden müssten (why are we doing, what we do?).

Den zweiten Konferenztag eröffnete Luciana Duranti mit ihrem Vortrag über die Ergebnisse des InterPares Trust-Projekts und des Projekts „Records in the Cloud“. Darin geht es um die Risiken und Chancen der Archivierung in Speichermedien, die nur über Internetverbindungen zu erreichen sind („Cloud“). Die Grundvoraussetzungen für Archivierung bei Drittanbietern fasste sie in das etymologische Wortspiel des Vertrauens gegenüber vertrauenswürdigen Treuhändern (trust trustworthy trustees). Sie stellte fest, dass es eine bemerkenswerte Diskrepanz zwischen Erwartungen und Kenntnissen an Cloud Storage und Cloud Archiving gebe: Die meisten Firmen oder anderen Nutzer von Cloudangeboten wüssten nicht, was in der Cloud mit ihren Daten geschehe, obwohl sie mit dem Anbieter einen Vertrag geschlossen hätten. Ferner sei es bemerkenswert, dass von den Providern in aller Regel zwar communication, data processing und data storage, nicht aber Archivierung angeboten werde. Für den Nutzer heiße dies, er müsse sich nach dem „Caveat emptor“-Prinzip verhalten, unterliege der juristischen „voluntary vulnerability“ und müsse demnach bereit sein, die sprichwörtliche Katze im Sack zu kaufen und nicht zuletzt auch hinsichtlich der finanziellen Belastungen auf Überraschungen gefasst sein. Sie führte diese Thesen anschließend in die Tiefe und deckte die Unwägbarkeiten und Risiken der Cloudarchivierung weiter auf. Offen blieben Fragen nach dem Verbleib der Datenhoheit des Dateneigners und der Nachprüfbarkeit von Authentizitätswahrung zum einen, unwägbare technische Risiken zum anderen und zum dritten juristische Schwachstellen, wie etwa die Wahrung von Geheimnissen, Datenschutzrechten oder des urkundlichen Werts von Dokumenten. Der faktische Verlust der Nachprüfbarkeit der Metadaten und die Unkenntnis über ihre korrekte Fortschreibung sei das zentrale Argument gegen die Cloud. Duranti sah für eine akzeptable Vertrauensbalance die Entwicklung vertrauenswürdiger Technologien, Prozesse und Vertragsbedingungen als erforderlich an. Die Voraussetzungen dafür seien, dass notwendige Änderungen im Verständnis von dem, was die Beteiligten unter Vertrauen auf Daten, Akten und Aktenführungssysteme verstünden, identifiziert und auf dieser Basis international anerkannte Grundsätze für Vertrauenswürdigkeit entwickelt würden.

Luciana Duranti
(Luciana Duranti)

Shadrock Katuu von der Internationalen Atomenergiebehörde (Wien) nahm in seinem Beitrag über ein Enterprise Content Management (ECM) Bezug auf den Vortrag von Kenneth Thibodeau und sprach sich dafür aus, dass auch Archivare sich auf dem IT-Gebiet tiefergehende Fachkenntnisse aneignen sollten, um in der Sprache der Informatik kommunizieren zu können. ECM sei in Data Management Systems (DMS) eingesetzt, seine Möglichkeiten gingen aber weit darüber hinaus, es sei beispielsweise geeignet, als Gesamtinfrastruktur für ganz unterschiedlich organisierte Geschäfts- und Prozessbereiche eines Unternehmens zu fungieren, möglicherweise inklusive der Archivierung. Zwischenzeitlich gebe es dafür einen ICA-Standard sowie eine ISO-Norm und den Standard Moreq2010.

Mit der Archivierung digitaler Fotos beschäftigte sich die Archivarin und Fotografin Jessica Bushey von der University of British Columbia, die auch Mitarbeiterin im Records in the Cloud-Projekt war. Sie wies darauf hin, dass in der Praxis der Verwendung von Fotos für Nachrichtenberichterstattung der Film gegenüber dem Foto erheblich an Bedeutung gewinne, da sich aus digitalen Filmsequenzen problemlos einzelne Fotos herauspicken ließen. Die Cloud sei für die Verfügbarmachung von Fotos häufig genutzt, unter anderem von digitalen Repositorien. Es sei aber festzustellen, dass in der Regel vom Cloudanbieter für die Wahrung integrierter Metadaten nicht Sorge getragen werde. Metadaten würden  beim Hochladen fast regelmäßig gelöscht. Gleiches geschehe beispielsweise beim Download von Bildern von Facebook in umgekehrter Richtung. Cloudnutzer seien sich der Zugriffsmöglichkeiten auf die hochgeladenen Daten oft wenig bewusst. Bushey verwies auf die Schließung des Social Medium „MySpace“, dessen Nutzer erstaunt auf die Frage von MySpace reagierten, ob sie Wert darauf legten, ihre Einträge zurück zu erhalten. Beim Austausch von Fotos sei das Bewusstsein von Eigentum an den Daten und den Rechten noch weit höher ausgeprägt.

Am Beispiel der Erfahrungen bei der Einführung der elektronischen Akte im Rahmen des eGovernments auf Martinique referierte Cindy Mencé über digitale Archivierungsprojekte. Ihr Resümee mündete in die Empfehlungen, sich zunächst nicht zu große Ziele in zu kurzer Zeit zu setzen, nicht anzunehmen, dass alles ausschließlich auf archivischen Praktiken basieren müsse und nicht zu glauben, dass eine gute Spezifikation die Entwicklung eines guten CAS (Content Addressed Storage) sicherstelle. Vielmehr seien die IT-Manuals und unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Spezifikationen sorgfältig zu lesen und miteinander zu vergleichen. Mencé legte ausdrücklich Wert darauf, dass befriedigende CAS-Systeme dem OAIS-Referenzmodell entsprechen müssten.

Einen Schwerpunkt auf die Archivierung und Zugänglichmachung digitaler Audiounterlagen legte Lorraine Nero von der University of West Indies im in der Republik Trinidad und Tobago liegenden St. Augustin. Sie zeigte unter anderem am Bestand „BBC Carribean Service“, wie Tondokumente erschlossen werden. Nach der Konvertierung in die Formate WAV und MP3 werden bei der Erschließung die inhaltlichen Beziehungen unterschiedlicher BBC-Beiträge sichtbar gemacht. Neben einer Zusammenfassung des Inhalts einer Audioeinheit wurde bisher ein ausführlicher Enthältvermerk angebracht, in dem nacheinander jeder einzelne Beitrag aufgelistet wurde. Da die Intensität dieser Erschließung mit den vorhandenen Ressourcen nicht fortzuführen sei, gehe man dazu über, Erschließung nicht mehr als Vakuum zu begreifen, sondern Nutzer und Experten einzubeziehen und sich auf „user generated content“ einzulassen. Nero benennt die hierbei auftauchenden Probleme des Urheberrechts an solchen Erschließungsbeiträgen Dritter und betont, dass hier vom Archiv eine Regelung zu finden sei, bevor man damit beginne. Des Weiteren wolle man die Tonspuren in Text konvertieren und eine Volltext- und Schlagwortsuche darin ermöglichen.

In einer weiteren Session ging es um die speziellen Unterlagengruppen der Akten aus studentischen Organisationen und um E-Mail-Überlieferung. Jay Gaidmore von der Earl Gregg Swem Library am College of William and Mary im US-Bundesstaat Virginia berichtete über die Umsetzung eines Dokumentationsprofils hinsichtlich studentischer Provenienzen im Archiv der University of North Carolina. Dabei nahm er Bezug auf die von Helen Willa Samuels in ihrem Buch „Varsity Letters“ herausgearbeiteten zentralen Funktionen von Universitätsarchiven. Die Dokumentation der studentischen Aktivitäten subsumierte er dabei unter die universitäre Zentralfunktion des „Fostering Socialization“. Im Fokus stünden vor allem studentische Verbindungen und Organisationen, unterrepräsentierte Gruppen sowie studentische Aktivistengruppen. Gaidmore hielt es für wichtig, den Studenten ebenso wie den vorgesetzten Stellen der Hochschularchive zu kommunizieren, welche Bedeutung die Dokumentation der hier sichtbar werdenden Auswirkungen universitären Lebens für die Bewahrung eines umfassend aussagekräftigen Abbilds der Universität habe. Er empfahl, etwa in den hauseigenen Archivnachrichten „Tipps for preserving your organization’s history“ zu veröffentlichen und Alumni einzubeziehen.

Dass E-Mails in Universitätsverwaltungen keine Privatkorrespondenz und schon gar kein Privateigentum seien, war der Ausgangspunkt für den Beitrag der Universitätsarchivarin der University of Wyoming Laura Jackson über administrative E-Mails in öffentlichen Universitäten der Vereinigten Staaten. Die wichtigsten Informationen über Entscheidungsfindungsprozesse fänden sich heute oftmals in den E-Mail-Ordnern höherer Universitätsbediensteter, aber nicht mehr mit hinreichender Sicherheit auch in den offiziellen Akten. Um Aktivitäten, Funktionen und Ereignisse transparent und nachvollziehbar erhalten zu können, sei die Einbeziehung von E-Mails in die Archivierung daher zwingend erforderlich. Allerdings sei damit ein scheinbar unverhältnismäßig hoher Erschließungsaufwand verbunden, da E-Mails in aller Regel weitgehend ungeordnet abgelegt seien und in nicht immer sofort erkennbaren Kontexten mit anderen Überlieferungsteilen stünden. Jackson empfahl, mittels entsprechend konfigurierter Software, die den Bearbeitern zur Verfügung gestellt werden sollte, eine Auswahl herauszufiltern, die dann vom Archiv übernommen werde. Dafür gebe es geeignete Software, mit der man zentrale Korrespondenzstränge ermitteln und private von geschäftlicher Korrespondenz trennen könne. Im Universitätsarchiv Wyoming würden übernommene E-Mails mit der Software Aid4Mail oder Emailchemy in die Formate MBOX und PDF/A konvertiert. Aus den E-Mails bilde man E-Mail-Akten und Serien nach inhaltlichen Gesichtspunkten. Die Nutzbarmachung erfolge durch direkte Zugriffspunkte in den digitalen Findmitteln. Für die Zukunft sei es aber wichtig, nicht nur rechtzeitig mit den Bearbeitern in Kontakt zu treten, sondern auch Richtlinien für die Organisation von E-Mail-Accounts und den Transfer ins Archiv zu erarbeiten.

Laura Jackson
(Laura Jackson)

In der vorletzten Session ging es um Grundsätze und Standards bei der Erschließung und Bereitstellung digitaler und digitalisierter Archivalien. Gavan McCarthy, Direktor des University of Melbourne eScholarship Research Centre, konzentrierte sich in seinem Beitrag auf den deskriptiven Standard Encoded Archival Context (EAC) und stellte das Projekt „Find and Connect“ der australischen Regierung vor. Darin wird EAC nicht mehr nur zur Beschreibung von Überlieferungsbildnern, sondern generell zur Beschreibung von Entitäten genutzt, d.h. für Akteure ebenso wie zum Beispiel auch für Events. Karsten Kühnel vom Universitätsarchiv Bayreuth veranschaulichte in seinem Beitrag über die Möglichkeiten zur Visualisierung von Beziehungen anhand von Digitalisaten die Bedeutung der Beschreibung von Funktionen in einem Erschließungssystem, das Beziehungen und Beziehungsgemeinschaften zur Grundlage virtueller Bestandsbildung macht, und bemängelte dabei das Fehlen eines EAC-Profils für Funktionen (EAC-F), um sie analog zum ISDF-Standard in einem digitalen Austauschformat beschreiben zu können.

Karsten Kühnel
(Karsten Kühnel)

Corinne Rogers referierte in der abschließenden Session über das noch bis 2015 laufende Projekt „The Law of Evidence in the Digital Environment“, einer Kooperation zwischen der juristischen Fakultät und der School of Library, Archival and Information Studies (SLAIS) an der University of British Columbia (http://www.lawofevidence.org/). Das Projekt befasst sich damit, wie digitale Unterlagen und Produkte digital organisierter Geschäftsprozesse die gleiche juristische Qualität wie herkömmliche papierbasierte Dokumente erlangen und dauerhaft behalten können. Sie ging dabei auch auf die juristischen Probleme im Umgang mit E-Mails ein.

Auf die Praxis der Web 2.0-Nutzung im Zusammenhang mit E-Learning-Prozessen richtete Elizabeth Shaffer von der University of British Columbia die Aufmerksamkeit des Publikums. Sie zeigte, dass im Umfeld der Universitäten Web 2.0 elementare Kommunikationsmethoden bereitstelle, die in die Kernbereiche universitären Handelns und Wirkens Einzug genommen hätten. Kollaboration, verteilte Autorenschaft, enthierarchisierte Partizipation, interaktive Kommunikation, Kontinuität in der Produktion, Reproduktion und Transformation von Information, fehlende Finalität von Prozessen und verteilte Eigentumsverhältnisse versus Open Access seien zentrale Schlagworte, die das derzeitige E-Learning auf Web 2.0-Basis charakterisierten. Die Herausforderung an die Archive sei die Bewahrung der dabei entstehenden digitalen Erzeugnisse als Evidenzbelege für studentische Lern- und Sozialisierungsprozesse, verstanden als Ausfluss universitärer Funktionen. Shaffer gelang es, den Kontext zwischen den Aktivitäten der unterschiedlichen Handlungsträger einer Universität und ihren Web 2.0- und Social Media-basierten Produkten auf einem von ihr eingegrenzten Gebiet klar herauszustellen und auf dieser Grundlage die Zusammenhänge zwischen E-Learning und Record making sowie die sich daraus ergebenden Anforderungen an das Record keeping zu verdeutlichen.

Elizabeth Shaffer
(Elizabeth Shaffer)

Zum Abschluss der Konferenz gab der SUV-Vorsitzende William Maher eine Zusammenfassung der Beiträge und stellte die Frage, welche Rolle künftig der SUV als Sektion und dem ICA als Ganzem zukommen könne, um die internationale Komponente einer gemeinsamen Strategie zum Umgang mit digitaler Überlieferung zu stärken.

William Maher
(William Maher)

Das Programmkomitee der Sektion im ICA und die Veranstalter vor Ort haben in Barbados eine in organisatorischer und inhaltlicher Hinsicht vorbildliche Leistung erbracht. Die Referentinnen und Referenten erfüllten die im CfP formulierten Wünsche, wonach für die Vorträge ein „fortgeschrittenes wissenschaftliches Niveau“ Voraussetzung sein sollte, durchwegs. Einmal mehr zeigte sich, wie untrennbar Recordsmanagement und Archivwesen im digitalen Zeitalter miteinander verbunden sind und wie die Anforderungen an ein digitales Archiv nur durch frühzeitige Eingriffe und Beteiligung der Archivare an den Fragen der Schriftguterzeugung und -verwaltung im öffentlichen Sektor in juristisch und forschungsbezogen einwandfreier Weise auf einem zielführenden Weg zu ihrer Erfüllung gebracht werden können.

Die nächste Jahreskonferenz findet im Juli 2014 an der Universität Paris statt. Der Call for Papers wird auf der SUV-Website veröffentlicht (http://www.library.illinois.edu/ica-suv/index.php).

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/743

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Ein Dokumentationsprofil für ein Universitätsarchiv – Teil 1: Grundlegung

von Karsten Kühnel

Der folgende Beitrag soll die Anwendbarkeit und mögliche Ausrichtung eines Archivierungs- und Dokumentationsprofils für das Universitätsarchiv Bayreuth reflektieren. Der Autor würde sich über eine rege Diskussion und konstruktive Kommentare in diesem Blog freuen.

„Hochschularchive sind wesentlich mehr als nur Materialsammlungen für die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Träger. Sie leisten einen unverzichtbaren Beitrag zur Bildung der von einer zivilisierten Gesellschaft benötigten historischen Überlieferung.“ So beginnt die Einleitung zum 2009 von einem Autorenteam vorgelegten und von der Universität des Saarlandes herausgegebenen „Dokumentationsprofil für Archive wissenschaftlicher Hochschulen“.[1] Und Bezug nehmend auf die typische Situation der Personen, die die Überlieferung tatsächlich formieren, findet sich wenige Zeilen weiter der Satz, dass typischerweise unter anderem der Umstand die Situation im Hochschularchiv charakterisiere, dass die „Archivarin oder der Archivar […] sehr weitgehend eigenverantwortlich“ arbeite. Einer der Autoren schreibt kurz darauf in einer ausführlichen Kommentierung des Profils in der Zeitschrift „Der Archivar“ darüber: „Das Dokumentationsprofil versteht sich […] als Handreichung, nicht als Vorschrift, und es ist an vielen Stellen offen für individuelle Lösungen.“[2]

Das Ziel eines Dokumentationsprofils für ein Archiv ist es, ein Profil vorzugeben, an dem sich die Auswahl und der Erwerb von Archivgut messen lassen können. Die Kriterien, auf denen das Profil beruht, können unterschiedlicher Art sein. Ihm können inhaltliche Aspekte und formale Aspekte aus wiederum unterschiedlichen Sichtweisen zugrunde liegen. Ein Dokumentationsprofil zu akzeptieren ist eine Entscheidung für bestimmte zu erwartende und gegen bestimmte ebenfalls zu erwartende Informationen, deren Erhalt einerseits gewünscht und deren Verlust andererseits akzeptiert wird. Das Dokumentationsprofil ist die Grundlage für die Bewertung, das heißt für die Entscheidung über Archivierung oder Vernichtung von Unterlagen.

Ein Dokumentationsprofil bestimmt nicht nur das Profil des materiellen Archivs, das auf seiner Grundlage anwächst. Es spiegelt auch das Profil des Archivs als Institution. Dem Selbstverständnis einer Institution „Archiv“ entfließt ganz wesentlich dessen Auffassung darüber, was zu archivieren ist und wie das Profil der Überlieferungsbildung aussehen soll. Nicht ohne Grund ist die erste Stufe der archivischen Erschließung die eigene Beschreibung des Archivs als archivischer Institution. Die überblicksartige Beschreibung der Archivbestände ist bereits die zweite Erschließungsstufe. Denn das Profil des Archivs als Institution lässt bereits entscheidende Rückschlüsse auf die Inhalte seiner Bestände zu, und seine Beschreibung gibt dem potentiellen Nutzer den ersten Anhaltspunkt, ob dieses Archiv für seine Forschung überhaupt von Bedeutung sein kann.

„Archivalien konservieren Spuren und Überreste vergangener Zeit.“ So schreibt Alf Lüdtke in seinem Nachwort zur deutschen Übersetzung von Arlette Farge’s Le goût de l’archive.[3] Die Autorin selbst schreibt an einer Stelle über das Archiv: „Unter dem Archiv organisiert sich das Relief, man muss es nur zu lesen wissen – und sehen, dass es an eben diesem Ort eine Produktion von Sinn gibt, an einem Ort, an dem die Leben, ohne es sich ausgesucht zu haben, auf die Macht stoßen.“[4] Farge schreibt diesen Satz angesichts von Archivalien aus dem 18. Jahrhundert. Und doch ist die reliefartige Überlieferungsbildung ein Thema, das seit dem Ende des Ersten Weltkriegs in der sich allmählich bildenden Archivwissenschaft bis heute eine bedeutende Rolle spielt. Heinrich Otto Meisners „Schutz und Pflege des staatlichen Archivguts mit besonderer Berücksichtigung des Kassationsproblems“ von 1939 wird noch heute als Meilenstein in der Bewertungsdiskussion zitiert.[5] Im Jahr 1965 legte die Staatliche Archivverwaltung der Deutschen Demokratischen Republik unter dem Titel „Grundsätze der Wertermittlung ein ausführliches schriftliches Profil für die archivische Überlieferungsbildung unter marxistisch-leninistischen Leitlinien vor, das sie 1984 noch einmal überarbeitete.[6]

In Westdeutschland war es Hans Booms, der 1972 die Überlieferungsbildung auf der Grundlage eines Dokumentationsprofils vorschlug und damit auf großen Widerstand und Ablehnung im Kreis seiner Kollegen stieß.[7] Angelika Menne-Haritz beleuchtete in ihrem Vortrag auf dem ersten Archivwissenschaftlichen Kolloquium der Archivschule Marburg, das am 28. und 29. Juni 1994 unter dem Leitthema „Bilanz und Perspektiven archivischer Bewertung“ stand, terminologische Unschärfen im Zusammenhang mit der Bewertung. Dabei analysiert sie die Verwendung der Begriffe des „Archivierens“ und des „Dokumentierens“ im Rahmen der Überlieferungsbildung und kommt zu der bemerkenswerten Aussage: „Dokumentation gesellschaftlicher Phänomene interessiert sich nicht für Evidenz. Sie läuft Gefahr, Kontexte zu zerstören, ohne zu wissen, was sie tut, da sie nur ihre subjektiven Inhaltsfragen sieht. Dann wird Geschichte zerstört, weil Evidenz vernichtet wird und die Interpretationskontexte für Fakten fehlen.“ Und sie gipfelt in der Warnung vor einem Paradigmenwechsel in der Kultur der Geschichte tradierenden Institutionen: „Wenn Archive sich als Dokumentationsstellen verstehen, besteht die Gefahr, daß sie sich zu rückwärtsgewandten Dokumentenmuseen entwickeln und vom lebendigen, zukunftsorientierten Zusammenspiel mit der Exekutive abgeschnitten werden.“[8]

Die Gegner von Dokumentationsprofilen stellten ihnen den Anspruch an die Bewertung gegenüber, eine nicht auf bestimmte, inhaltlich orientierte und somit vorhersehbare Fragestellungen ausgerichtete, sondern eine nach Möglichkeit für alle Fragestellungen offene Überlieferung zu bilden, die die Kontexte ihrer ursprünglichen Entstehung bewahrt. Infolge dieser Ausrichtung machte sich die Bewertung an Maßgaben wie Zuständigkeiten, Federführung, Verwaltungshierarchie und Aktenplänen fest und mündete in Bewertungsmodelle, die den Grat zwischen horizontalen und vertikalen Bezügen unter Überlieferungsbildnern gangbar machte. Retrospektiv kann man von einer Etablierung einer anderen Art von Dokumentationsprofilen sprechen, die mehr auf formale Bezüge ausgerichtet waren und noch sind, die aber die inhaltlichen Aspekte auch nicht außer Acht ließen.

Damit einher ging das nur zaghafte Aufgeben der Tradition der engen Bindung an den eigenen Träger bzw. an die Behörden in der Sprengelhoheit eines Archivs. Archive waren dazu da, die Überlieferung derjenigen Einrichtungen zu archivieren, für die sie explizit als zuständig deklariert worden waren. Je mehr sich die historische Forschung der ganzen Breite gesamtgesellschaftlicher Überlieferung und Dokumentation zuwandte, desto mehr wurden die Archive aus dem Mittelpunkt des Interesses der Historiker bei der Suche nach authentischen Quellen verdrängt. Die Bildung von Ergänzungsüberlieferung in Form von Sammlungen und Nachlässen wird heute zu den Kernaufgaben eines Archivs gerechnet, was durchaus nicht immer selbstverständlich gewesen war.[9] Diese Selbstverständlichkeit zeigt aber exemplarisch, wie sich das Selbstverständnis der Archive in den vergangenen Jahrzehnten schrittweise verändert hat. Das Bewusstsein, in einem Archiv immer nur Ausschnitte der gesamtgesellschaftlichen Entwicklungen abbilden zu können, rückte wieder die Frage nach den Inhalten in den Vordergrund: Was oder welche Entwicklungsstränge sollen abgebildet werden? „In diesem Szenario kann das Ziel der Bewertung einzelner Überlieferungen nicht darin bestehen, die Tätigkeit einer Provenienzstelle abzubilden, sondern möglichst aussagekräftige Spuren aus der jeweils berührten Lebenswirklichkeit zu bewahren“, ist die Antwort, die Robert Kretzschmar in seiner Einführung in das Positionspapier des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA zur archivischen Überlieferungsbildung gibt.[10] Wie nebenbei wurde der Dokumentationscharakter archivarischer Tätigkeit terminologisch salonfähig. Max Plassmann ging auf das terminologische Unbehagen in seinem 2004 veröffentlichten Aufsatz „Dokumentationsziele als Grundlage der Arbeit von Universitätsarchiven: Bewertung, Erschließung, Bestandserhaltung“ noch ein, wenn er schreibt: „Wer etwa aus standespolitischen Erwägungen heraus Unbehagen verspürt, den Begriff ‚Dokumentation‘ zu nutzen, der mag auch auf ‚Festlegung inhaltlicher Ziele der Überlieferungsbildung‘ oder etwas anderes ausweichen.“[11]

Das Positionspapier des Arbeitskreises Archivische Bewertung von 2004 rät zu Abstimmungen zwischen Archiven unterschiedlicher Träger bei Überschneidungen und Berührungen und empfiehlt die Methode der horizontalen und vertikalen Bewertung zur archivübergreifenden Überlieferungsbildung. Gleichzeitig wird vor dieser Bewertungsmethode gewarnt, sofern keine verlässlich strukturierte Akten- und Registraturführung vorliegt. Somit kommt das Modell für weite Bereiche universitärer Überlieferung nicht in Frage. Das Thema blieb aktuell und mündete in die Forderung, Überlieferung im Verbund zu gestalten. Im Jahr 2011 folgte vom gleichen Arbeitskreis ein Positionspapier zur „Überlieferungsbildung im Verbund“, das an das Papier von 2004 anknüpfte.[12] Was Überlieferung im Verbund ist, definieren die Autoren wie folgt: „Überlieferungsbildung im Verbund bedeutet, dass sich Archive unterschiedlicher Trägerschaft in einem definierten, beide Seiten berührenden Zuständigkeitsbereich bei der Überlieferungsbildung austauschen und abstimmen. Das Ziel des Abstimmungsprozesses zwischen den beteiligten Archiven sind langfristig verlässliche Absprachen, die darauf abzielen, eine qualitätsvolle, sich ergänzende und Redundanzen vermeidende Überlieferung bei gleichzeitiger grundsätzlicher Wahrung des Provenienzprinzips und der Sprengelzuständigkeit zu schaffen.“[13] Berührungspunkte mehrerer Universitätsarchive können sich beispielsweise bei Professorennachlässen ergeben. Hier könnten gemeinsame Richtlinien vereinbart werden, nach denen bestimmte Konstellationen einem bestimmten Universitätsarchiv den Vortritt einräumen. Hinsichtlich der Überlieferung studentischer Initiativen wäre beispielsweise mit dem jeweiligen Stadtarchiv zu klären, wer sich dafür zuständig fühlen soll.

Überlieferungsbildung im Verbund ist aber nach dem Papier des Arbeitskreises deutlich mehr, ja wohl sogar eigentlich etwas anderes als Verabredungen über den besten Verwahrungsort für Bestände. Sie bezieht sich auf Abreden hinsichtlich der zu überliefernden Inhalte und basiert demnach auf gemeinsam vereinbarten Dokumentationsprofilen, Festlegungen inhaltlicher Ziele oder Bewertungsmodellen. Ist bereits die Festlegung inhaltlicher Dokumentationsziele innerhalb eines einzelnen Archivs eine strategische Entscheidung enormer Reichweite, so ist sie es umso mehr im Kreis von Überlieferungsverbünden.

Destruktiv wäre es, die Ergebnisse der Bewertungsdiskussion der 1990er Jahre einfach über Bord zu werfen, und den Informationswert von Unterlagen als das einzig Wahre für die Bestimmung der Ziele einer Überlieferungsbildung und von Bewertungskriterien anzusehen. Man würde dadurch um Jahrzehnte zurückfallen und sich zudem einer historischen Mindermeinung anschließen. Frank M. Bischoff brachte in seinem Vortrag über „Bewertung als Gegenstand der Archivarsausbildung“ auf einem Workshop der Archivschule Marburg im November 2004 im Zusammenhang mit der Vielfalt von Bewertungsansätzen, die die Archivwissenschaft kannte und noch kennt, den in den 1990er Jahren in Deutschland wirkungsvoll von Angelika Menne-Haritz propagierten Schellenbergschen Ansatz erneut ins Bewusstsein der Archivare.[14] Er betonte dabei, dass die Diskussion der 90er Jahre zu einer Polarisierung im Archivarsstand und letztlich zu einer übermäßigen Betonung des Evidenzwertes als Bewertungskriterium geführt habe, dass aber Schellenberg mit dem Evidenzwert auch den Informationswert verknüpft habe. Der Hinweis Bischoffs kann als Aufforderung verstanden werden, Dokumentationsprofile nicht nur inhalts- oder informationswertorientiert auszurichten, sondern auch mit den Elementen der Evidenzdokumentation synergetisch zu verbinden.

Bemerkenswert ist, dass sich das bereits erwähnte Dokumentationsprofil für Archive wissenschaftlicher Hochschulen von 2009 nach Aussage Max Plassmanns in seiner ebenfalls bereits genannten Kommentierung im Archivar an den „Hauptaufgaben von Universitäten – Forschung und Lehre“ orientiert, dass in der Einleitung des Dokumentationsproifls selbst aber stets nur von Inhalten die Rede ist, an denen man sich orientiere: „Das Dokumentationsprofil orientiert sich vorrangig an den in Hochschularchiven zur Bewertung anstehenden Inhalten und setzt sich dabei mit typischen Schriftgutsorten auseinander. Die Überlieferungssituation an Hochschulen ist oft so unübersichtlich, dass eine vorrangig nach Organisationsstrukturen gegliederte Darstellung die weniger sinnvolle Alternative wäre.“[15] In beiden Texten ist von Funktionen einer Universität als Orientierungskriterien nicht die Rede, obwohl doch einiges darauf hindeutet, dass die Intention der Autoren in etwa in diese Richtung ging. Es zeigt sich jedoch bei anderen Dokumentationsprofilen der letzten Jahre, dass Funktionsorientierung offenbar insgesamt keine herausragende Rolle spielte. In ihrer „Arbeitshilfe zur Erstellung eines Dokumentationsprofils für Kommunalarchive – Einführung in das Konzept der BKK zur Überlieferungsbildung und Textabdruck“ lässt Irmgard Christa Becker eine sehr starke inhaltsbezogene Orientierung erkennen, die Aufgaben- und Funktionsbezogenheit in den Hintergrund zu stellen scheint.[16]

Die amerikanische Archivarin und Bibliothekarin Helen Willa Samuels veröffentlichte 1998 unter dem Titel „Varsity Letters“ ein Buch über die Dokumentation von Universitäten und ebnete darin den Weg zur Erstellung eines auf Funktionen basierenden Dokumentationsprofils. Sie stellt bereits im einleitenden „Rationale“ prägnant fest, dass Funktionen von Organisationsstrukturen gelöst zu betrachten sind und zitiert dazu David Baerman und Richard Lytle: „Functions are independent of organizational structures, more closely related to the significance of documentation than organizational structures, and both finite in number and linguistically simple.“[17] Die Funktionen, die sie für Hochschulen herausarbeitet, sind gegründet auf eine Analyse dessen, was diese Institution tut. Damit unterscheidet sich ihre Herangehensweise von der Beschreibung zugewiesener Funktionen und blickt stattdessen auf die in Vergangenheit und Gegenwart tatsächlich wahrgenommenen Funktionen. Sie unterscheidet sich damit auch vom Funktionsbegriff des ISDF-Standards des Internationalen Archivrats, der eine Funktion wie folgt definiert: „Any high level purpose, responsibility or task assigned to the accountability agenda of a corporate body by legislation, policy or mandate. Functions may be decomposed into sets of co-ordinated operations such as subfunctions, business processes, activities, tasks or transactions.”[18] Dabei ist es ihr ein Anliegen, von der Betrachtung der einzelnen Akte oder der einzelnen Büros bei der Bewertung loszukommen und den Bewertungsvorgang mit der Analyse des konzeptualen Kontexts der Unterlagen einer Universität vorzubereiten. Mit Terry Cook befürwortet sie einen Perspektivenwechsel von der physischen Einheit zur intellektuellen, „from matter to mind“.[19] Samuels möchte bei der Funktionsanalyse die enge Sichtweise auf die Reflexion administrativer Prozesse aufgeben und in den Funktionen zwar auch die administrativen Aktivitäten, aber ebenso die anderer Akteure wie der Studenten, der Fakultäten, des Personals und von Personen und Körperschaften außerhalb der Universität einbeziehen.

Sie kommt schließlich zu sieben Hauptfunktionen einer modernen Hochschule:

  1. Ausstellen von Zeugnissen: beinhaltet den Prozess des Anwerbens, Auswählens und Zulassens von Studenten, die Vergabe finanzieller Unterstützung und akademischer Beratung sowie die Graduierung der Studierenden.
  2. Transport von Wissen: beinhaltet die Gestaltung der Curricula und die Lernprozesse.
  3. Förderung der Sozialisation: beinhaltet die informellen Lernvorgänge außerhalb der Vorlesungen und Seminare in organisierter und nicht organisierter Form im häuslichen Leben, in extracurricularen Aktivitäten und in persönlicher Beratung.
  4. Forschung und Ermöglichung von Forschung: beinhaltet Maßnahmen und Aktivitäten der Fakultäten und graduierten Studenten bei der Suche nach neuem Wissen und neuer Erkenntnis
  5. Verwaltung der Institution: beinhaltet die Aktivitäten, die für den reibungslosen Betrieb der Institution nötig sind (inkl. Leitung, Finanz- und Personalverwaltung, technische Anlagenverwaltung etc.).
  6. Dienstleistungen für die Öffentlichkeit: beinhaltet die Aktivitäten, die in erster Linie für externe Adressaten(gruppen) erfolgen (inkl. technische Supportdienstleistungen und Weiterbildungsangebote).
  7. Kulturelle Integration: bedeutet die Funktion der Institution als Vermittler von Kultur, z.B. durch die Unterhaltung von Sammlungen, Museen, Bibliotheken und Archiven.

Schwieriger wird es nun bei der Zuordnung von Aktivitäten zu Funktionen, und Samuels räumt selbst ein, dass ein und dieselbe Aktivität durchaus in unterschiedliche oder mehrere Funktionen eingereiht werden könnte. Es sei aber auch von ihr nicht beabsichtigt gewesen, Aktivitäten speziellen Funktionen zuzuordnen, sondern einen Ausgangspunkt für eine weitergehende Funktionsanalyse anzubieten und das Verständnis von Funktionen zu fördern.[20]

Es stehen nun vier Größen sowohl als Bestandsbildungs- als auch als mögliche Ordnungskriterien archivischer Überlieferung im Raum:

  1. Inhalte
  2. Strukturen
  3. Aufgaben
  4. Funktionen

Inhalte zu archivieren ist nichts anderes als das zu archivieren, was das Objekt der Archivierung überhaupt ist: Information. Bei der Überlieferungsbildung bedarf es demnach eines Konsenses darüber, welcher Wert einer Information innewohnen muss, um sie archivwürdig erscheinen zu lassen. Schellenberg nennt für die Analyse des Informationswerts drei Kriterien, die ihm dabei wichtig sind: den Unikatcharakter der Information, ihre Form und ihre Bedeutung für die historische Forschung. Zu finden ist Information in den Unterlagen, die prozessbezogen und ergebnishaft davon zeugen, mit welchen Angelegenheiten ein Schriftgutbildner zu tun hatte.[21] Doch wird man bei der Archivierung von Information letztlich nie um die parallele Evidenzwertermittlung herumkommen, die ebenfalls bereits bei Schellenberg die Informationswertermittlung gleichberechtigt begleitet.[22] Denn nur so lässt sich garantieren, dass Information nicht kontextdefizitär bewahrt wird. Kontexte sind durch Handlungen verursacht, die mit Zwecken und Aufgaben im Zusammenhang stehen. Insofern kann man davon ausgehen, dass eine primäre Konzentration auf kontextverursachende Kriterien eher zu seiner umfassend aussagekräftigen Überlieferung führt als eine primäre Konzentration auf Inhalte.

Strukturen unterliegen häufigen Veränderungen und müssen mit Aufgaben und Funktionen nicht deckungsgleich sein. Die Dokumentation von Organisationsstrukturen und ihrer historischen Entwicklung beinhaltet Aussagen zur Arbeitsweise der Einrichtung und hat einen hohen Wert für die Evidenzüberlieferung. Deshalb kann die Archivierung von Information über Strukturen nicht unterbleiben. Die Nutzung von Archivgut, das den Strukturen einer Einrichtung entsprechend in Findmitteln präsentiert wird, ist für den Nutzer dadurch erschwert, dass er für eine systematische Suche Kenntnisse über die Aufgaben und Funktionen der jeweiligen Organisationseinheiten und über chronologische Schnitte, an denen sich Aufgaben- und Funktionszuweisungen geändert haben, kennen muss. Ein intensives Studium der Schriftgutbildner und ihrer Geschichte muss der effizienten Archivgutrecherche vorausgehen.

Aufgaben werden zugewiesen. Die Zuweisung einer Aufgabe sagt jedoch noch nichts über den Grad und die Art ihrer tatsächlichen Erfüllung aus. Zudem versuchen Aufgabenzuweisungen, den Tätigkeitsrahmen und den Wirkungskreis einer Institution ex ante abzustecken. Das Fortwirken und das Feedback, das sich aus der Erfüllung von Aufgaben ergibt, ist in eine aufgabenbezogene Dokumentation nicht eingebunden. Gleichwohl basiert das Handeln und Funktionieren einer Einrichtung darauf, zugewiesene Aufgaben wahrzunehmen. Für die Recherche nach geeignetem Archivgut ist es für den Forscher wichtig, die Aufgaben eines Bestandsbildners zu kennen, um einschätzen zu können, ob dessen Überlieferung für sein Forschungsthema relevant sein kann. Die Orientierung an Schriftgutbildnern und an deren zugewiesenen Aufgaben ist ein grundlegendes Element des Provenienzprinzips.

Funktionen, verstanden als Zusammenfassung von Aufgaben, Handeln und Wirken einer Stelle, betrachten das Leben einer Einrichtung, ohne dabei eine fremdbestimmte Sichtweise einnehmen zu müssen. So ist es beispielsweise nicht mehr die Sicht des Aufgaben zuweisenden Staats auf eine seiner Behörden, die der Archivar für die Dokumentation, Archivierung oder Bewertung einnehmen muss, vielmehr ermöglicht die Bestandsbildung auf der Grundlage von Funktionen eine objektivere oder neutralere Sicht auf den Bestandsbildner. Funktionsorientierung vermeidet zudem eine Fragestellungen an das Archivgut vorwegnehmende inhaltsorientierte Bestandsbildung, weil sie keine Inhalte definiert, sondern neben Funktionen, die sich durch Aktivitätsbezeichnungen darstellen lassen und dann mit Aufgaben zusammenfallen, den Ausfluss des Handelns einer Stelle durch die beobachtete Wirkung als Funktionsbenennung kennt. Will man Funktionen nach diesem Verständnis als Bestandsbildungskriterien heranziehen, so steht man freilich vor der Situation, dass ihre Bezeichnung hinsichtlich des Zeitraums des Handelns einer Stelle erst ex post geschehen kann, weil erst dann eine Funktionsanalyse im Sinne einer Wirkungsanalyse möglich wird. Hier könnte ein Konfliktpotential mit den Grundsätzen des Provenienzprinzips bestehen, das sich aber als ein nur scheinbares erweist, wenn man auf die Ursache von Verwaltungshandeln als aus der Not, das Chaos im menschlichen Zusammenleben zu verhindern, geborene Tätigkeit sieht. Dann nämlich sind auch Aufgabenzuweisungen an öffentliche Stellen als Resultate der Erkenntnis über ein Handlungsvakuum zu verstehen und somit ebenfalls ex post definiert. Die Funktionsanalyse geht insofern weiter, als sie auf das täglich neu von einer öffentlichen Stelle zu erkennende und auszufüllende Handlungsvakuum rekurriert, das die Realität ihres Wirkens in all seiner Breite bestimmt. Sie nimmt insofern Bezug sowohl auf die Ursache als auch auf die Wirkung von Handlungen.

Der Standard ISDF sieht in der Beschreibung von Funktionen eine Möglichkeit, Archivgut mit höherer Sorgfalt in seinen Entstehungs- und Verwendungszusammenhängen zu präsentieren und Beziehungen zu anderen Teilen des Archivguts herauszuarbeiten.[23] Funktionsanalyse wird in ihm als mögliche Grundlage für die Ordnung, Klassifikation und Beschreibung, für die Bewertung und für die Recherche und Auswertung von Archivgut bezeichnet.[24] Außerdem ist die Beziehung zwischen Archivgut und den seine Entstehung verursachenden Funktionen eine mögliche Definition des Begriffs der Provenienz.[25]

Das Dokumentationsprofil des Universitätsarchivs Bayreuth ist die Grundlage seiner Bestandsbildung. Es orientiert sich an den Funktionen der Universität in ihrem Handeln und gesamtgesellschaftlichen Wirken und greift somit über die amtliche Überlieferung der Universität hinaus und bezieht externe und private Stellen in die Bestandsbildung mit ein. Dabei bleibt es dem Provenienzprinzip treu, indem es Funktionen als Ursachen für Entstehungsprozesse auffasst, beschreibt und bei der Bewertung der Archivwürdigkeit als maßgebende Kriterien mitwirken lässt.

[1] Dokumentationsprofil für Archive wissenschaftlicher Hochschulen / von Thomas Becker, Werner Moritz, Wolfgang Müller, Klaus Nippert und Max Plassmann, hg. v. d. Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 2009; hier: S. 7-8.

[2] Max Plassmann, Das Dokumentationsprofil für Archive wissenschaftlicher Hochschulen. In: Der Archivar 62 (2009), S. 132-137; hier: S. 133.

[3] Arlette Farge, Der Geschmack des Archivs, aus dem Französischen von Jörn Etzold in Zusammenarbeit mit Alf Lüdtke, Göttingen, Wallstein Verlag, 2011; Nachwort von Alf Lüdtke, S. 115.

[4] Farge, aaO, S. 28.

[5] In: Archivalische Zeitschrift, 45 (1939), S. 34-51.

[6] Grundsätze der Wertermittlung für die Aufbewahrung und Kassation von Schriftgut der sozialistischen Epoche in der Deutschen Demokratischen Republik, hrsg. v. d. Staatlichen Archivverwaltung im Ministerium des Innern der Deutschen Demokratischen Republik, 1965, S. 14.

[7] Hans Booms, Gesellschaftsordnung und Überlieferungsbildung – zur Theorie archivarischer Quellenbewertung. In: Archivalische Zeitschrift, 68 (1972), S. 3-40. Der Beitrag wurde 1987 ins Englische übersetzt und in der kanadischen Zeitschrift „Archivaria“ (24) unter der Überschrift „Society and the Formation of a Documentary Heritage: Issues in the Appraisal of Archival Sources“ veröffentlicht. Booms nimmt erneut Bezug darauf in einer Neubetrachtung unter dem Titel „Überlieferungsbildung: Keeping Archives as a Social and Political Activity“ in Archivaria 33 (1991/92, S. 25-33), die erst 1999 in Deutschland unter „Überlieferungsbildung als eine soziale und politische Tätigkeit“ verbreiteter zugänglich wird (Archivistica docet. Beiträge zur Archivwissenschaft und ihres interdisziplinären Umfelds. Hrsg. von Friedrich Beck, Wolfgang Hempel, Eckard Henning (Potsdamer Studien 9). Potsdam 1999. S. 77-89).

[8] Angelika Menne-Haritz, Archivierung oder Dokumentation – Terminologische Fallen in der archivischen Bewertung. In: Bilanz und Perpektiven archivischer Bewertung – Beiträge eines Archivwissenschaftlichen Kolloquiums, hg. v. Andrea Wettmann, Marburg, 1994 (= Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, Bd. 21), S. 232.

[9] Noch im März 2013 sah der Bayerische Archivtag die Notwendigkeit, dieses Selbstverständnis zu propagieren, indem er sein Motto in eine rhetorische Frage kleidete: Pflicht oder Kür? Nachlässe, Sammlungen, Verbandsschriftgut“.

[10] Robert Kretzschmar, Positionen des Arbeitskreises Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare zur archivischen Überlieferungsbildung. In: Der Archivar 58 (2005), S. 88-94; hier: S. 90. Im Internet wurde das Positionspapier bereits im November 2004.

[11] Max Plassmann, Dokumentationsziele als Grundlage der Arbeit von Universitätsarchiven: Bewertung, Erschließung, Bestandserhaltung. In: Dokumentationsziele und Aspekte der Bewertung in Hochschularchiven und Archiven wissenschaftlicher Institutionen – Beiträge zur Frühjahrstagung der Fachgruppe 8 – Archivare an Hochschularchiven und Archiven wissenschaftlicher Insitutionen – des Verbandes deutscher Archivarinnen und Archivare am 23. und 24. März 2006, hg. v. d. Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 2007 (= Universitätsreden, Bd. 73), S. 33-45; hier: S. 34.

[12] Abgedruckt in: Der Archivar 65 (2012), S. 6-11.

[13] aaO, S. 7.

[14] Frank M. Bischoff, Bewertung als Gegenstand der Archivarsausbildung – Fragen aus Sicht der Archivschule Marburg. In: Neue Perspektiven archivischer Bewertung, hg. v. Frank M. Bischoff u. Robert Kretzschmar, Marburg, 2005, S. 119-144; hier v.a.: S. 140-141; Theodore R. Schellenberg, Die Bewertung modernen Verwaltungsschriftguts, übers. und hrsg. v. Angelika Menne-Haritz, Marburg 1990 (= Veröffentlichungen der Archivschule Marburg, 7).

[15] Dokumentationsprofil, S. 12.

[16] In: Der Archivar 62. 2009, S. 122-131.

[17] David Bearman und Richard Lytle, The Power of the Principle of Provenance. In: Archivaria 21 (Winter 1985-86), S. 22; zitiert aus: Helen Willa Samuels, Varsity Letters – Documenting Modern Colleges and Universities, Lanham, Md., und London, 1998, S. 4. Die gleiche Auffassung vertreten die Autoren des Standards ISDF: “Functions are recognised as generally being more stable than administrative structures, which are often amalgamated or devolved when restructuring takes place.“ (ISDF, Kap. 1.3).

[18] ISDF – International Standard for Describing Functions, First Edition, hg. v. International Council on Archives (ICA), 2007

[19] Samuels zitiert hier Terry Cook, Mind or Matter – Towards a New Theory of Archival Appraisal. In: Festschrift für Hugo Taylor, hg. v. d. Association of Canadian Archivists, 1992.; bei Samuels auf Seite 3.

[20] Samuels, Varsity Letters, S. 22-23.

[21] Theodore R. Schellenberg, Die Bewertung modernen Verwaltungsschriftguts, übers. u. hg. v. Angelika Menne-Haritz, Marburg 1990 (= Veröfffentlichungen der Archivschule Marburg, 17), S. 58-59.

[22] Vgl Schellenberg, aaO, S. 38 ff.

[23] ISDF, Kap. 1.4.

[24] ISDF, Kap. 1.3.

[25] ISDF, Kap. 3 „Glossary of Terms and Definitions“, s.v. “Provenance. […] Provenance is also the relationship between records and the functions which generated the need of the records.”

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/693

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