Wenn der Tote falschrum in der Grube liegt

Die Archäologie ist die Wissenschaft der materiellen Hinterlassenschaften des Menschen. Eine dieser Hinterlassenschaften ist der Mensch selbst, nach dem er gestorben ist. Damit ist die Erforschung der Bestattungskultur von zentraler Bedeutung.

Mit dem Durchsetzen des Christentums in der Spätantike und dem frühen Mittelalter veränderte sich auch die Bestattungssitte. Die Leute wurden auf Gräberfeldern und später auf Friedhöfen bei der Pfarrkirche beigesetzt. Die Leichname wurde ausgestreckt auf den Rücken und mit dem Kopf nach Westen in den Sarg bzw. in ein Tuch gehüllt in die Grube gelegt. Das bleibt im Wesentlichen bis in das 19.-20. Jahrhundert so. Natürlich gibt es Entwicklungen in der Bestattungssitte durch die Jahrhunderte und Traditionen, die von Region zu Region differieren. Aber darauf möchte ich gar nicht so genau eingehen. Klarzustellen ist nur: Auf christlichen Friedhöfen werden die Verstorbenen in der Regel mit ausgetrecktem Körper, den Kopf in Richtung Osten zeigend, beigesetzt.

Wenn das nicht so ist, wird das für Archäologen interessant.

Auch im Umfeld der Elisabethkirche in Marburg war ein Friedhof, der vom Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert hinein belegt wurde. Die archäologische Untersuchung von menschlichen Gräbern ist nicht einfach und vor allem zeitaufwendig. Die in der Regel skelettierten Überreste müssen vorsichtig freipräpariert werden.  Dann werden die Toten geborgen und, sofern es finanziell möglich ist, anthropologisch untersucht. Im Umfeld der Elisabethkirche wurde im Laufe der Jahrhunderte eigentlich überall um die Kirche herum begraben und diese Gräber entsprechen alle, von Details abgesehen, der oben beschriebenen „Norm“ der christlichen Bestattung: ausgetreckte Rückenlage und der Kopf liegt im Westen. So weit, so unspektakulär.

Vier Gräber weichen davon ab, da liegt der Kopf im Osten und der Blick ist gen Westen gerichtet. Aber warum?

Ab dem 16./17. Jahrhundert gibt es auf Friedhöfen immer wieder unterschiedlich orientierte Gräber, was mit einer wachsenden Individualisierung zusammenhängen kann, aber nicht muss.  Was die umgekehrte Orientierung betrifft, gibt es Hinweise, die für einen bestimmten gesellschaftlichen Stand des Verstorbenen sprechen und zwar in katholischen Kreisen.

In einem der weitverbreitetsten katholischen Erbauungsbücher des 17./18. Jahrhunderts Leonard Goffinés Hauspostill bzw. „Christ-Catholische Unterrichtungen von allen Sonn- und Feyr-Tagen des gantzen Jahrs“  ist zu lesen, dass die die Leiche eines Priesters während der Aufbahrung mit den Kopf zum Hochaltar gerichtet in der Kirche liegen soll, also nach Osten. Bei den anderen Verstorbenen sollen die Füße in Richtung Hauptaltar zeigen.

„Die Gläubigen werden gegen Sonnenaufgang begraben, um anzudeuten, dass sie Christo entgegenharren, der der Aufgang auf der Höhe genannt wird und dessen Stimme sie hören werden, wenn er sie zur Auferstehung ruft; die Priester aber gegen Abend, zum Zeichen, dass sie am letzten Gerichtstage der ihnen anvertrauten Seelen gegenübergestellt werden, um Rechenschaft über ihre Pflege und Zeugnis wider oder für sie abzulegen.“

Auch im Rituale Romanum von 1614 ist ähnliches zu lesen. Ein Rituale ist ein liturgisches Buch, das die Beschreibungen aller liturgischen Handlungen enthält, die nicht die Heilige Messe betreffen. Das Rituale Romanum ist das Rituale, welches im Zuge des Konzils von Trient, des Konzils der sogenannten Gegenreformation, zusammengestellt worden ist.

Bereits in der ersten vorbereitenden Zusammenstellung des Rituales Kardinals Julius Antonius Sanctorius, ist die Vorschrift, wie ein verstorbener Priester  aufgebahrt und bestattet werden soll, enthalten.

Das Spannende daran ist, dass es diese Vorschrift im Mittelalter nicht zu geben scheint. Auch archäologisch ist diese einigermaßen regelmäßig auftretende Sitte nicht nachgewiesen.

Die Frage ist nur, warum sollen Priester ab dem 16. Jahrhundert anders herum bestattet werden?

Hier liegt die Antwort in der Gegenreformation selbst. Martin Luther lehrte das „Priestertum aller Getauften“, in Rom sah man das bekanntermaßen anders und betonte die hervorgehobene Stellung des Priesters, offenbar auch nachdem dieser gestorben war.

Im Umfeld der Elisabethkirche in Marburg wurden vier Bestattungen freigelegt, bei denen der Kopf nach Osten gerichtet war. Die Skelette waren allerdings so stark beschädigt, dass bei keinem anthropologisch einwandfrei das Geschlecht bestimmt werden konnte. Nur ein Skelett konnte als „tendenziell männlich“ angesprochen werden.

Und da haben wir auch schon eines der Hauptprobleme bei der Untersuchung von Bestattungssitten. In den wenigsten Fällen liegt dem/der Verstorbenen im Grab eine Plakette mit Namen, Geburtsdatum und gesellschaftlichem Rang und Konfessionszugehörigkeit bei. Und so bleibt, die Ansprache der vier Gräber, deren Kopf nach Osten zeigt, als katholische Priestergräber eine gut begründete Hypothese.

Der Blogpost beruht im Wesentlichen auf den Artikel Tilmann Mittelstraß in den Bayrischen Vorgeschichtsblättern:

T. Mittelstraß, Zur Archäologie der christlichen Priesterbestattung, BayVgBl 68, 2003, 137-171

T. Mittelstraß, Archäologie der Gegenreformation. Spuren der nachtridentinischen Erneuerung der katholischen Kirche in archäologischen Befunden und Funden aus Oberbayern, Mitt. dt.Ges. Arch. Mittelalters u. Neuzeit 18, 2007, 21-33

Eine brauchbare einigermaßen aktuelle Zusammenfassung des Forschungsstandes:

H. Kenzler, Totenbrauch und Reformation. Wandel und Kontinuität, in: Mitt dt. Ges. für Arch. Mittelalters u. Neuzeit 23, 2011, 9-34

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/925

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Wünschelruten-Laufen als alternative archäologische Prospektionsmethode #KulturEr

Gastbeitrag von Kai Thomas Platz

Ein Beitrag zur Blogparade „Mein faszinierendes Kulturerlebnis“

Es trug sich vor langer Zeit in einer fernen Gegend zu…als ich, Student der Archäologie, auf einer Ausgrabung eines hallstattzeitlichen Gräberfeldes in der fränkischen Schweiz aushalf. In der Kampagne wurden 3 oder 4 klassisch aufgebaute Hügelgräber freigelegt, die der Zahn der Zeit eingeebnet hatte. Ein Steinkreis umfasste die ehemalige Aufschüttung, in deren Mitte sich eine Steinpackung befand, die einst die Grabkammer mit einem oder mehreren Verstorbenen überdeckte. Aber um die Bestattungen selbst soll es hier gar nicht gehen, sondern eher um die Möglichkeiten der Aufspürung solcher Gräber. In diesem Fall waren die Erdaufschüttungen bereits weg und nur noch der Steinkreis mit einer in der Mitte befindlichen Steinpackung waren zu finden. Die Grabungskampagne neigte sich dem Ende zu und der Herbst kam. Direkt neben der Fläche sollte im nächsten Jahr weitergegraben werden. Dann kam es zu einer Begegnung der dritten Art.

Ein Herr kam mit seiner Wünschelrute auf die Grabung und erklärte, dass er grad mal die neue Fläche abgehen würde, damit wir Archäologen wüssten, was nächstes Jahr freizulegen ist. Ich durfte ihn begleiten und tat dies mit großem Interesse. Der Herr hielt zwei dünne Metallstäbe in den beiden Händen, die er so hielt, dass sie sich am Ende überkreuzten.  Er ging also, sein hochsensibles Prospektionsinstrument vor sich gestreckt, über die Fläche. Er schritt langsam und hochkonzentriert die rechteckige Fläche in Bahnen ab. Völlig unvermittelt klappte die Rute nach unten. „Das ist der Steinkreis“. Nach zwei Schritten klappte die Rute wieder nach oben. Nach zwanzig Schritten zog es die Rute wiederum, wie von einem Magneten gezogen, nach unten. „Die Steinpackung!“ Höchst interessant! Der erste Grabhügel war zentimetergenau lokalisiert. Auf diese Weise fand die Rute 3 weitere prähistorische Grabstätten, ohne dass ihr Herr dabei vergaß überzeugend zu versichern, dass er das schon sehr oft mit hundertprozentiger Treffsicherheit gemacht habe.

Der Job in der fränkischen Schweiz war vorbei und ich widmete mich wieder meinem Studium. Im  nächsten Jahr fuhr ich aus reiner Neugier wieder in die Gegend, um die Kollegen zu besuchen. „Na, wie schauds denn aus? Wievill Grabhüchela sinna kumma?“ fragte ich. „Goar kanna!“. Das Gräberfeld war schlicht zu Ende gewesen. Spannend war, dass sich in einer Ecke des Grabungsschnitts, genau dort wo der Herr mit seiner Wünschelrute absolut gar nichts lokalisiert hatte, eine bis oben mit Steinen angefüllte, vorgeschichtliche Pinge fand, ein Bergbauschacht, der mit einer konventionellen Prospektionsmethode vermutlich entdeckt worden wäre. Aber Wünschelruten zeigen halt nur Wünsche und Wünsch-Dir-Was war an diesem Tag eben nicht.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/889

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Archäologie und Star Trek in Audio. Zu Gast bei Angegraben. Podcast

“Die Archäologie. Unendliche Weiten. Dies sind die Abenteuer des Podcasts Angegraben, der mit der Besatzung von einem Mann unterwegs ist….”

Wie alle richtig erkennen…geht es hier mal wieder um Star Trek und Archäologie. Ich habe mich mit dem Hallenser Archäologen-Kollegen Mirko Gutjahr, alias @DerBuddler, über dieses spannende Thema via Skype unterhalten, und dabei ist eine neue Folge des Archäologie-Podcasts Angegraben herausgekommen.

Also Reinhören. Es lohnt sich!

#11: Faszinierend: Die Archäologie bei Star Trek

Weiteres zum Thema Star Trek und Archäologie ist hier auf MInusEinsEbene zu finden:

Das archäologische Geschichtsbild bei Star Trek

Archäologie als narratives Mittel bei Star Trek

Faszinierend! Ein archäologischer Ausflug ins Science-Fiction

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/874

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1 Jahr MinusEinsEbene auf de.hypotheses

Mein Doktorandenblog MinusEinsEbene ist vor einem Jahr „umgezogen“ zu der geisteswissenschaftlichen Plattform de.hypotheses.

Alles in allem ist zu sagen: Ich fühle mich dort sprichwörtlich „sauwohl“. Das Blog lief bei blogger.com nicht besonders gut und mir fehlten Ideen und der Antrieb weiterzumachen. De.hypotheses zeigte sich dann als Alternative und ich dachte: Warum eigentlich nicht? Und füllte den Antrag aus.

Das Blog sollte und soll meine Dissertation begleiten, wurde aber mit den Monaten auch eine Art Spielwiese. Ich konnte mal Sachen veröffentlichen, die ich NIEMALS bei einer Zeitschrift eingereicht hätte. Ich denke da an meine drei Posts zu StarTrek und Archäologie, die bis heute die meist gelesenen Beiträge sind.

Es war zudem möglich Teilaspekte meiner Dissertation vorzuformulieren, die dann später in einem gedruckten Vorbericht Verwendung fanden. So geschehen mit dem Post „Historische Überlieferung und ihre archäologische Glaubwürdigkeit“ und meinem neuesten Vorbericht mit dem sperrigen Titel: „Der Einfluss des franziskanischen Armutsgedankens auf die Interpretation der Befunde in und um die Elisabethkirche in Marburg an der Lahn“, der erst vor wenigen Wochen erschienen ist und auch online vorliegt.

Das Blog wurde damit so was wie ein Online-Notizbuch. Es ist schlicht etwas anderes, wenn man für sich selbst Notizen macht, oder wenn man einen Aspekt für die Öffentlichkeit ausformuliert. Ich denke auch, dass das die Zukunft von Wissenschaftler-Blogs ist. Die Website stellt den Wissenschaftler in seiner jeweiligen akademischen Station als Studierenden, Doktoranden, Postdoc usw. vor und dient gleichzeitig als Notizbuch.  Zumindest würde ich mir das so wünschen.

MinusEinsEbene ist kein Nachrichtenportal. Das kann ich als Einzelperson nicht leisten und habe dazu auch gar keine Lust. Da draußen gibt es Scharen von jungen Journalisten, die das Internet nutzen, um sich zu profilieren. Was mich nicht davon abhält, meinen Senf zu aktuellen Ereignissen abzugeben, wofür ich dann und wann auch unfreundliche Kommentare bekam.

Ein letzter Teilaspekt, der unter jungen Bloggern heiß diskutiert wird, ist: Ist Bloggen schädlich für meine wissenschaftliche Zukunft? Ich kann das nicht beantworten. Ich weiß nur: Die Situation für junge Geisteswissenschaftler in der Forschung ist so schlecht, dass es auch schon egal ist. Die Arbeitssituation an Universitäten, Dankmalpflege-Behörden und Museen ist so, dass Forschung und Publizieren nur einen ganz geringen Teil der Arbeitszeit ausmachen. Forschen und Publizieren ist in Deutschland zu einem Hobby geworden und da ist es auch fast nebensächlich, womit man sein Geld verdient.  Am Ende kann man mit seinem eigenen Blog in einer Bewerbung „Einschlägige Erfahrungen in den Neuen Medien und Sozialen Netzwerken“ angeben.  Wichtig ist nur, sich von Ewig-Gestrigen nicht erzählen zu lassen, dass Online-Publizieren schädlich ist. Das Ende einer Karriere beginnt nur nämlich dann, wenn man aufhört, nach vorne zu blicken.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/849

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Duisburger Lokalpolitiker wollen Denkmal verhindern

Die Mandatsträger von SPD und CDU der Bezirksvertretung Süd in Duisburg lehnten in Ihrer Sitzung am 26.09.2013 die Eintragung des Bodendenkmals „Böckumer Leitgraben“ in Denkmalliste ab und sorgten damit lokal für Schlagzeilen.

Die Beschlussvorlage 13-1065, den „Böckumer Leitgraben“ als Bodendenkmal in die Denkmalliste einzutragen, sorgte bei den Mandatsträgern fraktionsübergreifend  für Heiterkeit.

Joseph Paeßens (CDU) sagte: „Mich laust der Affe. Das ist nun wirklich kein Denkmal!“, es war von „einem Witz“ die Rede oder von: „bloß weil irgendein Bauer im 16. Jahrhundert mit der Schippe einen Graben gezogen hat.“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Hartmut Ploum schlug erheitert vor, doch auch die ostfriesischen Entwässerungsgräben bei Emden unter Denkmalschutz zu stellen. [1]

Der sog. „Böckumer Leitgraben“ ist ein gut im Gelände zu erkennender Entwässerungsgraben aus dem 15./ 16. Jahrhundert, der auf einer Niederterrasse angelegt wurde. Die aufwendigen Bauarbeiten wurden notwendig, weil durch den örtlichen Mühlenstau sich die hydrologischen Bedingungen veränderten und der Grundwasserspiegel deutlich anstieg. Der Graben verlief ursprünglich offen als 2 m breite und 1 bis 2 m tiefe Rinne durch das Gelände. Heute ist er durch Erosion noch 1m breit und entsprechend flacher.[2]

Anders als ein moderner Straßengraben diente er nicht zur Entwässerung von Oberflächenwasser, sondern war eine wasserbauliche „Entsumpfungsanlage“. Der damals angestiegene Grundwasserspiegel drohte nämlich die  Felder und das Dorf zu überschwemmen. Ohne diesen ehemals breiten und tiefen Graben hätten die ansässigen Bauern ihre Heimat verlassen müssen. Somit ist dieser unscheinbare Graben wichtig für die regionale Geschichtsschreibung im Duisburger Süden, der ohne diesen Graben ganz sicher anders aussehen würde.

Näheres dazu kann man in der offiziellen Eintragungsbegründung der örtlichen Stadtarchäologie nachlesen. Dazu wurden auch Bilder und ein Lageplan veröffentlicht.

Es ist natürlich nicht so, dass Kommunalpolitiker sich nicht für lokale Geschichtsschreibung interessieren. Die Initiative auf Eintragung des Böckumer Leitgrabens erfolgte auf Antrag der SPD-Fraktion 2005 Drucksache 05-2916. Die Duisburg-Süd-SPD hat damit ihren eigenen Antrag abgelehnt.

Man kann gespannt sein, wie die Sache jetzt weitergeht. Üblicherweise reicht die zuständige Untere Denkmalbehörde eine Beanstandung ein, so dass die Eintragung noch einmal von der Bezirksvertretung Süd behandelt werden müsste. Die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung Süd am 17.10.2013 ist noch nicht veröffentlicht worden.

In die Denkmalliste eingetragen wird der „Böckumer Leitgraben“ aber in jedem Fall. Wenn die Denkmaleigenschaften eines Bodendenkmals nachgewiesen sind, wie im Fall des Böckumer Leitgrabens, sieht das DSchG NRW kein Ermessen vor. Die Eintragung ist zwingend. Die Einwände der Politik spielen dann keine Rolle. Zumindest wenn es nach dem Gesetz geht….

Weiterführende Links

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/spott-ueber-dreckigen-kanal-als-denkmal-aimp-id8519995.html

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/entwaesserungsprobleme-vor-600-jahren-id1471060.html

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/825

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Duisburger Lokalpolitiker wollen Denkmal verhindern

Die Mandatsträger von SPD und CDU der Bezirksvertretung Süd in Duisburg lehnten in Ihrer Sitzung am 26.09.2013 die Eintragung des Bodendenkmals „Böckumer Leitgraben“ in Denkmalliste ab und sorgten damit lokal für Schlagzeilen.

Die Beschlussvorlage 13-1065, den „Böckumer Leitgraben“ als Bodendenkmal in die Denkmalliste einzutragen, sorgte bei den Mandatsträgern fraktionsübergreifend  für Heiterkeit.

Joseph Paeßens (CDU) sagte: „Mich laust der Affe. Das ist nun wirklich kein Denkmal!“, es war von „einem Witz“ die Rede oder von: „bloß weil irgendein Bauer im 16. Jahrhundert mit der Schippe einen Graben gezogen hat.“. Der Fraktionsvorsitzende der SPD Hartmut Ploum schlug erheitert vor, doch auch die ostfriesischen Entwässerungsgräben bei Emden unter Denkmalschutz zu stellen. [1]

Der sog. „Böckumer Leitgraben“ ist ein gut im Gelände zu erkennender Entwässerungsgraben aus dem 15./ 16. Jahrhundert, der auf einer Niederterrasse angelegt wurde. Die aufwendigen Bauarbeiten wurden notwendig, weil durch den örtlichen Mühlenstau sich die hydrologischen Bedingungen veränderten und der Grundwasserspiegel deutlich anstieg. Der Graben verlief ursprünglich offen als 2 m breite und 1 bis 2 m tiefe Rinne durch das Gelände. Heute ist er durch Erosion noch 1m breit und entsprechend flacher.[2]

Anders als ein moderner Straßengraben diente er nicht zur Entwässerung von Oberflächenwasser, sondern war eine wasserbauliche „Entsumpfungsanlage“. Der damals angestiegene Grundwasserspiegel drohte nämlich die  Felder und das Dorf zu überschwemmen. Ohne diesen ehemals breiten und tiefen Graben hätten die ansässigen Bauern ihre Heimat verlassen müssen. Somit ist dieser unscheinbare Graben wichtig für die regionale Geschichtsschreibung im Duisburger Süden, der ohne diesen Graben ganz sicher anders aussehen würde.

Näheres dazu kann man in der offiziellen Eintragungsbegründung der örtlichen Stadtarchäologie nachlesen. Dazu wurden auch Bilder und ein Lageplan veröffentlicht.

Es ist natürlich nicht so, dass Kommunalpolitiker sich nicht für lokale Geschichtsschreibung interessieren. Die Initiative auf Eintragung des Böckumer Leitgrabens erfolgte auf Antrag der SPD-Fraktion 2005 Drucksache 05-2916. Die Duisburg-Süd-SPD hat damit ihren eigenen Antrag abgelehnt.

Man kann gespannt sein, wie die Sache jetzt weitergeht. Üblicherweise reicht die zuständige Untere Denkmalbehörde eine Beanstandung ein, so dass die Eintragung noch einmal von der Bezirksvertretung Süd behandelt werden müsste. Die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung Süd am 17.10.2013 ist noch nicht veröffentlicht worden.

In die Denkmalliste eingetragen wird der „Böckumer Leitgraben“ aber in jedem Fall. Wenn die Denkmaleigenschaften eines Bodendenkmals nachgewiesen sind, wie im Fall des Böckumer Leitgrabens, sieht das DSchG NRW kein Ermessen vor. Die Eintragung ist zwingend. Die Einwände der Politik spielen dann keine Rolle. Zumindest wenn es nach dem Gesetz geht….

Weiterführende Links

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/spott-ueber-dreckigen-kanal-als-denkmal-aimp-id8519995.html

http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/sued/entwaesserungsprobleme-vor-600-jahren-id1471060.html

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/825

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Hinweis auf Umfrage für Doktoranden der Archäologie

Der Dachverband archäologischer Studierendervertretungen e.V. (DASV) führt bis zum 29.9.2013 eine Online-Umfrage zu der Situation der Promovierenden in den archäologischen Fächern in Deutschland, Österreich und der Schweiz durch.

Die Umfrage ist anonym und die Ergebnisse sollen nach der Auswertung auf den Seiten des DASV veröffentlicht werden.

Es handelt sich insgesamt um 17 Fragen, in denen es um die finanzielle Situation und die Betreuung durch die Universität geht.

Ich halte es für wichtig, an solchen Umfragen teilzunehmen. In Deutschland ist es schwierig, klare belastbare Zahlen zur Promotion und zur Situation von Promovierenden zu bekommen. Das liegt vor allem daran, dass viele Doktoranden “extern”, neben dem Beruf, promovieren und damit häufig aus den Statistiken fallen.

Im aktuellen Bericht der Bundesregierung zur Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland sind Zahlen durch ein Hochrechnungsverfahren ermittelt worden. Die Situation der Doktoranden in unserem kleinen Fach ist dort natürlich nicht separat ermittelt worden.

Zur Umfrage geht es hier: https://de.surveymonkey.com/s/dasv_promotion

Bundesbericht wissenschaftlicher Nachwuchs 2013 hier

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/797

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Eine Archäologie historischer Persönlichkeiten – Trend und Sensations-Hascherei?

Die Archäologie ist ein Fach, das von der Presse gemocht wird. Meistens…Zumindest wenn ein Museumsneubau nicht Millionen von Euro verschlingt oder durch Ausgrabungen Parkplätze in der Innenstadt wegfallen. Der Begriff „Sensation“ ist bei den Schlagzeilen obligatorisch und wird nicht selten von den Archäologen gleich selbst benutzt, um die Bedeutung des Fundes oder Befundes zu unterstreichen.  Presseleute scheinen aber regelrecht auszuflippen, wenn man einen Fund mit einer historischen Persönlichkeit in Verbindung bringen kann.

Kürzlich wurde heftig darüber spekuliert, ob denn das Grab Alexanders des Großen gefunden worden sei. Die zuständigen griechischen Archäologen hatten alle Mühe, diese Behauptungen zu dementieren. Um die Welt ging die Meldung trotzdem.

Begleitet von einer faszinierten Weltöffentlichkeit wurde vor ein paar Wochen das Grab der angeblichen Mona Lisa, Lisa Gherardini, in Florenz geöffnet.

Die Feuilletons waren entzückt von der Exhumierung Richards III in Leicester Anfang dieses Jahres und die beschauliche Schweiz schien Kopf zu stehen, als die angebliche Leiche Jürg Jenatschs, dem Graubündner Volkshelden des Dreißigjährigen Krieges, ausgegraben wurde.

Im letzten Jahr legte man in Duisburg im Rahmen einer Bauvoruntersuchung das Wohnhaus Gerhard Mercators frei, ausgerechnet zum 500. Jubiläum des Kartographen. Die Duisburger waren beglückt.

Zwei große Mittelalter-Ausstellungen in Mannheim und Magdeburg wurden mit Persönlichkeiten überschrieben, Benedikt von Nursia und Kaiser Otto dem Großen. In Erinnerung dürften noch die Ausgrabungen im Elternhaus Martin Luthers sein und nicht zuletzt befasst sich dieses Blog ja mit der Archäologie rund um das Hospital der Heiligen Elisabeth von Thüringen.

Dem geneigten Leser wird eine gewisse Häufung von archäologischen Pressemeldungen bezüglich berühmter Persönlichkeiten in den letzten zwei Jahren auffallen. Es sind Schlagzeilen, aber nicht hinter jeder Schlagzeile steckt eine Sensation und nicht hinter jeder Schlagzeile verbirgt sich Sensations-Hascherei. Das Bedürfnis nach öffentlicher Aufmerksamkeit haben alle diese Meldungen gemeinsam, aber ist das zu begrüßen oder zu verurteilen?

Die Aufmerksamkeit, die das angebliche Grab Alexanders des Großen erfuhr, bekam es wohl gänzlich gegen den Willen der vor Ort tätigen griechischen Ausgräber. Die Gerüchte wurden von Hobby-Experten über das Internet gestreut. Die Fragen, die sich mir stellen, sind: Warum meldet das die Deutsche Presse Agentur und warum stürzen sich unsere sogenannten Qualitätsmedien darauf?

Die Relevanz der Öffnung des Grabes der vermeintlichen Mona Lisa erschließt sich mir nicht. Auch die Aufmerksamkeit, die dieses kleine Gemälde genießt, verstehe ich nicht, aber da ich mit dieser Ansicht wohl eher in der Minderheit bin, erkläre ich mir diesen Rummel mit der mystischen Legendenbildung um die dargestellte junge Frau. Wenn man ihr Gesicht rekonstruiert, könnte man zum Beispiel herausfinden, ob Leonardo wirklich so gut malen konnte, wie man allgemein annimmt. Auch könnte eine DNA-Analyse feststellen, dass dieses seltsame Lächeln auf eine Krankheit zurückgeht.

Der Wirbel um die Ausgrabungen der sterblichen Überreste von Richard III und Jürg Jenatschs sind für mich hingegen etwas nachvollziehbarer. Es sind Personen der nationalen Geschichte, der DNA-Abgleich kann den ultimativen Beweis bringen, dass das der Mensch auch tatsächlich ist. Im Falle von Richard III konnte man den Nachweis führen, bei Jürg Jenatsch gab es widersprüchliche Resultate. Richard III bekam ein Gesicht rekonstruiert und die Engländer konnten einem Teil ihrer Geschichte wahrhaftig in die Augen blicken. Man könnte das als Sensations-Hascherei bezeichnen und anmerken, dass es aber für die Forschung an sich nichts bringt. Aber das ist zu kurz gedacht, denn der faszinierte Schauer, der mir bei diesem „In die Augen blicken“ den Rücken runter lief, ergriff bestimmt auch den ein oder anderen Schüler, Zeitungsleser oder Passanten an der Bushaltestelle. Ein „Blick in die Augen der Geschichte“ kann Interesse an Geschichte und Archäologie wecken und das ist an sich doch zu begrüßen.

2006 zeigte das Historische Museum der Pfalz in Speyer eine kleine aber feine Ausstellung zu Heinrich IV, in der die Ergebnisse dreier verschiedener Gesichtsrekonstruktions-Methoden zu sehen waren. Anlässlich des 900 Todestages des Salierkaisers verband man Archäologie mit kriminaltechnischen Methoden, um diesen für die Besucher zu vergegenwärtigen. Allerdings beschränkte sich diese Ausstellung nicht darauf, sondern versuchte ein rundes Bild der Zeit und der Lebensumstände zu geben.[1]

Eher zufällig legte man im vergangenen Jahr in Duisburg das Wohnhaus Gerhard Mercators frei. Die archäologischen Grabungen waren im Zuge einer Bauvoruntersuchung nötig geworden. In der Stadt wurden sehr schnell Stimmen laut, die eine Rekonstruktion des erst 1924 abgebrochenen Hauses forderten und es begann eine öffentliche Debatte über die Art des Wiederaufbaus der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Fund des Wohnhauses dieser historischen Persönlichkeit war in Duisburg Anlass über Stadtentwicklung, städtische Identitäten und den Verlust der eigenen Altstadt nachzudenken. MinusEinsEbene berichtete darüber. Hier, hier und hier.

Die beiden großen Mittelalter-Ausstellungen in Mannheim und Magdeburg 2012 wurden mit Benedikt von Nursia und Kaiser Otto I betitelt. Aber die Ausstellungen gingen beide stark über die Darstellung von Biographien hinaus. Benedikt, der als Gründungsvater des abendländischen Klosterwesens gilt, war nicht Objekt und Inhalt der Ausstellung, sondern die Geschichte des mittelalterlichen Klosterwesens in seinen Facetten.[2] Die Ausstellung in Magdeburg 2012 wurde anlässlich des 1100. Geburtstages Kaiser Otto des Großen veranstaltet, mit dem Magdeburg insbesondere verbunden ist. Aber auch hier beschäftigte sich die Ausstellung weniger mit der Person, sondern mit dem Kaisertum in Europa und seine Entwicklung von der Antike bis in die frühe Neuzeit.[3] Die historischen Persönlichkeiten stehen hier pars pro toto. Sie sind Anlass oder Stichwortgeber.

Ebenfalls Schlagzeilen machten die archäologischen Untersuchen im Elternhaus Martin Luthers. Ein Beitrag auf der Webseite des Projektes ist sogar mit „Lutherarchäologie“ überschrieben.

Das besondere bei diesem Projekt ist, dass um die Ausgrabungen im Lutherhaus in Mansfeld ein umfassendes und langjähriges Forschungsprojekt mit vielen Beteiligten und Kooperationen gestrickt wurde, dass das Leben und Arbeiten Luthers, seiner Angehörigen und der Menschen im Mitteldeutschland im Übergang von Spätmittelalter zur frühen Neuzeit untersucht.[4] Viele Ergebnisse sind bereits in die Ausstellung „Fundsache Luther“[5] eingebracht worden und weitere werden zum Lutherjahr 2017 präsentiert werden.

Alles in allem sehen wir, dass Archäologie historischer Persönlichkeiten Sensations-Hascherei sein kann, aber nicht sein muss.

Warum auch immer wecken die Namen historischer Persönlichkeiten das Interesse. Die gewonnene Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit kann man nutzen, um damit echte wissenschaftliche Inhalte zu präsentieren, wie im Falle der „Lutherarchäologie“, welche die Forschung ernsthaft voranbringt. Auch kann ein archäologischer Grabungsbefund eine gesellschaftliche Debatte auslösen, über eine städtische Entwicklung, wie in Duisburg. Man kann die Archäologie historischer Persönlichkeiten also nicht an sich verdammen oder begrüßen. Es kommt darauf an, was die Wissenschaftler und Kulturverantwortlichen daraus machen.

[1] Historisches Museum der Pfalz Speyer, Heinrich IV. Kaiser, Kämpfer, Gebannter. Herrschergestalt zwischen Kaiserkrone und Büßergewand (Speyer 2006)

[2] A. Wieczorek- G. Sitar (Hrsg.) Benedikt und die Welt der frühen Klöster (Regensburg 2012)

[3] M. Puhle- G. Köster (Hrsg.) Otto der Große und das Römische Reich. Kaisertum von der Antike zum Mittelalter. Ausstellungskatalog (Regensburg 2012)

[4] H. Meller (Hrsg.), Luther in Mansfeld. Forschungen am Elternhaus des Reformators. Archäologie in Sachsen-Anhalt Sonderband 6 (Halle 2007)

[5] H. Meller (Hrsg.), Fundsache Luther. Archäologen auf den Spuren des Reformators (Stuttgart 2007)

 

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/764

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Tagungshinweis: 3. Internationale Doktorandentagung Mittelalterarchäologie


Call for Papers

Der Fachbereich für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie der Universität Innsbruck, die Stadtarchäologie Hall sowie das Seminar für Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttingen laden Euch herzlich zur 3. Internationalen Doktorandentagung Mittelalterarchäologie nach Österreich ein. Die Veranstaltung findet dieses Mal vom 28. – 30. März 2014 auf der Burg Hasegg in der historischen Salzstadt Hall in Tirol statt.

Die Doktorandentagung wird seit 2012 als Initiative von Doktoranden in Kooperation mit Hochschulen und Denkmalpflegeeinrichtungen organisiert. Unser Ziel ist es, allen Promotionsstudenten der Mittelalter- und Frühneuzeitarchäologie abseits der großen Fachkongresse und unabhängig von Hochschulherkunft und Thema regelmäßig die Möglichkeit anzubieten, sich in einem kleineren und persönlicheren Rahmen untereinander vorzustellen, auszutauschen und mit verschiedenen europäischen Kollegen zu vernetzen, die bereits langjährig im Berufsleben stehen. Auf diese Weise sollen neue Perspektiven und Strategien für die eigene Tätigkeit aber auch Anregungen zu einer stärkeren Internationalisierung von Arbeitsfeldern über die eigenen Institutsgrenzen hinaus gegeben werden, die uns heute das vereinte Europa ermöglicht.

Neben der Präsentation des eigenen Arbeitsstandes in Form von Kurzvorträgen steht ein workshop-basiertes Problemforum mit Debatte aber auch ein intensives Rahmenprogramm mit Abendvorträgen, Exkursionen in die Umgebung, einer Stadtführung sowie gemeinsamen Essen mit viel Zeit für Gespräche auf dem Programm.

Interessierte Doktoranden bitten wir, uns einen kurzen Abstract (als PDF oder Word-doc) mit nicht mehr als 300 Wörtern sowie ihrem Namen und Adresse an Mittelalterarchaeologie@uibk.ac.at zu übersenden. Anmeldeschluss ist der 15. Januar 2014.
Auch Studierende im Grund- und Masterstudium können gerne ohne Abhalten einer Präsentation  teilnehmen (auch hier Anmeldeschluss 15. Januar).
Die Kurzvorträge sollten 20 Minuten nicht überschreiten. Tagungssprachen sind Deutsch und Englisch. Referenten die ihre Präsentation auf Deutsch halten möchten, werden gebeten, diese mit englischen Untertiteln zu versehen und auch ihren Abstract auf Englisch zu verfassen.

Die Teilnahme ist kostenfrei.

Mehr dazu finden Sie hier

http://www.uibk.ac.at/urgeschichte/aktuell/konferenzen/doktorandentagung-mittelalterarchaeologie-2014/call-for-papers-de.html

Die Tagung wird organisiert von

Universität Göttingen (Seminar für Ur- und Frühgeschichte)

Universität Innsbruck (Fachbereich für Mittelalter- und Neuzeitarchäologie)

Stadtarchäologie Hall in Tirol

gefördert von der Deutschen Gesellschaft für Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit e.V.

Der Text wurde übernommen.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/754

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Was ist eine Randtypen-Tafel?

Die Frage schlug mir entgegen, als ich erzählte, was ich denn gerade so treibe. Unter Archäologen werden die verschiedensten Begriffe verwendet, die selbstverständlich erscheinen, aber nur für Archäologen selbstverständlich sind. Das betrifft manchmal auch Zusammensetzungen, die nur aus gebräuchlichen Wörtern bestehen, wie z. B.: Randtypen-Tafel.

Zunächst, was heißt hier Tafel? Tafeln werden für die Abgabe-Version bzw. für die Drucklegung einer archäologischen Arbeit angefertigt und sind ganzseitige Übersichten. In diesem Fall also eine ganzseitige grafische Übersicht von Randtypen. Das heißt, man erstellt eine typologische Übersicht von Rändern, in diesem Fall Ränder von Keramikgefäßen, die auf der Ausgrabung geborgen worden sind.

Typologische Übersicht bedeutet, dass das Fundgut nach bestimmten formalen Eigenschaften klassifiziert worden ist. Das ist die Voraussetzung für eine spätere Einordnung, Datierung etc.

Das ganze klappt bei Keramik besonders gut. Keramik gehört zu den am häufigsten geborgenen Materialien, weil sie zum Ersten sehr häufig hergestellt und benutzt wurde, zum Zweiten, weil sie sich unter fast allen Bedingungen im Boden erhält und zum Dritten, weil sie sehr schnell kaputt geht und nur bedingt reparierbar ist. 

Im Mittelalter sind Keramiken als Massenware von spezialisierten Handwerkern hergestellt worden und die Handwerker hatten ein bestimmtes Formen-Repertoire, das sich am Nutzen und am Zeitgeschmack orientiert.

Der Clou ist jetzt aber, dass diese Gefäße, wenn sie ausgegraben werden, in der Regel kaputt sind. Das heißt, in einem großen Haufen Keramik, der vor mir auf dem Tisch liegt, liegen Ränder, Böden, Henkel oder Tüllen einzeln und ohne Zusammenhang herum.

Foto: Maxi Platz

 

Deswegen muss ich mir einen Überblick verschaffen, welche Ränder oder Böden im Fundgut vorhanden sind. Da Archäologie eine Wissenschaft ist, muss ich den Nachweis darüber führen, also bilde ich sie ab.  Das reicht aber noch nicht, ich muss die Kriterien meiner Klassifikation erläutern, in dem ich den Scherben als Typ beschreibe.

Die Einordnung des Keramik-Spektrums erfolgt zu allererst in sogenannte Warenarten. (Dazu habe ich schon mal einen Post veröffentlicht.) Dann erfolgt eine Typologisierung der Randscherben, der Bodenscherben und der Angarnierungen (z.B. Henkel, Tüllen). Diese Beschreibung sollte einer gewissen Norm entsprechen, damit auch jede/r FachkollegIn etwas damit anfangen kann. Eine solche Richtschnur gibt unter anderem der „Leitfaden zur Keramik-Beschreibung“[1], ein Werk, das jede/r MittelalterarchäologIn kennt, benutzt (und nicht mit in den Urlaub nimmt).

Bei einer Ausgrabung, wie den Untersuchungen im Umfeld der Elisabethkirche, wurden Funde aus unterschiedlichen Zeitepochen geborgen. Die Vorlage der Keramik-Typologie dient zum einen dazu, Schichten, Befunde usw. zu datieren und einzuordnen, aber auch bisherige lokale Typologien zu ergänzen und/oder zu verifizieren. Bestimmt werden also zum Ersten die Warenarten, zum Zweiten die Randtypen, die Bodentypen, Angarnierungen, Deckel usw., zum Dritten das zu rekonstruierende Gefäßformenspektrum, also z. B. Töpfe, Schüsseln, Kannen, Becher oder Ofenkacheln.

Das wichtige ist jetzt aber, welche Typen kommen in welcher Zeitphase vor? Und was kann man daraus ableiten?

Zur Veranschaulichung: Ein paar Randtypen aus Marburg

 

Randtyp 1a        

Ausbiegender, leicht verdickter Rand mit leicht gerundeter nach außen geneigter Randleiste.

 Randtyp 1b                

Ausbiegender verdickter Rand mit gerundeter einwärts geneigter Randleiste und Innenkehle. Die Innenkehle kann dabei sehr deutlich ausgeprägt sein.

Randtyp 2a                

Ausbiegender leicht verdickter Rand mit leicht gekehlter einwärts geneigter Randleiste mit Innenkehle.

Randyp 3b                  

Steiler, nach außen leicht trichterförmig ausgezogener Rand mit gekehlter Mündung. (Becherkachel)

Umsetzung: Maxi Platz

Typen-Tafeln sind also grafisch aufgearbeitete Übersichten von Ergebnissen der Kleinfundauswertung. Sie veranschaulichen, dienen zur Beweisführung, aber auch als Vorlage für weitere archäologische Untersuchungen in der näheren Umgebung.

[1] I. Bauer/ W. Endres/ B. Kerkhoff-Hader/ R. Koch /H.-G. Stephan, Leitfaden zur Keramikbeschreibung (Mittelalter-Neuzeit). Terminolgie-Typologie-Technologien (Kallmünz/Opf. 1987)

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/724

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