Neues DSchG in NRW auf der Zielgeraden, Streichung vom Tisch? und weiter…

In der Plenarsitzung des Nordrheinwestfälischen Landtages wird kommenden Donnerstag, den 11.7.2013, die Novellierung des Denkmalschutzgesetzes NRW in Zweiter Lesung behandelt. Hier die Tagesordung Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass das Gesetz verabschiedet wird, da es von der Regierungsmehrheit von SPD und Grünen getragen wird. Die zweite Lesung ist also noch der letzte formale Akt und dann hat NRW ein neues Denkmalschutzgesetz, mit dessen Umsetzung sich die zuständigen Verwaltungsbehörden und Fachämter auseinandersetzen müssen. Die Beschlussempfehlung und der Bericht mit der nun “endgültigen” Fassung des DSchG NRW ist auf Seiten des Landtages einzusehen. Hier zu finden. Den Gesetzentwurf der ersten Lesung finden Sie hier.

Der Vollständigkeit halber hier noch mal der Änderungsantrag zu der Gesetzesnovelle von SPD und Grünen, der im Ausschuss angenommen wurde. Die Änderungsanträge der CDU und der Piraten wurden nicht angenommen. Die FDP-Fraktion hat erst gar keinen eingebracht. Sie macht aber deutlich, dass sie von der Einführung des Schatzregals nichts hält.

Die Debatte zu der Novellierung des DSchG NRW wurde fast vollständig von der Empörung über die geplanten Mittelkürzungen/ Streichungen überlagert. Das Medienecho war enorm und die von der DGUF (Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte) eingebrachte Petition wurde ganze 27005 mal unterschrieben. Die dguf hat dazu einen Pressespiegel zusammengestellt. Es wurden sogar Stimmen laut, die von “Denkmalpflege als Wahlkampfthema” unkten. Klar. Weil die Sozen in NRW die Mittel kürzen und die Konservativen sich der allgemeinen Empörung anschließen. Das ist kein Wahlkampf, sondern politischer Alltag. Der Wahlkampf kommt im August und September auf uns zu und Archäologie und Denkmalpflege spielen da garantiert keine Rolle und das ist auch gut so.

Kulturgüterschutz hat nämlich nichts, aber auch gar nichts im Wahlkampf zu suchen. Kulturgüterschutz ist von allgemeinen Interesse und eine Ideologisierung durch Parteien schadet allen Beteiligten. Der richtige Weg ist eine kluge und nachhaltige Lobby-Arbeit, welche die Notwendigkeit und den Nutzen von Archäologie und Baudenkmalpflege für die Allgemeinheit verdeutlicht. Eine Petition und Rabatz in der Presse ist keine vorausschauende Lobby-Arbeit, sondern politische Notwehr. Dass eine Landesregierung mit den Gedanken spielt, eine sowieso schon geringe Direktförderung ganz zu streichen, oder wie kürzlich im Land Brandenburg eine Enquete-Kommission die Denkmalämter abschaffen möchte, zeigt, dass diese Lobby (noch?) nicht effektiv arbeitet.

Es ist die Aufgabe aller archäologischen Gesellschaften, sich für eine gesellschaftliche Verankerung von Archäologie und Denkmalpflege einzusetzen. Es ist wichtig sich stark zu machen gegen Kürzungen, gegen Ämter-, Lehrstuhl-, und Museumsschließungen, für gute Denkmalschutzgesetzte und für fachlich besetzte Untere Denkmalschutzbehörden.

Weitere Links zur Gesetzesnovellierung des DSchG NRW

Einen Überblick über der Beratungstand findet man auf der Seite des Landtages. Hier ist auch das Video der ersten Lesung zu sehen.

Die Öffentliche Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf fand am 6.6.2013 statt. Das Protokoll dieser öffentlichen Anhörung finden Sie hier.

Pressemeldung der SPD-Fraktion zur Expertenanhörungvom 6.6.2013.

Die gemeinsame Pressemitteilung der Regierungsparteien zum Änderungsantrag finden Sie hier.

Zur Archäologie und ihre Rolle in der Öffentlichkeit und den Sozialen Medien hat Reiner Schreg kürzlich einen Gastbeitrag im Blog des Journal of Community Archaeology and Heritage geschrieben.

Mittelkürzungen in der Denkmalpflege

Ich habe noch ein paar Pressemeldungen dazu zusammengestellt, die vornehmlich von politischer Seite kommen und wenig Beachtung fanden. Pressemeldungen von Parteien werden oft genug einfach ignoriert, um sich selbst nicht dem Vorwurf der Parteilichkeit auszusetzen. Deswegen hier offizielle politische Statements aus allen Lagern.

Pressemeldung der Grünen-Landtagsfraktion NRW mit aktuellen Zahlen

Interview mit dem kulturpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion Burkhard Müller-Ullrich im NRW-Landtag bei Deutschlandradio

Kritik der CDU Landtagsfraktion an den Mittelkürzungen via siwiarchiv.de

Resolution des Stadtrats der Stadt Laasphe  gegen die Mittelstreichungen via siwiarchiv.de

Beschluss der Landeskonferenz der Jusos NRW für eine Weiterförderung der Bau- und Bodendenkmalpflege in NRW. Beschluss und Begründung aus Antragbuch/ Pressemeldung der Jusos Duisburg (Antragsteller).

Pressemeldung der Nordrhein-Westfälischen Landtages zur Überreichung der Petition gegen die Streichungen der Denkmalpflegemittel durch Funktionäre der DGUF (Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte) Die dazugehörige DGUF-Pressemitteilung hier.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/630

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Archäologie als narratives Mittel bei Star Trek

Wenn man über Archäologie und Star Trek schreibt, könnte man zum Beispiel über Dokumentations- und Ausgrabungsmethoden der Zukunft sinnieren. Was wird in Zukunft möglich sein, und was ist jetzt schon möglich? Kann man, aber mach ich nicht. Das Spannende an Science-Fiction ist ja nicht die Zukunft, sondern die Gegenwart, die sich solche Utopien, Fantasien oder Spekulationen ersonnen hat.

Archäologie ist kein bestimmendes Element bei Star Trek, aber eins, das immer wieder auftaucht. Und es taucht in den unterschiedlichsten Zusammenhängen auf. Manchmal wird sie nur kurz in einem Halbsatz der Figuren erwähnt, manchmal ist sie das entscheidende Element im Plot einer ganzen Episode. Eine Ursache, warum Archäologie so oft in Kinofilmen, Fernsehserien und Computerspielen vorkommt, ist wahrscheinlich ihre Beliebtheit. Archäologie ist positiv besetzt. Und auch bei Star Trek ist die Sicht auf die Archäologie positiv.[1] Sie ist als dramaturgisches Element auch sehr vielseitig einsetzbar, wie wir gleich sehen werden, aber vorher noch Grundsätzliches.

Das Phänomen Star Trek, mit seinen Anfängen in den späten 60er Jahren, ist heute Teil der Popkultur. Star Trek ist kein abgeschlossenes Universum. Begab man sich in den 60ern noch auf die Reise in ferne Welten, wird das Bild in TNG differenzierter und schafft den Sprung in die 90er Jahre. In der darauffolgenden Serie Deep Space Nine verändert sich der ganze Focus  im Vergleich zu ihren beiden Vorgänger-Serien.  Das Schiff fliegt nicht mehr ins Weltall hinaus, sondern das Universum-Geschehen kommt auf die Raumstation. Die vernunftorientierte, sozialistische Utopie wird aufgebrochen und die Föderation liegt in einem verlustreichen Krieg mit dem Dominion aus dem fernen Gamma-Quadranten. Die Voyager wird unfreiwillig in den Delta-Quadranten katapultiert und begegnet auf dem Weg nach Hause den verschiedensten Geschöpfen und Abenteuern. Die jüngste Serie Enterprise spielt vor TOS und bleibt hier vorerst außen vor. (Ich habe die Serie nämlich nicht vollständig gesehen). DS9, Voyager und Enterprise bilden in sich geschlossene Systeme aus, die auf der ursprünglichen Star Trek Idee Gene Rodenberrys beruhen, sich dadurch aber nicht eingrenzen lassen. Es scheint, dass dieses stete Weiterentwickeln und Reagieren auf die gesellschaftliche Wirklichkeit das Erfolgsrezept von Star Trek ist.[2]

In diesen unterschiedlichen Serien wird auch die Archäologie als narratives Element unterschiedlich eingesetzt. Während in Star Trek TOS die Archäologie immer wieder mal am Rande auftaucht, ist in TNG der Kapitän des Raumschiffes Cpt. Picard ein leidenschaftlicher Amateur-Archäologe, wohl mit Universitätsabschluss, und es gibt sogar regelrechte Archäologie-Folgen. In DS9 spielt die Archäologie eine mythologische Sonderrolle. In Voyager wird das moralische Element der gesellschaftlichen Reflexion, das in TNG bereits aufkommt, weitergeführt.

In TOS: Das letzte seiner Art liefert die Enterprise Versorgungsgüter auf Planeten M-113, auf dem eine mehrjährige archäologische Ausgrabung durchgeführt wird. Auch eine von Kirks Verflossenen ist eine Archäologin, die aber nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen ist (TOS: Gefährlicher Tausch). Dass exoarchäologische Forschung nicht ungefährlich ist, erfahren wir in TNG: Mutterliebe, in der die Archäologin Marla Aster bei der Untersuchung koinonianischer Ruinen getötet wird und einen Sohn zurücklässt. Aber nicht nur Menschen betreiben Archäologie, auch der hochrangige cardassianische Offizier Neral zeigt eine Schwäche für dieses Fach (DS9: Unter den Waffen schweigen die Gesetze).

Durch alle vier Serien zieht sich das Element, dass ein Relikt aus der Vergangenheit auftaucht und die fiktive Gegenwart durcheinander wirbelt. Die Erbauer sind vergangene Hochkulturen, deren Geschichte unbekannt oder mindestens äußerst mysteriös ist. Erzählerisch ist es ein einfacher Kniff: Ein völlig unbekannter historischer Gegenstand taucht auf und die Geschichte nimmt ihren Lauf:

In der Originalserie trifft die Enterprise auf den Planeten Amerind, auf dem sich ein seltsamer Obelisk befindet, der von einer untergangenen Zivilisation als Kometenabwehrschirm installiert wurde, aber nach mehreren Jahrhunderten in Betrieb jetzt kaputt gegangen ist (TOS: Der Obelisk).  Der Androide Data wird sogar einmal selbst zu einem archäologischen Fund in einer Schicht des 19. Jahrhunderts (TNG: Gefahr aus dem 19. Jahrhundert I &II). Die Star Trek Figuren müssen besonders auf ihren Nachwuchs aufpassen, sonst kann es nämlich passieren, dass dieser in einfach herumliegenden Zeitportalen verschwindet und als eine um mehrere Jahre gealterte Personen wieder herauskommt (DS9: Das Zeitportal).

Aber Exoarchäologie findet nicht nur auf Planeten statt, sondern auch im Weltall selbst. Der Enterprise D begegnet ein einsam im Raum fliegender Komet, der sich als gigantische Bibliothek herausstellt. Sie kann Materie morphologisch verändern und verwandelt das Schiff in eine Tempelanlage, die stark an altamerikanische Hochkulturen erinnert (TNG: Der Komet). Eine Hinterlassenschaft weniger hochentwickelter Zivilisationen im Weltall sind Sonden. Der Präwarp-Zivilisation auf Kataan im Parvenium-System droht die Vernichtung durch eine Supernova. Sie schicken eine Sonde ins Weltall, die mit Hilfe eines nukleonischen Strahls eine ganze Biografie eines Kataaner simulieren kann (TNG: Das zweite Leben). Manchmal wird man aber auch von seiner eigenen Vergangenheit eingeholt wie im ersten Star Trek Spielfilm aus dem Jahre 1979, als sich V´ger als die verschollene Voyager 6 entpuppt, eine fiktive Nachfolge-Sonde der beiden tatsächlich entsandten Voyager 1 und 2.

Archäologie spielt aber nicht nur als erzählerischer Anlass eine Rolle, sondern steht in einigen Folgen auch im Zentrum des Plots. Über die drei wichtigsten Archäologie-Folgen in TNG habe ich bereits in dem vorhergegangen Star Trek Post berichtet. Erzählerisch handelt es sich zum Ersten um eine Indiana-Jones-Story (TNG: Picard macht Urlaub), zum Zweiten um ein Gut-jagt-Böse-Geschichte (TNG: Der Schachzug I & II) und zum Dritten vermittelt die klare moralische Botschaft: Alle Wesen im Weltall sind Geschwister (TNG: Das fehlende Fragment)!

Auffällig dabei ist, dass Archäologie als Wissenschaft erscheint, die aufklärt, echte Beweise anführt und dabei Mythen entzaubert. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass Roddenberry und seine Drehbuchautoren dem Christentum und überhaupt allen Religionen skeptisch gegenüber standen. In der Serie selbst gilt Religion zumindest in der Föderation als überwunden.

In der Serie Voyager wird dieses erzählerische Prinzip die Archäologie betreffend fortgeführt.

Der Molekularpaläontologe Forra Gegen vom Volk der Voth findet mit seinem Assistenten ein menschliches Skelett von einem verstorbenen Voyager-Crewmitglied. Bei der Untersuchung stellt sich heraus, dass Menschen und Voth vergleichbare DNS haben, also verwandt sind. Auf der Erde des Mesozoikums haben sich Hadrosaurier zu intelligenten Wesen weiterentwickelt, die schließlich auch zur Raumfahrt im Stande waren. Sie verließen die Erde und wurden im Delta-Quadranten sesshaft. Diese Erkenntnisse entsprechen aber nicht der politischen Doktrin der Voth und so kommt es zu einem Standgericht, das an den Prozess gegen Galileo erinnert (VOY: Herkunft aus der Ferne).

Auf dem Weg durch den Deltaquadranten wird die Raumschiffcrew durch Halluzinationen von einem Massaker während eines Kriegen geplagt. Die Besatzung scheint selbst an diesem Massenmord beteiligt gewesen zu sein. Es stellt sich heraus, dass diese vermeintlichen Erinnerungen von einem Sender verursacht werden, der ein Mahnmal für die Opfer eines sehr lang zurückliegenden Kriegsverbrechens ist. Die Voyager-Besatzung repariert den Sender, damit diesen historischen Geschehnissen auch weiterhin gedacht werden kann (VOY: Das Mahnmahl).

Mit der Verantwortung des Historikers beschäftigt sich VOY: Der Zeitzeuge. Das Backup des Doktors befindet sich in einem Museum auf dem Planeten der Vaskaner und Kyrianer im 31. Jahrhundert. Die Völkerschaften sind bereits über Jahrhunderte andauernden gesellschaftlichen Unruhen ausgesetzt. Die Durchquerung des Planetensystems durch die Voyager vor sieben Jahrhunderten wird als Anlass dafür gesehen. Nur die wissenschaftlich korrekte historische Forschung, die frei ist von Vorurteilen, kann den Frieden zwischen den Völkern stiften. Is klar.

Star Trek Deep Space Nine stellt in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme im Star Trek Universum dar. Es ist die düsterste der Star Trek Serien und der dramaturgische Einsatz der Archäologie verändert sich. Hatte die Archäologie in TNG eine aufklärende Funktion, bekommt sie in DS9 eine Rolle innerhalb des mythisch-religiösen Weltbildes Bajors zugewiesen. Die Rolle von Religion für Gesellschaften wird in der Serie herausgearbeitet und der Glaube, als persönliches Erleben für Star Trek-Verhältnisse, überbetont.[3]

Bajors Götter sind nicht-körperliche Wesen, die in einem Wurmloch leben, der als Himmelstempel bezeichnet wird. Das Verhältnis zwischen den sogenannten Propheten und den Bajoranern ist ein wohlwollendes. Die Archäologie bestätigt Bajors Mythen als Wahrheit. So ist es dem Abgesandten der Propheten Cpt. Sisko vorbehalten, den Nachweis zu führen, dass die Bajoraner früher als die Völker benachbarter Planeten-Systeme Raumfahrt betrieben. Er baut archäologisch-experimentell ein Leuchtschiff und fliegt damit in Richtung Cardassia Prime. Durch natürlich vorkommende Tachyonenstürme erreicht das Leuchtschiff Warpgeschwindigkeit und gelangt damit bis ins cardassianische System. Die Cardassianer sehen sich gezwungen zuzugeben, dass die Absturzstelle des antiken Leuchtschiffes vor kurzem ausgegraben  worden ist (DS9: Die Erforscher). Es ist auch der Abgesandte, der die versunkene Stadt B`hala findet, nach der Generationen von Archäologen vergeblich gesucht haben (DS9: Heilige Visionen). Die Erforschung obliegt Ranjen Koral, einem bajoranischen Mönch, der bei Forschungsfragen ganz selbstverständlich den Abgesandten zu Rate zieht (DS9: Zeit der Abrechnung). Zu guter Letzt ist es auch, na wer? natürlich der Abgesandte, der den letzten verschollenen Drehkörper in einer wilden, affektiven Buddelei ausgräbt (DS9: Das Gesicht im Sand).

Archäologinnen und Archäologen treten als Rand- und Hauptfiguren auf, oder die Entdeckung eines historischen Fundes steht am Anfang der Episode. Archäologie wird aber auch als Mittel eingesetzt, um einen Sachverhalt zu verifizieren oder zu falsifizieren, denn archäologisch geborgene Gegenstände lügen nicht. Archäologie kann Aberglaube entlarven, oder es bestätigt den aufgebauten Mythos von Gottheiten und Prophezeiungen. Archäologie ist in Star Trek also nur bedingt ein Teil der sozialistischen Utopie amerikanischer Prägung, sondern vielmehr ein narratives Element, das vielseitig einsetzbar ist.

Verwendete Literatur

D. L. Bernardi, Star Trek and history. Race-ing toward in a white furure (New Brunswick, New Jersey u. London 1998)

H. Brandt-F. Schindel-J. Wellhöner, Indiana Jones im Weltraum? Das Bild der Archäologie in Star Trek, in: N. Rogotzki- T. Richter- H. Brandt- P. Friedrich- M. Schönhoff- P. M. Hahlbohm (Hrsg.), Faszinierend! Star Trek und die Wissenschaften 2 (Kiel 2003) 139-164

L. Russell, Archaeology and Star Trek: Exploring the past in the future, in: M. Russell (Hrsg.), Digging Holes in popular culture. Archaeology and science fiction, 2002, 19-29

O. Wenskus, Umwege in die Vergangenheit. Star Trek und die griechisch-römische Antike. Literaturwissenschaftliche Studien zu Antike und Moderne 13 (Innsbruck 2009)

Weitere Literatur:  Faszinierend! Ein archäologischer Ausflug ins Science-Fiction (Interner Link)

Siehe auch:  Das archäologische Geschichtsbild bei Star Trek (Interner Link)

[1] O. Wenskus, Umwege in die Vergangenheit. Star Trek und die griechisch-römische Antike. Literaturwissenschaftliche Studien zu Antike und Moderne 13 (Innsbruck 2009)11-13

[2] A. Rauscher, Das Phänomen Star Trek. Virtuelle Räume und metaphorische Weiten (Fulda 2003) 10-18

[3] O. Wenskus, Umwege in die Vergangenheit. Star Trek und die griechisch-römische Antike. Literaturwissenschaftliche Studien zu Antike und Moderne 13 (Innsbruck 2009) 11-13

Quelle: http://de.hypotheses.org/71688

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Das archäologische Geschichtsbild bei Star Trek

Das fiktive Star Trek Universum ist in seiner grundlegenden Anlage eine positive Utopie unserer Zukunft. Geld, Nationalstaaten, kriegerische Konflikte sind auf der Erde abgeschafft. Die Menschen arbeiten, um sich selbst zu verwirklichen und reisen mit Überlichtgeschwindigkeit (Warp/ Sol) durchs All, um unsere Galaxie zu erforschen. Die Milchstraße, in der sich das Geschehen weitestgehend abspielt, ist in vier Quadranten eingeteilt mit der Erde im Zentrum des „Alpha-Quadranten“.

Die Erde ist ein Teil der „Vereinigten Föderation der Planeten“, die ein galaktisches „Territorium“ bilden, den „Föderationsraum“, die anderen „Gebiete“ innerhalb dieses „Alpha-Quadranten“ teilen sich das „Klingonische Reich“, das „Romulanische Imperium“, die „Ferengi-Allianz“ und schließlich der „Cardassianische Raum“. Obwohl die Idee der Nationalstaaten überwunden sein soll, ist die Idee der Raumaufteilung durch herrschende Mächte von der kontinentalen Ebene auf die galaktische Ebene übertragbar.

Innerhalb des Föderationsraumes gibt es eine utopische Gesellschaftsform, die klare sozialistische Züge aufweist.[1] Der Kapitalismus ist aus Vernunftsgründen überwunden und wurde durch eine freie und aufgeklärte Gesellschaftsform ersetzt, in der auch Religion weitestgehend keine Rolle mehr spielt.

Das Zusammenleben dieser unterschiedlichen Völkerschaften und das gemeinsame Leben und Arbeiten auf Raumstationen, Raumschiffen und Forschungseinrichtungen wird ermöglicht durch eine grundlegende Toleranz gegenüber anderen Kulturen.  Dieses moralische „Toleranzprinzip“ wird durch die „Oberste Direktive“, die Nichteinmischung in kulturelle Angelegenheiten anderer Völkerschaften, verbindlich. Diese „Oberste Direktive“ führt natürlich immer wieder zu Gewissenskonflikten und wird vergleichsweise häufig gebrochen.[2]

Das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen ermöglicht auch das gemeinsame Forschen in den unterschiedlichen Wissenschaften, zu denen ganz selbstverständlich auch die Archäologie gehört.

Das sogenannte Daystrom-Institut (in der dt. Synchronisation: Daystorm-Institut) auf Galor IV ist eine elitäre Forschungseinrichtung, die die unterschiedlichsten Forschungsinstitute beheimatet. Es gibt dort auch einen Archäologischen Rat. Der leitende Archäologe dort ist Professor Woo, der in der Serie allerding nur einmal genannt wird (DS9: Q-Unerwünscht).

Wie in der Gegenwart werden auch in der fiktiven Zukunft  jährlich stattfindende archäologische Symposien abgehalten (TNG: Gefangen in der Vergangenheit).

Archäologische Forschung findet „planetenübergreifend“ statt und wird deswegen auch Exoarchäologie genannt.

Im Star Trek Universum geben sich nicht alle Individuen mit selbstloser Forschung und purer Selbstverwirklichung zufrieden, sondern streben nach Gewinn, Abenteuer und seltenen Schätzen. Welche Möglichkeit wäre da dramaturgisch geeigneter als im Medium Fernsehen etablierte Schatzjäger und Abenteuerer auftreten zu lassen. In Star Trek sind sie spannenderweise weiblich, attraktiv und sehr ausgefuchst. Vash begegnet Cpt. Picard, einen leidenschaftlichen Archäologie-Amateur, auf dem Urlaubsplaneten Risa (TNG: Picard macht Urlaub) und verwickelt ihn in die Suche nach dem legendären „Tox Uthat“, einen Quantenphaseninhibitor aus dem 27. Jahrhundert. Nach dem überstandenen Abenteuer schließt sich Vash, zum Ärgernis Picards, einem allmächtigen Wesens namens Q an. Diese Partnerschaft dauert nur wenige Jahre und die erbeuteten Schätze dieser Partnerschaft werden auf einer speziellen Auktion an mehr oder weniger dubios wirkende Sammler versteigert (DS9: Q-Unerwünscht). Das Sammeln von antiken Gegenständen, auch aus zweifelhafter Herkunft, ist  in der Zukunft wie in der Gegenwart ein leidenschaftliches Hobby, das in Star Trek moralisch hinterfragt wird (TNG: Der Sammler).

Das Ausplündern von archäologischen Fundstätten wird in Star Trek nicht nur aus persönlicher Bereicherung, sondern auch aus  politisch-terroristischen Motiven heraus praktiziert. In der Doppelfolge TNG: Der Schachzug I & II begibt sich Cpt. Picard auf ein „Raubgräber-Schiff“, das gezielt archäologische Fundstellen anfliegt auf der Suche nach ganz bestimmten Artefakten. Wir erfahren, dass die Forschung so weit ist, dass man aus der Umlaufbahn eines Planeten die Funde in der Fundstätte scannen kann. Diese Funde können aus der Erde heraus auf ein Raumschiff gebeamt werden. Dabei entstehen charakteristische Löcher, die Fundstätte ist dann ganz oder teilweise zerstört. Die Zerstörung der Fundstätte wird in dieser Episode als moralisch verwerflich verurteilt.[3] Ziel dieser Plünderungen ist ein „Psionischer Resonator“, eine antike vulkanische Waffe, die von der „vulkanischen Isolationistenbewegung“ benötigt wird, um die Macht auf dem Planeten Vulkan zu erlangen.

Wir sehen, das gesamte Star Trek Universum ist voll von Spezies, deren Vergangenheit archäologisch erforscht werden muss. Auffällig dabei ist, dass die Spezies dem Menschen sehr ähnlich sind, also jeweils zwei Arme und Beine und einen Kopf mit Augen, Nase und Mund haben. Es gibt ebenfalls meist zwei Geschlechter und erfolgreiches Paaren ist untereinander möglich und wird auch praktiziert. Wie dies möglich ist, wird in der Folge TNG: Das fehlende Fragment erläutert. Der Archäologe Prof. Galen, Lehrer Cpt. Picards, hat sich auf seine alten Tage dann doch noch mal der Anthropologie verschrieben, und sucht im gesamten Weltraum nach Fragmenten eines uralten Geheimnisses, welches sich in der DNA versteckt.  Auf diese Forschungen werden auch die Geheimdienste der feindlich gesinnten Romulaner und Klingonen aufmerksam, die die Entwicklung einer zerstörerischen Waffe vermuten. Des Rätsels Lösung ist aber eine verschlüsselte Botschaft an die Bewohner des Star Trek Universums, dass sie alle von einem Ur-Humanoiden abstammen, die ihre DNA in die „Ursuppen“ der verschiedenen Heimatplaneten verteilten. Diese Ur-Humanoiden wünschen sich eine friedliche Koexistenz ihrer „Nachkommen“ im Universum. Die klingonischen und romulanischen Nachkommen halten das für einen schlechten Scherz.

Neben der verblüffenden Ähnlichkeit entwickeln sich auch die humanoiden Spezien alle in ähnlichen Evolutionsstufen. Dieses Geschichtsbild bezeichnet Gene Roddenbery  höchstselbst, als „parallele Evolution“ und ist eine Konstante im Star Trek Universum.[4] „Ungläubige“ halten das Auftreten von so viel humanoiden Außerirdischen für eine Folge begrenzter Produktionskosten.

Auf den unterschiedlichen Planeten sind diese Entwicklungsphasen auch auf unterschiedlichem Stand. Die Mintakaner (TNG: Der Gott der Mintakaner) sind  eine proto-vulkanische Gesellschaft auf dem Niveau der Bronzezeit. Daraus können wir schließen, dass dem auch eine Steinzeit vorausgeht und eine Eisenzeit folgt. Eine mutmaßliche Jäger und Sammler Gesellschaft begegnet uns im  jüngsten Spielfilm „Into Darkness“. Die vorindustrielle Gesellschaft, die Data in TNG: Radioaktiv besucht, befindet sich ganz offenbar vom Übergang des Späten Mittelalters zur Renaissance. Nicht bei allen Gesellschaften ist eine so eindeutige Zuordnung möglich. Die Bevölkerung auf Boral II (TNG: Die oberste Direktive) beispielsweise lebt wie amerikanische Siedler auf dem Weg nach Westen, allerdings auf dem Niveau des Hohen Mittelalters. Eine Auflisung sogenannter Präwarp-Zivilisationen ist hier zu finden.

Ethisch moralische Grundlage des Zusammenlebens und der wissenschaftlichen Forschung ist die „Oberste Direktive“, die Nichteinmischung in kulturelle Angelegenheiten anderer Spezies. Dies betrifft auch die Archäologie. Die bereits erwähnte Schatzjägerin Vash teilt ihrem Geliebten Picard mit, dass sie als nächstes vielleicht die Ruinen von Tagus III besuchen möchte (TNG: Gefangen in der Vergangenheit). Picard ist entsetzt und hält ihr vor, dass die Tagusianer das Betreten ihrer Ruinenstätten verbieten,  was diese Fundplätze auf Gefahrensucherinnen wie Vash eher anziehend als abschreckend wirken lässt.  Funde aus Tagus III haben auf dem Antiquitätenmarkt wohl einen gewissen Preis.

Alles in allem sehen wir, dass auch in der utopischen Welt des Star Trek Universums in Sachen Archäologie sich vieles ähnlich verhält wie heute. Es gibt eine organisierte archäologische Forschung, aber der illegale Antiquitätenhandel ist einfach nicht in den Griff zu bekommen.

Fortsetzung folgt!

Weitere verwendete Literatur hier.

[1] K. Steinmüller, Beinahe eine sozialistische Utopie, in: K. U. Hellmann- A. Klein (Hrsg.), “Unendliche Weiten…”. Star Trek zwischen Unterhaltung und Utopie (Frankfurt 1997)80-90/

s.a.: R. Saage, Utopie und Science-fiction. Versuch einer Begriffsbestimmung, in: K. U. Hellmann- A. Klein (Hrsg.), “Unendliche Weiten…”. Star Trek zwischen Unterhaltung und Utopie (Frankfurt 1997) 45-58

[2] R. Bausch, Assimilation – Koexistenz – Unzugänglichkeit. Soziologische Betrachtungen des Fremden in Star trek, in: N. Rogotzki- T. Richter- H. Brandt- P. Friedrich- M. Schönhoff- P. M. Hahlbohm (Hrsg.), Faszinierend! Star Trek und die Wissenschaften 2 (Kiel 2003) 26

[3] H. Brandt-F. Schindel-J. Wellhöner, Indiana Jones im Weltraum? Das Bild der Archäologie in Star Trek, in: N. Rogotzki- T. Richter- H. Brandt- P. Friedrich- M. Schönhoff- P. M. Hahlbohm (Hrsg.), Faszinierend! Star Trek und die Wissenschaften 2 (Kiel 2003) 143

[4] L. Russell, Archaeology and Star Trek: Exploring the past in the future, in: M. Russell (Hrsg.), Digging Holes in popular culture. Archaeology and science fiction, 2002, 19-29

S.E. Whitfield-G. Roddenbery, The making of Star Trek (New York 1968) 207

 

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/541

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Faszinierend! Ein archäologischer Ausflug ins Science-Fiction

Archäologen und die Archäologie sind ein Teil der Popkultur. Ja, man will es nicht wahrhaben, aber Archäologie fasziniert und lädt ein zum Träumen ein von Expeditionen in den Dschungel/Wüste, wertvollen Schätzen und spannenden Rätseln.

Nein, ich führe jetzt nicht aus, was das mit dem wirklichen Berufsbild der Archäologie zu tun hat, das kann sich jeder selbst denken.

Ja, bleiben wir lieber bei diesen spannenden Abenteuern zur Erforschung  untergangener Hochkulturen.  Dieses Bild ist Teil der Popkultur und dieses Bild ist im Allgemeinen positiv besetzt. Archäologen sind entweder mit allen Wassern gewaschene Abenteurer oder etwas verkorkste Bücherwürmer, aber sie sind immer irgendwie genial. Dieses Archäologie-Bild, das durchaus auch in der Trivialkultur vielschichtiger ist, als man vermutet, findet sich in allen Genres und eben auch im Science-Fiction. Anlässlich meines vor kurzem gefeierten runden Geburtstages werden sich die beiden folgenden Blogposts mit einer besonderes populären Zukunftswelt befassen, nämlich Star Trek.

In einem ersten Post mit dem Titel: „Das archäologische Geschichtsbild bei Star Trek“ wird sich mit den archäologischen Strukturen und den auftretenden Archäologinnen und Archäologen  befassen. Es soll das Star Trek spezifische Geschichtsbild erläutert werden, das im Übrigen eine eindeutige ethische Botschaft enthält.

In dem zweiten Post mit dem Titel: „Archäologie als narratives Mittel bei Star Trek“  wird der Wandel des Archäologie-Bildes durch die unterschiedlichen Serien hindurch beleuchtet. Der erste Post wird den zweiten inhaltlich vorbereiten.

Das Bild des Archäologen in Star Trek ist keineswegs ein Gebiet „where no man has gone before“, sondern ein gut beleuchtetes. Die folgenden Posts basieren im Wesentlichen auf den folgenden Artikeln, die hier zur weiteren Lektüre empfohlen werden.

R. Bausch, Assimilation – Koexistenz – Unzugänglichkeit. Soziologische Betrachtungen des Fremden in Star trek, in: N. Rogotzki- T. Richter- H. Brandt- P. Friedrich- M. Schönhoff- P. M. Hahlbohm (Hrsg.) Faszinierend! Star Trek und die Wissenschaften 2 (Kiel 2003) 19-49

H. Brandt-F. Schindel-J. Wellhöner, Indiana Jones im Weltraum? Das Bild der Archäologie in Star Trek, in: N. Rogotzki- T. Richter- H. Brandt- P. Friedrich- M. Schönhoff- P. M. Hahlbohm (Hrsg.) Faszinierend! Star Trek und die Wissenschaften 2 (Kiel 2003) 139-164

R. Heilmann, Über die Rolle von Archäologie und Geschichtsforschung im Film Planet of the Apes, in: K. Denzer, Funde, Filme, falsche Freunde. Der Archäologiefilm im Dienst von Profit und Propaganda (Kiel 2003) 21-42

K. U. Hellmann- A. Klein (Hrsg.) “Unendliche Weiten…”. Star Trek zwischen Unterhaltung und Utopie (Frankfurt 1997)

A. Rauscher, Das Phänomen Star Trek. Virtuelle Räume und metaphorische Weiten (Fulda 2003)1

L. Russell, Archaeology and Star Trek: Exploring the past in the future, in: M. Russell (Hrsg.) Digging Holes in popular culture. Archaeology and science fiction, 2002, 19-29

O. Wenskus, Umwege in die Vergangenheit. Star Trek und die griechisch-römische Antike. Literaturwissenschaftliche Studien zu Antike und Moderne 13 (Innsbruck 2009)

S.E. Whitfield-G. Roddenbery, The making of Star Trek (New York 1968)

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/533

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Wo starb die Heilige Elisabeth?

Die Frage nach dem Ort des Sterbens dieser mittelalterlichen Heiligen beschäftigte Historiker wie Archäologen gleichermaßen. Ein historisches Rätsel, dessen Auflösung verblüffend banal erscheint. Oder ist es doch nicht so einfach?

Zunächst einmal wird hier der Sterbeort vom Grab selbst unterschieden. Wie heute auch, war es im 13. Jahrhundert eher unüblich, an dem Ort bestattet zu werden, an dem man seinen letzten Atemzug machte. Bei Heiligen ist es allerdings so, dass auch der Leichnam heilig ist und ebenso die Gegenstände, die die Heilige zu Lebzeiten berührt hat. Das macht den Sterbeort zu einem Gedenkort, der  auch heilig geworden ist.

Wir wissen also, dass Elisabeth von Thüringen 1231 in Marburg, mutmaßlich irgendwo auf dem Gelände ihres Hospitals, vielleicht auch in ihrem Hospital selbst, verstarb. Die Heiligsprechung folgte kurz darauf, das Gelände wurde dem Deutschen Orden übergeben und der baute die heutige gotische Elisabethkirche über ihrem Grab. Der wesentliche Pilgerort zur Heiligen Elisabeth ist also das Grabmausoleum in der Elisabethkirche zu Marburg. So weit, so gut.

Wenn wir uns jetzt einmal die frühen, für glaubwürdig erachteten Quellen zum Leben und Sterben der Elisabeth durchschauen, so werden wir eine Beschreibung des Sterbeortes nicht finden. Es scheint gerade so zu sein, dass es für Konrad von Marburg, die Zusammensteller der Zeugenaussagen zur Heiligsprechung oder Caesarius von Heisterbach vollkommen irrelevant erschien, wo Elisabeth starb. Wichtig ist für die mittelalterlichen Autoren, wie sie starb.[1]

Die gotische Elisabethkirche wird also ab 1235 gebaut und die Gebäude der Deutschordenskommende auf dem ehemaligen Hospitalgelände  errichtet. Der Ort des Sterbens scheint keine Rolle zu spielen bis Mitte der Achtziger Jahre des 13. Jahrhunderts, als Ablassbriefe für den Besuch einer Kapelle herausgegeben werden, die an dem Ort errichtet wurde, an dem Elisabeth starb. Überliefert sind drei Briefe aus den Jahren 1286, 1287 und 1291.[2] Auch in dem fragmentarisch überlieferten Nekrolog des Deutschen Ordens wird von einer Prozession zum Sterbeort der Elisabeth berichtet.[3]

Es erscheint auffällig, dass die Prozessionen und die Stiftungen erst in den 1280er Jahren beginnen und vorher über den Sterbeort geschwiegen wird. Nun sind Überlieferungslücken in der gesamten Mittelalterforschung völlig normal, aber das sei nur angemerkt.

Ausschnitt aus dem sogenannten “Schönbornplan” von ca. 1735/37 in: J. Hotz, Pläne und Bauten des Deutschen Ordens in Hessen. Funde aus dem Graf von Schönbornschen Archiv in Wiesendtheid, in: P. Dr. Klemens Wieser O.T. (Hrsg.) Acht Jahrhunderte Deutscher Orden in Einzeldarstellungen (Bad Godesberg 1967) 465-474

Die Kapelle selbst stammt mit ziemlicher Sicherheit aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts und wenn sie über dem Sterbeort errichtet worden war, müsste dort ein abgebrochenes Vorgängergebäude gestanden haben. Als 1970 die ersten Ausgrabungen nördlich der Kirche begannen, ging der damalige Grabungsleiter Ubbo Mozer dieser Überlieferung nach und untersuchte die Fundamente der 1786 abgerissenen Kapelle. In den Aufzeichnungen Mozers steht, dass er die Reste eines Vorgängerbaues fand. Als 2009 der alte Grabungsschnitt an dieser Stelle noch einmal geöffnet wurde, konnte das Ergebnis nicht bestätigt werden. Das ausgegrabene Fundament der Kapelle ist einphasig.

Fotos von der Ausgrabung nördlich der Elisabethkirche 2009 (Fotos: LfDM 2009 S. Gütter)

Wir sehen, archäologisch können wir die Frage nach dem Sterbeort nicht beantworten. Aber vielleicht hat jemand anders eine Idee, wie man das Rätsel um den Sterbeort auflösen kann. Ingeborg Leister bemerkt 1977 zu recht, dass es eher ungewöhnlich erscheint, eine Sterbeortkapelle zu besitzen, wenn man kurz zuvor ein aufwendiges Grabmausoleum in der großen Hallenkirche nebenan gebaut hat. Diese kleine Kapelle war auch sicher nicht für Pilger bestimmt. Der Zweck der Kapelle ist unklar, aber aller Wahrscheinlichkeit nach handelte es sich um ein ordensinternes Infirmarium, ein Krankenhaus für die Brüder, das laut mittelalterlicher Vorstellung immer eine Kapelle benötigte.

Der Bau dieses Gebäudes und der anschließenden Kapelle kosteten Geld und diese Gelder gilt es heute wie damals zu akquirieren. Und damals gab es dafür unter anderem das Mittel des Ablassbriefes.[4] Dem Besucher wird Ablass von den Sünden gegeben, wenn er den Sterbeort der Elisabeth  besucht und spendet. Eine alljährliche Prozession macht diese historische Überlieferung glaubwürdig. Augenzeugen von Elisabeths Tod, die dem Geschehen widersprechen könnten, lebten in den 1280er Jahren  nicht mehr. Diese These Ingeborg Leisters könnte des Rätsels Lösung sein.

[1] “Forma de statu mortis Lantgraviae de Thuringia” in: A. Huyskens, Quellstudien zur Geschichte der Hl Elisabeth. Landgräfin von Thüringen (Marburg 1908) S. 148-150/

Summa Vitae in: E. Könsgen (Hrsg.), Caesarius von Heisterbach. Das Leben der heiligen Elisabeth und andere Zeugnisse, Veröff. Hist. Kommission Hessen 67,2 = Kleine Texte mit Übersetzungen 2 (Marburg 2007) S. 127-135/

Libellus in: A. Huyskens, Der sog. Libellus de dictis quatuor ancillarum s. Elisabeth confectus (Kempten u. München 1911)/

Caesarius von Heisterbach „Sancte Elyzabeth Lantgravie“ in:  E. Könsgen (Hrsg.), Caesarius von Heisterbach. Das Leben der heiligen Elisabeth und andere Zeugnisse, Veröff. Hist. Kommission Hessen 67,2 = Kleine Texte mit Übersetzungen 2 (Marburg 2007) S. 7-91

[2] Wyss, Urkundenbuch I, Nr. 460, Nr. 474, Nr. 525

A. Wyss, Hessisches Urkundenbuch. Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen. Erster Band. 1207-1299 (Leipzig 1879)

[3] Wyss, Urkundenbuch III, 1292, S. 266

A. Wyss, Hessisches Urkundenbuch. Urkundenbuch der Deutschordens-Ballei Hessen. Dritter Band. 1360 bis 1399 (Leipzig 1899)

[4] I. Leister, Zur Baugeschichte des Deutschen Hauses, in: C. Schott (Hrsg.), Hundert Jahre Geographie in Marburg. Festschrift aus Anlaß der 100-jährigen Wiederkehr der Einrichtung des Lehrstuhles Geographie in Marburg, des Einzugs des Fachbereichs in das “Deutsche Haus” und des 450-jährigen Gründungsjubiläums der Philipps-Universität (Marburg 1977) 106

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/492

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Der konstruierte Gegensatz #dhiha5

Das pars pro toto des deutschen Bildungsideals ist das Buch. Das gedruckte Buch mit seinem Geruch nach Papier und Druckerschwärze, wenn man es neu aus der Plastikfolie pult. Das liebevolle ehrwürdige Streichen über die farbechte Hochglanzabbildung und auch das ins Regalstellen wird zelebriert. Das Regal im Wohnzimmer wird vom intellektuellen Abendgast demonstrativ besichtigt und die außergewöhnlich gute Sortierung gelobt.

In einer nicht lange zurückliegenden Tagung wurde in einem Vortrag empfohlen, doch lieber ein Buch in die Hand zu nehmen als zu bloggen. „Ein gutes Buch lesen“ ist noch immer der Inbegriff eines gelungenen, stilvollen Abends, am besten noch mit einem Glas Wein.

Ich selbst  wuchs im Ostdeutschland der 90er Jahre auf. Als ich 1989 in die Schule kam, war ich noch sehr stolz auf meine Schulbücher, bereits ein Jahr später wurden im Unterricht Kapitel übersprungen und Lieder aus dem Musikbuch nicht mehr gesungen. Zwei Jahre später wurde in den Schulen so richtig aufgeräumt und Schuttmulden voller Bücher standen auf dem Schulhof. Ich war acht Jahre alt und entsetzt.

Man braucht nicht zwingend solche eindrücklichen Erinnerungen, um zu begreifen, dass es Bücher gibt und Bücher. Den kritischen Umgang mit Literatur lernt man in der Schule oder spätestens im Proseminar. Aber die Mär vom „guten Buch“ ist fest verankert in unseren Köpfen und das hat seine kulturellen Gründe. Die gedruckte Schriftlichkeit war nun einmal lange Zeit der einzige Informationsträger.  Die Wertung, dass gedruckte Bücher mehr wert seien als digitale, hält keiner Debatte stand. Was nichts daran ändert, dass es so gesehen wird. Diese Tatsache wird mit der Zeit anders gesehen werden, zwangsläufig.

Andersherum wird, meines Erachtens, die Digitalisierung das gedruckte Buch nicht ablösen. In der Archäologie und in der Kunstgeschichte sind großformatige Beilagen, von z.B. Plänen oder hochqualitative Abbildungen von z.B. Gemälden etc. obligatorisch. An Bildschirmen kann man diese Dinge nicht (vielleicht noch nicht) anständig abbilden. Aber nicht nur deswegen werden gedruckte Bücher nicht aussterben.

Es ist der konstruierte Gegensatz zwischen gedruckten und digitalen Medien, der mich stört. Es gibt keinen Gegensatz. Das Buch ist ein Informationsträger, genau wie Zeitschriften, CDs, DVDs, Schallplatten, epubs, pdfs und am Ende auch Blogs.

Alle diese Dinge sollten nach ihren Inhalten bewertet werden und nicht nach ihrem Geruch nach Papier und Druckerschwärze, wenn man es aus der Plastikfolie pult.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/482

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Online-Petition zum Ende der Denkmalförderung in NRW

Die Deutsche Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte hat eine Online-Petition zur angekündigten Streichung von Denkmal-Fördermitteln bis 2015 durch rot-grüne Landesregierung NRW gestartet.

Zur Online-Petition geht es hier:

https://www.openpetition.de/petition/online/angekuendigte-streichung-der-landeszuschuesse-fuer-die-archaeologie-und-denkmalpflege-zuruecknehmen

Der Inhalt hier wortwörtlich wiedergegeben:

“An die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen: Nehmen Sie die angekündigte Streichung der Landeszuschüsse für die Archäologie und Denkmalpflege zurück!

Was soll passieren?

Das Land Nordhein-Westfalen will sich bis 2015 ganz aus der Finanzierung der Archäologie zurückziehen und hat bereits für 2013 drastische Mittelkürzungen vorgenommen.

Wie läuft es bisher?

In NRW wird die Archäologie / Bodendenkmalpflege von den zwei großen kommunalen Verbänden im Rheinland (LVR) und in Westfalen (LWL) getragen, und die Stadt Köln kümmert sich selbst um ihr Gebiet. Bislang wurden die Kosten für die Ausgrabungen und die nötige Nachsorge hälftig von den kommunalen Trägern (LVR, LWL und Stadt Köln) übernommen, die andere Hälfte bezahlte das Land NRW. Die Summe der Landesmittel lag bisher bei knapp 12 Millionen Euro pro Jahr.

Um was geht es?

Überraschend wurde dieser Landeszuschuss von der neuen Regierung für 2013 drastisch gekürzt, nämlich auf 10 Millionen Euro. 2014 sollen nur noch 3,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen, und 2015 will das Land ganz aus der Mitfinanzierung der Archäologie aussteigen. Diese Kürzungen können von den kommunalen Verbänden und der Stadt Köln natürlich nicht ausgeglichen werden. Für viele Bodendenkmäler führt das zur undokumentierten Zerstörung, weil das Geld für die nötigen Rettungsgrabungen und ihre Dokumentation fehlt. In den Fachämtern werden die Gelder fehlen, die Funde fachgerecht zu konservieren und restaurieren. Bestenfalls verschwinden Funde und Grabungsakten im Magazin, weil die Mittel fehlen, die Ergebnisse für die Öffentlichkeit aufzubereiten und in den Museen den Bürgern zu zeigen. Auch viele Baudenkmäler könnten nicht mehr saniert werden, die historische Bausubstanz zahlreicher Städte wäre in Gefahr.

Die Gefährdung unseres kulturellen Erbes

Kulturgutschutz und -pflege ist eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft, sie ist als Pflicht im Gesetz verankert. Dem Staat kommt daher eine besondere Fürsorgepflicht zu. In unserem föderalen System stehen die Bundesländern in der Verantwortung. Die Verlagerung von Aufgaben von der Landesebene auf die Kommunen, ohne dort gleichzeitig für die nötige Mittelausstattung zu sorgen, ist verantwortungslos. Wie glaubwürdig aber ist ein “öffentliches Interesse”, wenn die Landesregierung dafür bald nicht mehr einen Cent ausgeben will? Das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands mit hoher Wirtschaftskraft, zahlreichen Bauvorhaben und einer dynamischen Entwicklung setzt ein fatales Zeichen, wenn es sich ganz aus seiner Verantwortung für die Pflege und den Schutz seiner Bodendenkmäler davonstiehlt. Das archäologische Archiv im Boden zeugt von unserer gemeinsamen Geschichte und Kultur, es ist ein hohes Gut der Allgemeinheit. In NRW ist es über die Museen und den Tourismus und als Teil der Identität und der Lebensqualität ein wirtschaftsrelevanter Standortfaktor.

Begründung: Kürzungen hätten dramatische Folgen

Das bundesweite Votum der Wissenschaftler und Kultur-Experten ist einhellig: Alle führenden Archäologen in NRW haben auf die dramatischen Folgen der geplanten Kürzungen hingewiesen. Der Verband der Landesarchäologen der Bundesrepublik Deutschland bittet um die Rücknahme der Kürzungen. Auch Kulturstaatsminister Bernd Naumann bezeichnete die Streichungen als „kulturpolitische Bankrotterklärung“. Gudrun Kopp, MdB aus Ostwestfalen-Lippe und Parlamentarische Staatsekretärin beim Bundesentwicklungsminister sagt: “Das wäre das Ende für Denkmalpflege und ein Sündenfall an der Historie unserer Region.”

Die Petition der Deutschen Gesellschaft für Ur- und Frühgeschichte e. V. (DGUF)

Wir bitten die Landesregierung, ihre geplanten und für 2013 schon umgesetzten Mittelkürzungen betreffend Archäologie und Denkmalpflege zurückzunehmen. Wir appellieren an die Fraktionen und Abgeordneten des Landtags von NRW, ihre Verantwortung wahrzunehmen und den Kurs der Landesregierung zu korrigieren. Wir bitten die Landespolitiker, sich erneut mit den Experten – auch der DGUF – an einen Tisch zu setzen und, begleitet von fachlichem Rat, bessere Alternativen zu erwägen.

Wir bitten Sie, die an der Geschichte und Kultur des Landes NRW interessierten und für das Land engagierten Bürger, diese Petition durch Ihre Unterschrift zu unterstützen!

gez. Die DGUF (für den Vorstand und Beirat: Rengert Elburg, Diane Scherzler M.A., Dr. Erich Claßen, Dr. Frank Siegmund, Dr. Gerhard Ermischer)”

Bitte unterzeichnen!

Der Link noch einmal hier:

https://www.openpetition.de/petition/online/angekuendigte-streichung-der-landeszuschuesse-fuer-die-archaeologie-und-denkmalpflege-zuruecknehmen

 

Weiterführende Links:

http://kristinoswald.hypotheses.org/562

http://storify.com/krosworldia/kultur-ist-kein-luxus-sie-ist-eine-notwendigkeit

http://archaeologik.blogspot.de/2013/03/ende-der-denkmalforderung-nrw-online.html

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/468

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Frühe Fotokunst an der Elisabethkirche

Die Geschichte der Fotografie ist ungeheuer faszinierend. Fotos aus dem 19. Jahrhundert sind für uns heute ein Fenster in die Vergangenheit, das eindrücklicher und berührender kaum sein könnte. Spannend ist insbesondere, dass die meisten der technischen, dokumentarischen und künstlerischen Möglichkeiten, welche der Fotografie innewohnen, bereits früh entdeckt und erprobt wurden.

Der deutsche Albrecht Meydenbauer erkannte in der Mitte des 19. Jahrhunderts das Potential, welche die Fotografie für die Geodäsie haben könnte. Er erdachte ein Verfahren, wie man mit Hilfe von Fotos, beispielsweise einer Fassade, und mehreren ermittelten Punkten, ein Messbild erstellen kann, ohne ein Gerüst an das Gebäude bauen zu müssen.

Das Verfahren nannte Meydenbauer Fotogrammetrie und wird bis heute in unterschiedlichen Bereichen, von Fernerkundung bis Archäologie eingesetzt. Mehr dazu hier.

Albrecht Meydenbauers Einsatzfeld war aber die Architektur-Fotogrammetrie. Als junger Bauingenieur wurde die Entwicklung zunächst nicht wahrgenommen, aber seine Zeit sollte kommen. Von 1979 bis 1985 war er als Bauinspektor in Marburg tätig und sein wohlwollender Vorgesetzter schlug ihm vor, das Verfahren an der Elisabethkirche auszuprobieren. Der Versuch gelang und Meydenbauer legte eine der ersten vollständigen, den heutigen Maßstäben entsprechenden Messbildauswertungen überhaupt vor. Der Erfolg war durchschlagend und nun konnte er seinen Traum erfüllen. Er gründete die „Messbild-Anstalt für Denkmal-Aufnahmen“ in Berlin, ein Foto-Archiv für die Denkmäler im preußischen Gebiet. Er führte die Messbildanstalt bis 1909. Die Bestände sind heute Bestandteil des Messbildarchivs des Brandenburgischen Denkmalamtes.

Die Auswertung der Fotogrammetrie der Westfassade der Elisabethkirche:

 

Auswertung der Fotogrammetrie der Westfassade Elisabethkirche Marburg an der Lahn von Albrecht Meydenbauer/ Scan aus: Marburg. Eine illustrierte Stadtgeschichte (Marburg 1985) S. 47

Meydenbauer hatte aber nicht nur einen Sinn für technische und dokumentierende Fotos. Zwei Bilder aus dem Innenraum der Elisabethkirche bezeugen den Sinn fürs Spektakuläre bei ihm. Die Bilder sind durch Öffnungen des Gewölbes der Vierung und der Südkonche gemacht worden und stammen aus den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Bilder haben meines Erachtens nicht nur einen dokumentarischen, sondern auch einen hohen künstlerischen Wert.

Foto: Albrecht Meydenbauer/ Scan aus: R. Bentmann/ J.N. Viebrock (Hrsg.) Hessische Baukunst in alten Fotografien. Dokumentaraufnahmen der preußischen Messbildanstalt zu Berlin von Albrecht Meydenbauer. Arbeitshefte des Landesamts für Denkmalpflege Hessen 9 (Stuttgart 2006) 48 / Original befindet sich im Meßbildarchivs des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege

 

Foto: Albrecht Meydenbauer/ Scan aus: R. Bentmann/ J.N. Viebrock (Hrsg.) Hessische Baukunst in alten Fotografien. Dokumentaraufnahmen der preußischen Messbildanstalt zu Berlin von Albrecht Meydenbauer. Arbeitshefte des Landesamts für Denkmalpflege Hessen 9 (Stuttgart 2006) 48 / Original befindet sich im Meßbildarchivs des Brandenburgischen Landesamts für Denkmalpflege

Literatur:

R. Meyer, Albrecht Meydenbauer, Baukunst in historischen Fotografien (Leipzig 1985)1

R. Bentmann/ J.N. Viebrock (Hrsg.) Hessische Baukunst in alten Fotografien. Dokumentaraufnahmen der preußischen Messbildanstalt zu Berlin von Albrecht Meydenbauer. Arbeitshefte des Landesamts für Denkmalpflege Hessen 9 (Stuttgart 2006)

Marburg. Eine illustrierte Stadtgeschichte (Marburg 1985)

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/407

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Der wissenschaftliche Wert mittelalterarchäologischer Dissertationen

Die Bearbeitung einer Dissertation unterliegt den methodischen Gepflogenheiten der jeweiligen Disziplin und diese unterscheiden sich von Fachgebiet zu Fachgebiet, so weit so selbstverständlich. Die archäologischen Disziplinen beschäftigen sich mit den materiellen Hinterlassenschaften der Menschheit unterschiedlicher Epochen. Da sich diese Hinterlassenschaften in ihrem Erhaltungsgrad der Befunde und den dazugehörenden Fundkomplexen von beispielsweise der Altsteinzeit, der Bronzezeit, der Zeit der Antike und dem Mittelalter stark voneinander unterscheiden, unterscheiden sich auch die methodischen Gepflogenheiten innerhalb der Archäologien. 

Anders als in anderen historischen Fächern haben bereits Magister bzw. Masterarbeiten eine gewisse wissenschaftliche Relevanz. Die Examenskandidaten werten meist einen kleineren Fundkomplex oder eine kleinere archäologische Ausgrabung aus, die innerhalb eines Viertel Jahres zu bearbeiten ist. Vermittelt werden solche Themen in der Regel von Denkmalpflegebehörden oder archäologischen Museen. Archäologie-Studenten vornehmlich der Vor- und Frühgeschichte und der Mittelalterarchäologie haben in diesem Stadium der Ausbildung in der Regel bereits einige Zeit auf Ausgrabungen verbracht. Nicht wenige verdienen sich als Grabungshelfer während der Semesterferien einen Teil ihres Lebensunterhaltes. So kennen sie im besten Fall die Umstände, wie eine Ausgrabung durchgeführt wird, wie eine Dokumentation entsteht, wie Funde geborgen werden und wo die Fallstricke liegen. Dieses Wissen ist für eine Auswertung von elementarer Bedeutung und gehört zur Ausbildung dazu.

Mittelalterarchäologische Dissertationen sind methodisch nicht unbedingt gleichartig. Es besteht die Möglichkeit entweder eine große oder mehrere Ausgrabungen und die dazugehörenden Funde auszuwerten z.B. die Untersuchungen im Umfeld der Elisabethkirche in Marburg (also mein Thema) bzw. hochmittelalterliche Besiedlung der Region Irgendwo am Beispiel von Wüstung Hintertupfhausen, oder einen umfangreichen Fundzusammenhang auszuwerten, z.B. die hochmittelalterliche  Keramik in Regierungsbezirk XY bzw. die Beigaben des frühmittelalterlichen Gräberfeldes So-und-so-heim, oder die Bearbeitung einer archäologischen Fragestellung anhand der bereits publizierten Literatur, wobei da meist die veröffentlichten Kataloge durchforstet werden.

Worin liegt jetzt der wissenschaftliche Wert einer mittelalterarchäologischen Dissertation? Wie in jeder Disziplin besteht der Wert in der Beantwortung einer konkreten Fragestellung.

Als Beispiel nehmen wir mein eigenes Dissertations-Thema: Die Arbeit besteht aus mehreren Teilen, eine Befundvorlage, einem Befund-Fund-Katalog, einer Fundvorlage und dem Textband.

Die Befundvorlage besteht aus allen Planums- und Profilzeichnungen dieser archäologischen Untersuchungen. Die Vorlage hat einen dokumentarischen und beweisenden Wert, weil damit die Grundlage meiner Analysen für die Fachöffentlichkeit nachvollziehbar werden.

Befund-Fundkatalog ist eine Auflistung der durchnummerierten Befunde mit der Beschreibung, die während der Ausgrabung angefertigt wurde, den dazugehörenden Funden, den Anmerkungen der Bearbeiterin und weniger untergeordneter Angaben. Befund-Fund-Kataloge haben ebenso einen dokumentarischen Charakter und sind auch Grundlage der Analyse.

Die Fundvorlage ist bereits ein Teil der Analyse. Der größte Fundbestand ist in der Regel die Keramik. Anders als in der Vorgeschichte werden Geschirre im Hohen und Späten Mittelalter nicht mehr im Hauswerk hergestellt, sondern von spezialisierten Kleinbetrieben produziert. Damit können die Scherben in Kategorien eingeteilt werden: in Warenarten und je nach Bruchstück in Randtyp bzw. Bodentyp eingeteilt. Ganze Gefäße werden ebenfalls Typen zugeordnet. Diese Typologisierung und die Kategorisierung ist bereits Teil der Analyse und stellt an sich einen wissenschaftlichen Wert da. Sie ist dann Referenz für andere Keramikfunde in der nächsten Umgebung und kann wiederum Gegenstand einer großräumigeren Analyse sein.

Die Analyse innerhalb des Textbandes besteht aus einer Zusammenfassung des Forschungsstandes: Wo befindet sich die Forschung in diesem Bereich und wo ist die eigene Arbeit darin verortet? In meiner Arbeit folgt darauf ein Überblick zu den Schriftquellen und deren Aussage zum Untersuchungsbereich.

In archäologischen Arbeiten werden die Befunde in ihrem stratigrafischen Zusammenhang und den dazugehörenden Funden beschrieben. Bei den meisten Untersuchungen im städtischen Zusammenhang stammen die Fundamente, Gruben, Pfostenlöcher etc. aus unterschiedlichen zeitlichen Zusammenhängen, diese werden analysiert und einander zugeordnet. Der Bearbeiter bildet Phasen mit anderen Worten Kartierungen der materiellen Hinterlassenschaften einer jeweiligen Nutzungsperiode. Daraus können dann Erkenntnisse zu Aussehen und Funktion eines Ortes gewonnen werden.

Diese müssen dann wiederum in den historischen Zusammenhang gebracht werden, das passiert in der Archäologie in der Regel durch die Heranziehung von Parallelen. Dieses Parallelen stammen aus anderen archäologischen Befundzusammenhängen, aus Bild- und Schriftquellen oder sie sind noch obertägig erhalten. Zu guter Letzt werden die Ergebnisse zusammengefasst, bewertet, die zu Beginn gestellte Fragestellung beantwortet.

Wir sehen, der geringste wissenschaftliche Wert, den eine mittelalterarchäologische Arbeit haben kann, ist der, als Referenz zu dienen. Die Mittelalterarchäologie erhebt den Anspruch, eine geschichtsschreibende Wissenschaft zu sein. Ausgegrabene Befunde und Funde stellen Quellen dar, die methodisch richtig analysiert, in einem zweiten Schritt in Beziehung zu der schriftlichen Überlieferung, zu obertägig erhaltenem Baubestand, der geografischen Lage usw. gesetzt werden. Die Ergebnisse werden in den historischen Kontext eingeordnet und bekommen damit einen Platz in der Geschichte. Aber damit hört es nicht auf. Es können, je nach Untersuchungsbereich, Aussagen zu so gut wie allen Bereichen menschlichen Lebens und gesellschaftlicher Wirklichkeit getroffen werden. Materielle Kultur ist ein Abbild der Menschheit und spiegelt gesellschaftlichen Rang, politische Beziehungen, religiöse Werte, menschlichen Alltag in allen Facetten, die wirtschaftlichen Verhältnisse und deren Wechselwirkung zu Mensch, Tier und Umwelt, die Grausamkeiten eines Krieges, die Lust am Luxus und noch viel mehr wider.

Mittelalterarchäologie schreibt die Geschichte und mittelalterarchäologische Dissertationen leisten ihren Teil dazu bei.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/403

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Der wissenschaftliche Wert mittelalterarchäologischer Dissertationen

Die Bearbeitung einer Dissertation unterliegt den methodischen Gepflogenheiten der jeweiligen Disziplin und diese unterscheiden sich von Fachgebiet zu Fachgebiet, so weit so selbstverständlich. Die archäologischen Disziplinen beschäftigen sich mit den materiellen Hinterlassenschaften der Menschheit unterschiedlicher Epochen. Da sich diese Hinterlassenschaften in ihrem Erhaltungsgrad der Befunde und den dazugehörenden Fundkomplexen von beispielsweise der Altsteinzeit, der Bronzezeit, der Zeit der Antike und dem Mittelalter stark voneinander unterscheiden, unterscheiden sich auch die methodischen Gepflogenheiten innerhalb der Archäologien. 

Anders als in anderen historischen Fächern haben bereits Magister bzw. Masterarbeiten eine gewisse wissenschaftliche Relevanz. Die Examenskandidaten werten meist einen kleineren Fundkomplex oder eine kleinere archäologische Ausgrabung aus, die innerhalb eines viertel Jahres zu bearbeiten ist. Vermittelt werden solche Themen in der Regel von Denkmalpflegebehörden oder archäologischen Museen. Archäologie-Studenten vornehmlich der Vor- und Frühgeschichte und der Mittelalterarchäologie haben in diesem Stadium der Ausbildung in der Regel bereits einige Zeit auf Ausgrabungen verbracht. Nicht wenige verdienen sich als Grabungshelfer während der Semesterferien einen Teil ihres Lebensunterhaltes. So kennen sie im besten Fall die Umstände, wie eine Ausgrabung durchgeführt wird, wie eine Dokumentation entsteht, wie Funde geborgen werden und wo die Fallstricke liegen. Dieses Wissen ist für eine Auswertung von elementarer Bedeutung und gehört zur Ausbildung dazu.

Mittelalterarchäologische Dissertationen sind methodisch nicht unbedingt gleichartig. Es besteht die Möglichkeit entweder eine große oder mehrere Ausgrabungen und die dazugehörenden Funde auszuwerten z.B. die Untersuchungen im Umfeld der Elisabethkirche in Marburg (also mein Thema) bzw. hochmittelalterliche Besiedlung der Region Irgendwo am Beispiel von Wüstung Hintertupfhausen, oder einen umfangreichen Fundzusammenhang auszuwerten, z.B. die hochmittelalterliche  Keramik in Regierungsbezirk XY bzw. die Beigaben des frühmittelalterlichen Gräberfeldes So-und-so-heim, oder die Bearbeitung einer archäologischen Fragestellung anhand der bereits publizierten Literatur, wobei da meist die veröffentlichten Kataloge durchforstet werden.

Worin liegt jetzt der wissenschaftliche Wert einer mittelalterarchäologischen Dissertation? Wie in jeder Disziplin besteht der Wert in der Beantwortung einer konkreten Fragestellung.

Als Beispiel nehmen wir mein eigenes Dissertations-Thema: Die Arbeit besteht aus mehreren Teilen, eine Befundvorlage, einem Befund-Fund-Katalog, einer Fundvorlage und dem Textband.

Die Befundvorlage besteht aus allen Planums- und Profilzeichnungen dieser archäologischen Untersuchungen. Die Vorlage hat einen dokumentarischen und beweisenden Wert, weil damit die Grundlage meiner Analysen für die Fachöffentlichkeit nachvollziehbar werden.

Befund-Fundkatalog ist eine Auflistung der durchnummerierten Befunde mit der Beschreibung, die während der Ausgrabung angefertigt wurde, den dazugehörenden Funden, den Anmerkungen der Bearbeiterin und weniger untergeordneter Angaben. Befund-Fund-Kataloge haben ebenso einen dokumentarischen Charakter und sind auch Grundlage der Analyse. 

Die Fundvorlage ist bereits ein Teil der Analyse. Der größte Fundbestand ist in der Regel die Keramik. Anders als in der Vorgeschichte werden Geschirre im Hohen und Späten Mittelalter nicht mehr im Hauswerk hergestellt, sondern von spezialisierten Kleinbetrieben produziert. Damit können die Scherben in Kategorien eingeteilt werden: in Warenarten und je nach Bruchstück in Randtyp bzw. Bodentyp eingeteilt. Ganze Gefäße werden ebenfalls Typen zugeordnet. Diese Typologisierung und die Kategorisierung ist bereits Teil der Analyse und stellt an sich einen wissenschaftlichen Wert da. Sie ist dann Referenz für andere Keramikfunde in der nächsten Umgebung und kann wiederum Gegenstand einer großräumigeren Analyse sein.

Die Analyse innerhalb des Textbandes besteht aus einer Zusammenfassung des Forschungsstandes: Wo befindet sich die Forschung in diesem Bereich und wo ist die eigene Arbeit darin verortet? In meiner Arbeit folgt darauf ein Überblick zu den Schriftquellen und deren Aussage zum Untersuchungsbereich.

In archäologischen Arbeiten werden die Befunde in ihrem stratigrafischen Zusammenhang und den dazugehörenden Funden beschrieben. Bei den meisten Untersuchungen im städtischen Zusammenhang stammen die Fundamente, Gruben, Pfostenlöcher etc. aus unterschiedlichen zeitlichen Zusammenhängen, diese werden analysiert und einander zugeordnet. Der Bearbeiter bildet Phasen mit anderen Worten Kartierungen der materiellen Hinterlassenschaften einer jeweiligen Nutzungsperiode. Daraus können dann Erkenntnisse zu Aussehen und Funktion eines Ortes gewonnen werden. 

Diese müssen dann wiederum in den historischen Zusammenhang gebracht werden, das passiert in der Archäologie in der Regel durch die Heranziehung von Parallelen. Dieses Parallelen stammen aus anderen archäologischen Befundzusammenhängen, aus Bild- und Schriftquellen oder sie sind noch obertägig erhalten. Zu guter Letzt werden die Ergebnisse zusammengefasst, bewertet, die zu Beginn gestellte Fragestellung beantwortet.

Wir sehen, der geringste wissenschaftliche Wert, den eine mittelalterarchäologische Arbeit haben kann, ist der, als Referenz zu dienen. Die Mittelalterarchäologie erhebt den Anspruch, eine geschichtsschreibende Wissenschaft zu sein. Ausgegrabene Befunde und Funde stellen Quellen dar, die methodisch richtig analysiert, in einem zweiten Schritt in Beziehung zu der schriftlichen Überlieferung, zu obertägig erhaltenem Baubestand, der geografischen Lage usw. gesetzt werden. Die Ergebnisse werden in den historischen Kontext eingeordnet und bekommen damit einen Platz in der Geschichte. Aber damit hört es nicht auf. Es können, je nach Untersuchungsbereich, Aussagen zu so gut wie allen Bereichen menschlichen Lebens und gesellschaftlicher Wirklichkeit getroffen werden. Materielle Kultur ist ein Abbild der Menschheit und spiegelt gesellschaftlichen Rang, politische Beziehungen, religiöse Werte, menschlichen Alltag in allen Facetten, die wirtschaftlichen Verhältnisse und deren Wechselwirkung zu Mensch, Tier und Umwelt, die Grausamkeiten eines Krieges, die Lust am Luxus und noch viel mehr wider.

Mittelalterarchäologie schreibt die Geschichte und mittelalterarchäologische Dissertationen leisten ihren Teil dazu bei.

Quelle: http://minuseinsebene.hypotheses.org/396

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