Tagung “Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken” (Trier, 18./19. Januar 2013)

Bei der Tagung „Digitale Rekonstruktionen mittelalterlicher Bibliotheken“ werden verschiedene Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist, Bestände mittelalterlicher Bibliotheken, die heute weltweit zerstreut sein können, digital zusammenzuführen und zu erschließen. Auch werden Möglichkeiten aufgezeigt, diese Bestände wissenschaftlich zu nutzen und die vorhandenen Daten und Metadaten in übergreifende Portale einzuspeisen. Schließlich sollen die Anforderungen diskutiert werden, die aktuelle Arbeiten aus der Sprach- und Literaturwissenschaft, der Kunstgeschichte und der Musikwissenschaft an solche digitalen Rekonstruktionen stellen. Am 18. Januar 2013 wird in der Benediktinerabtei St. Matthias in Trier, am 19. Januar in der Stadtbibliothek Trier getagt. Ein Anmeldung ist nicht erforderlich.

Programm am 18. Januar 2013

Begrüßung

09:00 – 10:00: Grußworte von Abt Ignatius Maaß OSB, Prof. Dr. Michael Jäckel (Präsident der Universität Trier) sowie Prof. Dr. Martin Przybilski (Geschäftsführender Leiter des Historisch-Kulturwissenschaftlichen Forschungszentrums Trier)

Sektion I: Das Virtuelle Skriptorium und seine Kooperationsprojekte

Moderation: Prof. Dr. Andrea Rapp

10:00 – 10:45: Das Virtuelle Skriptorium St. Matthias
(Prof. Dr. Michael Embach, Prof. Dr. Claudine Moulin, Prof. Dr. Andrea Rapp)

Ziel des Projekts „Virtuelles Skriptorium St. Matthias“ ist es, den überlieferten Bestand an mittelalterlichen Handschriften aus der Trierer Abtei St. Matthias zu digitalisieren und damit virtuell zu rekonstruieren. Hierbei handelt es sich um eine Zahl von ungefähr 500 Kodizes, die weltweit auf etwa 25 Standorte verteilt sind. Die Digitalisierung soll einen Bestand zugänglich machen, der für ganz unterschiedliche Disziplinen von Wert ist. Mit einer derart rekonstruierten virtuellen Bibliothek ist die Absicht verbunden, das geistige Profil eines wichtigen Bildungszentrums und dessen Wachstum nachzuzeichnen und neuartige Einblicke in die Produktions- und Rezeptionsbedingungen seiner Bestände zu gewähren.

11:00 – 11:45: Textual Gridicism – Edieren mit TextGrid
(Florian Enders BA, Celia Krause M.A., Philipp Vanscheidt)

Digitalisierung ist nur ein möglicher Schritt bei der Erstellung digitaler Editionen. Bei der Erschließung eines mittelalterlichen Bibliotheksbestandes aber ist sie ein wesentliches Moment, an das sich weitere Schritte wie Transkription und Kommentierung anschließen. Aus diesem Grund werden die Faksimiles des „Virtuellen Skriptoriums St. Matthias“ auch in TextGrid eingespeist. Mit dieser virtuellen Forschungsumgebung für die Geisteswissenschaften ist ebenso ein Konzept für die Langzeitarchivierung verbunden wie die Möglichkeit, die Daten für Editionen mit einem Ensemble von elektronischen Werkzeugen zu bearbeiten. In dem Vortrag wird ein Überblick über TextGrid (www.textgrid.de) gegeben und eine Edition vorgestellt, die in dieser Umgebung entsteht.

11:45 – 12:30: Integration von eCodicology in die DARIAH Dienstewelt
(Danah Tonne M.Sc., Dr. Rainer Stotzka)

Im BMBF geförderten Projekt „eCodicology“ werden Methoden entwickelt und in Software implementiert, um makro- und mikrostrukturelle Elemente digitalisierter Handschriftenseiten automatisch zu messen, zu speichern und zu analysieren. Durch die Auswertung großer Mengen von Handschriften erhält der Kodikologe eine Datenbasis mit reproduzierbaren Merkmalen, mit denen Handschriftengruppen identifiziert, Kontinuitätslinien und Brüche aufgezeigt und Zusammenhänge zwischen Handschrifteninhalten und Layoutmustern entdeckt werden können.

Die automatische Auswertung birgt zusätzliche Anforderungen an die Infrastruktur, die den Geisteswissenschaften in der Regel selten zur Verfügung steht. Die Prozessierung einer Seite kann je nach Komplexität der Operationen bis zu mehrere Minuten auf einer Standard-Workstation benötigen. Schätzt man den Zeitaufwand auf ca. eine Minute pro Seite, dauert die einmalige Prozessierung des Virtuellen Skriptoriums St. Matthias mit ca. 170.000 Seiten ca. 4 Monate.

Zu diesem Zweck werden sowohl die Infrastruktur des vom BMBF geförderten Projektes TextGrid als auch der des europaweiten Projektes DARIAH genutzt. In diesem Vortrag wird die „Dienstewelt“ von DARIAH beschrieben und gezeigt, wie sich der Ablauf der automatischen Datenauswertung in DARIAH und TextGrid integriert und der Mehrwert für die kodikologische Forschung aufgezeigt.

Sektion II: Rekonstruktionen von Bibliotheken I

Moderation: Prof. Dr. Claudine Moulin

15:15 – 16:00: Bibliotheca Laureshamensis – digital: Präsentation der Virtuellen Klosterbibliothek Lorsch
(Alexandra Büttner M.A., Michael Kautz M.A.)

Das Digitalisierungs- und Erschließungsprojekt „Bibliotheca Laureshamensis – digital“ (www.bibliotheca-laureshamensis-digital.de) vereint auf der Grundlage der Studien Bernhard Bischoffs und Hartmut Hoffmanns alle bekannten Handschriften aus der Bibliothek und dem Skriptorium des ehemaligen Klosters Lorsch in einer virtuellen Bibliothek im Internet. Heute sind die 330 noch erhaltenen spätantiken und mittelalterlichen Handschriften auf 70 Institutionen in Europa und den USA verstreut. Die Zusammenführung der Lorscher Codices und Fragmente ermöglicht es, neben der Buchproduktion auch die kulturellen Grundlagen des Klosters und seiner Umwelt auf breiter Grundlage zu erforschen.

16:00 – 16:45: Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey: Internetplattform – Digitalisierung – Wanderausstellung – virtuelle Ausstellung
(Anja Jackes M.A.)

Ein Forschungsprojekt des Lehrstuhls für Materielles und Immaterielles Kulturerbe UNESCO an der Universität Paderborn widmet sich der Rekonstruktion der seit zweihundert Jahren im Zuge der Säkularisation aufgelösten Klosterbibliothek Corvey, deren Gründung ins frühe 9. Jahrhundert zurück reicht. Der übergeordnete Aspekt des Projekts liegt bei der Erforschung des immateriellen Erbes Corveys und damit bei der Untersuchung der Klosterbibliothek als Aufbewahrungsstätte bedeutender geistiger Errungenschaften. Die Zielstellung des Forschungsprojektes ist die Rekonstruktion der heute nicht mehr als Ganze existierende Klosterbibliothek und zugleich die Erforschung der Wissensbestände, die über tausend Jahre hinweg in dem benediktinischen Kloster versammelt wurden und für Bildung, Lehre, Mission, Gottesdienst, aber auch für das alltägliche Leben und zur Unterhaltung der Mönche im Kloster zur Verfügung standen. Um die zerstreuten Corveyana wieder in ihren ursprünglichen Bibliothekskontext einzubetten, wurde die Internetplattform „Nova Corbeia“ aufgebaut, die als zentrale Schnittstelle die erhaltenen Buchbestände virtuell wieder zusammenführt. Insbesondere unikale Objekte wie die Handschriften, die heute weltweit zerstreut sind, werden in diesem Kontext am UNESCO Kompetenzzentrum volldigitalisiert und auf der Plattform für Wissenschaft, Forschung und Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Was über die im Internet zugängliche Datenbank virtuell geleistet wird, findet seine materielle Entsprechung in der Wanderausstellung „Tausend Jahre Wissen – Die Rekonstruktion der Bibliothek der Reichsabtei Corvey“, die an sechs Orten (Corvey, Bonn, Marburg, Ziesar, Münster und Fulda) in Deutschland gezeigt wurde, und zwar da, wo sich weitere Konvolute der Bibliothek nachweisen ließen, die jeweils in den Ausstellungen gemeinsam präsentiert wurden.

17:00 – 17:45: Die digitale Kaiser-Heinrich-Bibliothek der Staatsbibliothek Bamberg
(Dr. Stefan Knoch)

Die Staatsbibliothek Bamberg besitzt insgesamt rund 1.000 mittelalterliche Handschriften, von denen 165 nachweislich oder mit hoher Wahrscheinlichkeit auf den Bistumsgründer Kaiser Heinrich II. zurückgehen. Diese 165 Kodizes und Fragmente wurden bis zum Oktober 2012 sukzessive vom hauseigenen Fotografen der Staatsbibliothek Bamberg digitalisiert und mit technischer Unterstützung der Bayerischen Staatsbibliothek München im Internet frei zugänglich gemacht. Ein weiterer Mehrwert entsteht durch die Anreicherung der Digitalisate mit Strukturdaten, mit Beschreibungen zweier gedruckter Handschriftenkataloge in PDF und mit Daten der Forschungsdokumentation. Der Vortrag wird einen Überblick über die Hintergründe und Genese des Projekts sowie die Funktionen der digitalen Kaiser-Heinrich-Bibliothek geben.

17:45 – 18:30: Libri Sancti Kiliani digital: Technische Infrastruktur, Digitalisierung und vertiefte Erschließung der Würzburger Dombibliothek
(Dr. Hans-Günter Schmidt)

Die Würzburger Dombibliothek („Libri Sancti Kyliani“) gehört zu den bedeutenden mittelalterlichen Handschriftenensembles in Mitteleuropa. Ihre Wurzeln reichen bis in die Anfänge des 742 gegründeten Bistums Würzburg zurück, mit ältesten Handschriften aus dem 5. Jahrhundert. Bis heute ist die Dombibliothek für die Erforschung der Bildungsgeschichte des Frühmittelalters international von großer Bedeutung, insbesondere auch in der angelsächsischen und irischen Welt. Das 2010-2013 von der DFG geförderte Projekt „Libri Sancti Kiliani digital“ strebt an,

  1. den Dombibliotheksbestand der Universitätsbibliothek Würzburg vollständig digitalisiert im Internet zur Verfügung zu stellen,
  2. bereits vorliegende Katalog- und Dokumentationsdaten in ein vernetztes Lokalsystem zu überführen, zu erweitern und zu aktualisieren,
  3. neue Visualisierungstools und eine neuartige Nutzerschnittstellen zu erstellen, die in einem moderierten Wiki-System über Web Services ermöglicht, Informationen (z.B. Transkriptionen) von außen einzubringen und Daten auf Basis von Creative-Commons-Lizenzen für eigene Forschungen zu entnehmen.

Kernstück des Unternehmens ist der Aufbau einer neuen technischen Infrastruktur auf der Basis eines Workflowsystems, Metadatenstandards wie TEI P5 und METS und klassischer relationaler Datenbanken, die Vernetzung mit unterschiedlichen nationalen und internationalen Portalsystemen (z.B. Manuscripta Mediaevalia oder Europeana) zulässt und zugleich den Anschluss an Langzeitarchivierungssysteme ermöglicht. Der Vortrag berichtet vom Projektstand, von bereits auf www.libri-kiliani.de online gegangenen Projektbausteinen, aber auch von den Problemen und schwierigen Randbedingungen eines anspruchsvollen, knapp kalkulierten DFG-Projektes.

Programm am 19. Januar 2013

Sektion II: Rekonstruktionen von Bibliotheken II

Moderation: Prof. Dr. Claudine Moulin

09:00 – 09:45: The Nuns’ Network. Editing the Medingen Manuscripts
(Prof. Dr. Henrike Lähnemann, Andres Laubinger)

Between 1479, the reform of the convent, and 1526, the Lutheran Reformation, the Medingen nuns produced a wealth of devotional manuscripts, for their own use and for feeding it into the regional network of the city and the convents of Lüneburg, using both Latin and Low German. All the prayer-books are interlinked by being based on the same set of material which is edited, amplified, commented and translated. The only adequate way of presenting this complex of textually and visually linked manuscripts is in digital form. The paper will present the “Medingen Manuscript” project (http://research.ncl.ac.uk/medingen); by using the example of prayer-books dedicated to the apostle Mathias and other saints, I will show how the digital presentation allows us to gain new insights in the linguistic and devotional set-up of this Northern German scriptorium.

09:45 – 10:30: Digital Libraries and Federated Searching: The Manuscripts Online Project
(Dr. Orietta Da Rold)

This paper will discuss a new Project “Manuscripts Online”. The outcome of this project can be described as a digital library on its own, as it was inspired by methodologies relating to data mining, data clustering, federated searching which are intertwined with detailed studies of medieval manuscripts, artefacts and texts. The project was founded by JISC, a UK national funding body, and is of relevance to researchers in the fields of language, literature and history. The Manuscripts Online website is developed and hosted by the Humanities Research Institute (HRI) at the University of Sheffield, under the direction of an Editorial Group which will comprise six members from the Universities of Birmingham, Glasgow, Leicester, York, Sheffield and Queen’s University Belfast. The project has the ultimate aim to study the written culture of medieval Britain between 1000 and 1500 by pulling together and providing access to written and early printed primary sources in this period. This project will bring together will bring together the necessary data for lager data analysis and interpretation.

Sektion III: Übergreifende Portale

Moderation: Prof. Andrea Rapp

10:45 – 11:30: Leben! Einzeln und frei … – Daten zu mittelalterlichen Handschriften an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel
(Torsten Schaßan)

Anhand der Datenorganisation und der darauf aufsetzenden Verwendung von Daten zu mittelalterlichen Handschriften an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel soll gezeigt werden, wie die vorhandenen Informationen in anderen Kontexten, also auch zur Rekonstruktion von Bibliotheken, genutzt werden können.

11:30 – 12:15: Der Europeana Lizenzrahmen als Basis für Digital Humanities
(Patrick Peiffer)

Patrick Peiffer arbeitet mit dem Europeana Team im Auftrag der Nationalbibliothek Luxemburg am „Europeana Licensing Framework“, das seit Herbst 2011 operationell und online ist. Der Vortrag wird anhand des Luxemburger Beitrags zu Europeana Regia und der virtuellen Rekonstruktion eines Manuskriptes die Schlüsselaspekte der (vertrags)-rechtlichen Standardisierung ansprechen und anschliessend die aktuellen Vorgaben des „Europeana Licensing Framework“ vorstellen: Public Domain Charter, Public Domain Mark und Data Exchange Agreement (http://pro.europeana.eu/licensing).

Sektion IV: Nutzen rekonstruierter Bibliotheken

Moderation: Prof. Michael Embach

13:30 – 14:15: Die althochdeutsche Überlieferung aus St. Matthias
(Falko Klaes)

Im Vortrag wird die mutmaßlich aus St. Matthias stammende althochdeutsche Überlieferung vorgestellt. Aus St. Matthias sind insgesamt vier Glossenhandschriften, eine Handschrift mit den Wind- und Monatsbezeichnungen der Karls-Vita Einhards und die „Trierer Verse“ überliefert. Diesen und dem bekannten Glossar aus der Handschrift 61 des Priesterseminars Trier soll besondere Aufmerksamkeit zuteil werden.

14:15 – 15:00: LapiDat – LAPIDARIUM der Abtei St. Matthias in Trier
(Prof. Dr. Gottfried Kerscher, Peter Pfeiffer M.A.)

Das Lapidarium von St. Matthias war bisher nur wenigen bekannt. Es enthält weit mehr als tausend Artefakte vom frühen Mittelalter bis zur Gegenwart, darunter nicht nur Bruchstücke mit Ornamenten, sondern Figuren, ein Portal und weitere, zumeist in Zusammenhang mit Restaurierungen abgenommene Stücke. Etwa 600 Exponate wurden in einem ersten Durchgang zusammen mit den Studierenden der Universität Trier erfasst, von diesen sowie Frau stud. phil. A. Molter und Herrn P. Pfeiffer M.A., beide Projektmitarbeiter, sowie dem Fotografen des VBB des Fachbereiches III, Herrn A. Thull, in die Datenbank eingestellt. In einem zweiten Schritt solle eine genauere Bestimmung, Datierung und Zuordnung einzelner Stücke erfolgen. Das Projekt soll nicht nur der Restaurierung des Kreuzgangs von St. Matthias dienen, sondern später in eine Ausstellung münden bzw. der Forschung zugänglich sein.

Dafür hat Herr Pfeiffer eine entsprechende Datenbank erstellt. Diese wird hinsichtlich ihres Aufbaus und in ihrer Funktionsweise kurz erläutert. Für die Unterstützung bei den nicht ohne Weiteres von Seiten der Universität Trier zu realisierenden Arbeitsgänge danken wir dem HKFZ.

15:15 – 16:00: Ein mittelalterliches Euchariumsoffizium aus dem 17. Jh. – Überlieferung eines lokalen Heiligenkultes in der Trierer Liturgie
(Kristin Hoefener)

Im Skriptorium der Trierer Sankt-Matthias-Abtei wurden auch nach der Einführung des Buchdruckes noch Papierhandschriften hergestellt, u.a. ein Benediktionale, das heute in der Bibliothek des Bischöflichen Priesterseminars (Hs. 14) aufbewahrt wird. Die Handschrift aus dem Jahre 1667 überliefert eine Vesper und eine Messe zu Ehren des hl. Eucharius. Wenn dieses Offizium aus Sankt-Matthias mit den Texten eines Liber ordinarius des Trierer Doms aus dem 14. Jh. (London, British Library Harley 2956) verglichen wird, kann festgestellt werden, dass die Vespergesänge – alles Eigengesänge, deren Texte u.a. auf einer Vita s. Eucharii basieren – zwischen dem 14. und dem 17. Jh. nahezu unverändert geblieben sind. Die Messe dagegen überliefert, abgesehen von den Sequenzen, kein Eigenmaterial, sondern nur Gesänge aus dem Commune martyrum. Es sollen Trierer Eigengesänge präsentiert werden mit dem Ziel, eine lokale Patronatsliturgie und deren Bedeutung in der Kontinuität der Jahrhunderte vorzustellen.

16:00 – 16:45: Neumen und Neumentrennung – Herausforderungen in der Arbeit im Optical Neume Recognition Project (ONRP)
(Dr. Inga Behrendt)

ONRP (http://www.cs.bham.ac.uk/~aps/research/projects/neumes/project-description.php) ist ein interdisziplinäres Projekt von Computerwissenschaftlern (Alan Sexton) und Musikwissenschaftlern (Kate Helsen, Jennifer Bain, Inga Behrendt) aus Kanada, England und Deutschland, das die Erstellung einer Lesehilfe in Scans der Handschrift Hartker (Stiftsbibliothek St. Gallen – CH-SG 390/391, sogenannte St. Galler Neumennotation) von um 1000 mit Neumennotation hat: Einzelne Notationszeichen (Neumen), Neumengruppen und Neumen kombiniert mit Text sollen mithilfe eines Computerprogramms in den digitalen Bildern der Handschrift gesucht werden können.

Das umfassende System, das in den nächsten Jahren erstellt werden soll, ist für die Computertechnik der Optischen Wiedererkennung eine herausfordernde Aufgabe. Ein Aspekt der Arbeit ist, in den Scans alle verbundenen Komponenten zu isolieren und zu gruppieren, etwa 70 verschiedene Einzelzeichen. In der Notation bestehen jedoch die Notationszeichen, genannt Neumen, zum Teil aus einzelnen Komponenten und mehrheitlich aus mehreren Komponenten. Es gibt demnach etwa 70 Komponenten, aber sehr viel mehr Neumen, insbesondere wenn als Neume alle Zeichen über einer Textsilbe definiert sind (Göschl).

Die Modifikation der Neumenschreibweise sowie die Kombination von mehreren Neumenzeichen über einer Silbe haben verschiedene rhythmische Bedeutungen, wie die semiologische Erforschung der Neumennotation durch komparative Studien beschrieben hat. Ein Phänomen des rhythmischen Bedeutungswandels von Zeichen wird Neumentrennung genannt, und soll möglichst ebenfalls mit dem System „gelesen“ werden können.

Abschlussdiskussion (16:45 – 17:00)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1214

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DH Awards 2012

Noch bis zum Freitag, 11. Januar können auf

http://dhawards.org/DHawards2012/nominations/

Kandidaten für die DH Awards 2012 nominiert werden, und zwar in den Kategorien

  • best DH tool or suite of tools
  • best DH blog, article, or short publication
  • best DH visualization or infographic
  • best professional resources for learning about or doing DH work
  • best DH project for public audiences
  • best use of DH for fun

Ein internationales Kommittee, bestehend aus James Cummings (University of Oxford), Craig Bellamy (University of Melbourn), Sheila Brennan (George Mason University, Washington D.C.), Marjorie Burghart  (EHESS: École des Haute Études en Sciences Sociales, Lyon) sowie Kiyonori Nagasaki (International Institute for Digital Humanities, Tokyo), wird anschließend über die Kandidaten entscheiden.

Eine gute (und unkomplizierte) Gelegenheit, spannende und gelungene DH-Projekte des vergangenen Jahres aus dem deutschsprachigen Raum in internationalem Kontext zu würdigen!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1208

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LIBREAS #23. Call for Papers zum Thema Forschungsdaten (auch in den Geisteswissenschaften)

Die Zeitschrift LIBREAS.Library Ideas veröffentlichte in der vergangenen Woche einen Call for Papers für ihre Ausgabe 23. Der Schwerpunkt liegt diesmal auf dem Thema Forschungsdaten.

Thema: Forschungs- und andere Daten sowie ihre Organisation und Rolle in Bibliothek und Wissenschaft
Einreichungsfrist: bis 31.05.2013
gewünscht sind: Beiträge, die Wechselwirkungen zwischen Wissenschaft, Daten und Bibliotheken reflektieren, annotieren, dekonstruieren und/oder analysieren
disziplinäre Einschränkungen: keine
Rückfragen: redaktion@libreas.eu

Für die Digitalen Geisteswissenschaften / Digital Humanities ist der im Call beschriebene Ansatz nicht zuletzt deshalb von Interesse, weil bei jeder Auseinandersetzung mit der Wechselbeziehung von Forschungsdaten und Forschungsdatenmanagement durch Infrastrukturanbieter die Frage mitschwingt, wie sich Forschungsdaten überhaupt disziplinär angemessen differenziert darstellen lassen.

Konkreter könnte man fragen, wie sich die unvermeidliche wechselseitige Anpassung

a) von Daten und Datenstrukturen an die Wissenschaft und ihre Forschungsfragen sowie
b) der Wissenschaft und Forschungsfragen an die vorgegebenen technischen Rahmenbedingungen der Datenverarbeitung und -abbildung

ausbalancieren lässt?

Eine automatische Prozessierung und Speicherung von Daten in digitalen Infrastrukturen benötigt bestimmte neue bzw. angepasste und angemessene technische und kommunikative Standards, die sich zwangsläufig über die Zeit verändern. Die Herausforderung liegt für alle Beteiligten darin, Methoden, Verfahren und Systeme zu entwickeln, die der technischen Machbarkeit und den Ansprüchen der Wissenschaftspraxis gleichermaßen gerecht werden.

LIBREAS besitzt zwar eine dezidiert bibliotheks- und informationswissenschaftliche Ausrichtung. Doch gerade die Anforderungen, Wünsche und Probleme, die FachwissenschaftlerInnen außerhalb des Bibliothekswesens bei der Organisation (Sammlung, Erschließung, Zugänglichmachung) geisteswissenschaftlicher Forschungsdaten in Bibliotheken und auch anderen Einrichtungen der Wissenschaftsinfrastruktur feststellen, sind für die Bibliothekswissenschaft und die Bibliothekspraxis von außerordentlichem Interesse. Im Zentrum der Ausgabe 23 steht eine grundsätzliche Frage, die Bibliotheken und Bibliothekswissenschaft nur im Dialog mit den FachwissenschaftlerInnen beantworten können:

Werden Daten ein neues/das neue Arbeitsfeld für Bibliotheken?

In der Konkretisierung fragt LIBREAS u.a. auch:

Wie nehmen die Forschenden die Bibliotheken wahr, wenn diese von Forschungsdatenmanagement sprechen?

LIBREAS würde sich aus diesem Grund sehr freuen, neben Beiträgen von Akteuren, die konkret mit der Entwicklung und dem Betrieb Infrastrukturen für Forschungsdaten befasst sind, auch Beiträge von AutorInnen aus den geisteswissenschaftlichen Disziplinen, die diese Infrastrukturen nutzen (sollen/wollen) zu erhalten.

Den ausführlichen Call for Papers gibt es im LIBREAS-Weblog: Call for Papers: Forschungsdaten, Metadaten, noch mehr Daten. Forschungsdatenmanagement.

Weitere Fragen beantwortet die LIBREAS-Redaktion sehr gern via redaktion@libreas.eu.

LIBREAS.Library Ideas ist eine seit dem März 2005 bestehende e-only Open-Access-Zeitschrift.

Sämtliche in LIBREAS veröffentlichten Beiträge werden auf dem E-Doc-Server der Humboldt-Universität zu Berlin archiviert und über das Directory of Open Access Journals nachgewiesen.

(Anmerkung: Ben Kaden ist Mitherausgeber der Zeitschrift LIBREAS.Library Ideas.)

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1182

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Der Wikingersturm

von Tim Pleschka -

Inzwischen war es draußen stockfinster geworden. Der Himmel war bewölkt, der Mond kaum zu sehen. Kein Licht ging von ihm aus. Gregor lag wach auf seiner Schlafstädte. Das Schnarchen Bruder Gebhards hielt ihn wach, außerdem war es recht kühl geworden. Zwi-schen den monotonen Geräuschen, die Gebhard von sich gab, herrschte tiefste Stille. Zwei Jahre waren vergangen, seit dem Tage, als der Hof seiner Eltern geplündert und gebrandschatzt wurde. Obwohl er nach seiner Flucht niemals zurückgekehrt war, wusste er, dass seine Eltern den Überfall nicht überlebt hatten. Seinen Vater hatte er sterben sehen. Die Schreie seiner Mutter und die der Magd ließenn ihn auch nach 2 Jahren noch nachts aus dem Schlaf hochfahren. Es waren marodierende Teile eines Heeres, die auf dem Weg in ihre Heimat zufällig das Gehöft antrafen.

Damals flüchtete Gregor in Richtung Norden, versteckte sich im dichten Wald. Bis er einige Tage später auf Ansgar traf, den Erzbischof der Hammaburg. Er gab ihm zu essen, gab ihm Kleidung und bot ihm an, sich seiner anzuschließen. Nach zwei Tagen Fußmarsch erreichten sie die Befestigungsanlage. Die Straße, die zur Burg führte, war gesäumt von kleinen Hütten. Rechts und links boten Händler ihre Waren feil. Sie passierten den Wall und die hölzerne Brücke über den Graben. Und nachdem sie das Tor durchschritten hatten, fühlte sich Gregor nach Tagen das erste Mal wieder einigermaßen sicher.

Der Kampf gegen die Sachsen im Norden

Es ist das Jahr 845. Seit fast zwei Jahren lebt Gregor bereits hier im kalten Norden als Novize in der Hammaburg. Sachsen bewohnten das Gebiet, wo Elbe, Bille und Alster zusammentreffen, bereits im 7. Jahrhundert. Sie betrieben Ackerbau und Viehwirtschaft. Bis Karl der Große sein Territorium zu erweitern suchte und die Sachsen dem „corpus christianum“ einverleiben wollte. An der Alster sollte ein Stützpunkt etabliert werden, von wo aus die Missionen in den Norden zur Christianisierung der Heiden organisiert werden konnten.

Zum Ausgang des 8. Jahrhunderts, von 794 bis 799, kämpfte der Stamm der Obotriten an der Seite des Frankenkönigs Karls des Großen gegen die Sachsen im nordelbischen Raum. Nach der erfolgreichen Unterwerfung der Sachsen wurden die verbündeten Obotriten hier ange-siedelt.
Zur Grenzsicherung des Frankenreiches und als Puffer zu einer weiteren Bedrohung, den verfeindeten Dänen, gründeten sie hier die geplante Siedlung. Diese hatte aber nicht allzu
lange Bestand. Schon im Jahr 808 griffen die Dänen an, besiegten die Siedler und unterwar-fen sie. Karl der Große, seit dem Jahr 800 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, sah sich gezwungen erneut vor Ort eingreifen zu müssen.

Mit seinem Heer bezwang er die Dänen und besetzte vorerst die eroberten Gebiete. Die Obotriten wurden vertrieben. Die Grenze des Reiches wurde nach Norden ausgedehnt, wodurch schließlich das Gebiet des heutigen Hamburgs gänzlich in das Reichsgebiet der Karolinger einverleibt wurde. 814 verstarb der Kaiser. Doch unter der Herrschaft seines Sohnes, Ludwigs des Frommen, florierte die Siedlung in den folgenden Jahren. Damit sich die Ereignisse nicht wiederholten, wurde zur Sicherung eine Festung begründet und aufgebaut. Die Hammaburg, wie sie in einer päpstlichen Quelle genannt wird, wurde wahrscheinlich in den zwanziger Jahren errichtet.

Eine Burg zum Schutz

Zu Norden hin, zum Schutz vor den Dänen, wurde eine Palisade errichtet. Zudem wurde die komplette Anlage, die die Größe von einem Hektar besaß, durch einen Wall gesichert. Dieser war bis zu 7 Meter hoch und hatte eine Breite von bis zu 15 Metern. Ein Graben, 7 Meter breit und 2 Meter tief umlief das ganze Areal. Von hier aus sollte auch die christliche Missionierung des paganen Nordens betrieben werden. Diese sollte allerdings erst in den dreißiger Jahren durch Ansgar erste Früchte tragen.

Diese Festung war ein Zentralisationspunkt im sonst so städtearmen Norden des Frankenreiches. Festungen solcher Art, Städte, Klöster und Burganlagen zogen Handwerker und Kaufleute an. Im Schutze der Burganlagen konnten sie ihre Waren herstellen oder ihre Dienste anbieten. Für die hergestellten Waren gab es in unmittelbarer Nähe potenzielle Käufer und zudem boten diese befestigten Anlagen im Bedarfsfall Schutz. So entstanden bereits im 8. Jahrhundert die sogenannten Wiken.

Ein Wik ist eine unbefestigte Siedlung, die nur saisonal als Handelsniederlassung dient. Der direkte Zugang zum Wasser ermöglicht das Umschlagen von Handelswaren. Diese werden dort gelagert, gekauft und gehandelt. Zahlreiche solcher Wiken sind aus dieser Epoche in-nerhalb des norddeutschen Raumes bekannt. Im Norden des Karolingerreiches war es nun auch die Hammaburg, die die Händler anzog. Diese bauten in der unmittelbaren Umgebung Hütten aus Holz, Flechtwerk und Lehm. Mittels Pfählen schufen sie Anlegeplätze für die Schiffe.

Marktrecht für die Siedlung

Zwischen den Jahren 808 und 831 florierte die Siedlung am Nordrand des Reiches. In den Jahren des Friedens bildete sich eine stadtähnliche Gesellschaft heraus. Durch Ausgrabungen wissen wir, dass um die Hammaburg mit Waffen, Tuche und Keramik gehandelt wurde. Fischer, Handwerker und Kaufleute ließen sich hier nieder. Die Siedlung aus Burg und Wik bekam das Marktrecht verliehen. Auch einen eigenen Bischof sollte die aufstrebende Stadt bald bekommen.

831 wurde das Bistum Hamburg gegründet. Von der nördlichsten Grenze des Reiches Ludwigs des Frommen, einem Sohn Karls des Großen, sollten die Heiden außerhalb der Grenzen christianisiert werden. Nur ein Jahr später ist das Bistum vom Papst Gregor IV. zum Erzbistum erhoben worden. Alle Kirchen des Nordens sollten ihr unterstehen. Dazu sollten auch die künftigen Kirchen von Slawen, Schweden oder Dänen gehören, die man zum christlichen Glauben noch bringen wollte. Zum Erzbischof ernannte Kaiser Ludwig den Benediktinermönch Ansgar, den Speer Gottes.

Bereits 823, mit 22 Jahren, lehrte und predigte der in Nordfrankreich geborene im Kloster in Corvey an der Weser. Ab 826 zeichnete er sich dadurch aus, dass er in den Norden zog, um dort zu missionieren. Der „Apostel des Nordens“ reiste noch 830/31 durch Schweden, um das Wort Gottes zu verkünden. Kaum ein anderer war bereit, die Strapazen und Gefahren einer solchen Mission auf sich zu nehmen. Der Ausgang einer solchen Unternehmung war stets ungewiss. Die Reaktionen der Heiden auf sein Anliegen waren nicht vorauszusehen und das Reisen selbst war auch nicht ungefährlich. Doch waren seine Reisen mit Erfolg gekrönt. Viele ließen sich bekehren, wechselten zum christlichen Glauben.

Nach seiner Berufung zum Erzbischof ließ er innerhalb der Anlage der Hammaburg eine Taufkapelle errichten. Der Bau aus Holz wurde der Mutter Gottes geweiht. Ein Kloster und eine Bibliothek sollten bald folgen. Heiligenreliquien fanden ihren Weg in die Kapelle. Ansgar missionierte unermüdlich weiter, ließ im Umfeld Schulen, Kirchen und Hospize errichten, nahm sich selbst der Kranken an. Zum Marktrecht der Siedlung folgten bald das Zoll- und Münzrecht. Jedoch dürften 845 in der Hammaburg nicht mehr als 40 oder 50 Menschen ge-lebt haben. In dem Wik waren es wohl an die 200.

Angriff der Nordmänner

Plötzlich fing an Hund an zu bellen und durchbrach die Stille, die zwischen dem Schnarchen einsetzte. Kurz darauf hörte Gregor ein Baby schreien. Draußen wurde es unruhig. Gregor entzündete ein Licht und streifte seine Kutte über. Er stand an der Tür. Lauschte. Auch Gebhard war inzwischen wach geworden. Gregor stieß die Tür auf, trat hinaus und blickte sich um. An der Südseite der Burg wurde es hell. Ein warmer Wind zog an ihm vorüber. Manche liefen wild umher. Plötzlich kam Ansgar aus dem Dunkel auf Gregor zu. Er trug keine Kutte. „Die Nordmänner kommen“. Dann machte er sich schnell wieder davon.

Gregor hatte die Geschichten gehört, die die Händler erzählten. Aus dem Nichts sollen sie auftauchen. Hunderte Schiffe mit Drachenköpfen. Die Loire sind sie hinaufgesegelt, haben Nantes, Toulouse und Paris dem Erdboden gleichgemacht. Niemand soll sie aufhalten können, die Geißeln Gottes. Niemand kann sich retten. Und Herr Bernhard, der Vertreter des fränkischen Königs und Befehlshaber, war gestern abgereist.
Gregor fand Ansgar in der Marienkirche, der dort die Reliquien und anderes in Beutel stopfte. Er werde nach Süden reiten, nach Bremen. Für die Verteidigung sei es zu spät. Man müsse fliehen.

Gregor lief zurück zu seiner Hütte. Bruder Gebhard war nicht mehr da. Er schnappte sich was er konnte und lief wieder hinaus. Als er nach Süden blickte, sah er, dass es brannte. Am Feuer vorbei liefen etliche Gestalten. Gregor erkannte nur deren Umrisse. Sah, wie diese scheinbar größer wurden, sich näherten. Dann plötzlich zerstreuten sie sich in alle Richtungen. Schnell schlich er hinter die Hütte, wo er sich vorerst versteckte.

Es wurde immer heller. Das Feuer breitete sich aus. Menschen liefen brennend aus ihren Hütten. Gregor sah im Schein der Flammen, wie zwei bärtige Männer, mit Pelz bekleidet, einen seiner Brüder mit einer Axt erschlugen. Er wehrte sich nicht. Von der anderen Seite näherten sich drei Gestalten der Hütte, hinter der er sich versteckte. Im Schatten der Flammen schlich er von Hütte zu Hütte weiter in Richtung Tor. Bettelnde Mönche wurden auf den Platz gezerrt. Sie flehten, baten um Gnade und um ihr Leben. Nach einem Schlag auf den Kopf verstummten sie und sackten zusammen. Hin und wieder hörte man ein Lachen oder das Schreien von Frauen. Eine schrie in der Hütte hinter der sich Gregor gerade verschanzte. Dazwischen das Gelächter mehrerer Männer. Ein dumpfer Schlag, dann wurde es still in der Hütte.

Flucht aufs freie Feld

Gregor hielt einen Augenblick inne. Dann schlich er weiter zu dem Tor, noch immer hinter der Häuserreihe. Als er das Tor erreichte, lief er los. Durch das Tor, durch den Wik aufs freie Feld hinaus. Links im Fluss sah er die Schiffe stehen. Zehn, vielleicht zwölf, vielleicht mehr. Das Baby schrie nicht mehr. Auch der Hund hatte aufgehört zu bellen. Gregor erreichte den Wald und kroch in das Dickicht.

Erst nach zwei Tagen verließen die Wikinger die Hammaburg. Einige Frauen nahmen sie mit sich. Brüder oder andere Männer sah Gregor nicht unter ihnen. Sie beluden die Schiffe, und fuhren nach Norden ab. Er wartete noch, bis die Sonne aufging. Dann ging er zurück zur Burg. Es war noch immer heiß hier. Manches glühte noch und Rauch stieg auf. Etliche Leichen lagen verstreut. Dazwischen einzelne Körperteile, nackte Frauen. Vorräte und Wertgegenstände waren nicht zu finden.

Gebhard und ein weiterer Bruder kamen ebenfalls zurück zur Burg. Sie berichteten, dass Ansgar hatte entkommen können. Er sei nach Süden geflüchtet, nach Bremen. Nach kurzer Verweildauer wurde den Mönchen klar, dass hier für sie nichts weiter zu tun sei. So machten sie sich schließlich auch nach Süden auf.
Nach der Plünderung der Wikinger war die Hammaburg zerstört. Sie wurde nicht wieder er-richtet. Zwei Jahre nach der dem Vertrag von Verdun und der Teilung des Frankenreiches war die Hammaburg den Einfällen der Wikinger schutzlos ausgeliefert. Inwieweit der Wik hingegen zerstört wurde, lässt sich nicht rekonstruieren. Allerdings erholte dieser sich rasch von dem Angriff und breitete sich weiter aus.

Ansgar blieb in Bremen, das 848 dem Erzbistum Hamburg angeschlossen wurde. Fortan wurde es von Bremen aus verwaltet. Ansgar leitete das Erzbistum Hamburg-Bremen bis zu seinem Tode im Jahr 365. Die Missionierung des Nordens blieb nicht flächendeckend. Die einzelnen Erfolge Ansgars waren nicht von Dauer. Und durch die Zerstörung der Hammaburg unterlag die Christianisierung der Heiden beinahe 100 Jahre dem Stillstand.

Literatur:

  • Marlies Lehmann-Brune, Harald G. F. Petersen: Hamburg. Geburt einer Weltstadt, Nor-derstedt 2012.
  • Eckart Klessmann: Geschichte der Stadt Hamburg, Hamburg 2002.
  • Manfred Krieger: Geschichte Hamburgs, München 2006.
  • Hans K. Schulze: Vom Reich der Franken zum Land der Deutschen. Merowinger und Karolin-ger, aus der Reihe Siedler Deutsche Geschichte, Bd. 2, Berlin 1998.

Quelle:

  • Rimbert: Vita Anskarii, Übersetzt von G. Waitz, Hannover 1884.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=687

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Aufruf zur Mitarbeit: Das Frühneuzeit-Blog der RWTH Aachen ist ein Gemeinschaftsblog, in dem alle an der Frühen Neuzeit Interessierten mitschreiben können

Schon das AGFNZ-Blog war ein Gemeinschaftsblog:

“Es ist als Gemeinschaftsweblog konzipiert und für AutorInnen offen, die dieses Format im thematischen Rahmen der Frühen Neuzeit nutzen wollen.” (Erster Eintrag vom 23. September 2010)

Das Frühneuzeit-Blog der RWTH Aachen führt das AGFNZ-Weblog weiter, dessen Beiträge importiert wurden (siehe “Abschied vom AGFNZ-Blog” vom 12. September 2011).

Getragen seit Ende 2011 vom Lehr- und Forschungsgebiet Frühe Neuzeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Professur Christine Roll, ist es offen für alle Beiträge, die zu dem Profil passen, das im ersten Eintrag vom 23. September 2010 skizziert wurde: “Digitales wird einen besonders hohen Stellenwert in diesem Blog haben. Wir wollen keine Buchbesprechungen und kommerzielle Werbung, weisen aber gern auf (seriöse) kostenlose Online-Publikationen hin. Wir wollen nicht das Rad neu erfinden: Was H-SOZ-U-KULT besser leistet, etwa das Ankündigen von Veranstaltungen und die Mitteilung der Tagungsberichte, wollen wir nicht kopieren. Was dort fehlt, beispielsweise Hinweise zu neuen Ausstellungen oder zu einem Frühneuzeit-Video auf Youtube, ist schon eher für uns relevant.”

Anders als das von der Regensburger Frühneuzeit-Historikerin Maria Rottler im Herbst 2012 gegründete Gemeinschaftsblog Ordensgeschichte, über dessen beispiellosen Erfolg wir uns sehr freuen, registrieren wir keine AutorInnen “auf Vorrat”. Wer einen Beitrag für uns hat, sendet diesen bitte an fnzblog at histinst.rwth-aachen.de und erhält dann eine Zusage (und einen Account für weitere Beiträge) oder eine Absage mit Begründung/Bitte um Überarbeitung.

Wir freuen uns auf Beiträge!

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1359

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Aufruf zur Mitarbeit: Das Frühneuzeit-Blog der RWTH Aachen ist ein Gemeinschaftsblog, in dem alle an der Frühen Neuzeit Interessierten mitschreiben können

  Schon das AGFNZ-Blog war ein Gemeinschaftsblog: “Es ist als Gemeinschaftsweblog konzipiert und für AutorInnen offen, die dieses Format im thematischen Rahmen der Frühen Neuzeit nutzen wollen.” (Erster Eintrag vom 23. September 2010) Es führt das AGFNZ-Weblog weiter, dessen Beiträge importiert wurden (siehe “Abschied vom AGFNZ-Blog” vom 12. September 2011). Getragen seit Ende 2011 vom Lehr- und Forschungsgebiet Frühe Neuzeit an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, Professur Christine Roll, ist es offen für alle Beiträge, die zu dem Profil passen, das im ersten Eintrag vom 23. September 2010 skizziert wurde: “Digitales wird einen besonders hohen Stellenwert in diesem Blog haben. Wir wollen keine Buchbesprechungen und kommerzielle Werbung, weisen aber gern auf (seriöse) kostenlose Online-Publikationen hin. Wir wollen nicht das Rad neu erfinden: Was H-SOZ-U-KULT besser leistet, etwa das Ankündigen von Veranstaltungen und die Mitteilung der Tagungsberichte, wollen wir nicht kopieren. Was dort fehlt, beispielsweise Hinweise zu neuen Ausstellungen oder zu einem Frühneuzeit-Video auf Youtube, ist schon eher für uns relevant.” Anders als das von der Regensburger Frühneuzeit-Historikerin Maria Rottler im Herbst 2012 gegründete Gemeinschaftsblog Ordensgeschichte, über dessen beispiellosen Erfolg wir uns sehr freuen, registrieren wir keine AutorInnen “auf Vorrat”. Wer einen Beitrag für uns hat, sendet diesen bitte an fnzblog at histinst.rwth-aachen.de und erhält dann eine Zusage (und einen Account für weitere Beiträge) oder eine Absage mit Begründung/Bitte um Überarbeitung. Wir freuen uns auf Beiträge!    

Quelle: http://frueheneuzeit.hypotheses.org/1359

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Neue TextGrid-Webseite online

Seit kurzem ist die neue, rundum überarbeitete TextGrid-Webseite online:

http://textgrid.de/

Ziel des Relaunchs war es, neben einer frischeren Anmutung vor allem eine nutzerorientierte, anwenderfreundliche Präsentation der Inhalte anzubieten. Damit einher geht eine wesentlich vereinfachte Navigation. Sie basiert auf den „drei Säulen“ von TextGrid: Laboratory, Repository und Dokumentation / Hilfe. Auch die Angebote an die Community sind nun – durch Mailinglisten sowie die Möglichkeit, im Rahmen der Webseite eigene Projekte und Anwendungsfälle zu präsentieren und zu diskutieren – stark erweitert.

Struktur und inhaltliches Konzept der neuen Seiten richten sich an Nutzerinnen und Nutzer, die einen schnellen Einstieg in Funktionen und Dienste der Virtuellen Forschungsumgebung suchen.

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1174

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Das Projekt „Stolpertonsteine“ Hamburg

von Marek Schossek -

Auf den kleinen Messingplatten stehen Namen und Daten: Elizabeth Lange, geb. 7.7.1900, gestorben am 28.1.1944 im KZ Fuhlsbüttel; Jonny Rummel, geb. 15.12.1924, erschossen am 8.2.1945 in Königsberg. Die Gedenksteine begegnen uns überall in Hamburg vor den Häusern, in denen diese Menschen einst gewohnt haben.

Sie zeugen von den Verbrechen, die an ihnen verübt wurden. Gemeint sind die Stolpersteine. Wir nehmen sie sicherlich an den meisten unserer täglichen Wege gar nicht mehr wahr. Und doch wird wohl jeder von uns hin und wieder über die Steine geistig stolpern und sich fragen:  “Was für Geschichten haben diese Menschen wohl gehabt?”

Die Vertonung der Stolpersteine

Seit 1995 erinnert der Kölner Künstler Günter Demnig mit den Stolpersteinen an die Opfer des Nationalsozialismus. Eine seiner Intentionen ist es, den ,in den Konzentrationslagern zu Nummern degradierten Opfern, ihre Namen zurückzugeben. Dass heute noch etwas mehr möglich ist, zeigen aktuell die beiden Studentinnen Marta Werner und Sarah Dannhäuser. Mit ihrem Projekt der „Stolpertonsteine“ haben sie die Biographien von 20 Opfern vertont. Die Idee kam den beiden angehenden Medienwissenschaftlerinnen, während eines Seminars. In neun Monaten und in Kooperation mit der Landeszentrale für politische Bildung, sowie dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden. sind die „Stolpertonsteine“ entstanden.

Die beiden betonen, dass es ihnen wichtig ist, neben dem neuen Zugang zu den Biographien auch die verschiedenen Schicksale zu zeigen. Die 20 Biographien, die momentan über die Internetseite www.stolpersteine-hamburg.de und der Smartphone App (“Stolpersteine in Hamburg”) abrufbar sind, wurden mit ehrenamtlichen Sprechern aufgenommen. Unter ihnen Persönlichkeiten wie der Moderator Carlo von Tidemann oder der Schauspieler Tim Kreuer. Gelesen werden dabei nicht nur die Lebensläufe, sondern auch persönliche Aufzeichnungen der Opfer und ihrer Familien. Durch die Untermalung mit passenden Umgebungsgeräuschen werden die gelesenen Passagen zu kleinen Hörspielen. So hört man z.B. bei einer in einer Bar spielenden Szene die passenden Hintergrundgeräusche. Durch den Hörspielcharakter gewinnen die Stolpertonsteine eine Dimension, die die erwähnte Intention Demnigs übertrifft. Die Opfer gewinnen nicht mehr nur ihre Namen, sie bekommen einen Teil ihrer Geschichte zurück.

Es braucht nur Zeit und ein Smartphone

Im Augenblick ruht das Projekt der Studentinnen, die beiden arbeiten gerade an ihren Master-Abschlüssen. Es soll aber nach Möglichkeit weiter geführt werden. Material gibt es noch mehr als genug. Seit 2002 wurden in Hamburg 4326 privat finanzierte Stolpersteine verlegt. Es liegen noch gut 250 weitere Anträge auf Patenschaften vor. Und seit dem Herbst 2006 haben Forscher des Projektes “Biographische Spurensuche”, mehr als 1000 Biografien zu den in der Stadt gesetzten Stolpersteinen, erarbeitet. Dieses von den begleitenden Instituten geleitete Projekt, liefert die Grundlage für die von Marta Werner und Sarah Dannhäuser bisher produzierten „Stolpertonsteine“.

Die Frage nach der Geschichte der Opfer auf den Stolpersteinen, lässt sich jetzt einfacher beantworten. Wir brauchen nur noch ein Smartphone und etwas Zeit, Zeit um uns die Geschichten von diesen Menschen anzuhören. Menschen wie: Josef Schupp, geb. 11.3.1893, hingerichtet am 11.10.1944 im KZ Sachsenhausen, Heinrich Habitz GEN.“ Liddy Barcroff“ geb. 19.8.1908, gestorben am 6.1.1943 KZ Mauthausen.

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=666

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«Lecture des sources historiennes à l’ère numérique». Ein Kommentar

Unser geschätzter Kollege Frédéric Clavert vom Centre Virtuel de la Connaissance sur l’Europe in Luxembourg hat kürzlich in seinem Blog einen interessanten Post über die Quellenlektüre im digitalen Zeitalter publiziert. Darin unterscheidet er einerseits close reading und distant reading, andererseits lecture humaine und lecture computationelle. Mit diesen beiden «Achsen» gelingt es Clavert, eine gewisse Struktur […]

Quelle: http://weblog.hist.net/archives/6563

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