„Drei Fragen an …“ Nelleke van Zeeland – Vorschau: Offene Archive 2.3 (12)

Frage 1:
Klassifikationen kennen alle Archivarinnen und Archivare gut: Wie würden Sie sich selbst in drei kreativen Hashtags beschreiben?

Nelleke van Zeeland:

#curious #crowd #Amsterdammer

Frage 2:
Archivarinnen und Archivare sind eine seltene Spezies, zu deren Berufsalltag fensterlose Magazine und komplexe Zugangsrechte zählen: Wie erklären Sie Außenstehenden Ihre Arbeit?

Nelleke van Zeeland:
My work is about making information that would interest you available for you in the simplest possible way and keeping it available for ever.

Frage 3:
Wir sind momentan in der größten Medienrevolution seit der Erfindung des Buchdrucks: Wenn Sie einen Wunsch zu Archiven in der digitalen Welt frei hätten, wie würde er lauten?



[...]

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/4554

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„Drei Fragen an …“ Nelleke van Zeeland – Vorschau: Offene Archive 2.3 (12)

Frage 1:
Klassifikationen kennen alle Archivarinnen und Archivare gut: Wie würden Sie sich selbst in drei kreativen Hashtags beschreiben?

Nelleke van Zeeland:

#curious #crowd #Amsterdammer

Frage 2:
Archivarinnen und Archivare sind eine seltene Spezies, zu deren Berufsalltag fensterlose Magazine und komplexe Zugangsrechte zählen: Wie erklären Sie Außenstehenden Ihre Arbeit?

Nelleke van Zeeland:
My work is about making information that would interest you available for you in the simplest possible way and keeping it available for ever.

Frage 3:
Wir sind momentan in der größten Medienrevolution seit der Erfindung des Buchdrucks: Wenn Sie einen Wunsch zu Archiven in der digitalen Welt frei hätten, wie würde er lauten?



[...]

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/4554

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Wollen Archive (mehr) Nutzer?

„Neue Wege ins Archiv. Nutzer, Nutzung, Nutzen“, das war der schöne Titel, unter dem im September 2014 der 84. Deutsche Archivtag in Magdeburg stattfand. Den Nutzer einmal in den Mittelpunkt der Diskussion zu rücken, war eine gelungene Idee, denn eigentlich spielt er eine seltsame Rolle im Archivwesen: Er steht am Ende aller archivischen Arbeitsprozesse, und erst wenn wir Archivarinnen und Archivare alle Bewertungs-, alle Erschließungs-, alle Ordnungsarbeiten geleistet haben, dann kommt er ins Spiel, zu einem Zeitpunkt also, an dem wir die konkrete Arbeit mit dem Archivgut abgeschlossen haben. Und eigentlich spielt es für uns auch nur eine zweitrangige Rolle, ob der Nutzer kommt oder nicht; die archivische Arbeit wird davon nicht beeinflusst, wir bewerten oder erschließen auch völlig ohne irgendwelche Nutzer.

Angesichts dieser nachgeordneten Rolle durfte es allerdings nicht verwundern, dass der Nutzer auf dem Archivtag – trotz des Themas! – nur eine geringe Rolle spielte. Tatsächlich wurde nämlich weniger über den Nutzer gesprochen als vielmehr über die Nutzung. Ist das Wortklauberei? Keineswegs, denn das, was vorgetragen wurde, das war meistens eine archivische Binnenperspektive: Aus organisationsinterner Sicht wurde die Nutzung als Element der archivischen Arbeit wahrgenommen und diskutiert. Nutzung erschien als Prozess, den Archive in unterschiedlicher Form ausgestalten und reglementieren, bevor Nutzer dann innerhalb der geschaffenen Infrastrukturen (z.B. Archivportale) aktiv werden können. Kurz gesagt: Archive sprachen über ihre internen Arbeitsabläufe. Wie die Außenperspektive aber aussehen mag, mit welchen Erwartungen und Interessen der Nutzer an ein Archiv herantritt, welche Rolle dem Nutzer im Archiv zukommen könnte oder sollte, solche Fragen wurden kaum einmal thematisiert. Verstärkt wurde dieser Eindruck dadurch, dass der Nutzer auch gar nicht auf dem Archivtag präsent war, seine Perspektive also gar nicht in die Diskussion eingebracht werden konnte. Es wurde über den Nutzer gesprochen, nicht aber mit ihm. Vermutlich wissen Archive nicht genau, was ihre Nutzer wollen. Wie sollten sie auch, wenn der Nutzerkontakt sich in der traditionellen Bereitstellung erschöpft, alle weiteren Kommunikationsmöglichkeiten – etwa über Soziale Medien – aber weithin ungenutzt bleiben. Gegenwärtig machen Archive weitgehend unberührt von Nutzermeinungen bestimmte Nutzungsangebote, die vorwiegend dahin tendieren, die klassischen Einsichtsmöglichkeiten des Lesesaals in den virtuellen Raum zu spiegeln (und im Wesentlichen noch auf die Findmittel beschränkt sind). Eine maßgebliche Nutzerorientierung bedeuten solche Nutzungsangebote jedoch nicht.

Leider ist diese Tatsache nichts Neues. Auch auf diesem Archivtag habe ich dafür plädiert, den virtuellen Nutzerkontakt doch interaktiv und kommunikativ auszugestalten, den Nutzer als Aspekt archivischer Arbeit zu sehen, der mehr verdient hat, als am Ende einen Lesezugriff auf Archivgut zu erhalten. Auch andere Kolleginnen und Kollegen versuchten zu zeigen, wie man Nutzer – zu beiderseitigem Gewinn! – in die archivische Arbeit integrieren kann. Genannt seien etwa Joachim Kemper vom Stadtarchiv Speyer und Jochen Hermel vom Historischen Archiv der Stadt Köln, die funktionierende Konzepte ihrer eigenen Häuser vorstellten, wie ein Miteinander von Archiven und Nutzern aussehen kann. Dort funktioniert der virtuelle Nutzerkontakt schon in anderen Dimensionen als der bloßen Bereitstellung, etwa durch die alltägliche Vermittlung archivischer Anliegen und Arbeiten, das proaktive Zugehen auf die Nutzer und ihre Interessen oder das Angebot zur Arbeit mit dem Archivgut (z.B. Kommentierungen, Transkriptionen). Leider handelt es sich hierbei um Ausnahmefälle im deutschen Archivwesen, vergleichbare Ideen und Konzepte sind nicht ansatzweise flächendeckend vertreten oder auch nur angedacht.

Warum ist das so? Warum bleibt der Nutzer auf die traditionelle Rolle als mäßig umsorgtes Subjekt am Ende der archivischen Arbeitsprozesse beschränkt? Warum werden interaktive, kommunikative oder kollaborative Elemente von den deutschen Archiven nur so schwach rezipiert (in einem spürbaren Gegensatz zur internationalen fachlichen Entwicklung, von vielen anderen Alltagsbereichen ganz zu schweigen)? Offen ausgesprochen werden Gründe für eine solche Ablehnung kaum einmal, zumal ebendiese meist auch gar nicht sonderlich reflektiert erscheint, sondern sich aus Desinteresse, Unwissen und/oder Unverständnis speist. Argumentiert wird in diesen Fällen gerne mit dem erhöhten Arbeitsaufwand, der hierfür geleistet werden müsse, oder mit einer grundsätzlichen Diskussion, die überhaupt erst einmal geführt werden müsse. Selbstverständlich spricht vieles für einen durchdachten Umgang mit Ressourcen und Zielvorstellungen, aber mittlerweile glaube ich, dass diese Fragen eher sekundärer Natur sind. Schlimmer noch: Möglicherweise verstellen sie den Blick auf das Wesentliche. Die Frage scheint mir nämlich grundsätzlicher gestellt werden zu müssen. Wenn viele Archive sich den mannigfaltigen Möglichkeiten des virtuellen Nutzerkontakts verweigern, dann muss die Frage nämlich lauten: Wollen Archive einen veränderten Nutzerkontakt? Wollen Archive einen intensiveren Nutzerkontakt? Oder auch: Wollen Archive überhaupt (mehr) Nutzer?

Grundsätzlich gilt es festzuhalten, dass Nutzer für Archive nicht den Stellenwert haben, den etwa Kunden für Unternehmen genießen. Archive hängen nicht mit ihrer Existenz an der Zahl ihrer Nutzer. Wenn ein Unternehmen keine Kunden mehr hat, dann geht es pleite. Wenn ein Archiv keine Nutzer mehr hat, dann bleibt mehr Zeit für Erschließungs- oder gar Forschungsarbeiten. Gut, das ist etwas zugespitzt formuliert, dürfte aber den Kern der Sache treffen. Daraus resultiert natürlich eine mindestens unterschwellige Mentalität, andere Dinge als den Nutzer in den Mittelpunkt der archivischen Arbeit zu stellen. Bestandserhaltung, Ordnungsarbeiten, Überlieferungsbildung und vieles andere mehr hat für Archivarinnen und Archivare eine ähnliche oder höhere Priorität. Die logische Folge sind die Defizite im Nutzerkontakt, die wir gegenwärtig sehen (und über die auf dem Archivtag bemerkenswert wenig gesprochen wurde): Das gilt für den analogen Nutzerverkehr mit mancherlei Gängelungen (Fotografierverbote, Öffnungszeiten, Lesesaalausstattungen etc.), das gilt insbesondere aber für die mangelnde Präsenz der Archive in der virtuellen Welt. Archive müssen erst einmal nicht auf ihre Nutzer zugehen, sie müssen nicht offensiv um ihre Nutzer werben, sie müssen keine Nutzungsangebote schaffen, sie müssen keine Serviceleistungen anbieten, sie müssen keine Kundenbindungen aufbauen. Allein Zugänglichkeit müssen sie sicherstellen und dieses Kriterium kann auch mit dem Aufschließen des Lesesaals an ein paar Stunden in der Woche und der Vorlage einiger maschinengeschriebener Findbücher erfüllt werden. Nur vor diesem Hintergrund kann man verstehen, warum das Engagement der Archive im digitalen Bereich so zurückhaltend ist, gerade auch im Vergleich zu den benachbarten Kulturinstitutionen wie Bibliotheken und Museen. Nur vor diesem Hintergrund kann man verstehen, warum große Teile des Plenums applaudieren, wenn bei der Magdeburger Podiumsdiskussion ein Unverständnis über die Nutzung von Twitter geäußert wird, warum ein Kollege offensiv vertreten kann, für nur 500 Interessenten würde er doch keinen Facebook-Account betreiben, oder auch warum ein großes deutsches Archiv eine Kooperation mit Wikimedia nicht fortsetzt, obwohl die entsprechende Bildernutzung massiv zugenommen hat. Der Nutzer ist nur ein Faktor der archivischen Arbeit und er genießt wohl nicht die höchste Priorität im archivischen Denken und Handeln. Wenn der virtuelle Nutzerkontakt momentan eher schleppend anläuft, dann aus dem einen Grund, dass Nutzerorientierung kein existentielles Anliegen der Archive ist. Die strategische Frage, ob Archive Nutzer wollen oder genauer, ob Archive mehr Nutzer wollen, dürfte gegenwärtig kaum mit einem eindeutigen Ja beantwortet werden. Auf eine Bejahung dieser Frage würde aber nahezu jede intensivierte Aktivität im virtuellen Raum hinauslaufen. Da diese Frage aber eben nicht grundsätzlich bejaht werden dürfte, bleibt auch das virtuelle Engagement nur schwach ausgeprägt.

Es bleibt die abschließende Frage, ob diese Haltung sinnvoll ist. Natürlich vertrauen Archive gegenwärtig darauf, dass sie ein Monopol auf das von ihnen verwahrte Kulturgut haben. Wer Archivgut nutzen will, muss ins Archiv kommen, so lautet das Kalkül. Aber schon viele Branchen mussten erleben, dass das digitale Zeitalter neue Rahmenbedingungen setzt – und Archive dürften davor nicht gefeit sein. Spürbar sind diese neuen Rahmenbedingungen bereits jetzt, z.B. in den deutlich umfangreicher digitalisierten Bibliotheksbeständen oder auch in den vielfältig online vorliegenden audiovisuellen Medien (auch und gerade aus dem nicht originär archivischen Umfeld). Dort liegt ein erhebliches Reservoir von digitalem Kulturgut vor, das manche Archivnutzung substituieren kann, zumal nicht wenige dieser Angebote hochgradig nutzerzentriert angelegt sind: neben der bloßen Ansicht gehören Funktionalitäten zur Weiternutzung hier zur Normalität. Das sollte uns zu denken geben, denn eine vergleichbar ernst genommene Nutzerorientierung dürfte ein wichtiger Bestandteil der Zukunftsfähigkeit von Archiven sein. Die Fachdiskussion andernorts ist hier schon weiter, stellvertretend – und gleichzeitig auch abschließend – sei die amerikanische Kollegin Kate Theimer zitiert, die für ein neues Geschäftsmodell der Archive plädiert: Nicht der Umgang mit dem historischen Material müsse das Kernanliegen der Archive sein, sondern der Umgang mit den Nutzern: „Archives add value to people’s lives by increasing their understanding and appreciation of the past.“ Viel deutlicher ist die Nutzerorientierung von Archiven nicht zu denken.

Aktueller Nachtrag: Am 21. Oktober 2014 fand die zweite Nutzerkonferenz des Historischen Archivs der Stadt Köln statt (soweit ich sehe, die einzige Veranstaltung dieser Art in der deutschen Archivlandschaft). Dort diskutierten Vertreter unterschiedlicher Nutzergruppen über Angebote und Arbeit des Archivs. Wenig verwunderlich zielten die Nutzerinteressen auf einen guten Online-Zugang zum Archivgut, auf eine attraktive Online-Aufbereitung von bestimmten Themengebieten der (Stadt-)Geschichte, auf eine lebendige digitale Kommunikation von Archiv und Nutzern (auch und gerade über Soziale Medien) und ganz grundsätzlich auf eine Willkommenskultur, die dem Nutzer signalisiert, er ist im Archiv gerne gesehen und wird als wichtiger Bestandteil der archivischen Arbeit wertgeschätzt.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/2123

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Startbahn, Spielwiese oder Sackgasse? Erfahrungen mit dem Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW

 

Vor kurzem machte ich beim archivischen Alltagsgeschäft eine interessante Entdeckung: Es ging um Überlieferungsbildung, in meinem Büro stapelten sich Akten einer Akzession des Polizeipräsidiums Mönchengladbach. Nicht die wirklich spannenden Einsatzakten, sondern eher polizeiliche Verwaltungstätigkeit. Hier war der nicht allzu seltene Fall eingetreten, dass die Akten einfach in einem Kellerraum gelagert und dort über Jahrzehnte mehr oder weniger vergessen wurden; die Akzession beinhaltete also durchaus Akten der 1960er und 1970er Jahre.

Bei der schnellen Durchsicht fiel ein Briefkopf ins Auge: „Hauptstaatsarchiv Düsseldorf“ – Spuren also der eigenen Amtsvorgänger: Im Mai 1968 bat der zuständige Dezernent des Hauptstaatsarchivs um einen Termin, um sich einen Überblick über die vorhandenen Akten zu verschaffen. Im Juni 1968, nach absolviertem Besuch, teilte das Hauptstaatsarchiv der Polizeibehörde mit, welche Aktenzeichen man für archivwürdig erachte und bitte in ein Aussonderungs­verzeichnis aufzunehmen seien. Danach passierte erst einmal nichts mehr. Im September 1969 fragte das Hauptstaatsarchiv den momentanen Sachstand ab und erhielt einen entschuldigenden Verweis auf andere dringende Arbeiten und eine sehr angespannte Personallage. Im März 1970 übersandte dann die Schutzpolizei eine Anbietungsliste mit immerhin 25 Aktenordnern. Das Hauptstaatsarchiv bewertete diese Liste, schlug aber vor, mit der Übernahme zu warten, bis auch die Kriminalpolizei ihre Akten angeboten habe. Offenkundig ein Fehler, denn das dauerte. Im August 1971 erfolgte hier die nächste Anfrage, im Dezember 1971 dann die Antwort, dass die Aussonderungsarbeiten bei der Kriminalpolizei noch nicht abgeschlossen seien. Im Dezember 1973 startete das Hauptstaatsarchiv dann die nächste Anfrage, mit dem Ergebnis, dass im Januar 1974 tatsächlich eine Anbietung erfolgte – von sage und schreibe einer einzigen Akte. Der Vorgang endet übrigens mit einem erneuten Schreiben des Hauptstaatsarchivs vom August 1974, man hätte der Presse entnommen, dass auf der Schlibecker Mülldeponie Akten der Polizei­direktion Mönchengladbach gefunden worden seien. Die Abgabepflicht solle doch bitte beachtet werden.

 

Traditionelle Arbeitsstrukturen

Warum erzähle ich Ihnen diese Geschichte? Nach dem ersten Schmunzeln fiel mir auf, dass diese Akzession zwar zeitlich langdauernd und inhaltlich mager verlief, mir – und wahrscheinlich Ihnen genauso – der dahinter stehende Workflow aber sehr bekannt vorkommt: Anschreiben der Behörde, Bitte um Anbietungen, Nachhaken nach Antwort, Umgang mit Vertröstungen, Betonung der Anbietungspflicht, Abgabe von Akten, Zweifel an der Vollständigkeit. Die Kollegen vor mehr als einem halben Jahrhundert haben ihre Arbeit also genau so erledigt, wie ich das auch heute noch mache. Gut, die Kollegen haben Briefe geschrieben, ich Mails, und die Aussonderungsliste lag damals in Matrizen-Form vor und heute im Excel-Format. Die eigentliche Aufgabenerledigung hat sich in ihrer Struktur aber kein bisschen verändert.

Und dieser Befund scheint mir für viele Strukturen im Archivwesen symptomatisch zu sein: Die Behördenbetreuung funktioniert heute genau so wie vor 50 Jahren, die Lesesäle funktionieren heute genau so wie vor 50 Jahren, der Nutzerkontakt läuft heute genau so ab wie vor 50 Jahren, Fachaufsätze werden so publiziert wie vor 50 Jahren. Dass in dem genannten halben Jahrhundert sich aber nicht weniger als eine digitale Revolution abgespielt hat und auch weiterhin abspielt, ist praktisch nicht zu erkennen. Gut, wir alle haben eine Homepage, die – mal mehr, mal weniger umfassend – Informationen im Internet bereit stellt. Die Funktionalität hinter dieser Homepage ist aber sehr traditionell: Der Betreiber stellt Informationen zur Verfügung, die Besucher müssen sich mit der Rolle des passiven Rezipienten begnügen. Interaktion und Kommunikation, ein virtueller Dialog, sind strukturell überhaupt nicht angelegt.

Wenn nun ein Findbuch online statt gedruckt vorliegt, wenn eine Veranstaltung nicht per Flyer, sondern per Mailingliste beworben wird, wenn Formulare zwar download­bar sind, nur um dann postalisch zurückgeschickt werden zu müssen, dann hat ein Archiv seinen analogen Arbeits- und Denkstrukturen vielleicht ein digitales Mäntlein umgehängt, aber es hat seine Arbeit nicht digital definiert. Von genuin digitalen Funktionalitäten kann noch überhaupt keine Rede sein. Damit soll überhaupt nicht die erhebliche Leistung geschmälert werden, Beständeübersichten, Findmittel und auch Digitalisate online zu bekommen, für solche persistenten Informationen ist eine Homepage (auch in Form eines Archivportals) auch prädestiniert, man sollte sich nur bewusst sein, dass mit diesem Prozedere nichts anderes gemacht wird, als den Lesesaal, eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, auf eine statische Homepage, eine Erfindung des späten 20. Jahrhunderts, zu transferieren. Der Entwicklungsstand des Internets mindestens der letzten zehn Jahre wird davon aber gar nicht berührt: das Social Web mit allen seinen Medien und Möglichkeiten.

Neue Medien

Hier möchte ich mit meinem heutigen Vortrag anknüpfen. Ich will Anregungen geben, wie ein Archiv versuchen kann, sich von den statischen Strukturen des traditionellen Internets zu lösen und in den sozialen Medien präsent zu sein. Konkret gemeint ist – Sie haben es dem Titel entnommen – das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen und sein Auftritt in dem sozialen Netzwerk Facebook. Versuchen, auf diesem Wort soll hier die Betonung liegen, denn es ist gegenwärtig noch ein vorsichtiges Austesten eines neuen Mediums; auch das Landesarchiv NRW hat keine ausformulierte digitale Strategie, wie mit all den neuen Entwicklungen umgegangen werden soll. Dem Dreiklang des Vortragstitels folgend, befinden wir uns also gerade auf der Spielwiese, wo wir schauen, was man so mit dem Medium anstellen kann.

Über den Nutzen von Facebook für Kultureinrichtungen im Allgemeinen und Archive im Speziellen muss ich dem hiesigen Publikum wohl nur wenig erzählen. Allein ein paar grundsätzliche Dinge möchte ich nennen, von denen auch das Landesarchiv NRW profitiert:

  • Facebook erlaubt es einer Kultureinrichtung, Informationen gezielt zu ihren Adressaten zu bringen
  • Facebook schafft einen Raum für Interaktion und Kommunikation mit seinen Adressaten: jegliche Information innerhalb des Netzwerkes kann kommentiert und weiterverbreitet werden; auch steht es jedem Nutzer frei, die Informationen der Kultureinrichtung mit eigenen Inhalten anzureichern
  • Facebook ermöglicht einer Kultureinrichtung ein fachliches Monitoring: man kann etwa verfolgen, was andere Archive machen, Inspiration für die eigene Arbeit gewinnen, von Problemlösungen andernorts profitieren etc.

Kurz gesagt (und das möchte ich ganz dick unterstrichen wissen): Facebook ist ein Instrument zum Informationsmanagement. Das soziale Netzwerk eröffnet Ihnen die Vernetzung mit einem interessierten Adressatenkreis einerseits und mit anderen Kultureinrichtungen andererseits. Sie erhalten Zugang zu einer erheblichen Menge an Informationen, die innerhalb dieses Netzwerks kursieren. Und Sie müssen die Gewinnung von Informationen noch nicht einmal aktiv betreiben, sondern können darauf vertrauen, dass Informationen Ihnen zufließen.

Verzichten Sie auf die Nutzung eines solchen Mediums, so verzichten Sie auf eine Präsenz in einem vielfrequentierten Diskursraum. Und zwar mit mehreren negativen Konsequenzen:

-       Erstens können Sie nicht als attraktive Kultureinrichtung und als Lieferant von interessanten Inhalten wahrgenommen werden; Sie können sich nicht als Ort der historischen Forschung und der kulturellen Bildung profilieren.

-       Zweitens fehlt Ihnen eine Möglichkeit zur direkten Kommunikation mit Ihren Nutzern; Sie sind digital nicht sprachfähig.

-       Drittens haben Sie keine Möglichkeit, von den Informationen innerhalb des Netzwerks zu profitieren; Diskussionen laufen an Ihnen vorbei, Entwicklungen werden von Ihnen nicht rezipiert, Stimmungen nicht wahrgenommen.

Damit sind einige Kerngedanken angesprochen, die auch das Landesarchiv NRW bewogen haben, das soziale Netzwerk Facebook auszutesten. Der klassische Nutzerkontakt wird erweitert durch die offene Präsentation der eigenen Anliegen und Angebote. Das Archiv reagiert nicht mehr lediglich auf Nutzeranfragen, sondern weist von sich aus aktiv auf besondere Archivalien, bevorstehende Veranstaltungen oder fachliche Neuigkeiten hin. Jede dieser Meldungen via Facebook erreicht umgehend mehrere hundert Nutzer, sobald diese ihr eigenes Profil nutzen. Bei allen seinen „Fans“ ist das Landesarchiv somit regelmäßig präsent und kann Interesse für bestimmte Bestände und Themen wecken oder Meinungen und Ideen seiner Nutzer einholen. Es kann auch einfach nur mit den zahllosen Ereignissen und Schicksalen aus seinen Beständen unterhalten, damit aber gleichwohl seine Nutzer an sich binden und seinen kleinen Teil zur kulturellen Bildung beitragen. Auf Facebook findet nicht nur vieles seinen Platz, das in den klassischen Medien unter die Publikations­schwelle gefallen wäre (etwa interessante Archivalienfunde), sondern es ist insbesondere eine Vernetzung und Weiterleitung von Informationen möglich.

Mit der Nutzung von Facebook verbunden ist also eine gewisse Veränderung des archivischen Selbstverständnisses: Archive begnügen sich bisher damit, als passive Informationslieferanten auf Anfragen der Nutzerseite zu reagieren. Eine Archivalie lagert so lange im Magazin bis ein Nutzer kommt und nach Einsicht verlangt.  Eine proaktive Hinführung auf außergewöhnliche, archetypische, auffällige oder neue Bestände findet kaum statt. Archive verzichten somit auf eine Vermarktung ihres ureigensten Markenkerns. Auch machen Archive im Alltag wenig, um über ihr Innenleben – ihre Arbeit, ihre Herausforderungen, ihre Probleme – zu sprechen. Die Arbeit eines Archivs ist weitgehend unbekannt, bei der breiten Bevölkerung, bei den Behörden, und wenn es um Details geht, dann sogar bei den Berufskolleginnen und -kollegen. Im Normalfall weiß etwa ich als nordrhein-westfälischer Staatsarchivar wenig über das, was die Kollegen im – sagen wir – baden-württembergischen Landesarchiv oder in einem mecklenburg-vorpommerischen Kommunalarchiv so machen.

Soziale Medien können dieses hermetische Schweigen über Arbeit und Archivgut durchbrechen. Regelmäßige Postings sorgen für Interesse am Archiv und eine Bindung von Nutzern. Dabei geht es auch gar nicht um große oder spektakuläre Neuigkeiten. Es geht nicht um die hochglanzpolierte Präsentation der neuesten Erfolgserlebnisse. Es geht darum, seine Adressaten mit attraktiven Appetizern zu versorgen und das Archiv in ihrem Bewusstsein zu halten. Ein Digitalisat auf Facebook ersetzt nicht den Blick in die entsprechende Akte, macht aber neugierig aber auf Material, das im Archiv lagert. Ein Foto einer Veranstaltung im Archiv macht den dort gehaltenen Vortrag nicht erlebbar, wirbt aber für das Archiv als Ort kultureller Aktivitäten. Ein Foto einer schimmelbefallenen Akte beseitigt nicht den Wasserschaden in der Behördenregistratur, schafft aber ein Bewusstsein für die Fragilität von Kulturgut. Kurze Informationen generieren Aufmerksamkeit, wecken Interesse an Archiv und Archivgut oder verweisen auf weiterführende Informationsquellen. Das Archiv verharrt nicht in einer hermetischen Abgeschlossenheit, sondern erscheint als lebendiger Ort von historischer und kultureller Relevanz. Langfristig dürfte eine solche mediale Präsenz eine erhebliche Rolle für die erfolgreiche Positionierung von Archiven in der kulturellen Landschaft spielen.

 

Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW

Wie gestaltet das Landesarchiv NRW nun seinen Facebook-Auftritt? Die Bereitstellung von Inhalten erfolgt dezentral durch alle interessierten Kolleginnen und Kollegen. Wir haben keinen hauptamtlichen Redakteur o.ä., es wurden hierfür keine zusätzlichen Stellen geschaffen oder irgendwelche Stellenzuschnitte verändert. Das Dezernat Öffentlichkeitsarbeit hat zwar eine formale Federführung, aber betrieben wird Facebook als Projekt für alle Interessierten innerhalb des Landesarchivs – wir verteilen also die Arbeit (und natürlich auch das Vergnügen) auf viele Schultern. Und ja, das heißt tatsächlich: Jeder Interessierte im Landesarchiv kann sich von einem der Administratoren als sogenannter Inhaltsersteller freischalten lassen. Damit ist die Nutzung im Namen des Landesarchivs möglich, d.h. es können Beiträge erstellt, Bilder präsentiert, Kommentare getätigt und alles weitere genutzt werden, was Facebook so an Funktionalitäten bietet.

Das ist eine recht offene Einstellung zu der Thematik, die aber in den sozialen Medien durchaus Sinn macht: Facebook soll das Medium sein, das eng an der alltäglichen Arbeit im Archiv ist, das einen unmittelbaren und ungefilterten Einblick auf die Dinge gibt, die die Archivarinnen und Archivare so auf den Schreibtisch bekommen.

Den Rahmen für die Facebook-Aktivität der interessierten Kolleginnen und Kollegen setzt dabei im Wesentlichen die Social Media Guideline des Landesarchivs, die u.a. definiert, was denn gepostet werden soll, nämlich Hinweise auf öffentliche Veranstaltungen, auf neue Publikationen, auf organisatorische Veränderungen, Mitteilungen zu neuen bzw. neu erschlossenen Beständen sowie interessante Funde aus der archivischen Arbeit. Selbstverständlich gelten beim Posten auch die beamtenrechtlichen Verpflichtungen (etwa allgemeine Loyalitätspflicht oder Unparteilichkeit) sowie andere rechtliche Vorgaben (etwa das Urheberrecht).

Diese dezentrale Steuerung des Facebook-Auftritts funktioniert im Landesarchiv bisher recht gut. Ungefähr 20 Kolleginnen und Kollegen besitzen Schreibrechte, faktisch sind es 5 bis 6, die tatsächlich regelmäßig aktiv sind. Damit können wir mehrere Postings pro Woche bieten, hauptsächlich aus den Bereichen Archivgutpräsentation und Veranstaltungen. Unsere Beiträge sehen standardmäßig mehrere hundert Leute; unsere attraktivsten Beiträge sind bis an den fünfstelligen Bereich an Lesern vorgedrungen. Kommentare oder Nachrichten – von denen wir noch nicht so viele haben, wie wir uns das wünschen würden – wurden bisher stets zeitnah beantwortet. Ohne übermäßigen Aufwand können wir also alle Interessenten regelmäßig mit verschiedensten Informationen versorgen und damit eine konstante Bindung von Archiv und Nutzern schaffen.

 

Probleme

Also alles bestens im Social Web? Leider keineswegs; es gibt mehrere Aspekte, die einer selbstverständlichen souveränen Nutzung sozialer Medien durch das Landes­archiv NRW entgegen stehen. So dürfte die größte Schwierigkeit beim Betrieb eines Facebook-Auftritts nicht etwa inhaltlicher, rechtlicher oder technischer Natur sein, sondern eher aus einer Mentalitätsfrage resultieren. Soziale Medien sind nicht nur technologische Neuerungen, sie sind vor allem erst einmal soziokommunikative Veränderungen; sie fordern den Habitus, die Mentalität, vielleicht gar das gegen­wärtige Berufsverständnis der Archivarinnen und Archivare überhaupt heraus. Soziale Medien bedingen einen anderen Umgang mit Informationen, mit Nutzern, mit Öffentlichkeit, folgen etwa auch anderen Geschwindigkeiten. Nutzerorientierung und Vernetzung, Dialog und Interaktion, der Austausch von Wissen und das Teilen von Informationen sind zentrale Funktionalitäten von sozialen Medien, die das deutsche Archivwesen noch nicht wirklich für sich entdeckt hat; das Landesarchiv NRW ist dabei keine Ausnahme. Was soll denn das überhaupt? ist die häufig anklingende Frage – und unausgesprochen dahinterstehend: So was haben wir ja noch nie gemacht.

Negativ macht sich hier bemerkbar, dass zentrale Kategorien des digitalen Diskurses in der archivischen Fachwelt bisher kaum reflektiert worden sind. Stellvertretend sei hier etwa die Idee des Open Access genannt, also des freien Zugangs zu Informationen und Daten. Einer uneingeschränkten Nutzung oder gar Weiternutzung von Archivgut (jenseits aller Schutzfristen selbstverständlich) fühlen sich Archive nicht verpflichtet: Jede Nutzung bedingt einen Antrag, jede Vervielfältigung bedarf eines Kopier­auftrags, jede Veröffentlichung bedarf der Zustimmung. Offene Angebote, offene Daten, offene Diskurse haben Archive sich noch nicht wirklich zu Eigen gemacht.

Letztlich zeigt sich nicht unbedingt in einer Abwehr sondern vielmehr in einer Ignoranz solcher digitaler Diskurse der vielzitierte „digital divide“, der spürbare Graben in der Mediennutzung unterschiedlicher Alters-, Berufs- und ähnlicher Gruppen. Facebook erscheint auch bei vielen Kolleginnen und Kollegen eher als eine jugendliche Spielerei, pubertär, unreif, jedenfalls nicht als ernstzunehmendes Medium für etablierte Kultur­einrichtungen. Aus dieser Perspektive wird Facebook als ein Ort irrelevanter Informationen wahrgenommen, wo allenfalls Partybilder oder Halbstarkensprüche gepostet werden. Weitgehend unbekannt scheint dagegen die Tatsache, dass auch viele Kultureinrichtungen über diesen Kanal jeden Tag immense Mengen von Nachrichten und Mitteilungen versenden, dass dort archivische, historische und kulturelle Fachdiskussionen geführt werden, dass sich dort auch Forscher (also: Archivbenutzer) vernetzen, kurzum: dass auch Archive einen erheblichen Mehrwert aus der Nutzung dieses Mediums ziehen können.

Begleitet wird die Unkenntnis des Mediums von diffusen Ängsten. Datenkraken, Hackerangriffe, Abmahnwellen, so scheint sich das Internet zu präsentieren. Das eigene Statusupdate auf Facebook, die skandalöse Totalüberwachung der NSA, der virtuelle Freundeskreis in einem sozialen Netzwerk, die digitalen Abgründe des Internets, alles scheint irgendwie zusammen zu gehören, alles ist irgendwie eine gleichwertige Bedrohung des Bekannten und Vertrauten: Irgendwer könnte irgendwo irgendwas mit den präsentierten Inhalten machen.

Solche Ängste und Vorbehalte sorgen natürlich dafür, dass keineswegs alle Organisationseinheiten des Landesarchivs das Angebot zur Partizipation am Facebook-Auftritt nutzen. Da die Beteiligung auf freiwilliger Basis abläuft, können die geposteten Meldungen keinen flächendeckenden Überblick in die Arbeit des Landes­archivs geben, sondern stellen vielmehr nur punktuelle Einblicke dar. In der einen Abteilung stellt vielleicht der eine Kollege gelegentlich frühneuzeitliche Akten vor, in der anderen Abteilung ist die Kollegin vielleicht vorwiegend an der Meldung bevorstehender Veranstaltungen interessiert. Ein Ungleichgewicht, abhängig von der individuellen Mediennutzung, ist somit unvermeidbar. Vielleicht zeigt sich hier am deutlichsten, dass Facebook für das Landesarchiv gegenwärtig nur Spielwiese ist und nicht Startbahn; wer möchte, kann sich beteiligen, eine selbstverständliche Begleitung aller archivischen Arbeitsbereiche durch soziale Medien ist nicht gegeben oder intendiert. Entsprechend steht Facebook bisweilen auch recht unverbunden neben der restlichen Arbeit des Landesarchivs. Ob Meldungen und Neuigkeiten ihren Weg in die sozialen Medien finden, hängt vom Interesse der betreffenden Kolleginnen und Kollegen ab. Eine strategische Nutzung von Facebook zur Nutzergewinnung und -information, zum Aufbau digitaler Förderer- und Unterstützerkreise, zur Vernetzung mit anderen Archiven und Kultureinrichtungen ist gegenwärtig nicht der Fall, noch ist das soziale Netzwerk also keine Startbahn für einen digitalen Nutzerkontakt.

Dieser digitale Nutzerkontakt – und das ist schließlich das dritte und letzte Problemfeld, das ich ansprechen möchte – leidet schließlich auch unter nur schwach ausgeprägten Gesprächsangeboten. Auch wenn in unserer Social Media Guideline explizit formuliert ist, dass Facebook ein Dialogkanal und nicht ein weiterer Informationskanal sein soll, so tendiert die tatsächliche Nutzung doch eher zu Letzterem. Das Landesarchiv nutzt Facebook überwiegend als „Schaufenster“, in welchem es Archivalien, Neuigkeiten, Pressemeldungen etc. präsentiert, kaum aber als Medium, um seine Nutzer gezielt anzusprechen. Die Infrastruktur für den Dialog wäre vorhanden, woran es mangelt, ist eher der Mut zu einer Nutzung. So könnte etwa die Frage, wie unserer Service denn zu bewerten und was denn verbesserbar wäre, öffentliche Negativmeldungen nach sich ziehen. Die Aufforderung, sich zu Überlieferungs- oder Erschließungsfragen zu äußern, könnte als Eingriff in die eigene Fachkompetenz verstanden werden. Die Bitte, die Arbeit des Archivs zu unterstützen (etwa durch Transkriptions- oder Verschlagwortungsprojekte, eben das vielzitierte Crowdsourcing), müsste eine Veränderung von etablierten Arbeitsstrukturen nötig machen. Die verstärkte Nutzerorientierung, die mit einer Nutzung sozialer Medien einher geht, ist also nichts, was sich „mal eben einfach so“ in etablierte Arbeits­prozesse einfügt; die Besonderheiten dieser Mediennutzung und die bisherige Arbeitspraxis fremdeln noch miteinander.

 

Fazit

Was bleibt also als Fazit? Das Landesarchiv NRW hat erste Schritte unternommen, um in den sozialen Medien präsent zu sein. Wir spüren deutliches Interesse an dem, was wir dort präsentieren, gerade interessantes Archivgut erzeugt Aufmerksamkeit und erreicht ohne großen Aufwand einen größeren Adressatenkreis als herkömmliche digitale Angebote. Auch das thematische Monitoring funktioniert problemlos und erbringt zahlreiche archivische, historische und kulturelle Informationen. Als Sackgasse hat sich der Schritt zur Nutzung von Facebook also nicht erwiesen, verstanden etwa in dem Sinne, dass wir kein Interesse generieren könnten oder der alltägliche Ressourcenaufwand zu groß wäre. Als Startbahn in eine digitale Zukunft hat sich die bisherige Nutzung des sozialen Netzwerks allerdings auch nicht erwiesen. Allerdings liegt das weniger an der Plattform als vielmehr an unserem Angebot, das noch zu individuell und sprunghaft bleibt; wie wir das vorhandene Potential mehrerer hundert Adressaten für unsere Arbeit nutzen wollen, wie wir gar zu beiderseitigem Gewinn ins Gespräch kommen können und wollen, harrt noch einer Entscheidung. Die Facebook-Nutzung  bleibt also gegenwärtig noch eine Spielwiese, wo wir ausprobieren und einüben können, was an Bedeutung stetig zunehmen dürfte: der digitale Nutzerkontakt. Denn eins scheint sicher: Je digitaler die Archive werden (Stichworte: Archivportal, virtueller Lesesaal), desto wichtiger werden auch die Instrumente, um mit Nutzern digital zu kommunizieren. Weitere Diskussionen über die Nutzung von sozialen Medien scheinen also dringend nötig!

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1571

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Warum sollten Archive worüber wie bloggen? Oder: Die Herausführung der Archive aus ihrer selbstverschuldeten Unmündigkeit.

 

(Ein Beitrag zur Blogparade anlässlich des zweiten Geburtstages von siwiarchiv)

Natürlich ist es vermessen, für das Thema Archive und Bloggen einen der ganz großen Sätze der deutschen Geistesgeschichte zu bemühen. Einerseits. Andererseits lässt sich mit Blick auf den digitalen Auftritt der Archive durchaus eine selbstverschuldete Unmündigkeit von Kant’schen Dimensionen konstatieren: Unmündigkeit meint hier das Unvermögen, sich der immensen Möglichkeiten der digitalen Welt zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, weil die Ursache derselben nicht am Mangel der Möglichkeiten, sondern an der Entschließung und dem Mut liegt, sich dieser Medien zu bedienen. Wir erleben gegenwärtig einen derartig allumfassenden Medienbruch, wie er wohl zuletzt mit der Erfindung des Buchdrucks zu erleben gewesen war, aber so richtig ist das bei den Archiven nicht angekommen. Gut, die Mail hat weithin den Brief ersetzt und die Homepage (wenn auch keineswegs allerorten) die gedruckten Flyer und Beständeübersichten. Und die ganz Mutigen sind jetzt sogar schon bei Facebook dabei. Aber die Konzepte hinter diesen neuen, den sozialen Medien sind kaum einmal rezipiert, geschweige denn umgesetzt worden: Interaktivität, Kommunikation, Offenheit, Vernetzung. Archive haben es geschafft, ihren analogen Arbeits- und Denkstrukturen ein digitales Mäntlein umzuhängen ohne aber ihre Arbeit digital zu definieren. Das ist misslich, langfristig wird daran aber kein Weg vorbeiführen. Und allerspätestens dann wird es eine Basis in der digitalen Welt brauchen. Und an dieser Stelle kommt die obige Frage ins Spiel: Warum sollten Archive worüber wie bloggen?

Archive sollten bloggen, um wahrgenommen zu werden.

Archive sind wie schwarze Löcher. Man weiß wenig über sie. Das gilt für den Großteil der Bevölkerung, die in einem Archiv allenfalls eine bibliotheksähnliche Einrichtung mit alten Dokumenten in unzugänglichen Kellerräumen vermutet. Das gilt für Behörden, denen häufig genug nicht klar ist, dass ihre eigenen Altakten nicht in den Papiermüll, sondern in ein Archiv gehören. Das gilt selbst für fortgeschrittene Nutzer, die wohl eher das vorhandene Archivgut als quasi gottgegeben nutzen als die Überlieferungsbildung nachzuvollziehen. Alle diese Gruppen müssen Archive als hermetisch abgeschlossene Räume wahrnehmen, deren Innenleben ihnen nur soweit offenbart wird, wie es für das sporadische Miteinander unvermeidlich ist. Das gilt aber auch für die Archivarinnen und Archivare, also für die Fachöffentlichkeit. Natürlich nicht in dem Sinne, dass man nicht weiß, was Archive im Allgemeinen machen, sondern in dem Sinne, dass man nicht weiß, was denn die Archivarinnen und Archivare andernorts im Speziellen denn so machen. Ich habe als nordrhein-westfälischer Archivar keine Ahnung, was denn die Kolleginnen und Kollegen in, sagen wir, einem bayerischen Staatsarchiv oder einem mecklenburg-vorpommerischen Kommunalarchiv machen. Und das, obwohl ich mir sehr sicher bin, dass wir vielfach vor ähnlichen Fragen und gleichen Problemen stehen. Wir haben aber kein reguläres Medium, um unsere Fragen publik zu machen, unsere Überlegungen zu teilen, unsere Lösungen zu entwickeln. Selbst als Kollege kann ich nicht hinter die fensterlose Mauer schauen, mit der sich Archive nicht nur physisch umgeben. Ein Blog löst diese hermetische Abschottung auf. Mit einem Blog können Archive ihre Arbeit begleiten und transparent machen. In einem Blog könnte man – zumindest ausschnittsweise – verfolgen, was Archive umtreibt. Über ein Blog lassen sich Zielgruppen erreichen, die vielleicht Interesse an Arbeit und Beständen eines Archivs haben, gegenwärtig aber keine Informationen vermittelt bekommen. Archive sind einzigartige Einrichtungen am Schnittpunkt von Verwaltung, Kulturpflege und Wissenschaft und verfügen (nach Prantl) sogar über „Systemrelevanz“. Ihre Bedeutung steht und fällt mit ihrer Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Wahrgenommen aber wird man zunehmend über soziale Medien – und Blogs sind das soziale Medium schlechthin, um Inhalte in den digitalen Raum zu vermitteln.

Archive sollten bloggen, um digital sprachfähig zu sein.

Das Internet ist ein gigantischer universaler Diskursraum. Im Internet bewegen sich Millionen von Menschen, die über Millionen von Themen diskutieren. Natürlich gehört auch Geschichte dazu und damit sind auch Archive berührt. Partizipieren können Archive aber nicht an einer einzigen dieser Diskussionen. Archive sind nämlich digital nicht sprachfähig. Ihre einzige Möglichkeit, ihren Interessenten im virtuellen Raum etwas mitzuteilen, ist die Homepage – ein hierarchisches und statisches Medium, dessen Struktur jeglichen Kommunikationsakt auf das einseitige Verkünden sakrosankter Verlautbarungen reduziert. Eine Homepage ist damit für die Präsentation persistenter Informationen prädestiniert, etwa für E-Texte oder Online-Findmittel inkl. Digitalisate. Ein soziales Medium ist sie allerdings nicht, sie erlaubt kein Miteinander, keinen Austausch, keinen Diskurs. Will man mit seinen Nutzern in einen Dialog eintreten, so kann nicht die Homepage das Medium der Wahl sein, wohl aber das Blog. Ein Blog verkündet keine unveränderlichen Fundamentalinformationen, sondern ist Teil eines allgegenwärtigen kontinuierlichen Diskurses, etwa über archivische, historische und kulturelle Themen. Mit einem Blog kann ein Archiv aktuelle Arbeiten, markante Themen oder spezifische Probleme an einen interessierten Adressatenkreis vermitteln. Mit einem Blog macht ein Archiv ein Gesprächsangebot: Es berichtet von seinen Aufgaben und Projekten, die Nutzer reagieren auf die gebotenen Informationen. Blogbeiträge werden rezipiert und mit Blogbeiträgen andernorts beantwortet. Manches wird Zuspruch ernten, anderes Widerspruch. Nutzerinteressen werden ersichtlich, Nutzerressourcen erschlossen, Nutzerbindungen geschaffen. Ein Blog führt Archiv und Nutzer in einem gemeinsamen Diskursraum zusammen. Wo die Homepage der Balkon ist, von dem ein Ausrufer die wichtigsten Informationen verkündet, da ist das Blog der Tisch, an dem Gesprächspartner auf Augenhöhe zusammenfinden und über ihre Anliegen diskutieren.

Archive sollten bloggen, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

Niemand kann ernsthaft annehmen, dass das Internet, das Social Web, das Semantic Web nur eine Zeiterscheinung sein werden. Ganz im Gegenteil: Digitalisierung und Virtualisierung werden weiter zunehmen. Geschehen wird das auch und gerade dort, wo Archive tätig sind: im Bereich der Informationsdienstleistung. So werden bereits in den nächsten Jahren Millionen von Digitalisaten online vorliegen und die Nutzung von Archiven auf eine neue Grundlage stellen. Nutzer werden Archiven zunehmend virtuell begegnen. Solche veränderten Nutzungsgewohnheiten werden aber auch neue Strukturen bedingen, um miteinander zu kommunizieren. Archive brauchen nicht nur leistungsfähige Präsentationsplattformen (z.B. Archivportale), sie brauchen auch Kommunikationskanäle, um ihren Nutzern begleitende Informationen näher zu bringen. Die sozialen Medien eignen sich wunderbar, um den Kontakt zwischen Archiven und Nutzern herzustellen. Manche von ihnen sorgen für die Vernetzung (z.B. Facebook, Twitter), andere aber transportieren die Inhalte, insbesondere nämlich Blogs. Wer dieses Prinzip heute nicht versteht, wird es schwer haben, morgen seine Adressaten zu erreichen. Dabei sind Blogs (wie auch allen anderen soziale Medien) keineswegs die Zukunft, sie sind bereits die Gegenwart. Zukunft sind sie lediglich für die deutschen Archive, die sich ihrer Möglichkeiten bis jetzt noch nicht gewahr worden sind. Gerade deshalb sind die Pioniere gar nicht genug zu loben, die einer konservativen Branche den Weg zu neuen Medien und Möglichkeiten bereiten – alles Gute, siwiarchiv, auf viele weiter Jahre!

Und natürlich: Sapere aude!

 

 

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1244

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Archive im digitalen Nutzerkontakt. Virtuelle Lesesäle, soziale Medien und mentale Veränderungszwänge

Titelblatt Archivar 66 (2013)

In der aktuellen Ausgabe des Archivar (66/2013) findet sich auf den Seiten 406 bis 415 der Artikel “Archive im digitalen Nutzerkontakt. Virtuelle Lesesäle, soziale Medien und mentale Veränderungszwänge”. Wie dort angekündigt, soll hier in diesem Blog die Möglichkeit geschaffen werden, seine Inhalte und Thesen zu diskutieren. Für alle Anmerkungen, Meinungen, Rückfragen – natürlich gerne auch kritischer Art – ist der Autor dankbar.

Hier ist der Artikel auch online lesbar: Archive im virtuellen Nutzerkontakt

Für die unkomplizierte Bereitstellung des Artikels hier auf Archive 2.0 sei der Redaktion des Archivar gedankt.

Quelle: http://archive20.hypotheses.org/1026

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