„The questions google can’t answer“ – Perspektiven zur Forschung in Museen

Tagungsbericht von Katharina Hoins (SKD) und Felicitas von Mallinckrodt (TUD)

Tagung “Die Zukunft der Forschung in Museen”
VolkswagenStiftung, Hannover
11. - 12.06.2014

Zuerst erschienen bei H-ArtHist

Über die Zukunft der Forschung in Museen zu debattieren, dazu hatte die VolkswagenStiftung aufgerufen und eine illustre Runde an Referenten und Teilnehmern für zwei Tage in das Tagungszentrum Schloss Herrenhausen in Hannover eingeladen. Wilhelm Krull eröffnete als Generalsekretär der VolkswagenStiftung die Tagung und erläuterte ihren Anlass: Seit 2008 fördert die Stiftung im Rahmen ihres Programms Forschung in Museen, bisher sind 46 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 15 Millionen Euro unterstützt worden. Nachdem die Initiative unter der Leitung des Generaldirektors der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München, Klaus Schrenk, jüngst positiv evaluiert worden ist und die Stiftung das Programm leicht modifiziert mit zwei Ausschreibungen auch in 2014 und 2015 fortsetzt, bot die Tagung Gelegenheit zu Bilanz und Ausblick. Einen zentralen Aspekt, der in der Diskussion und in den Beiträgen immer wieder anklang, formulierte Krull gleich in seiner Begrüßung: Das Alleinstellungsmerkmal der Museen gegenüber Universitäten und Hochschulen sei ihr Kontakt zu den Besuchern über das Medium der Ausstellung, mithin die Vermittlung und Kommunikation von Forschung an ein größeres Publikum. Dieser Aspekt sei in der sammlungsbezogenen Forschung an Museen untrennbar mitzudenken, gleichzeitig sei Ausstellen ohne Forschung nicht möglich. Was bedeutet das für das Verständnis und die Definition von Forschung, was umfasst sie? Welche Schlussfolgerungen ziehen die Museen daraus für ihr Selbstverständnis als forschende Einrichtungen? Und wie kann daraus ein produktiver Dialog zwischen Forschung an den Universitäten und an den Museen entstehen? Wie reagieren die öffentliche Hand und die wissenschaftsfördernden Einrichtungen von BMBF über DFG bis zu den Stiftungen darauf? Verändern sich hier bisher vorrangig an universitärer Forschung orientierte Förderprogramme und -kriterien?

Klare Prioritäten zu setzen, Forschung als Kernaufgabe zu begreifen und manche Aufgabe etwa im „Edutainment“ getrost den Privaten zu überlassen, schlug Bremens Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz in einem ersten Kurzstatement vor. Forschungsdesiderate aus den Sammlungen heraus zu identifizieren und gerade auch an kleineren Häusern in Forschungskonzeptionen zu formulieren, so dass sie auch für externe Wissenschaftler sicht- und bearbeitbar werden, sei dabei eine wichtige Strategie, ergänzte Annette Schwandner vom Ministerium für Wissenschaft und Kultur Niedersachsen. Explizit erläuterte dann Goslars Oberbürgermeister Oliver Junk noch einmal die schwierige finanzielle Situation und den Rechtfertigungsdruck, unter dem die Kulturpolitik stehe. Besucherzahlen könnten aber nicht der alleinige Gradmesser sein für die Qualität und den Erfolg von Kultur („Goslar ist Welterbe, kein Disney-Land“).

Dennoch: Die sagenhafte Zahl von rund 5,5 Millionen Besuchern der Londoner Tate Modern lässt auch Direktor Chris Dercon nicht unbeeindruckt. Statt der umfangreichen Forschungen der Tate zu ihren Beständen moderner und zeitgenössischer Kunst stellte Dercon in Hannover vor, was sein Haus in der Besucherforschung (audience research) unternimmt – nicht als Marketinginstrument, sondern als eine Art Leitdisziplin in der strategischen Gesamtausrichtung des Museums. Die wichtigsten Ergebnisse der Forschungen der Tate: Ihre Besucher kommen nicht vorrangig der Objekte wegen, nicht um die Originale zu erleben, sondern der Prozesse wegen, die ihrer Präsentation vorangehen. Warum und von wem werden die Werke ausgewählt, warum werden bestimmte Werke in Ausstellungen gegenübergestellt, in Beziehung gesetzt? Besucher seien an der Konstitution von Öffentlichkeit interessiert – als Beobachter der Institution Museum und als Akteure, die den öffentlichen Raum selbst zunehmend für sich und ihre Interessen reklamierten. Die Tate Modern zieht daraus Konsequenzen bis hin zur Gestaltung ihres Erweiterungsbaus – die Backsteinarchitektur von Herzog und de Meuron ist weniger als Ausstellungsfläche denn als Begegnungsraum für unterschiedliche Formate konzipiert. Dercon sieht das Museum als Ort, an dem Öffentlichkeit durch die Besucher vor Ort ganz real performativ verhandelt wird; die Grenzen zwischen Produzenten und Rezipienten verschwimmen. Die Nutzer gestalten unweigerlich wesentlich mit – das Museum ist Vorreiter bei dieser Perspektivverschiebung. So hätte die Besucherforschung nicht zuletzt auch Konsequenzen für die sammlungsbezogene Forschung des Museums: Zur Deutung der Fachwissenschaftler treten die Interessen, Fragen, Perspektiven der Besucher, getreu Dercons Ideal für die Zukunft seines Museums: „People who know something meet people who know something else.“ Im Zentrum der Debatten am Museum stünden komplexe, gesellschaftlich relevante Fragestellungen, zugespitzt: „The questions google can’t answer!“

Wie die Museen ihren Part dieser Vereinbarung einlösen können, der darin besteht, durch Forschung Wissen zu generieren und dieses für eine öffentliche Diskussion verfügbar zu machen, zeigte nach dieser Keynote die erste Session. Dafür hatte die VolkswagenStiftung vier beispielhafte Projekte ausgewählt. Das Spektrum der Museen reichte vom Archäologischen Landesmuseum Schloss Gottorf über das Deutsche Hygiene-Museum Dresden und das Ludwig Forum Aachen bis hin zum Museum für Naturkunde Chemnitz. Deutlich wurden die positiven Effekte von Kooperationen mit anderen Museen wie mit Universitäten hervorgehoben. Häufig noch schließt klassische Forschungsförderung die Finanzierung von Ausstellungen nicht mit ein – für Museen wird dadurch eine Trennung zwischen Forschungs- und Ausstellungsprojekt gezogen, die für die Institution meist eine künstliche ist, artikuliert sich Forschung doch am Museum auch in der Präsentation im Raum. Projektförderung kann, das wurde an verschiedenen Beispielen deutlich, die Forschung gerade an kleineren Museen so befördern und Netzwerke etablieren helfen, dass sich daraus Folgeprojekte entwickeln, die sich auch in der kompetitiven Forschung durchsetzen. Paradox allerdings die Situation, die sich für die Häuser daraus ergeben kann: Die Projektstellen für Forscher könnten über Drittmittel eingeworben werden, allein, die dazu notwendigen Eigenleistungen und Vorarbeiten des Museums werden durch die Grundausstattung der öffentlichen Hand nicht finanziert und das Projekt scheitert.

Das teilweise problematische Verhältnis von Grundausstattung und Drittmittelfinanzierung stand auch im Zentrum der zweiten Session, die sich unter dem Titel „Museen in Not. Infrastrukturen an Museen“ der Frage widmete, unter welchen strukturellen Bedingungen Forschung in deutschen Museen stattfindet. In drei Vorträgen wurde Forschungsarbeit an unterschiedlichen Museen vorgestellt und die jeweiligen Problemlagen skizziert.
Regine Schulz, Direktorin des Roemer- und Pelizaeus-Museums in Hildesheim, machte in ihrem Vortrag insbesondere auf die knapp bemessene finanzielle Grundausstattung ihres Hauses aufmerksam. Fördermittel und internationale Kooperationen seien essentiell, Kreativität, etwa bei der Ausleihe von Objekten gegen die Ermöglichung wissenschaftlicher Bearbeitung unabdingbar. Michael Schmitz, Direktor des Naturhistorischen Museums Mainz stellte die Neuausrichtung seines Hauses vor, für das langfristig angelegte Forschung und die Vermittlung im Museum als Lernort in im Zentrum stehen. Steigende Besucherzahlen seien Ausweis für den Erfolg dieser Strategie.

Im Rahmen eines dritten Beitrags stellten Eckhard Bolenz und Dagmar Hänel als Vertreter des Landschaftsverbands Rheinland das DFG-geförderte Projekt „Digitales Portal Alltagskulturen“ vor. Das Projekt steht exemplarisch für das Bestreben vieler Museen, die Forschung an Sammlungsbeständen durch digitale Aufbereitung öffentlich, möglichst frei und interaktiv zugänglich zu machen.

Nach dieser Präsentation einzelner Positionen nahmen in der folgenden Sektion der Philosoph und Ausstellungsmacher Daniel Tyradellis und die Journalisten Julia Voss (Frankfurter Allgemeine Zeitung) und Hanno Rauterberg (Die Zeit) wiederum eine grundsätzlichere Perspektive ein. Ausgehend von seiner jüngsten Publikation „Müde Museen“ [1] formulierte Tyradellis mit seinem Vortrag „Ausstellen als Forschen – wovon, für wen und warum?“ den Anspruch an Museen, über das Medium Ausstellung mit gängigen gesellschaftlichen Erwartungen zu brechen, sie zu hinterfragen und dem Besucher so eine kritische Auseinandersetzung mit eigenen Erwartungshaltungen zu ermöglichen. Für Tyradellis sind Ausstellungen Zwischenräume; sie vermitteln zwischen einer forschungsorientierten Innenwelt und einer öffentlichen Außenwelt. Dabei sind sie mehr als „begehbare Bücher“, nicht nur reine Präsentation von Forschungsergebnissen. Ausstellungen sollen vielmehr den Besucher zum Denken bringen, indem sie Distanz zu den jeweils mitgebrachten Evidenzen schaffen und so eine eigene kritische Reflexion in Hinblick auf tradierte Erwartungen provozieren. Der Besuch einer Ausstellung ist für Tyradellis demnach ein Prozess des „Denkens im Raum“, der „Forschung in actu“, in dem Gegenstand und Vermittlung einander gleichgestellt sind. Die präsentierten Artefakte seien dabei in einer Ausstellung nicht per se sinnstiftend, sie erhielten ihre Bedeutung vielmehr erst aus dem wechselseitigen Verweis und ihrer Positionierung in einem Gesamtkontext. Die gesellschaftliche Relevanz des jeweiligen Themas dürfe dabei nicht ausgeblendet werden. Es sei demnach eine gewisse Distanz zum jeweiligen Forschungsgegenstand notwendig, um einen Ausgleich zwischen wissenschaftlicher Expertise und gesellschaftlichem Anspruch zu erreichen. Im Idealfall ist eine Ausstellung für Tyradellis daher eine eigene Form der Forschung, die disziplinäre Grenzen überwindet und das Museum zu einem Ort eines auf Selbsthinterfragung basierenden gesellschaftlichen Diskurses macht.

Im Unterschied zu diesen gattungsübergreifenden Überlegungen bezog sich Julia Voss in ihrem Beitrag „Museen am Rande des Nervenzusammenbruchs“ vornehmlich auf Kunstmuseen. Diese stehen in ihren Augen vor dem Problem, einerseits als Orte größter kultureller Strahlkraft, andererseits als behäbige Verhinderer kreativer Innovationen zu gelten. Sie identifizierte drei Felder, die für Kunstmuseen zukünftig im Fokus der Arbeit stehen sollten: Provenienzforschung, Erforschung der eigenen Sammlungen und eine damit verbundene Infragestellung des Kanons sowie eine Steigerung der Möglichkeiten zur Partizipation durch die Nutzung moderner Medien. Kritisch hingegen bewertet sie zu enge Verbindungen zwischen Museum und Kunstmarkt.

Hanno Rauterberg nahm in seinem Statement „Zeit für Selbsterforschung. Warum das Museum sich zum Objekt der wissenschaftlichen Neugier machen muss“ wiederum eine globalere Perspektive ein und knüpfte damit an Tyradellis an. Auch für ihn sollen Ausstellungen das Abrücken von Selbstverständlichkeiten ermöglichen. Im Zentrum steht für ihn dabei das „Staunen als Erfahrung der postmaterialistischen Bereicherung“. Rauterberg schlug vor, statt von „Besuchern“ von „Besitzern“ der Objekte in öffentlichen Sammlungen zu sprechen. Dieser Begriffswechsel ermöglicht für ihn sowohl ein neues Verhältnis zwischen Ausstellungsmachern und ihren Zielgruppen als auch ein verändertes Selbstverständnis der Museen. Museen sollten darüber hinaus weniger danach streben, durch Neubauten Ausstellungsfläche hinzuzugewinnen, sondern vielmehr aus den eigenen Beständen heraus flexible, stärker performativ ausgerichtete Ausstellungen entwickeln, die durch die Nähe zum Objekt eine Unmittelbarkeit herstellen, die beispielsweise das Internet nicht zu schaffen in der Lage ist. Die Zukunft des Museums sieht Rauterberg – ebenso wie seine Vorredner Tyradellis und Dercon – in einer Entwicklung hin zu einem Selbstverständnis als Raum intellektueller Erfahrung und gesellschaftlicher Diskussion. Rauterberg plädiert dabei für eine höhere intellektuelle und emotionale Risikobereitschaft der Museumsmacher.

Den Abschluss der Tagung bildete eine Podiumsdiskussion, an der – moderiert von Wilhelm Krull (Volkswagenstiftung) – Raimund Batella (Deutscher Städtetag), Britta Kaiser-Schuster (Kulturstiftung der Länder), Volker Rodekamp (Stadtgeschichtliches Museum Leipzig), Oliver Scheytt (Kulturpolitische Gesellschaft) und Regine Schulz (Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim) teilnahmen. Auch hier wurde eine mangelhafte finanzielle Grundausstattung als größtes, nicht kompensierbares Hindernis der Forschung an Museen identifiziert. Da institutionelle Förderung nur durch die jeweiligen Träger gewährleistet werden könne, müssten die Museen ihre gesellschaftliche Relevanz sowohl gegenüber politischen Entscheidungsträgern als auch gegenüber der Öffentlichkeit noch deutlicher machen.

Die Zukunft des Museums könnte, so ließe sich aus den Impulsen der Tagung schlussfolgern, darin liegen, verstärkt die eigenen Sammlungsbestände zu erforschen, um auf dieser Grundlage komplexe Erfahrungsräume zu schaffen, in denen gesellschaftliche Diskurse angestoßen und verhandelt werden. Darin, die Wechselwirkungen zwischen Sammlung und Gesellschaft produktiv zu machen, könnte das Potenzial von Forschung in Museen liegen.

Anmerkung:
[1] Daniel Tyradellis: Müde Museen. Oder: Wie Ausstellungen unser Denken verändern können, Hamburg 2014.

Quelle: http://dss.hypotheses.org/1357

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Macht. Wissen. Teilhabe. Sammlungsinstitutionen im 21. Jahrhundert

DSS2014_Logo_BASE_S-01Ausschreibung Dresden Summer School 2014

Dresden, 15.-26.09.2014

Technische Universität Dresden
Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Militärhistorisches Museum der Bundeswehr
Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden
Staatliche Kunstsammlungen Dresden

 

Bewerbungsschluss: 16.05.2014

Fachrichtungen:
Architektur, Archiv-, Bibliotheks-, Informations- und Dokumentationswesen, Ethnologie, Germanistik, Geschichte, Kunstgeschichte, Museologie, Philosophie, Politikwissenschaft, Soziologie und verwandte Fächer

Teilnehmerkreis:
Eingeladen zur Bewerbung sind NachwuchswissenschaftlerInnen (Promovierende, Post-Docs) der einschlägigen Fachrichtungen sowie junge Museumsfachleute.

Beschreibung:
Museen und Bibliotheken sind Institutionen des Sammelns und immer auch Institutionen der Macht. Historisch dienten sie unter anderem dazu, Herrschaftsansprüche durch das Zusammentragen kostbarer, künstlerisch, exotisch oder wissenschaftlich bedeutsamer Objekte nach außen hin sichtbar werden zu lassen. In der Folge entwickelten sich Museen und Bibliotheken zu öffentlichen Einrichtungen, die Ordnungen des Wissens repräsentieren: Sie sind nicht nur Spiegel vorherrschender Praktiken des Sammelns und des Zeigens, sie erzeugen auch Deutungen gesellschaftlicher Wirklichkeiten. Institutionen des Sammelns sind mithin machtvolle Akteure, die über die Auswahl und Präsentation von Artefakten das Wissen der Gesellschaft von sich und der Welt mit prägen. Diese gewachsene ‚Deutungshoheit‘ wird allerdings aktuell durch Entwicklungen der Globalisierung und Digitalisierung transformiert. Zugleich verändern sich auch die Beziehungen der sammelnden Institutionen untereinander und zu den sie umgebenden Gesellschaften.
Welchen Einfluss haben Digitalisierung und Globalisierung auf bestehende Wissensordnungen und deren Vermittlung, wie verändern sich die Formen der Teilhabe? Wie lässt sich die Rolle und Bedeutung von Museen und Bibliotheken angesichts dieser grundlegenden Veränderungen beschreiben und definieren?

Die Dresden Summer School 2014 will historische Verschiebungen im Gefüge von Macht, Wissen und Teilhabe anhand der Geschichte bedeutender Dresdner Sammlungs- und Ausstellungsinstitutionen untersuchen. Gleichzeitig sollen mit WissenschaftlerInnen und VertreterInnen der Institutionen gemeinsam Perspektiven erarbeitet werden, wie bisherige Wissensordnungen angesichts von Globalisierung und Digitalisierung modifiziert, neu strukturiert und dargestellt werden können.

Das zweiwöchige Programm umfasst Vorträge, Workshops und Podiumsdiskussionen sowie Gespräche in den einzelnen Häusern, ihren Sammlungen, Ausstellungen und Depots. Im begleitenden ‚Laboratorium‘ greifen die TeilnehmerInnen Fragestellungen aus dem Programm auf und entwickeln eigenständig konkrete Lösungsvorschläge und Konzepte, die zum Abschluss der Summer School öffentlich präsentiert werden.

Modalitäten:
Die Teilnahmegebühr beträgt 250 € pro Person. Kosten für Anreise, Unterkunft und Verpflegung werden übernommen.

Die Bewerbung soll neben den üblichen Unterlagen auch eine kurze Zusammenfassung des eigenen Forschungs- und Arbeitsschwerpunkts und dessen Anbindung an das Thema der Dresden Summer School 2014 enthalten (max. 8.000 Zeichen).
Arbeitssprache ist überwiegend Deutsch, einzelne Programmteile und Diskussionen können in englischer Sprache stattfinden. Bitte senden Sie uns Ihre Bewerbung elektronisch über unser Bewerbungs-portal auf www.dresdensummerschool.de.

Die Mitteilung über die Teilnahme erfolgt voraussichtlich bis Ende Juni.

 

Kontakt:
Felicitas von Mallinckrodt
TU Dresden
Koordination Dresden Summer School
Zellescher Weg 17
01069 Dresden
Tel.: +49 (0)351 463 37681
Fax: +49 (0)351 463 37774
Mail: felicitas.von_mallinckrodt@tu-dresden.de
www.dresdensummerschool.de

Quelle: http://dss.hypotheses.org/1266

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Dresden Summer School 2012 – Publikation


Teilnehmer und Teilnehmer der DSS 2012
Digitale Technologien haben in der heutigen Lebenswelt einen fundamentalen Wandel verursacht, der sich mit enormer Schnelligkeit vollzieht. Allein das Medium Internet, das in seiner offen nutzbaren Form erst seit 1991 existiert (1), hat nicht nur in der geschäftlichen, sondern auch in der privaten und wissenschaftlichen Sphäre eine Bedeutung eingenommen, die jene der zuvor bekannten Medien mindestens gleichkommt – wenn nicht sogar übersteigt. Diese Entwicklung ist unumkehrbare Realität und damit theoretisch wie alltagspraktisch ein unumgängliches Diskursthema der heutigen Zeit. Analog zur Industriellen Revolution wird von einer Digitalen Revolution gesprochen, die mit einem Medienwandel einhergeht, der mit der Ablösung oraler Tradierung durch das Schrifttum oder mit der Erfindung des Buchdrucks gleichzusetzen ist.(2)

Das Programm

Für die Dresden Summer School 2012 hat sich die TU Dresden mit ihren benachbarten Kulturinstitutionen, die zu den führenden des Landes gehören, zusammengeschlossen, um der Diskussion über die Digitale Revolution aus geistes-, sozial- und kulturwissenschaftlicher Sicht ebenso wie aus der alltagspraktischen Perspektive von Museen, Bibliotheken und Archiven eine offene Plattform zu bieten. Gemeinsam mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, dem Deutschen Hygiene-Museum Dresden und dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr wurde ein zweiwöchiges Programm entwickelt, das einerseits von den beteiligten Institutionen und ihren spezifischen Besonderheiten ausging, andererseits der Vielschichtigkeit des Themas in möglichst vielen Aspekten gerecht werden sollte.

Den Auftakt machte dabei die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, die einerseits ihre technologische Herangehensweise bei der Digitalisierung von Schriftgut und die Aufbereitung der so gewonnenen Daten für semantisch verknüpfte und offen recherchierbare Datenbanken vorstellte, andererseits durch Vortrage die Rolle von Open Access-Publikationen und Wikipedia für das wissenschaftliche Arbeiten diskutierte.

Dr. Achim Bonte und Teilnehmer/innen der DSS 2012 in der SLUB
Teilnehmerinnen der DSS 2012 in der SLUB
Teilnehmer/innen der DSS 2012 in der SLUB

Die TU Dresden widmete sich in der zweiten Sektion sowohl Schnittpunkten von Technik- und Geisteswissenschaften – wie etwa der Schaffung von virtuellen Umgebungen zur Rekonstruktion des Bildaufbaus in Gemälden oder der Nutzung von 3D-Scans für kunstwissenschaftliche Zwecke – als auch der Präsentation der universitätseigenen Sammlungen von Anschauungs- und Archivmaterial.

3D-Scannen mit Dr.-Ing. habil. Christine Schöne, TU Dresden
Teilnehmerinnen der DSS 2012 während des Vortrags von Prof. Dr. Rainer Groh, TU Dresden
Prof. Dr. Rainer Groh, TU Dresden

In der dritten, von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden gestalteten Sektion lag der Fokus auf der Vorstellung des Provenienzforschungsprojekts “Daphne”, das sämtliche im Besitz der Museen befindliche Objekte auf ihre Ankaufs- und Erwerbsgeschichte hin untersucht und die Ergebnisse in einer umfassenden Datenbank zusammenträgt. Nach außen hin werden diese Forschungsergebnisse in der Online Collection präsentiert, die die bedeutendsten Kunstwerke im Netz vorstellt und zu virtuellen Themenführungen zusammenfugt.

Teilnehmer/innen der DSS 2012 im Treppenhaus des Residenzschlosses, SKD
Prof. Dr. Dirk Syndram führt durch das Historische Grüne Gewölbe
Historisches im Vorbeigang. Teilnehmer/innen der DSS 2012 im Historischen Grünen Gewölbe, SKD

Das Thema der Internetpräsenz von Kulturinstitutionen wurde in der vierten, vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden gemeinsam mit dem Militärhistorischen Museum der Bundeswehr gestalteten Sektion aufgegriffen und vertieft. Dabei konzentrierten sich die Diskussionen auf die Frage, wie soziale Medien in Kulturinstitutionen sinnvoll genutzt werden können.

Teilnehmer/innen der DSS 2012 im DHMD
Teilnehmer/innen der DSS 2012 im DHMD
Prof. Klaus Vogel, Felicitas von Mallinckrodt und Gisela Staupe im DHMD

Das Programm wurde ergänzt von Führungen durch die beteiligten Institutionen und öffentlichen Vortragen. Hinzu kamen zwei Exkursionen – eine an das Museum zur Geschichte der deutschsprachigen Bewohner in den böhmischen Ländern in Ústí nad Labem (Tschechien) und eine zweite in das Staatliche Museum für Archäologie Chemnitz -, die die Bedeutung digitaler Medien für den heutigen Museumsbetrieb anhand zweier im Aufbau befindlicher Institutionen erläuterten. Diese Programminhalte bildeten den Hintergrund vor dem die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Dresden Summer School eingeladen waren, eigene Konzepte und Ideen zu erarbeiten. Diese wurden einerseits in dem eigens eingerichteten Blog veröffentlicht, andererseits bei der Abschlussveranstaltung am 12. Oktober 2012 im Deutschen Hygiene-Museum präsentiert.

Die Ausgangsposition

Die Leitlinien des Diskurses, der sich während der Dresden Summer School entspann, wurden bereits in der Auftaktveranstaltung umrissen. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion gingen dort Peter Strohschneider, Hartmut Böhme, Karl-Siegbert Rehberg und Hubertus Kohle der Frage nach, welche Auswirkungen die Digitale Revolution auf heutige Wissensstrukturen hat. Dabei konstatierten sie einhellig eine neue Fluidität des Wissens, das wesentlich leichter und auch zu einem größeren Umfang zuganglich geworden sei. Daraus ergebe sich der Bedarf an neuen Wissensordnungen, die gerade Museen, Bibliotheken und Archive vor neue Herausforderungen stellten. Als traditionelle Wissensspeicher und damit Kristallisationspunkte der Herausbildung von kulturellen Identitäten läge ihre Aufgabe darin, ein Gegengewicht zu dem Allvorhandensein digitaler Information zu bilden. Eine reines ‘Entweder-Oder’ von Objekt und Digitalisat erschien dabei als zu kurz gegriffen und der Komplexität der Koexistenz und Überlagerung unterschiedlicher Medienformen nicht gerecht werdend. So lag für Hartmut Böhme der Punkt des Interesses gerade in der aus diesen komplexen Verhältnissen entstehenden Spannung. Sie gelte es zu analysieren, um auf diesem Wege zu verlässlichen Erkenntnissen zu gelangen.

Peter Strohschneider unterschied in seinen Beiträgen zwei Ebenen der Diskussion – eine systemische und eine politische. Die Debatte um Kulturpessimismus versus Medieneuphorie werde dabei vor allem auf der politischen Ebene vor dem Hintergrund politischer wie monetärer Macht- und Verteilungskampfe geführt. Auf der systemischen Ebene – also mit Bezug auf die theoretischen wie zeitanalytischen Diskurse um die Digitale Revolution – waren in seinen Augen drei Aspekte von Bedeutung. Zum einen die Abwendung der neuen Medienkultur vom Erinnern hin zu Instrumenten der Selektion und des Vergessens: Das Erinnern sei durch die sofortige Abrufbarkeit von Informationen unproblematisch geworden und es fehlten nun angesichts dessen neue Wege im Umgang mit Wissensordnungen. Ein zweiter Aspekt der systemischen Fragestellung war für Strohschneider die Verschiebung der Kategorien von Wahrheit und Mehrheit. Da Internetstrukturen auf häufig nachgefragtem Wissen basierten, würden die Grenzen zwischen Wahrheit und Mehrheit zunehmend unscharf und mussten in ihrem Verlauf neu bestimmt werden. Als dritten Diskussionspunkt identifizierte er die Plagiatsdebatte, der in seinen Augen ein technizistischer Textbegriff zugrunde liegt, der einen Text als Wortlautidentität begreift und keine Unterscheidungen zum Diskurs mehr erlaubt.

Auch Karl-Siegbert Rehberg sah in der verbreiteten Nutzung digitaler Medien keine existentielle Bedrohung für Kulturinstitutionen. Er konstatierte vielmehr für den aktuellen Moment ein vermehrtes Bedürfnis nach Dinglichkeit und Materialität, das nun auf Jahrzehnte der Virtualitätseuphorie folge. Das Museum als Ort der unmittelbaren Begegnung mit dem Objekt gewänne in diesem Prozess nur weiter an Bedeutung. Die Gefahr, der Wert des originalen Objekts könne angesichts seiner massenhaften digitalen Reproduktion nivelliert werden, sah keiner der Diskutanten als ernsthaft bedrohlich an. Die umfassende, “auratische” Bedeutung von Kunstwerken sei, so Hartmut Böhme, bereits seit Jahrhunderten durch Reproduktionen und Berichte geschaffen worden. Die in Frequenz und Verfügbarkeit erhöhten heutigen Reproduktionen konnten diesen Ruhm eines Kunstwerkes nur weiter steigern und damit den Wert seines faktischen Vorhandenseins an einem Ort nur erhöhen.

Hubertus Kohle verwies in seinen Beitragen auf den praktischen Nutzen von Digitalisaten im Zusammenhang mit Open Access. Gerade in diesem Verfügbarmachen von Wissen liegt für ihn einer der größten Errungenschaften der Digitalen Revolution. Er kritisierte, dass die Potentiale dieser Entwicklung bis heute nicht hinreichend erkannt und im Wissenschaftsbetrieb ausgeschöpft worden seien. Die Diskussion bot auf diese Weise in wissenschaftspraktischer ebenso wie in systemischer und politischer Hinsicht umfassende Denkimpulse für den weiteren Verlauf der Dresden Summer School. Gerade die Betonung der gleichzeitigen Überlagerung von Medienkonzepten und das Herausarbeiten von zu untersuchenden Spannungsverhältnissen – etwa zwischen Transparenz und Geheimnis – zeigten, wie ausgedehnt das Diskursfeld ist, auf dem die Dresden Summer School agierte. Dieses Feld zu vermessen und die ihm innewohnenden Prozesse und Konfliktlinien zu analysieren, dazu wollte sie gemeinsam mit ihren Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen erhellenden Beitrag leisten.

Programmhefte DSS 2012
Dr. Hartwig Fischer, Generaldirektor der SKD, bei der Eröffnung der DSS 2012
Prof. Dr.-Ing. Hans Müller-Steinhagen, Rektor der TU Dresden, bei der Eröffnung der DSS 2012
Prof. Dr. Hans Vorländer, Leiter der DSS 2012, bei der Eröffnung der DSS 2012
Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, Prof. Dr. Hartmut Böhme, Moderatorin Cécile Schortmann, Prof. Dr. Peter Strohschneider und Prof. Dr. Hubertus Kohle
Eröffnungsfeier der DSS 2012

Dieser Artikel ist zugleich erschienen in: Dresden Summer School 2012. Von der Vitrine zum Web 2.0 – Bibliotheken, Museen und Achive im digitalen Zeitalter, hg. von Hans Vorländer, Felicitas von Mallinckrodt und Kerstin Küster, Dresden 2013.

Die Broschüre gibt es hier zum Download.

 

Quelle: http://dss.hypotheses.org/1107

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