Ein filmographisches Mysterium: Ins Blaue hinein

Das Regiedebüt des Kameramannes Eugen Schüfftan, das Leinwanddebüt von Theo Lingen: Ins Blaue hinein heißt dieser Film. Entstanden ist er wahrscheinlich 1930, doch eigentlich weiß man nahezu nichts. Eine 35minütige Tonfilmskizze im Stil von Menschen am Sonntag (1930) an dem Schüfftan als Kameramann beteiligt gewesen war; wahrscheinlich ebenso wie dieser als privat finanziertes Experiment in Angriff genommen, um zu beweisen, dass sich Tonfilm und Außenaufnahmen nicht ausschließen. Öffentlich aufgeführt wurde Ins Blaue hinein womöglich erst zur Berlinale 1998 – umkopiert von einer Nitrokopie, die ein Schweizer Privatsammler im Centre National de la Cinématographie, Service des Archives du Film, Bois d’Arcy, deponiert hatte. Martin Koerber hatte den Filmtitel dort auf einer Liste ungesicherter Nitromaterialien entdeckt, den Film gesichtet, er „war gleich verliebt – ein kleines, unbekümmert frisches Experiment mit Bildern und Tönen, zugleich ‘Querschnittsfilm’ und Schauspielerübung, musikalische Komödie und Kamera-Manifest“ (Koerber). Recherchen ergaben: nichts. Keine Zensurkarte, kein Hinweis in den Zensurlisten oder der zeitgenössischen Presse. Eine Uraufführung in Deutschland ist nicht nachweisbar. Hinweise zur Entstehung und Geschichte dieses Films werden weiterhin gerne entgegengenommen.

Am Freitag dem 4. April 2014 wird die 35mm Kopie der Deutschen Kinemathek im Zeughauskino des Deutschen Historischen Museums in Berlin gezeigt. Notfalls kann man sich den Film auch auf der bei Criterion erschienenen DVD oder Blu-ray People on Sunday anschauen, der Ins Blaue hinein als Bonusmaterial beiliegt.

Ins Blaue hinein, 1930 (?)

Regie: Eugen Schüfftan, Buch: Dr. Herbert Rona, Kamera: Laszlo Schäffer, Ton: Franz Schröter, Musik: Harry Ralton, Musikalische Leitung: Alfred Strasser, Regieassistenz: Dr. Herbert Rona, Darsteller: Toni van Eyck, Karl Balhaus, Aribert Mog, Theo Lingen, Wolfgang Staudte, Franz Stein, Werner Scharf, Alice Iversen, Helene Roberts, Produktion: Prisma-Produktion, Tonsystem: Lignose-Hörfilm, Tonkopie: Fitiko.

Kopie: Deutsche Kinemathek – Museum für Film und Fernsehen, 966 m

Quelle: http://filmeditio.hypotheses.org/177

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Bericht zur Tagung „Vom Nutzen der Editionen“

Tagungsbericht von Christian Griesinger (Trier Center for Digital Humanities)

Die 15. internationale Tagung der „Arbeitsgemeinschaft für germanistische Edition“ fand vom 19. bis 22. Februar 2014 an der Universität Aachen statt. In ca. 50 Vorträgen aus den Bereichen der Älteren und Neueren Germanistik, der Musikwissenschaft, Philosophie, Geschichte, Hochschuldidaktik und dem Verlagswesen wurden nicht nur verschiedene Aspekte des Tagungsmottos „Vom Nutzen der Editionen“ beleuchtet, sondern auch aktuelle Editionsvorhaben unter Berücksichtigung des zu erwartenden Nutzens vorgestellt. Die Tagung wurde aufgrund des großen Themenangebots in Plenarvorträge und mehrere parallel zueinander verlaufende Sektionen unterteilt. Daher kann der Tagungsbericht eines einzelnen Berichterstatters nicht alle Vorträge und diskutierten Themen darstellen, sondern muss sich auf eine subjektive Auswahl einzelner Referate sowie übergreifender Tendenzen beschränken für weiterführende Lektüre sei auf den geplanten Tagungsband verwiesen.

Aspekt Digitale Edition, Visualisierung und Vernetzung

Viele Vorträge der Tagung bestätigten den sich fortsetzenden Trend von der analogen zur digitalen (Hybrid-)Edition. In vielen Fällen kommt nun die Auszeichnungssprache XML in Verbindung mit den Richtlinien der TEI für die Kodierung der Texte zum Einsatz. Die Projektvorhaben umfassen häufig neben einer Druckausgabe zusätzlich eine webbasierte Publikation der Edition und stellen viele ihrer Materialien auf den Projekthomepages zur Verfügung.

So stellte beispielsweise Jakub Šimek die laufende Neuedition des Welschen Gastes Thomasins von Zerklære‘ vor, die seit 2011 in Heidelberg erarbeitet wird. Diese Ausgabe wird eine diplomatische Transkription aller erhaltenen Textzeugen sowie eine Bilddatenbank mit sämtlichen Bilderzyklen enthalten, so dass eine reine Druckfassung schon wegen des Umfangs nicht praktikabel erscheint. Für die Rezipierbarkeit und Verbreitung der Edition ist eine Druckversion des nach dem Leithandschriftenprinzip kritisch edierten Textes geplant, während die diplomatischen Texte der Onlineversion vorbehalten sind. Ein weiterer Fokus der Onlineversion soll auf der Visualisierung des Variantenapparates liegen: Die chronologische Distribution der verschiedenen Lesarten zu einer Textstelle soll sich der Benutzer auf einer Zeitleiste darstellen können, die diatopische Distribution der Überlieferungsträger auf einer elektronischen Landkarte. Das Projekt ist zudem bemüht, die Editionstexte mit dem in Trier digitalisierten und gepflegten „Wörterbuchnetz“ und nach Möglichkeit auch mit dem neuen „Mittelhochdeutschen Wörterbuch“ durch das Verfahren der Lemmatisierung zu verknüpfen.

Die laufenden Unternehmen zu Briefeditionen – wie das von Vera Hildenbrandt und Roland Kamzelak vorgestellte Projekt „Vernetzte Korrespondenzen“ – beschäftigen sich ebenfalls intensiv mit Visualisierungsverfahren, um soziale Netzwerke der Briefschreiber und ihre Themen und Inhalte graphisch ansprechend darzustellen. Auch hier werden Inhalte, zum Beispiel Personen und Orte, mit einem Referenzwerk, der Gemeinsamen Normdatei (GND), verlinkt.

Es zeigt sich demnach, dass Editionen nicht mehr als für sich stehende Werke begriffen werden, sondern in einen übergeordneten Forschungskontext eingeordnet und an verschiedene Standards der Kodierung und Vernetzung angepasst werden. Die Verweise auf die lexikographischen Werke oder die Datenbanksysteme der Normdaten, die nur im elektronischen Medium ihr volles Potenzial ausschöpfen können, ermöglichen editionsübergreifende Fragestellungen und erleichtern sowohl den Datenaustausch als auch die Weiternutzung der Editionen in anderen Kontexten. Mit der wachsenden Komplexität der erarbeiteten Editionen steigt allerdings auch das Bedürfnis der Editoren wie auch der Editionsbenutzer, die Sachverhalte visuell darzustellen.

Leider spielte die einstmals engen fachlichen Verbindung von Editionswissenschaft, Wörterbuch- und Grammatikschreibung auf der Tagung nur eine Nebenrolle. Es wäre wünschenswert, die wechselseitige Nutzung von Editionen in den Wörterbücher- und Grammatikvorhaben wie auch die Nutzung der Lexika und Grammatiken in den Editionsprojekten stärker zu beleuchten.

Aspekt Benutzung historisch-kritischer Ausgaben in der Wissenschaft

Bislang fehlt es an Studien zur Benutzungssituation von Editionen im Wissenschaftsbetrieb. In der Neugermanistik liegen zwar mittlerweile für viele moderne Autoren Historisch-Kritische Ausgaben (HKA) ihrer Werke vor, die sich vornehmlich an wissenschaftliche Nutzer richten, inwiefern sie jedoch benutzt werden, wurde bislang nicht untersucht. Um die Akzeptanz, Verbreitung und Benutzung dieser Editionen zu untersuchen, wertete Rüdiger Nutt-Kofoth hierzu die Jahrgänge 2000–2013 wichtiger Publikationsorgane wie ZfdPh, Euphorion und DVjs aus. In ca. 540 Aufsätzen mit einem Umfang von ca. 29.000 Seiten betrachtete er, welche Textausgaben und welche Teile der Editionen zitiert wurden.

Das Ergebnis war wenig schmeichelhaft, denn in etwa 60% der Fälle wurden die maßgeblichen kritischen Editionen nicht konsultiert, sondern auf andere oder ältere Ausgaben zurückgegriffen. In den 40% Prozent der Fälle, in denen die HKA als Textgrundlage genommen wurden, zitierten die Autoren der Beiträge zu etwa 90% den edierten Haupttext, die Erläuterungen der Ausgaben wurden nur in 10% und die Textvarianten in lediglich 5% der Fälle zitiert. Es scheint damit, dass gerade der aufwendigste Teil einer HKA, der kritische Apparat, am wenigsten berücksichtigt wird. Auch die seltene Verwendung der Erläuterungen, Einleitungen und Vorworte gibt Rätsel auf.

Als mögliche Ursachen für dieses ernüchternde Ergebnis wurde zum einen ein mangelndes Bewusstsein für wissenschaftliche Standards genannt, zum anderen wurde angeführt, dass in vielen Fällen die zumeist teuren und in nur geringen Auflagen publizierten HKA nicht immer zur Verfügung stehen und dann aus Zeitgründen oder Bequemlichkeit auf Taschenausgaben oder verbreitete Einzelausgaben zurückgegriffen werde. Zum dritten wurde auf die Komplexität der HKA hingewiesen, deren teils kryptische Apparate nicht zu einer näheren Beschäftigung einladen. Fest steht jedenfalls, dass diese erste quantitative Erhebung nur der Beginn einer selbstkritischen Untersuchung des wissenschaftlichen Umgangs mit Editionen in der Germanistik sein kann.

Aspekt Edition und Didaxe

In verschiedenen Vorträgen wurde über den Einsatz von Editionen in der Hochschuldidaktik und als Lektüregrundlage in Schulen berichtet. Burghard Dedner erläuterte, wie er anhand des Woyzeck von Georg Büchner Schulklassen textkritische und editorische Fragestellungen nähert bringt. Sehr häufig kämen in Schulklassen veraltete Ausgaben oder von Lehrern selbst erstellte Lernmaterialien zum Einsatz, die dem fragmentarisch erhaltenen Text eine vermeintlich geschlossene Gestalt geben oder Forschungsergebnisse zur Datierung einzelner Textschichten ignorieren. So wird den Schülern zum einen ein falsches Bild von der Genese des Textes vermittelt, zum anderen die Interpretation durch den Willen des Lehrer gelenkt. Die Konfrontation mit im Unterricht nicht benutzen Ausgaben, die den Schülern die Unfestigkeit des Textes vor Augen führen, eignet sich besonders zur Sensibilisierung für textkritische Fragen.
Florian Radvan zeigte anhand didaktischer Modelle und einer statistischen Auswertung verschiedener, in Schulen zur Anwendung kommender Textausgaben, dass die auf Schulen spezialisierten Verlage bei der Vermittlung von Primärliteratur in unterschiedlichem Maße Wort- und Sacherläuterungen in ihre Texte einbauen, aber keineswegs immer ihre Textgrundlage von den maßgeblichen kritischen Ausgaben beziehen.

Den Einsatz der neuen, 15. Auflage von ‚Walthers von der Vogelweide‘ Leich, Liedern und Sangsprüchen (ed. Thomas Bein) in universitären Proseminaren erläuterte Dörte Meeßen. Da diese Auflage viele Strophen ‚Walters‘ in mehreren Fassungen bietet, können an ihr Merkmale der handschriftlichen Textüberlieferung des Mittelalters und die damit verbundenen Fassungsprobleme den Studenten nahe gebracht werden. Darüber hinaus können verschiedene Interpretationsansätze auf den Text angewendet werden, die bei der Darstellung nur einer Fassung verborgen blieben. Allerdings wurde auch in diesem Fall auf die engen Grenzen der Druckfassungen hingewiesen, die die Überlieferung nicht in ihrer gesamten Breite berücksichtigen können. Um die große Varianz der Strophen innerhalb eines Tones darstellbar zu machen, braucht man digitale Werkzeuge und Analyseverfahren.

Fazit

Die Tagung „Von Nutzen der Editionen“ zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass sie ein großes Spektrum an Themen und Fachrichtungen berücksichtigte. Auch wenn in der Editionswissenschaft viele unvereinbare editorische Grundsätze nebeneinander existieren und Fragen wie Normalisierung, Apparataufbau, Darstellung der Textgenese und gar die editorische Terminologie heftig umstritten sind, wurde in allen Diskussionsrunden, denen der Berichterstatter beiwohnen konnte, sachlich diskutiert und durchaus auch wissenschaftskritische Positionen bezogen. Dadurch und weil neben Editoren auch Nutzer von Editionen und Verlagsvertreter in Plenarvorträgen ihre Sichtweise und Erfahrungen im Umgang mit Editionen und deren Vertrieb darstellen konnten, war es möglich, Anregungen, Wünsche und Kritik in laufende Editionsvorhaben zu tragen und die Forschungsdiskussion zu bereichern.

Quelle: http://scriptorium.hypotheses.org/364

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Tipp: Austellung “The American Way. Die USA in Deutschland”

Seit Edward Snowden die Überwachung des Mobiltelefons der Kanzlerin publik machte, ist die transatlantische Freundschaft zunächst wieder etwas abgekühlt. Allerdings hat die Freundschaft zwischen den USA und der Bundesrepublik schon mehrere Hoch- und Tiefpunkte hinter sich. In der Ausstellung „The American Way. Die USA in Deutschland“ widmet sich das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig derzeit dem Amerikabild der Deutschen.

Während des Kalten Kriegs waren die USA bedacht, Westdeutschland kulturpolitisch an sich zu binden. Neben wirtschaftlichen Maßnahmen wie dem Marshall Plan und einem akademischem Austausch in Gestalt des Fulbright-Progamms wurde auch (Pop-)Kultur exportiert. Neben Elvis Presley, der während seines Militärdienstes in Hessen stationiert war, und Tupperware, die ab 1962 in Deutschland verkauft wurde, versuchten die 15 Amerika-Häuser für ein positives Amerikabild zu sorgen (was nicht immer gelang). Unterhalten vom US Information Service waren sie Ort für Vorträge, Konzerte und auch Sprachkurse und sogar fahrende Bibliotheken. „Die Dachorganisation der Amerikahäuser[…] war weltweit für die auswärtige Kultur- und Informationspolitik der USA zuständig. ‚Telling America‘s story to the world‘ hieß das Motto für die psychologische Kriegführung im Kalten Krieg.“1 Doch unter der Präsidentschaft von John F. Kennedy wurde der diplomatische Fokus mehr auf Asien, Afrika und Südamerika gelegt und die Budgets für westeuropäische Amerika-Häuser gekürzt. Daraufhin wurden viele der Häuser in binationale, das heißt von Deutschland und den USA finanzierte Institute umgewandelt, in deren Form einige von ihnen heute noch existieren.

Die Ausstellung ist noch bis zum 12. Oktober 2014 zu sehen. Der Eintritt ist frei.

  1. vgl. Kreis, Reinhild: Orte für Amerika. Deutsch-Amerikanische Institute und Amerikahäuser in der Bundesrepublik seit den 1960er Jahren. Stuttgart 2012

Quelle: http://wwc.hypotheses.org/72

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Tagungsbericht: Wittelsbach, Bayern und die Pfalz: das letzte Jahrhundert

800 Jahre nach der Übertragung der Pfalzgrafschaft bei Rhein an die Familie der Wittelsbacher durch Kaiser Friedrich II., die über 700 Jahre währen sollte, befasste sich die wissenschaftliche Tagung „Wittelsbach, Bayern und die Pfalz: das letzte Jahrhundert“ mit zentralen Aspekten der Stellung der Pfalz im Königreich Bayern. Ausgewiesene Experten referierten am 28. und 29. März 2014 auf Schloss Villa Ludwigshöhe bei Edenkoben in drei Sektionen über das besondere Verhältnis der Pfalz zum Königreich Bayern zwischen deren Angliederung im Jahre 1816 und dem Ende der Wittelsbacher Herrschaft 1918. Ein besonderes Anliegen der von Prof. Dr. Karsten Ruppert, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, initiierten Tagung war die Belebung des Dialoges zwischen den bayerischen und pfälzischen Historikern über diese Epoche der gemeinsamen Geschichte.

Die Veranstaltung war ein gemeinsames Projekt der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) des Landes Rheinland-Pfalz, der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und der Hambach-Gesellschaft für historische Forschung und politische Bildung. Eine Unterstützung gewährte die Stiftung Bayern-Pfalz. Nach der Begrüßung durch die Direktorin der Sektion „Burgen, Schlösser, Altertümer“ der GDKE, Dr. Angela Kaiser-Lahme, die über die Geschichte und Bedeutung des Tagungsortes informierte, führte Prof. Dr. Karsten Ruppert in die Konzeption der Tagung ein: Von allen neu erworbenen Gebieten habe sich Bayern mit der Pfalz am schwersten getan. Dass die Integration dennoch gelungen sei, sei einer Politik zu verdanken gewesen, die so viel Einheitlichkeit wie nötig eingefordert und so viel Selbständigkeit wie möglich gewährt habe. So sei bis zum Vorabend des Weltkriegs der Beweis erbracht worden, dass ein starker Staat sich durchaus mit lebendigen Regionen vereinbaren ließ.

Den Auftakt zur Sektion „Politik, Verfassung, Recht“ machte Prof. Dr. Hans Fenske, Universität Freiburg, mit einem Referat über „Die pfälzische Sonderkultur in der politischen Entwicklung Bayerns bis zur Revolution von 1848/49“. Darin betonte er sowohl die populäre Zustimmung zur Beibehaltung der verfassungspolitischen Errungenschaften aus der französischen Zeit („Rheinische Institutionen“) wie auch die Bereitschaft der bayerischen Regierung und der führenden Verwaltungsbeamten zur „Verbürgung des pfälzischen Sonderstatus“. Mit der im Anschluss an die Pariser Julirevolution 1830 einsetzenden „konservativen Wende“ Ludwigs I., die vom Hambacher Fest 1832 verstärkt wurde, kam diese Phase zu einem vorläufigen Ende. Im Verlauf der Revolution 1848/49 wurde durch die liberalen Reformen jedoch eine Angleichung der rechts- an die linksrheinischen Verhältnisse erzielt, weshalb „von einer Sonderkultur dann kaum noch die Rede sein“ konnte.

Dr. Wilhelm Kreutz, Privatdozent an der Universität Mannheim, porträtierte „Die politische Entwicklung Bayerns und der Pfalz von 1848/49 bis 1918“. Hatte das Jahr 1849 mit der Lossagung der Pfalz von Bayern durch die Provisorische Regierung im Rahmen der Reichsverfassungskampagne den „Tiefpunkt des bayerisch-pfälzischen Verhältnisses“ markiert, so endete damit auch die geschlossene oppositionelle Blockhaltung durch Betonung der (französisch geprägten) politischen Autonomie. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sei ein Streben nach einer „historischen Kulturlandschaft ‚Pfalz’“ durch die Umdeutung der Pfälzer in einen „eigenen deutschen Stamm“ neben Franken, Schwaben und Altbayern unter Betonung der Einheit von politischem Territorium und geographischem Gebiet erkennbar. Gleichzeitig wurde neben dieser „kulturellen Transformation der Identität“ unter Dominanz der nationalliberal orientierten „Flaschenbarone“ die Annäherung an die deutsche Kultur und das ‚Reich’ wichtiger.

Dr. Franz Maier vom Landesarchiv Speyer bestätigte die Befunde der Vorredner. Die Vereinheitlichung auf staatlicher Ebene sei bis 1862 nahezu vollständig vollzogen worden und Neuerungen aus der französischen Zeit seien nicht nur belassen worden, sondern sie seien vielfach auch im rechtsrheinischen Bayern übernommen worden. Auf der kleinsten Verwaltungsebene, die Maier in seinem Vortrag über „Die Entwicklung der Verwaltung und Kommunalverfassung in der Pfalz und im rechtsrheinischen Bayern“ besonders im Blick hatte, ist es hingegen bis zum Ende der Monarchie zu keiner Angleichung gekommen; die erweiterten Selbstverwaltungskompetenzen wurden nicht berührt. Zu groß wären die Eingriffe in das alltägliche Leben der Menschen gewesen.

Den Vorbildcharakter der pfälzischen Freiheitsrechte für das rechtsrheinische Bayern, besonders für das aufgeklärte Milieu, untermauerte auch Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuther in seinem Referat über die „Rechtsordnung und Justizverfassung der Pfalz“. Mit der Übernahme respektive Garantie der Freiheit und Sicherheit der Person sowie des Eigentums, der Gleichheit vor dem Gesetz, der Freiheit des Gewerbes, der Trennung von Justiz und Verwaltung, der Öffentlichkeit der Gerichtssitzungen und der Trennung des Geistlichen vom Weltlichen wurde im Kernland jedoch erst 1848 begonnen.

Der Beitrag Prof. Dr. Alois Seidls von der Hochschule Weihenstephan über „Die pfälzische Landwirtschaft des 19. Jahrhunderts im Spiegel des bayerischen Stammlandes“ beleuchtete die großen Unterschiede in den landwirtschaftlichen Verhältnissen als Auftakt zur Sektion „Wirtschaft und Gesellschaft“. Die seit der französischen Zeit bestehende moderne Agrarverfassung („Bauernbefreiung“) machte die Bauern in der Pfalz zu Eigentümern und Unternehmern gleichermaßen; die Realteilung hatte allerdings die Ausbildung einer kleinbetrieblichen Agrarstruktur („Parzellierung“) und im Verein mit der Bevölkerungsexplosion des 19. Jahrhunderts mehrere Ernährungskrisen zur Folge. Auch auf die Entwicklung moderner Produktionstechniken wirkte sich die Dominanz der Parzellenbetriebe nachteilig aus. Durch die korporativ betriebene Agrarbildung fand jedoch eine gegenseitige Befruchtung zwischen dem Stammland und der Pfalz statt.

Prof. Dr. Dirk Götschmann, Universität Würzburg, schloss mit seinem Vortrag über „Industrialisierung und Gewerbe der Pfalz“ daran an. Die agrarische Pfalz (bis zur Mitte des Jahrhunderts waren rund 70 % der Beschäftigten in der Landwirtschaft tätig) mit überwiegend Subsistenzwirtschaft habe nur wenig Produktivkraft entfaltet. Andererseits habe die Abhängigkeit von einem – oft häuslich betriebenen – Zuerwerb, der aufgrund der liberalen Gewerbeverfassung ohne Restriktionen aufgenommen werden konnte, der Pfalz gegenüber dem rechtsrheinischen Bayern einen Vorsprung bei der aufkommenden Industrialisierung und Globalisierung verschafft. Die Erweiterung der Absatzmöglichkeiten durch den Deutschen Zollverein von 1834, der Anschluss an die Eisenbahn und die Schifffahrt seit den 1840er Jahren machten die Klein- und Kleinstbetriebe (heute: „Mittelstand“) der Pfalz zu Profiteuren auf dem Binnen- und Weltmarkt.

Dr. Markus Raasch, Privatdozent an der Universität Mainz, relativierte mit seinem Beitrag zu „Adel und Bürgertum. Bayern und die Pfalz aus gesellschaftshistorischer Perspektive“ die weitverbreitete Auffassung, wonach in der Pfalz feudale Lebensformen keine Rolle gespielt hätten. Durch zahlreiche Nobilitierungen habe sich zwar durchaus eine sehr heterogene Adelslandschaft mit zahlreichen Zerfallserscheinungen ergeben; allerdings seien diese Beleg für eine „ausgeprägte Kontinuität in der Diskontinuität“. Auch seien die Verfassung von 1818 sowie die Revolution von 1848/49 wichtige Zäsuren, doch sei der Abbau von Vorrechten stets mit staatlichen Konzessionsangeboten einhergegangen. Überdies zeuge der überproportionale Anteil des Adels in Bürokratie und Politik von Erfolgen im „Kampf ums Obenbleiben“. Dem Wandel der Besitzverhältnisse konnte der Adel ferner durch Allianzen mit dem Besitzbürgertum entgegenwirken, das mit der Adaption adliger Lebensformen diese weiterführte.

Das Referat Prof. Dr. Hermann Rumschöttels über „Die Pfalz um gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel Bayerns in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ musste aus persönlichen Gründen entfallen, wird aber in den Tagungsband aufgenommen werden.

In die dritte Sektion, „Religion und Kultur“, führte Prof. Dr. Werner K. Blessing, Universität Erlangen-Nürnberg, mit dem Vortrag „Pfälzer ‚Eigen-Sinn’ – Der Unionsprotestantismus im Königreich Bayern“ ein. Die pfälzische Kirche könne insofern als „Seismograph des Zeitgeschehens“ gelten, als sie gegen die reaktionäre Kulturpolitik Ludwigs I. durch eine starke rationalistische Gegenbewegung Widerstand leistete. Politische Bedeutung erlangte die speziell auf gemeindlicher Ebene praktizierte „protestantische Freiheit“ dadurch, dass sie sich mit der frühliberalen Kritik an der konservativen Staatsführung verband; der Kampf um die Unabhängigkeit der Unierten Kirche der Pfalz vom orthodoxen „Neuluthertum“, welches das Oberkonsistorium in München dominierte, sollte auch die politische Autonomie befördern. Die Unionskirche wirkte als „geistig neutrales Band“ entscheidend an der Entwicklung einer gemeinsamen Identität mit.

Die andere große Konfession hatte Prof. Dr. Klaus Unterburger, Universität Regensburg, im Blick, als er zum Thema „Zwischen bayerischem Staatskirchentum und Milieubildung: Strukturelle Rahmenbedingungen und spezifische Eigenheiten des Pfälzer Katholizismus“ referierte. Er strich heraus, dass die beiden aus dem Mainzer Kreis kommenden Bischöfe, Geissel und Weis, sich für eine Stärkung und Reform des Katholizismus nach dem Niedergang in der „Franzosenzeit“ im Sinne des Ultramontanismus eingesetzt hätten. Unter dem Einfluss des frühliberal-rationalistischen Protestantismus und der kleinstädtischen Struktur der Pfalz sei die Ausbildung eines praktizierenden katholischen Milieus erschwert worden. Letzteres sei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts daher einen anderen Weg zur politischen Partizipation gegangen als der pfälzische Protestantismus: statt vornehmlich über den Parlamentarismus über Vereine, eine katholische Presse, Parteien und karitative Orden.

Dr. Lenelotte Möller, Speyer, machte in ihrer Betrachtung über „Schulwesen und höhere Bildungsanstalten der Pfalz im Rahmen des bayerischen Bildungssystems“ deutlich, dass im gesamten Jahrhundert ein beeindruckender Fortschritt erkennbar ist und eine massive, vor allem von den Gemeinden getragene Aufbauarbeit geleistet wurde: Nachdem die Beschulung zur öffentlichen Aufgabe eines territorial und bildungssystemisch weitgehend homogenisierten Staates geworden war, konnte eine ebenso verbesserte Eliten- wie Breitenförderung und damit ein großer Anstieg der Alphabetisierung verzeichnet werden. Eine Besonderheit der Pfalz blieb der große Anteil der bis ins 20. Jahrhundert hinein bestehenden kommunalen Gemeinschaftsschulen.

Abschließend stellte Dr. Jürgen Vorderstemann, Speyer, die Frage „Pfälzische Kulturlandschaft oder kulturelle Provinz?“ Zwar hätten die bayerischen Könige, vor allem unter Ludwig I. und in der Prinzregentenzeit, einige kulturelle Aktivitäten entfaltet, doch seien diese weit hinter denen in München und anderen Teilen Bayerns zurückgeblieben. Umso mehr Gewicht sei daher den erfreulich zahlreichen Initiativen der Bürgergesellschaft zuzumessen. Zur Provinzialisierung habe schließlich noch beigetragen, dass kein Pfälzer Künstler von Rang in seiner Heimat geblieben sei. Die Zurücksetzung der Pfalz gegenüber dem Kernland, die während der Tagung in verschiedenen Referaten angeklungen war, in der Kulturpolitik war sie am deutlichsten.

Quelle: http://achtundvierzig.hypotheses.org/553

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Nachlese DHd 2014: Wissenschaftliche Sammlungen

Session 3 der DARIAH-DE Pre-Conference in Passau fand am Mittwoch dem 26. März statt und behandelte das Thema Wissenschaftliche Sammlungen. Dr. Thomas Stäcker, Stellvertretender Direktor der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, erläuterte definitorische sowie technische Voraussetzungen wissenschaftlicher Sammlungen und berichtete von aktuellen Perspektiven und Herausforderungen im Umgang mit Forschungsdaten.

Einleitend wurden als grundlegende Aufgabenbereiche der Aufbau von wissenschaftlichen Sammlungen, wie auch die Nutzung und Integration bereits existierender Sammlungen genannt (als dritter Aufgabenbereich ist hier auch die Lizenzierung von Inhalten anzuführen, die jedoch eine dementsprechend eigene Materie darstellt). Demnach gehört es zum Aufbau wissenschaftlicher Sammlungen, technische Interoperabilität und Schnittstellen zu gewährleisten, Daten- und Metadatenstandards umzusetzen, sowie kontrollierte Vokabulare und Normdaten bereitzustellen. Darüber hinaus bietet es sich an, die im Rahmen von DARIAH-DE entwickelte Collection Registry mit Informationen über derart aufbereitete wissenschaftliche Sammlungen zu füllen und damit einer föderierten Suche zugänglich zu machen.

Für alle diese Vorgänge werden jedoch auch Kriterien benötigt, anhand derer wissenschaftliche Sammlungen begutachtet werden können. Eine Frage nach solchen Kriterien mündet schließlich auch in die Frage nach einer grundsätzlichen Definition des Sammlungsbegriffs. Als Diskussionsgrundlage präsentiert Stäcker eine Definition der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die eine wissenschaftliche Sammlung als “Gesamtheit von Objekten, die einen kulturellen und/oder wissenschaftlichen Wert aufweist und nach bestimmten thematischen Schwerpunkten zusammengestellt ist”, beschreibt [1]. Hier wird bereits klar, dass Ordnungsprinzipien als konstitutive Merkmale wissenschaftlicher Sammlungen zu sehen sind, kurz gesagt, dass eine Ansammlung noch keine Sammlung darstellt. Es wird aber auch darauf hingewiesen, dass dabei eine phänomenologische und epistemologische Ebene zum Tragen kommt, die dafür verantwortlich ist, wann eine Sammlung denn als solche zu erkennen ist – ein umfassender Zugang, der hier jedoch als Arbeitshypothese im Raum stehen bleiben muss.

Eine weitere definitorische Herausforderung bietet der Begriff der Forschungsdaten, der eine grundlegende Voraussetzung für groß angelegte digitale Forschungsumgebungen darstellt. Für den Begriff der Forschungsdaten kann von zwei Polen, nämlich einem daten- und dokumentzentrierten Zugang ausgegangen werden, wobei ersterer die Daten in einer quantitativen, diskreten Form (z.B. Datenbanken, Listen) und zweiterer eine qualitative, kontinuierliche Form (z.B. Annotationen, Notizen) beschreibt. Stäcker ortet hier ein fehlendes Selbstverständnis bei Geisteswissenschaftlern, die eigene Arbeitsergebnisse nicht als “Daten” einschätzen und schließt mit der allgemeinen Frage an, ob und wann denn Quellen und Dokumente als Daten zu betrachten sind.

Ausgehend von dieser Fragestellung wurde im Anschluss an den Vortrag festgestellt, dass eine Form von Prozessierbarkeit für den Status als Datum ausschlaggebend ist. Wie genau diese Prozessierbarkeit jedoch gestaltet sein soll, darüber müsste weiter diskutiert werden – so stand beispielsweise die Frage im Raum, wie große Bestände von Bilddigitalisaten im Hinblick auf ihre zukünftig zu erwartende maschinelle Verarbeitung einzuschätzen sind. In einem breiteren Kontext stellt sich dabei nicht nur die Frage nach der Verarbeitung mit Hilfe technischer Werkzeuge, sondern auch nach den Zugangsmöglichkeiten zu solchen Beständen und Workflows, die immer noch weitgehend im Rahmen restriktiver Verwertungsrechte aushandelt werden. Hier lautet der Befund: Bestände, deren enduser nicht ohne Weiteres zum endmaker werden können, sind nicht als datenfähig anzusehen.

Schließlich wurden Ergebnisse des SUDAMIH Reports (Supporting Data Management Infrastructure for the Humanities) [2] vorgestellt und damit wesentliche Punkte im Umgang mit geisteswissenschaftlichen Forschungsdaten identifiziert – wie zum Beispiel die Feststellung, dass solche Datenbestände im Gegensatz zu ihren naturwissenschaftlichen Pendants eine längere Halbwertszeit aufweisen, ja oft sogar einen body of research darstellen, der das ganze Leben eines Forschers umfasst und auf den langfristig Bezug genommen werden soll. Neben solchen (teilweise stark) unterschiedlichen Organisationsprinzipien, ist auch zum Ausdruck gekommen, dass es in den Geisteswissenschaften eine gewisse Zurückhaltung gibt, Zwischenergebnisse oder Daten, die durch ihre beiliegende Interpretation erst vollständig erscheinen, der Öffentlichkeit zu präsentieren. Hier sind gegebenenfalls Möglichkeiten der anonymen Veröffentlichung anzudenken – ein weiterer Punkt, der noch zu diskutieren wäre.

Abschließend und aufbauend auf den vorangegangenen Fragestellungen gelangt Stäcker schließlich zu den folgenden Perspektiven im Aufbau wissenschaftlicher Sammlungen: Es gilt, nicht nur neue Forschungsdaten und Arbeitsumgebungen zu erstellen, sondern auch eine niederschwellige Verzeichnung von Daten und Sammlungen und eine sichere Aufbewahrung in Langzeit-Repositories sicherzustellen. Darüber hinaus sollte ein direkter Zugriff auf Sammlungseinheiten anhand ihrer Metadaten möglich sein – eine Eigenschaft, für deren Bereitstellung insbesondere auf Techniken des Semantic Web gesetzt wird. Mein persönliches Fazit der Session: Die Frage nach dem Begriff der wissenschaftlichen Sammlung ist eng verbunden mit ihren vor- und nachgelagerten Arbeitsprozessen – sowohl aus der Perspektive individueller Workflows einzelner Forscher, als auch im Hinblick auf eine darüber liegende (wissenschafts-)politische Ebene. Es handelt sich um einen stark vernetzten Themenbereich, der auch Fragen aufwirft, die aktuell nicht eindeutig zu beantworten sind.

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Forschungssammlung

[2] http://sudamih.oucs.ox.ac.uk/docs/Sudamih_FinalReport_v1.0.pdf

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3297

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Nachlese Dhd 2014: Das “Objektcluster” auf der Pre-Conference von DARIAH-DE

Die neue Clusterstruktur von DARIAH-DE trägt mit ihrer Fokussierung auf bestimmte Kernbereiche der dynamischen Entwicklung der Digital Humanities Rechnung. Als Kern-DH-Verfahren wurden in der ersten Förderperiode u.a. Editions- und Erschließungsverfahren / Annotationen sowie computergestützte Analyseverfahren, d.h. das Erkennen von sprachlichen Strukturen in Texten, aber auch Erkennen von visuellen Strukturen in Bildern, benannt.[1] Insbesondere letzter Punkt, die Mustererkennung in Bildern, stellt bislang ein großes Desiderat in der und für die digitale Forschung dar, obwohl Texte keineswegs die einzigen Primärquellen sind, mit denen GeisteswissenschaftlerInnen arbeiten. Cluster 7, das so genannte “Objektcluster” unter Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), möchte daher dazu beitragen, dieses Deisderat anzugehen, indem es für geisteswissenschaftliche Zwecke angepasste Lösungen aus dem Bereich der automatischen Bilderkennung / Gesichtserkennung nachhaltig in die Forschungsinfrastruktur einbringt.

Auch wenn Reinhard Förtsch in seiner Präsentation dieses Vorhabens explizit keine Definition davon gegeben hat, was Objekte sind, so ist doch anzumerken, dass die Rede von einem “Objektcluster” der Tatsache geschuldet ist, dass u.a. die archäologische Objektdatenbank Arachne eine Datenbasis für die geplante Mustererkennung stellt. Mustererkennung wird also nicht an 3D-Objekten vollzogen, sondern an digital vorliegenden Fotografien von Objekten, sprich Bildern. Die Anschlußmöglichkeiten für andere Fachdisziplinen wie Kunstgeschichte oder Epigraphik sind offensichtlich, so dass zu wünschen ist, dass es zu einem regen Austausch zwischen verschiedenen Initiativen kommt, affine Projekte also “nicht mehr gemeinsam einsam sind, sondern [...] echte Synergien entstehen.”[2]

[1] Ruth Reiche, Rainer Becker, Michael Bender, Matthew Munson, Stefan Schmunk, Christof Schöch: “Verfahren der Digital Humanities in den Geistes- und Kulturwissenschaften”, in: DARIAH-DE Working Papers Nr. 4, Göttingen: DARIAH-DE, 2014.
[2] Claudine Moulin, Tweet aus dem Twitterstream zur Dhd 2014, 28. März.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3286

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CfP verlängert: Int. Conference on Infrastructures and Cooperation in E-Science and E-Humanities

Das eScience – Forschungsnetzwerk Sachsen hat die Einreichungsfrist für Beiträge zur “International Conference on Infrastructures and Cooperation in E-Science and E-Humanities” verlängert. Einreichungen können bis einschließlich 10. April 2014 unter http://openaccess.tu-dresden.de/ocs/index.php/ic-escience/iceseh2014 vorgenommen werden.

Die “International Conference on Infrastructures and Cooperation in E-Science and E-Humanities” findet vom 04.06.-06.06.2014 in Leipzig statt (wir berichteten). Die interdisziplinäre Tagung untersucht den Einfluss digitaler Technologien auf die wissenschaftliche Forschung aus sowohl technologischer wie auch sozialwissenschaftlicher Perspektive.

Informationen zum eScience – Forschungsnetzwerk sind unter http://www.escience-sachsen.de verfügbar.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3283

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Erfolg und Emergenz in den Digital Humanities – ein Tagungseindrucksausschnitt

von Fabian Cremer, Max-Planck-Institut zur Erfoschung multireligiöser und multiethnischer Gesellschaften

Es könnte durchaus aufhorchen lassen, mit welcher Selbstverständlichkeit ökonomische Kategorien zur Beschreibung oder Beurteilung wissenschaftlicher Vorhaben herangezogen werden, trotz der weit verbreiteten Kenntnis des Drucks [1], dem die drittmittelgeprägten Digital Humanities als Beutegemeinschaft ausgesetzt sind. Im gleichnamigen Panel der DHd 2014 [2] hängt der expliziten Frage nach dem „Mehrwert“ der Informationstechnologie in geisteswissenschaftlichen Projekten, implizit auch das Legitimationsbedürfnis einer Disziplin an, die neben ihrem Selbstverständnis auch ihre Förderwürdigkeit aus den Innovationsmomenten zieht, die in dieser Verbindung von Geisteswissenschaft und Informatik mitunter stecken. Die Entstehung des Mehrwerts lässt sich aus der Marxschen Theorie des Kapitalismus [3] auf die stärker erkenntnisgewinnorientierte Aspekte der Wissenschaft übertragen: Mit dem den Einsatz von Informationstechnologien im Arbeitsprozess der GeisteswissenschaftlerInnen entsteht ein Produkt, dessen Gegenwert über den der jeweils aufgebrachten Arbeitsleistung hinausgeht, ein wissenschaftliches Surplus. Von diesen emergenten Eigenschaften der wissenschaftlichen und personellen Verbindungen in den Digital Humanities zeugen die drei Erfolgsgeschichten, die in der Mehrwertsession erzählt wurden.

Das Forschungsgebiet kunsthistorisch motivierter Analyse von Musikvideos, in dem sich Thorsten Wübbena kunsthistorisch und Matthias Arnold informationstechnologisch bewegen [4], zeigt idealtypisch, welche Möglichkeiten sich nach dem Fall analoger Barrieren ergeben. Genuin digitale oder im Analogen nur schwer wissenschaftlich rezipierbare Medien wie Musikvideos, ergeben sich der Analyse ihres komplexen und in Bewegung befindlichen Bezugssystems aus Text, Bild und Musik in einer webbasierten Arbeitsumgebung zur Videoannotation [5] nicht nur leichtgängiger sondern auch nachhaltiger. Ohne Medienbrüche direkt im Material arbeiten zu können, erlaubt außerdem nicht nur bessere Analysebedingungen, sondern eröffnet in der wissenschaftlichen Kommunikation den Diskurspartnern auch einen anderen Zugriff auf die eigene Argumentationsgrundlage, die visuelle Materialerschließung in der digitalen Arbeitsumgebung. Der bisher unvermeidliche Umweg über den Text, die Abstraktion über die Verschriftlichung, wird vermieden.

Im Untersuchungsfeld der Wanderungsbewegungen von Musikern im 16. Und 17. Jahrhundert lässt sich anhand der Projektfolge Musici-Musmig [6] eines der Phänomene der Digital Humanities exemplarisch verfolgen, der Fokuswechsel von einer im Umfang beschränkten aber tiefgehenden Erschließung zu einer räumlich und thematisch breiteren Datenbasis mit reduzierterem Detailgrad und generalisierenden Ordnungsstrukturen. Neben der Notwendigkeit, sich dabei mit informationstechnologischen Methoden der Aufbereitung von Daten, ihrer Maschinenlesbarkeit und Modellierung auseinanderzusetzen (und dann davon zu profitieren), erschloss sich die hilfreiche Wirkung der Technologien im gemeinsamen Vortag von Berthold Over und Torsten Roeder ganz unmittelbar in den im Projekt eingesetzten Visualisierungsstrategien mit Karten und Bewegungsmustern, denn die Komplexität der untersuchten Phänomene, die Netzwerke und Dynamik von Personen, Orte, Zeiträume, Ereignissen und Beziehungen, ist in der linearen Struktur von Text und Sprache weit schwerer erfahrbar.

Die lineare Struktur von Text und ihre Formalisierbarkeit machen sich hingegen Christian Riepl und die Sprachwissenschaft zu Nutze. Der transkribierte und morphologisch und morphosyntaktisch ausgezeichnete hebräische Text des Alten Testamentes war in den letzten 30 Jahren kontinuierlich Gegenstand sprachwissenschaftlicher Fragestellungen, unter dem Kontrastmittel heutiger Dreijahresforschung eine Ewigkeit. An der Geschichte der „Biblia Hebraica transcripta“ [7] lassen sich zahlreiche Lehren für die Digital Humanities ziehen, die hier nur pointierter Form erscheinen können: Eine langfristige und dauerhafte Auseinandersetzung ist keine wissenschaftliche und technologische Innovationsbremse. Geisteswissenschaft kann in der Auseinandersetzung mit der Stukturliebe und formalisierten Denkweise der Informatik auch methodisch profitieren. Erhalt und stetige Erweiterung und Anreicherung digitaler Datenbestände sind der Schlüssel für die Pluralität und Kontinuität ihrer Nutzung. Dialogische Prinzipien in der Interaktion von Mensch und Maschine sorgen dafür, dass die Geisteswissenschaft weder in die Sklaverei formalisierter Regelwerke der Technik getrieben wird, noch in den Grenzen menschlicher Erfassungsvermögens gefangen bleibt.

Neben dem im Call der Konferenz geforderten „analytischen Mehrwert“ boten die drei Projektvorstellungen inspirierende Auseinandersetzungen mit Problemen, die sie ohne die beteiligten Computer sicher nicht gehabt hätten.

 

[1] http://www.dfg.de/foerderung/grundlagen_rahmenbedingungen/drittmitteldruck/

[2] DHd 2014. Digital Humanities – methodischer Brückenschlag oder “feindliche Übernahme”? Chancen und Risiken der Begegnung zwischen Geisteswissenschaften und Informatik, 1. Jahrestagung der Digital Humanities im deutschsprachigen Raum, 25.-28. März 2014, Universität Passau, http://www.dhd2014.uni-passau.de/

[3] Karl Marx: Das Kapital. Buch I: Der Produktionsprocess des Kapitals. Hamburg, 1867, S. 112, http://www.deutschestextarchiv.de/marx_kapital01_1867/131

[4] Portable Musicvideos: http://www.portablemvs.net; Thorsten Wübbena: http://d-nb.info/gnd/123312396, http://www.kunst.uni-frankfurt.de/de/mitarbeiter/seiten/thorsten-wuebbena/zur-person/; Matthias Arnold: http://www.asia-europe.uni-heidelberg.de/en/people/person/persdetail/arnold.html

[5] http://pan.do/ra

[6] Europäische Musiker in Venedig, Rom und Neapel (1650-1750): Musik, Identität der Nationen und kultureller Austausch: http://www.musici.eu; Music migrations in the early modern age: the meeting of the European East, West and South: http://musmig.hypotheses.org/; Berthold Over: http://d-nb.info/gnd/135197848, http://www.musikwissenschaft.uni-mainz.de/musikwissenschaft/personen/over.htm; Torsten Roeder: http://www.bbaw.de/die-akademie/mitarbeiter/roeder

[7] Biblia Hebraica transcripta – Forschungsdatenbank 3.0: http://www.bht.gwi.uni-muenchen.de/; Christian Riepl: http://d-nb.info/gnd/135197848, http://www.itg.uni-muenchen.de/personen/riepl_christian/index.html

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3268

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DHd-Konferenz – Nachlese im Blog

Nach vier Tagen mit vollem Programm – sechs Pre-Conference-Workshops, 2 Keynotes, 44 Vorträge, 47 Posterpräsentationen, 7 Sektionen und Panels – ist die erste Jahrestagung des DHd-Verbandes “DHd 2014. Digital Humanities – methodischer Brückenschlag oder “feindliche Übernahme”? Chancen und Risiken der Begegnung zwischen Geisteswissenschaften und Informatik” für die rund 350 Teilnehmenden am Freitag zu Ende gegangen.

Der Poster-Award ging an Theresia Biehl (Uni Trier) und ihre KollegInnen vom Projekt Vernetzte Korrespondenzen – Visualisierung von mehrdimensionalen Informationsstrukturen in Briefkorpora für ihr gelungenes und farbenfrohes Poster.

Das Team des DHd-Blog lädt alle Teilnehmenden der Konferenz ein, hier im Blog über ihre Eindrücke zu schreiben.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3265

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XX. Else Lasker-Schüler-Forum 2014

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Die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft e.V. rückt das Jahr 1914 und die Hoch-Zeit des Expressionismus in den Mittelpunkt des  XX. Else Lasker-Schüler-Forums 2014. Der Titel des Forums lautet: ”Der blaue Reiter ist gefallen”. Die Veranstaltungen finden vom 27. bis 30. März 2014 in Solingen statt.

Den Auftakt macht die Eröffnung der Fotoausstellung „Die Natur des Bösen – Menschen hinter den Kriegen“ von Ursula Meissner am 27. März um 16.30 Uhr im Zentrum für Verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen.

Im Anschluss an das Forum finden bis zum 4. Mai zahlreiche weiterführende Veranstaltungen statt. Informationen zu den einzelnen Terminen sowie die Veranstaltungsorte finden Sie im Programm-Magazin und der Einladung zur Forumseröffnung.

 

Quelle: http://1914lvr.hypotheses.org/1145

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