Tagung zu Möglichkeiten der automatischen Manuskriptanalyse

Bei der Tagung „Möglichkeiten der automatischen Manuskriptanalyse“ werden verschiedene Projekte vorgestellt, deren Ziel es ist, handschriftliche Bestände insbesondere mit computergestützten Methoden zu erschließen. Es werden Verfahren zur Unterstützung bei der Transkription handschriftlicher Texte und Untersuchung ihrer Gestalt vorgestellt. Wissenschaftliche Fragestellungen an größere Sammlungen werden ebenso ein Schwerpunkt sein wie die automatische Analyse von Bildern und ihre Verwendung in den historisch orientierten Kulturwissenschaften.

Die Tagung findet am 24. und 25. Februar an der Universität Trier im Raum N2 statt. Sie ist die erste in einer Reihe zum thematischen Feld „Maschinen und Manuskripte“, die im Rahmen des Projektes „eCodicology“ veranstaltet wird. Dieses Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und von der Technischen Universität Darmstadt, dem Karlsruher Institut für Technologie sowie dem Trier Center for Digital Humanities realisiert.

Programm am 24. Februar 2014

Begrüßung

14:00 – 14:15: Grußwort von Dr. Ulrike Graßnick
14:15 – 14:30: Begrüßung und Eröffnung durch Prof. Dr. Claudine Moulin

Sektion I: Forschungsfragen an Manuskripte

14:30 – 15:00: Das Layout päpstlicher Urkunden im 12. Jahrhundert und Probleme seiner Analyse
(Dr. Otfried Krafft, Philipps-Universität Marburg)

15:00 – 15:30: Transcribo: Ein Werkzeug – viele Möglichkeiten
(Dr. Thomas Burch; Frank Queens, Universität Trier)

Sektion II: Forschungsfragen an Sammlungen

16:00 – 16:30: The Library as a Digital Research Infrastructure: Digital Initiatives and Digital Manuscripts at the National Library of Wales
(Prof. Dr. Lorna Hughes, University of Wales)

16:30 – 17:00: DigiPal to ScandiPal: Applying the DigiPal Framework to 11th-century Medieval Manuscript Fragments from Scandinavia
(Matilda Watson, King’s College London)

17:00 – 17:30: Using Images of Medieval Manuscripts: Historical Perspectives and Future Possibilities
(Prof. Dr. Andrew Prescott, King’s College London)

Programm am 25. Februar 2014

Sektion III: Automatische Verfahren in der Bilderverarbeitung

09:00 – 09:30: Computer Vision & Computational Humanities
(Prof. Dr. Björn Ommer, Universität Heidelberg)

09:30 – 10:00: Analyse historischer arabischer Handschriften – das HADARA-Projekt
(Dr. Volker Märgner, Technische Universität Braunschweig)

10:00 – 10:30: Algorithmische Geometrie zur Extraktion von Schrift in 3D
(Dr. Hubert Mara, Universität Heidelberg)

Sektion IV: Automatische Verfahren in der Paläographie und Kodikologie

11:00 – 11:30: Encoding Writer Variability for Automatic Writer Identification
(Vincent Christlein, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg)

11:30 – 12:00: eCodicology – Algorithmen zur automatischen Auszeichnung mittelalterlicher Handschriften
(Hannah Busch, Universität Trier; Swati Chandna, Karlsruher Institut für Technologie; Celia Krause, Technische Universität Darmstadt; Philipp Vanscheidt, Universität Trier/Technische Universität Darmstadt)

12:00 – 12:30: Abschlussdiskussion

Weitere Informationen

http://www.ecodicology.org/index.php?id=26

Anmeldungen sind nicht erforderlich, aber erwünscht. Schreiben Sie hierzu bitte möglichst bis zum 19. Februar an pvanscheidt@uni-trier.de.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=3034

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Beatrix Dietel: Sachsens Landesuniversität zwischen Selbstverwaltung und Staat. Eine Untersuchung zur sächsischen Hochschulpolitik in der Weimarer Republik. Workshop Weimar / Institutionengeschichte

Abstract.

Die Erkenntnis, daß die deutschen Monarchien des 19. und frühen 20. Jahrhunderts der Wissenschaftsförderung einen hohen Stellenwert beigemessen haben, zählt mittlerweile zum bildungsgeschichtlichen Allgemeingut. Die Frage, wie die Regierungen der Weimarer Republik unter den weitaus schwierigeren politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der 1920er und frühen 1930er Jahre mit diesem Erbe umgegangen sind, ist hingegen bisher nur unzureichend untersucht.
Die vorliegende Studie geht dieser Frage am Beispiel der sächsischen Landesuniversität nach. Hochschulpolitik, verstanden als Interaktion zwischen der staatlichen Hochschulverwaltung und der universitären Selbstverwaltung, wird dabei an ausgewählten Kernthemen exemplarisch untersucht und ihre Ergebnisse diskutiert. Neben der Entwicklung der universitären Selbstverwaltung, den beamtenpolitischen Weichenstellungen in Gestalt der Besoldungs- und Ruhestandsbedingungen der Professoren sowie den Professorenberufungen bildet die Hochschulfinanzierung den Untersuchungsgegenstand. Vorangestellt ist diesen inhaltlich akzentuierenden Überlegungen ein Aufriß der hochschulpolitischen Verwaltungsstrukturen.
Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Hochschulpolitik waren im Sachsen der 1920er und 1930er Jahre ähnlich ungünstig wie in anderen deutschen Staaten auch: Politische Instabilität und mangelnde Kontinuität in der Regierungsführung zählten auch im neugeschaffenen Freistaat zu den Strukturmerkmalen der jungen Republik. Von den wirtschaftlichen Krisen der Weimarer Jahre, insbesondere der Weltwirtschaftskrise, war der hochindustrialisierte Kleinstaat aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur sogar stärker als andere deutsche Staaten betroffen. Nicht nur gemessen an dieser ungünstigen Ausgangslage ist die Bilanz der sächsischen Hochschulpolitik in der Weimarer Republik eine positive: So blieb die (Teil-)Autonomie der akademischen Selbstverwaltungsorgane – entgegen aller Befürchungen – weitgehend unangetastet. Im Zuge der beamtenrechtlichen Reformen der Weimarer Jahre erreichten die sächsischen Professoren ausgesprochen günstige Besoldungs- und Ruhestandsbedingungen. Mit der Einführung der Emeritierung als Standard des akademischen Ruhestands hat sich die Rechtssituation im Vergleich zur Monarchie sogar verbessert.
Wie die Analyse der Berufungen zeigt, gelang es der sächsischen Hochschulverwaltung auch nach 1918, zugkräftige Professoren für die Ordinariate der sächsischen Landesuniversität zu gewinnen. In immerhin drei Vierteln der Fälle bildete Leipzig die Endstation der akademischen Karriere. Abwerbungen von Leipziger Ordinarien gelangen nur selten, wenn dann führte der Weg zumeist an die große Schwester Berlin, in einigen Fällen auch nach München.
Der Freistaat förderte den personellen und infrastrukturellen Ausbau der Landesuniversität – wie auch der übrigen sächsischen Hochschulen – durch großzügige Investitionen. Mit durchschnittlich fünf Prozent des Gesamthaushalts lag der Anteil der Hochschulausgaben auf dem für 1914 errechneten Vorkriegsniveau. In der Phase der wirtschaftlichen Konsolidierung Mitte der 1920er Jahre sind die Hochschulausgaben sogar stärker als der Staatshaushalt gewachsen. Zu einem Einbruch in der Wissenschaftsfinanzierung kam es erst infolge der Weltwirtschaftskrise zu Beginn der 1930er Jahre.
Daß trotz mangelnder politischer Kontinuität auf der Regierungsebene eine leidlich kontinuierliche Linie in der Hochschulpolitik gelang, verdankt sich in erster Linie dem Wirken der sächsischen Hochschulreferenten. Gegenüber wechselnden Regierungen und Kultusministern bildete das Hochschulreferat im sächsischen Kultusministerium nicht nur das Element leidlicher Kontinuität, es entwickelte sich vielmehr zur eigentlichen Schaltzentrale der Hochschulpolitik in den 1920er und frühen 1930er Jahren. Paradoxerweise war daher eine „einheitliche Linie“ in der Hochschulpolitik – jenseits parteipolitischer Programmatik – nicht trotz sondern wegen mangelnder politischer Kontinuität auf der Regierungsebene möglich.
Die im Rahmen der Studie gewonnenen Einblicke in die sächsische Hochschulpolitik der Weimarer Republik verdanken sich nicht zuletzt einer überaus günstigen Quellenlage: So hat etwa die Überlieferung des sächsischen Kultusministeriums nahezu ohne „Kriegsverluste“ überdauert. Schlüsselquelle zur Untersuchung der Hochschulfinanzierung sind die jährlich vorliegenden Rechenschaftsberichte zum sächsischen Staatshaushaltsplan. Sie ermöglichten nicht nur eine detaillierte Analyse der Hochschulausgaben des sächsischen Staates, sondern auch den Vergleich der Ausgaben für die einzelnen sächsischen Hochschuleinrichtungen. Jenseits der für die Universitätsgeschichte unlängst kritisierten „Finanzgeschichte ohne Zahlen“ kann somit eine fundierte statistische Analyse vorgelegt werden. Den methodischen Problemen, die sich aus dem zweimaligen Währungswechsel sowie den Verzerrungen durch die Inflation ergeben ist dabei durch Korrelation der aus den Rechenschaftsberichten gewonnenen Rohdaten mit dem Lebenshaltungsindex der jeweiligen Jahre begegnet worden.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1662

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Daniel Rittenauer: Verortung bayerischer Landessymbole in der Weimarer Republik. Workshop Weimar / Institutionengeschichte

Abstract.

Die Weimarer Republik war die längste Zeit ihres Bestehens geprägt von Auseinandersetzungen zwischen politischen Lagern und Ideologien. Auf symbolischer Ebene und in breiter Öffentlichkeit wurden diese im Reich besonders im so genannten Flaggenstreit ausgetragen, in dem die Farben der Republik schwarz-rot-gold denen des vergangenen Kaiserreichs schwarz-weiß-rot gegenübergestellt wurden.
Auf Landesebene fand der Flaggenstreit auch Ausdruck, indem es besonders Ende der 1920er Jahre zu Konflikten um den durch den bayerischen Staat abgelehnten Gebrauch von schwarz-rot-goldenen Flaggen auf öffentlichen Gebäuden kam. Bereits zuvor war es zwischen der bayerischen Regierung und dem Reich zu Reibungen bei gemeinsamen Symbolfragen gekommen, so bei den Hoheitszeichen an der bayerischen Reichsgrenze oder im militärischen Bereich. Rechtfertigte die Bayerische Staatsregierung ihre Verweigerungshaltung mit Verweis auf die Souveränität Bayerns gegenüber dem Reich, so verwendeten etwa Münchener Hotels bei Staatsbesuchen weiß-blaue Flaggen, um dem Gebrauch der ungeliebten schwarz-rot-goldenen Flagge zu umgehen, nicht zuletzt auch deswegen, um ihre deutschnationale Stammkundschaft nicht zu vergraulen; dass diese Verweigerungshaltung in Bayern gegen die republikanischen Farben nicht immer gegeben war, zeigen Plakate der Bayerischen Volkspartei zur Wahl der Nationalversammlung 1919, in denen weiß-blau und schwarz-rot-gold gemeinsam und in positiver Konnotation verwendet werden.

Bedingt durch die zahlreichen Veränderungen und Konflikte in dieser Zeit ist die Quellengrundlage reichhaltig. Quellen zu diesem Forschungsanliegen finden sich vor allem im Bayerischen Hauptstaatsarchiv (Ministerium des Äußern, Ministerium für Unterricht und Kultus) sowie im Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde (Reichsinnenministerium, Reichskanzlei, Reichskunstwart, Vertreter der Reichsregierung in München), darüber hinaus als Klein- und Kleinstfunde verstreut an verschiedenen Stellen in Form von gedruckten und ungedruckten Quellen in Bibliotheken und Archiven.

In meinen Forschungen soll untersucht werden, mit welchen Aussagen und Inhalten bayerische Landessymbole 1918 – 1933 verbunden sind und welche Entwicklungen diese im Laufe der Zeit erfuhren. Welche Auswirkungen hatte die Zäsur der Revolution von 1918 auf die Semantik bayerischer Landessymbole wie dem bis 1923 von Otto Hupp gestalteten Bayerischen Staatswappen? Welche politischen Vorstellungen – die etwa besonders gut anhand von Konflikten ersichtlich werden, die sich am Gebrauch oben genannter Symbole entzündeten – sollten durch die Verwendung bayerischer Landessymbole transportiert werden? Welches Staatsverständnis kommt in den bayerischen Landessymbolen zu Zeiten der Weimarer Republik zum Ausdruck. Wie gestalteten und entwickelten sich die Beziehungen zwischen Reichsstellen und Bayerischer Regierung in dieser Frage?

Die Untersuchung der Bayerischen Landessymbole zu Zeiten der Weimarer Republik ist dabei ein kleiner, aber bedeutsamer Bestandteil eines groß angelegten Langzeitprojektes, das sich der Erforschung der bayerischen Landessymbole vom Frühmittelalter bis in die Gegenwart widmet.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1647

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Grenzen überschreiten – Digitale Geisteswissenschaft heute und morgen

Der dritte Workshop des Einstein-Zirkels Digital Humanities Berlin dreht sich dieses Mal nicht primär um die theoretische Definition der Digital Humanities. Vielmehr wird es um die Vielfalt der gelebten Praxis gehen, wie sich diese im Berliner Raum entwickelt hat und wie die Zukunftsaussichten aussehen. Unter dem Titel „Grenzen überschreiten“ werden die Bedingungen für ein inter-disziplinäres und inter-institutionelles Gespräch zwischen Projekten und Institutionen geschaffen, die zur Etablierung digitaler Werkzeuge und Methoden in den Geisteswissenschaften und angrenzenden Bereichen beitragen.

60+

Das Ergebnis des im Dezember 2013 lancierten Call for Posters zeigt schon, dass es tatsächlich tatsächlich darauf ankommt, sie zu vernetzen, denn: Die geisteswissenschaftlichen Nutzer digitaler Methoden gibt es ganz offensichtlich in Berlin und Umland bereits in vielfältiger Weise. Über 60 Beiträge wurden eingereicht, die nahezu vollständig die Berliner geisteswissenschaftliche Landschaft abdecken. Präsentieren werden sie sich am 28. Februar in drei Kategorien:

  1. Institutionen und Infrastrukturen
  2. Werkzeuge und Dienstleistungen sowie
  3. Projekte.

Während Institutionen und Infrastrukturen sich an besonders exponierter Stelle durchgehend mit ihrem Poster vorstellen werden, werden Werkzeuge und Dienstleistungen sowie Projekte feuerwerkartig in einminütigen Minivorträgen im Rahmen von zwei Slam-Sessions beleuchtet, um Besuchern eine Orientierung in der Menge der präsentierten Inhalte zu verschaffen.

Aufbau, Umbau und Ausbau

Für den Nachmittag wird zu Formaten zurückgekehrt, die Geisteswissenschaftlern/innen vertrauter sein werden. In einer Keynote wird Prof. Kurt Fendt das von ihm am MIT geleitete Hyperstudio und die Spannbreite dort bestehender Projekte vorstellen, aber auch seine Gedanken zu Erfolgen und Misserfolgen teilen und was wir für Berlin daraus lernen können.

Abgerundet wird der Workshop schließlich mit einer prominenten Podiumsrunde: Entscheidungsträger großer Institutionen diskutieren unter der Moderation von Matthias Spielkamp über die Zukunft der digitalen Projekte in den Berliner Geisteswissenschaften. Die Einzigartigkeit der Berliner Landschaft an Hochschulen, Museen, Bibliotheken und Archiven gibt den Rahmen für eine vielversprechende Debatte.

Melden Sie sich an!

Veranstaltet durch die Freie Universität und die Humboldt-Universität, getragen durch die Einstein-Stiftung, setzt sich diese Veranstaltung zum Ziel, den Dialog zu (er)öffnen. Dieser Dialog wird nicht zuletzt – wie die anderen Workshops des Einstein-Zirkels zuvor – davon leben, welche Fragen und Antworten das Publikum mitbringt. Darum melden Sie sich am besten gleich an unter: http://www.digital-humanities-berlin.de/workshop-registrierung

Auf zahlreiche Besucher freuen wir uns!

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2997

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Hans Hinterberger: Die bayerischen „Beamtenministerpräsidenten“ 1920-1924, Kahr – Lerchenfeld – Knilling. Workshop Weimar / Personengeschichte

Abstract.

„Beamtenministerpräsidenten“ – unter diesem Begriff werden die Ministerpräsidenten Gustav von Kahr, Hugo Graf Lerchenfeld und Eugen von Knilling zusammengefasst, die in den Jahren von 1920 bis 1924 in relativ zügigem Wechsel der bayerischen Regierung vorstanden. Der „Beamte“ wurde von den Zeitgenossen bewusst betont. Dies sollte in einer Zeit, in der weite Teile der Bevölkerung und der Eliten der jungen parlamentarischen Demokratie skeptisch gegenüberstanden, suggerieren, dass der Ministerpräsident über dem Streit der Parteien schwebe. Vor allem deshalb entschied sich die dominierende BVP nicht einen ihrer bekannten Parteigänger an die Spitze des Staates zu stellen, sondern „unpolitische“ Männer zu bevorzugen, deren Hintergrund eine hervorgehobene Beamtenkarriere im alten Königreich war. Doch kann ein Ministerpräsident in einem parlamentarischen System, in dem er sich auf eine Koalition von Parteien stützen muss, überhaupt „unpolitisch“ sein? Kann er ganz alleine für sich über den Dingen schweben und zum Wohle der Allgemeinheit handeln? Die Arbeit stellt sich daher die Frage, wie diese Ministerpräsidenten im politischen Spektrum Bayerns positioniert und geprägt waren und, darauf aufbauend, inwiefern ihnen durch diese Positionierung eine Mitverantwortung an der Radikalisierung Bayerns bis hin zum Hitlerputsch zuzuschreiben ist.

Die Gliederung erfolgt grob nach den Amtszeiten der Personen. Diese Amtszeiten, nicht komplette Lebensgeschichten, sind Betrachtungsgegenstand. Gustav von Kahr (1862-1934) übernahm im März 1920 das Amt des Ministerpräsidenten. In den Wirren um den Kapp-Putsch folgte der Regierungspräsident von Oberbayern er auf den Sozialdemokraten Johannes Hoffmann. Kahr hatte sich bereits vor Amtsantritt in ein enges Bündnis mit den bayerischen Einwohnerwehren begeben, in denen er einige Popularität genoss. Diese Popularität wollte sich die BVP zu Nutze machen. Doch schon bald verlor sie den Einfluss auf Kahr, der den vaterländischen Verbänden und Eliten deutlich näher stand, als der Fraktion im Landtag. Im September 1921 trennte sie sich daher vom ihn. Die Fraktion stand damals vor den Fragen, die sich noch heute stellen: Inwiefern war Kahrs Politik selbstbestimmt, inwiefern konnte die Koalition im Landtag noch Einfluss nehmen, inwiefern war er am Ende zum Spielball außerparlamentarischer, rechter Zirkel geworden?

Kahr hatte in den eineinhalb Jahren seiner Amtszeit durch anhaltendes Kompetenzgerangel mit der Reichsregierung für gehörige Verstimmung zwischen Berlin und München gesorgt. Auf der Suche nach einem diplomatisch gesonnenen Nachfolger stieß die BVP-Fraktion auf den Grafen Hugo von und zu Lerchenfeld (1871-1944). Im Gegensatz zu Kahr war Lerchenfeld Mitglied der Partei. Er hatte angesichts der Revolution in Bayern in den Dienst der Reichsregierung, zuletzt als Gesandter in Darmstadt, gewechselt. Somit schien er unbelastet von der bayerischen Tagespolitik. Lerchenfeld bemühte sich zunächst um Besonnenheit. Er strebte eine Verlagerung hin zu sachlicher Wirtschaftspolitik an. Doch schon bald isolierte er sich damit. Die Kräfte rechts der BVP liefen Sturm gegen ihn und auch in der eigenen Partei war der Wunsch nach Ausgleich rasch wieder vergessen. Lerchenfeld, mehr und mehr desillusioniert, folgte dieser Entwicklung in seiner Politik. Im Sommer 1922 beging er im Streit mit Berlin sogar einen klaren Bruch der Reichsverfassung. Trotzdem: Dauerhaften Rückhalt konnte der Graf in so gut wie keinem politischen Lager gewinnen. Mit dieser Einsicht gab er im November 1922 sein Amt auf.

Wieder befand sich die BVP auf der Suche nach einem „Beamtenministerpräsidenten“ – doch sie tat sich nun immer schwerer mit der Suche. Freilich hatte Eugen von Knilling (1865-1927) während der Monarchie eine glänzende Beamtenkarriere im Staat durchlaufen, brachte es sogar zum Kultusminister. Aber seit 1920 war er nicht mehr Beamter, sondern Parlamentarier für die BVP. Und als solcher wurde er zumindest innerhalb der BVP Landtagsfraktion auch empfunden. Angesichts der angespannten Lage im Land wollten die Mitglieder der BVP-Fraktion „ihren Kollegen“ eigentlich noch nicht vor solch große Herausforderungen stellen. Sie befürchteten, dass er dabei scheitern müsse – und sie sollten Recht behalten. Eugen von Knilling bemühte sich durch seine ganze Amtszeit um eine Annäherung an die rechten Kreise in Bayern. Er wollte eine ähnlich zentrale Stellung erreichen, wie Ministerpräsident Kahr sie einst hatte. Es blieb jedoch beim Wunschdenken. Dauerhafte Autorität konnte er nie gewinnen. Das zeigte sich spätestens, als er am Abend des Putsches im Bürgerbräu von den Nationalsozialisten ohne weiteres gefangen genommen wurde.

Knillings mangelnde Erfolge bewirkten auch die Rückkehr des ersten „Beamtenministerpräsidenten“, Kahr, auf die politische Bühne. Im September sah es die Regierung Knilling für notwendig an, ihn als „Generalstaatskommissar“ neben sich zu stellen. Sie verband dies mit der vergeblichen Hoffnung, dass die einstige Identifikationsfigur der politischen Rechten die Anhänger Hitlers beruhigen könnte. Doch die Regierung musste sehr bald feststellen, dass Kahr zum einen ebenfalls über keine Autorität gegenüber Hitlers Deutschem Kampfbund verfügte, zum anderen als Generalstaatskommissar von Anfang an seine eigene Politik betrieb, die alles andere als zur Beruhigung der politischen Lage beitrug. Vielmehr ist die Frage zu stellen, inwiefern Kahrs und sein enges Umfeld die Putschstimmung noch zusätzlich befeuerten. Das Generalstaatskommissariat wird daher in dieser Arbeit in einem eigenen großen Kapitel behandelt, das aus dem sonst angewandten Konzept ausbricht.

Die Kapitel zu den jeweiligen Ministerpräsidentschaften sind zunächst von dem Versuch geprägt, den jeweilige Amtsinhaber fundiert politisch einzuordnen. Nach einer kurzen Betrachtung der jeweiligen bisherigen Karriere, werden in diesem Sinne folgende Fragestellungen abgehandelt: Dank welcher Unterstützer kam der Ministerpräsident ins Amt? Wo lagen Charakteristiken, Schwerpunkte und Entwicklungen seiner Politik, vor allem im Hinblick auf seine Haltung zu den geltenden Verfassungen in Bayern und Reich? Und wie nahm er die zunehmende Radikalisierung Bayerns wahr? Lässt sich der Ministerpräsident in seiner Amtsführung durch Nähe oder Ferne zu den einzelnen Parteien einordnen? Und wie gestaltete sich das Verhältnis zu den rechten Kräften außerhalb des Parlaments? Einem Blick auf das Ende der Amtszeit folgt dann das jeweilige Zwischenfazit.

Eine Sonderrolle wird das Generalstaatskommissariat Kahrs spielen. Es kann in dieser Arbeit schon aufgrund des zentralen Ereignisses „Hitlerputsch“ nicht ignoriert werden. Hierbei wird der Blickwinkel Kahrs eingenommen. Im Focus stehen dabei seine Legitimation im Staat, seine innerbayerischen Ziele als Generalstaatskommissar, die Frage nach dem Grad seiner eigenen Planungen für einen Systemwechsel im Reich und seine Rolle im Hitlerputsch. Kurz gefasst gilt die Frage: Wollte Kahr Hitler in die Schranken weisen, oder wollte er ihn kopieren?

Die Arbeit basiert, was die Primärquellen angeht, auf den jeweiligen Nachlässen der jeweiligen Ministerpräsidenten (bei Kahr umfangreich, bei Lerchenfeld und Knilling sehr überschaubar) inklusive Kahrs ausführlichen Lebenserinnerungen sowie auf den Ministerratsprotokollen im Zeitraum. Hinzu kommen die Fraktionsprotokolle der BVP, diverse Personennachlässen (z.B. Heim, Held, Hamm, Escherich, Kanzler) und Erinnerungen (z.B. Schmelzle, Löwenfeld, Sommer), Protokolle des Landtags, des Hitlerprozesses und des Landtags-Untersuchungsausschusses zum Hitlerputsch von 1928. Ferner wurde ein umfangreicher Pressespiegel der Zeit herangezogen (z.B. Münchner Neueste Nachrichten, München Augsburger Abendzeitung, Miesbacher Anzeiger, BVP-Korrespondenz, Bayerischer Kurier, Münchner Post). Aufgrund der Nähe der damaligen Presse zu einer politischen Richtung erlaubt das jeweilige Presseorgan Rückschlüsse auf die jeweilige Popularität eines Ministerpräsidenten in der entsprechenden Richtung.

Hinsichtlich der immer wieder geführten Diskussionen über den Sinn und Zweck historischer Biographien möchte sich diese Arbeit bewusst in kein schwarz-weiß Denken begeben. Sie geht weder in einem altmodischen Sinn davon aus, dass diese Männer allein für den Verlauf der bayerischen Geschichte verantwortlich zu machen sind, sondern natürlich nur in einem Umfeld (bzw. Netzwerk) aus Staatsspitze, Parteien, Presse, Bevölkerung, radikalen Kräften und weiteren Faktoren wirken konnten. Andererseits kann das nicht bedeuten, dass diese drei Persönlichkeiten nicht durch ihr selbstbestimmtes Handeln sehr wohl Einfluss auf den Lauf der Dinge hatten. Wie wäre es sonst – überspitzt gesagt – zu erklären, dass sich für die drei Amtszeiten auch deutliche Unterschiede ausmachen lassen? Das Wirken jedes einzelnen der drei „Beamtenministerpräsidenten“ lässt sich nur aus einer Kombination von Persönlichkeit und politisch wirkendem Umfeld heraus verstehen. Kahr, das zeigt sich offenkundig, wurde wissend oder unwissend von Militärs, Paramilitärs und anderen Kräften beeinflusst. Sein Ideenreichtum ist weitaus geringer, als er in seinen Lebenserinnerungen zu vermitteln versucht. Doch hätten diese Kräfte in Bayern nie so erblühen können, wenn er sein Organisationstalent und sein Ansehen nicht in deren Dienst gestellt hätte. Umfeld und Person benötigten sich hier gegenseitig. Lerchenfeld wiederum wollte einen eigenen Weg der Vernunft gehen – gegen sein Umfeld. Das politische Umfeld blockierte hier den Willen der Person, um ihn erst zu verändern und am Ende zu brechen. Und Knilling stellt unter Beweis, dass auch die Schwäche einer Führungsperson ihre Wirkung auf das Umfeld zeigt. Nicht nur der Druck des Umfelds, sondern auch persönlich unterlassenes Handeln prägen das Fazit seiner Amtszeit. Dass das Verhältnis von Umfeld und historischer Person auch einem schnellen Wandel unterzogen sein kann, belegt Kahrs Generalstaatskommissariat. Einerseits bewirkt Kahrs Person ohne Zweifel eine zeitweilige Eindämmung Hitlers. Durch seine Autorität wurden nun auch Maßnahmen auf den Weg gebracht, die zuvor von anderen lange diskutiert, doch nie umgesetzt wurden. Andererseits konnte er sich die Stellung als gemeinsamer Nenner des vaterländischen Lagers, die er noch als Ministerpräsident inne hatte, nicht mehr zurückerobern. Vier Kapitel, die eines zeigen: Weder das Umfeld, noch die historische Person funktionieren alleine.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1597

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Tagungsbericht “(Digital) Humanities Revisited”

Der offizielle Tagungsbericht zur Konferenz “(Digital) Humanities Revisited – Challenges and Opportunities in the Digital Age”, die die Volkswagenstiftung vom 5. bis 7. Dezember im Schloss Herrenhausen in Hannover veranstaltet hat (wir berichteten), ist erschienen.

Der Bericht kann auf der Seite der Volkswagenstiftung heruntergeladen werden in einer englischen Fassung (pdf) sowie einer deutschen Fassung (pdf). Außerdem befindet sich auf der Seite weiteres Material rund um die Konferenz, wie Programm und Präsentationen.

Eine persönliche Nachlese der Konferenz von Martin Hinze, Universität Freiburg, gibt es hier bei uns im Blog: http://dhd-blog.org/?p=2893

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2985

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Europeana: Digitalisierte Erinnerungen an den Ersten Weltkrieg

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Das Projekt “Europeana 1914-1918″, welches sich zur Aufgabe macht, Materialien rund um den Ersten Weltkrieg zu sammeln und sie in einem digitalen Archiv öffentlich zugänglich zu machen, hat sein Angebot erweitert. Ab sofort kann man auf der Website des Projektes Materialien aus Bibliotheken, privaten Sammlungen und Filmarchiven erkunden.

Das Projekt geht auf eine Initiative der Universität Oxford von 2008 zurück, die darum bat, Erinnerungsstücke von Privatpersonen vom Ersten Weltkrieg wie Briefe, Postkarten oder Fotos digitalisieren zu dürfen. Mittlerweile enthält das Archiv ca. 26 Millionen Dokumente.

Wer etwas zu dem Archiv beitragen möchte, der kann seine Erinnerungsstücke auf der Website hochladen oder an den regelmäßig stattfindenden Aktionstagen mitbringen und digitalisieren lassen. Einer dieser Aktionstage findet heute in der Staatsbibliothek zu Berlin im Rahmen der Konferenz “Unlocking Sources” statt.

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2967

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EINBLICKE: eine Veranstaltungsreihe des Stadtarchiv München

Mit der Veranstaltungsreihe “Einblicke” möchte das Stadtarchiv München monatlich interessierten Besuchern die Möglichkeit bieten, einen Einblick in die Arbeit des Archivs zu erhalten. Das Themenspektrum reicht von praktischen Einführungen in die Bestände und Recherchemöglichkeiten, Lesekurse und Führungen, bis zu Vorstellungen einzelner Bestände und Arbeitsergebnissen.
Das Programm für das erste Halbjahr 2014 ist gewohnt abwechslungsreich, wobei ein kleiner Fokus auf dem 100. Jahrestag des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs liegt.

Di, 28. Januar 2014, 18.30 Uhr
Die Münchner Stadtchronik
Dr. Brigitte Huber stellt das offizielle Tagebuch der Stadt München anhand Einträge aus dem Jahr 1914 vor.

Di, 18. Februar 2014, 18.30 Uhr
Blick in die Restaurierungswerkstatt
Margaretha Eisenhofer berichtet über ihre Arbeit.
Telefonische Anmeldung (ab 10. Februar) erforderlich! Tel. (0 89) 2 33-03 08

Sa, 8. März 2014, 10 -17 Uhr – Tag der Archive
Münchner Frauen in den Kriegs- und Nachkriegsepochen des 20. Jahrhunderts.
Dokumente aus den Akten und Sammlungen des Stadtarchivs München (Ausstellung)
Außerdem: Führungen durch die Ausstellung (11/15 Uhr), das Magazin der Fotosammlung (13 Uhr) und das allgemeine Archivmagazin (10/12/14 Uhr). Der Lesesaal und das Ben-Chorin-Zimmer sind geöffnet.
Weitere Öffnungszeiten der Ausstellung: Mo bis Do 9-18 Uhr; Mi, Fr 9-12 Uhr (bis 11. April)

Di, 18. März 2014, 18.30 Uhr
Gesucht und (hoffentlich) gefunden!
Anton Löffelmeier M.A. stellt klassische und digitale Recherche-Möglichkeiten im Stadtarchiv vor.

Di, 8. April 2014, 18.30 Uhr
Schiffe mit Namen „München“ (1892-1972)
Dr. Michael Stephan, Leiter des Stadtarchivs, präsentiert überraschende Quellenfunde
aus den Beständen des Hauses.

Di, 15./22. Mai 2014, 18.30 Uhr
Lesekurs „Sütterlin“ – Einführung in das Lesen der Deutschen Schreibschrift.
Der Kurs besteht aus zwei Terminen. Die Teilnahme ist nur nach telefonischer Anmeldung (ab Mo, 5. Mai 2013) möglich! Tel. (089) 233-0308. Teilnahmegebühr: 16 Euro

Di, 27. Mai 2014, 18.30 Uhr
Biografische Recherchen
Britta Meierfrankenfeld erläutert die für die Familien- und Personenforschung wichtigen Quellengattungen im Stadtarchiv.

Di, 3. Juni 2014, 18.30 Uhr
Das Archiv der Zukunft
Dr. Daniel Baumann berichtet über digitale Langzeitarchivierung in Theorie und Praxis.

Wo? Stadtarchiv München, Winzererstraße 68, 80797 München.
Eintritt frei! (wenn nicht anders angegeben)

Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1508

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Matthias Bischel: Die Netzwerke des Gustav von Kahr. Workshop Weimar / Personengeschichte

Abstract zum Dissertationsvorhaben.

Der hohe Verwaltungsbeamte Gustav Ritter von Kahr (1862-1934), in erster Linie bekannt als kurzzeitiger Bayerischer Ministerpräsident (1920/21) sowie als Generalstaatskommissar (1923/24) mit ungeklärter Rolle beim Münchener Hitlerputsch, ist bis heute ein in Publizistik und Wissenschaft häufig thematisierter und diskutierter Akteur. Insbesondere die mit der Entwicklung der zum Teil radikal antidemokratischen Bewegungen im Umfeld der sogenannten `Ordnungszelle Bayern´ befasste Literatur bemüht sich seit Jahrzehnten, die Rolle des rechtskonservativen und zudem klischeebehafteten Politikers in diesem Kontext zu beschreiben und einzuordnen.
Umso seltener und zumindest auf den ersten Blick durchaus überraschend tritt uns hingegen die Person des Gustav von Kahr als Protagonist, das heißt als eigenständiges, um seiner selbst willen behandeltes Objekt der Forschung entgegen; über den Rahmen einiger knapper Aufsätze und themenspezifischer Beiträge hinaus liegt bislang keine umfassendere Arbeit zur “bayerischen Napoleonsgröße von 1923″ (Wilhelm Hoegner) vor.

Auch das hier vorgestellte Dissertationsvorhaben ist nicht als erschöpfende Lebens-beschreibung im klassischen Sinne angelegt. Wird diese Aufgabe eher durch Kahr selbst in der demnächst abgeschlossenen kommentierten Erstpublikation seiner umfangreichen Memoiren erfüllt, will die geplante Studie die darüber hinausgehende Gelegenheit ergreifen, einen privilegierten Einblick in die Lebenswelt der um den zeitweiligen Ministerpräsidenten und Generalstaatskommissar feststellbaren Personengruppen zu gewinnen. Die unter anderem auf den Ergebnissen der Edition aufbauenden Erkenntnisinteressen lassen sich wie folgt definieren:
Einerseits soll die Rekonstruktion des Kontaktumfeldes einer der maßgebenden Figuren des national-konservativen Bayern dazu dienen, den potenziellen Aktionsradius des sich selbst als politische Funktionselite begreifenden Staatsbeamtentums auszuloten, um damit den weiterhin bestehenden Einfluss dieses nicht demokratisch legitimierten Kollektivs kurz vor und vor allem kurz nach der verfassungsrechtlichen Parlamentarisierung zu taxieren.
Andererseits ist parallel dazu in Umkehrung dieser stärker personenzentrierten Perspektive beabsichtigt, in Emanzipation von einer rein strukturalistischen Betrachtungsweise die Gestalt und Funktionsweise verschiedener, meist auf München konzentrierter Netzwerke nachzuvollziehen. So wird der Versuch unternommen, ausgehend von der realen Einbindung eines herausragenden Vertreters seiner Gesellschaftschicht die bestehenden Kenntnisse über Querverbindungen und aktives Kontaktmanagement innerhalb sowie zwischen den untersuchten Kreisen zu bündeln und zu vertiefen.
Die analytische Betonung einer solchen kontextorientierten Akteursperspektive wird die Dynamisierung jenes sich wechselseitig ergänzenden Ansatzes ermöglichen: Erleichtert sie bereits die Beobachtung der zeitlichen und räumlichen Entwicklung der Beziehungsgeflechte, erhöht sie insbesondere die Sensibilität für deren gezielten Einsatz als politisches Instrument und soziale Ressource, das heißt für deren tatsächliche Relevanz.
Kompakt formuliert versucht die Studie also über die Beschreibung von netzwerkbasierten Rekrutierungs-, Mobilisierungs- und Umsetzungsprozessen eine Annäherung an den Politikstil der Zeit in Ergänzung zu den inzwischen gängigen diskursanalytischen oder symbolorientierten Methoden zu leisten.

Die für das Thema einschlägige Überlieferungssituation begünstigt im Grundsatz die angedeutete Herangehensweise: Denn legte Kahr beim Verfassen der schon erwähnten Lebenserinnerungen ohnehin viel Gewicht auf die Darstellung der freilich nicht durchgehend vollständig und adäquat beschriebenen Kontakte, erlauben neben seinem eigenen über 30 zum Teil sehr aussagekräftige Nachlässe wichtiger Bezugspersonen aus Verwaltung, akademischen Umfeld, Heimatschutzbewegung, Künstlerkreisen, Landwirtschaft und nationalen Verbänden die kritische Bewertung dieser Verbindungen. Zusätzlich bereichert wird der zentrale Überlieferungskorpus durch Bestände der mit den aufgeführten Tätigkeitsfeldern befassten Institutionen sowie durch im Karriereverlauf Kahrs entstandene Verwaltungs-, Personal- und Handakten bei verschiedenen Behörden; des weiteren nicht zu vergessen sind gedruckte Quellen wie Zeitungsartikel, veröffentlichte Reden oder zeitgenössische Publizistik.

Bietet somit die Zentrierung auf einen bekannten Angehörigen der genannten Netzwerke eine aussichtsreiche Strukturierungsmöglichkeit der vorhandenen Überlieferung, muss die vor diesem Hintergrund entworfene Vorgehensweise ebenso die durch die Quellenlage gesteckten Grenzen der Erkenntnis berücksichtigen: Denn lässt das vorhandene Material zwar Verbindungslinien zu allen relevanten Kreisen erkennen, machen zugleich dessen unterschiedliche Dichte und in einigen Fällen sogar recht ausgeprägte Lücken die Durchführung einer statistisch-systematischen Netzwerkanalyse letztlich unmöglich.
Der stattdessen bei der konzeptionellen Umsetzung gewählte Blick auf das jeweilige Zusammenwirken der identifizierten Beziehungskreise bei ausgewählten Gelegenheiten – etwa beim Besuch Hindenburgs 1922, bei der `Rettung´ historischer Gebäude oder bei der personellen Besetzung des Generalstaatskommissariats – verlegt sich daher auf die Beobachtung der Netzwerke in Aktion. Neben der teilweisen Kompensation der aufgrund der Überlieferungsdefizite vorhandenen Erkenntnisbeschränkungen liegt der zusätzliche Vorteil einer derartigen Herangehensweise auf der Hand: Der Gefahr einer monokausalen Erklärungstendenz von vorneherein begegnend wird es auf diese Weise möglich sein, zu unterschiedlichen Zeitpunkten die vorgestellten Sozialgefüge in den Blick zu nehmen, um angesichts von Situationen praktischer Bewährung zu einer realistischen Einschätzung ihres Entwicklungsstandes, ihrer Funktionen und ihrer jeweiligen Beanspruchung zu gelangen.
Damit wird ein wesentlicher Beitrag der vorbereiteten Studie darin bestehen, über das feststellbare Ausmaß der erfolgreichen Aktivierung sozialen Kapitals die tatsächliche Bedeutung jener meist sorgfältig gepflegten Beziehungssysteme zu bestimmen und damit zugleich die nicht zuletzt auf diesem Fundament ruhende Machtposition Gustav von Kahrs näher einzuordnen.

Da es freilich zu weit führen würde, im Rahmen des Workshops das inhaltliche oder konzeptionelle Fundament des Vorhabens im Detail vorzustellen, soll die skizzierte Vorgehensweise mit Blick auf die autobiographische Selbsteinschätzung Kahrs veranschaulicht und konkretisiert werden: Mit der Rekonstruktion des in den Erinnerungen beschriebenen Kontaktumfeldes stellt der Vortrag die zentrale Arbeitsgrundlage der Studie vor und versucht die Zuhörerschaft mit den Potenzialen und Herausforderungen des Projektes vertraut zu machen.

 

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Quelle: http://histbav.hypotheses.org/1486

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Beiträge zur Konferenz “Digital Humanities Revisited” online

20131205_HK_Digital_Humanities_Volker_Crone_40

Volker Crone and Felix Zahn / Volkswagen Stiftung

Zur Herrenhausen Konferenz “Digital Humanities Revisited”, die vom 05. bis 07. Dezember 2013 in Hannover stattfand (wir berichteten), sind jetzt ausgewählte Audio-Beiträge, Fotos und ein Tagungsbericht auf deutsch und englisch online.

So kann beispielsweise der Vortrag von Jeffrey T. Schnapp über “Knowledge Design” oder der Beitrag “Art, Data and Formalism” von Julia Flanders angehört werden. Außerdem stehen einige der Präsentationen auf slideshare.net  zu Verfügung.

 

Quelle: http://dhd-blog.org/?p=2918

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