Das Blog und der Malterer-Teppich

Warum wird als Header für ein Blog, das sich mit der mittelalterlichen Geschichte des Oberrheingebiets beschäftigt, ein Teppich ausgewählt, der neben Szenen aus der Bibel und der mittelalterlichen Epik auch Aristoteles und Vergil abbildet? Es ist nicht nur das günstige Format, das den sogenannten “Malterer-Teppich” als geeignete Illustration für dieses Blog erscheinen lässt, sondern seine Verbindungen zur spätmittelalterlichen klösterlichen, bürgerlichen und adligen Welt am Oberrhein.

© Augustinermuseum - Städtische Museen Freiburg, Malterer-Teppich, um 1320, Leihgabe der Adelhausenstiftung Freiburg, Foto: Hans-Peter Vieser

© Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg, Malterer-Teppich, um 1320, Leihgabe der Adelhausenstiftung Freiburg, Foto: Hans-Peter Vieser

Der Teppich ist Teil einer Reihe von erhaltenen mittelalterlichen Textilien, einem “nach Vielfalt und kunsthistorischer Bedeutung […] einzigartigen Besitz”1  aus dem Freiburger Dominikanerinnenkloster Adelhausen beziehungsweise diesem später eingegliederter weiblicher Gemeinschaften. Aus einer dieser Gemeinschaften, dem zwischen 1290 und 1297 gegründeten Dominikanerinnenkloster St. Katharina, stammt der nach der Stifterfamilie benannte Teppich.2 In den Bildern ganz links und ganz rechts ist jeweils das Wappen der Stifterfamilie abgebildet, dazu die Namen “Anna” im ersten und “Johannes” im elften Bild.

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© Augustinermuseum – Städtische Museen Freiburg

Anna Malterer wird sowohl vom Anniversar von St. Katharina von 1354 als auch vom Nekrolog desselben Konvents als Schwester von St. Katharina bezeichnet.3 Johannes Malterer, wohl Annas Bruder, ist nicht nur als Stifter einer Jahrzeit für die gesamte Familie im Kloster St. Katharina bekannt, sondern vor allem wegen seines großen Reichtums. Vielleicht aus einer Freiburger Metzger-Familie stammend, erwarb er so großen Reichtum, dass Heinrich Maurer ihn einen “Freiburger Millionär des 14. Jahrhunderts” nannte.4

Die Malterer zählten also zu den neuen städtischen Oberschichten, die – so ein Ergebnis der Untersuchung von Ulrike Denne zu den Freiburger Frauenkonventen – im besonderen Maße den neu entstandenen Konvent von St. Katharina förderten. Der Aufstieg der Malterer war jedoch noch nicht beendet. Ihr Aufstiegswillen zeigte sich in den hochrangigen Eheverbindungen, die Johannes Kinder eingingen. Johannes Tochter Elisabeth heiratete den Markgrafen Otto I. von Hachberg, seine Tochter Gisela Hesso von Üsenberg und seine Tochter Margarete den auf der Baar ansässigen Ritter Johann von Blumeneck. Alle drei Töchter Johann Malterers heirateten also in den regionalen Adel des Breisgaus und der umliegenden Gegenden ein. Wie Boris Bigott zeigen konnte, verknüpfte Johannes Malterer diese Eheverbindungen mit dem pfandweisen Erwerb von Burgen der jeweiligen Adelsgeschlechter, die dann die Malterertöchter als Mitgift in die Ehe einbringen konnten.5 Letztlich hatte Johann Malterer die prestigeträchtigigen Eheverbindungen für seine Töchter also erkauft.

Am deutlichsten wird der Aufstieg der Malterer aber am Beispiel von Martin Malterer, dem einzigen Sohn von Johannes Malterer. Bereits 1354 wurde für diesen, wohl erst wenige Jahre alt, im Auftrag seines bald darauf verstorbenen Vaters durch drei Pfleger die Herrschaft Kastelburg (mit der Stadt Waldkirch) für 2140 Mark Silber gekauft.6 1367 ist er das erste Mal als Ritter belegt.7 Wie sehr Martin Malterer bereits seiner städtischen Herkunft entwachsen war, zeigt sich an seiner Parteinahme für den Grafen Egino von Freiburg in dessen Auseineinandersetzung mit der Stadt Freiburg.

Stattdessen suchte sich Martin Malterer in die regionale Adelswelt zu integrieren, wohl um 1373 heiratete er die Gräfin Anna von Thierstein (seine verwitwete Mutter Gisela heiratete deren Vater Graf Walram III. von Thierstein) und ist zwischen 1379 und 1384 als habsburgischer Landvogt im Elsaß und Breisgau belegt.8 Auch von der für seinen Vater noch belegbaren Tätigkeit als Geschäftsmann nahm Martin Malterer Abstand und führte stattdessen ein betont adliges Leben, zu dem wohl auch der ihm zugeschriebene Ausbau der Kastelburg gehörte.9.  Vor allem war Martin Malterer führendes Mitglied der Rittergesellschaft zum Löwen, weswegen er in der Schlacht Herzog Leopolds III. von Österreich gegen die Eidgenossen bei Sempach den Tod fand.10 Nach zwei Generationen und einem schnellen Aufstieg von der städtischen Sphäre in den Adel waren die Malterer damit im Mannesstamme zwar bereits ausgestorben, doch in der Erinnerung der Nachfahren lebten sie weiter: Im 16. Jahrhundert berichtete Aegidius Tschudi, dass Martin Malterers Körper über dem Körper des bereits verstorbenen Leopold III. gefunden worden wäre.11 Noch Jahrhunderte später erinnerte man sich im längst nicht mehr habsburgischen Freiburg an Martin Malterer und setzte ihm auf der Schwabentorbrücke ein Denkmal.

Maltererteppich: Phyllis reitet auf Aristoteles. © Augustinermuseum

Innerhalb von nur zwei Generationen gelang den Malterer ein beeindruckender Aufstieg aus dem städtischen Bürgertum in den regionalen Adel. Ein Zeugnis für deren Repräsentationsbemühungen ist die Schenkung des Malterer-Teppichs an das Kloster St. Katharina, insbesondere deshalb weil er als einziger der erhaltenen Freiburger Teppiche, Wappen und Namen der Stifter zeigt. Aber nicht nur deshalb ist der Malterer-Teppich ein “ganz seltenes Dokument der Kunstgeschichte”, sondern auch aufgrund der einzelnen Abbildungen.12 Die ausgewählten Motive rezipieren “traditionelle literarische Stoffe” der Zeit, als übergeordnetes Bezugsthema aller Darstellung wurde die Gottesminne, also die reine geistliche Minne ausgemacht.13 In seinen Formen und Bildern ist er dagegen im allgemeinen von der oberrheinischen Buchmalerei des beginnenden 14. Jahrhundert (vgl. bsw. die Große Heidelberger Liederhandschrift, der sogenannte Codex Manesse) und im speziellen von den Glasfenstern des Freiburger Münsters beeinflusst, aus denen der unbekannte Schöpfer des Teppichs konkrete Figuren, aber auch ornamentale Elemente übernahm.14

Aufgrund der vielfältigen Bezüge ist der Malterer-Teppich ein nahezu ideales Symbolbild für unser Blog. Er zeigt symbolisch die enge Verknüpfung von bürgerlicher und adliger Welt zu den Klöstern, womit drei wichtige Beschäftigungsfelder der Landesgeschichte angesprochen sind. Zugleich ist er ein kulturhistorisches Dokument mit Anschlussfähigkeit zu den Nachbardisziplinen, in diesem Fall vor allem der Kunst- und Architekturgeschichte, der historische Literaturwissenschaft und der Kodikologie. Zwar ist der Maltererteppich in besonderer Weise mit Freiburg verbunden, aber er ist durch seine Stifter und seine kunsthistorischen Bezüge auch mit dem ganzen Oberrheingebiet verknüpft. Vielleicht ist er auch in dieser Hinsicht ein gelungenes Symbolbild für die Arbeit der Abteilung Landesgeschichte an der Albert-Ludwigs-Universität.

  1. Jutta Eißengarthen: Mittelalterliche Textilien aus Kloster Adelhausen im Augustinermuseum Freiburg, Freiburg 1985, S. 9.
  2. Eisengarthen, Mittelalterliche Textilien, S. 10
  3. Vgl. dazu Ulrike Denne: Die Frauenklöster im spätmittelalterlichen Freiburg im Breisgau. Ihre Einbindung in den Orden und in die städtische Kommunität (Forschungen zur oberrheinischen Landesgeschichte 39), Freiburg/München 1997, S. 191f.
  4. Die Herkunft aus einer Metzger-Familie hält Mathias Kälble: Zwischen Herrschaft und bürgerlicher Freiheit: Stadtgemeinschaft und städtische Führungsgruppen in Freiburg im Breisgau im 12. und 13. Jahrhundert (Veröffentlichungen aus dem Archiv der Stadt Freiburg im Breisgau 33), Freiburg 2001, S. 248 gegen Heinrich Maurer: Ein Freiburger Millionär des 14. Jahrhunderts und seine Nachkommen, in: Schau-ins-Land. Jahresheft des Breisgau-Geschichtsvereins Schauinsland 34 (1907), S. 3-20.
  5. Boris Bigott: Die Damen Malterer. Zur Einheirat Freiburger Patriziertöchter in den Breisgauer Adel im 14. und 15. Jahrhundert, in: Zeitschrift des Breisgau-Geschichtsvereins “Schau-ins-Land” 126 (2007), S. 19-37, hier S. 23-30.
  6. Mit dieser Deutung Bigott, Damen Malterer S. 31f.
  7. Dazu und zum folgenden: Boris Bigott: Städtisches Patriziat als Machtfaktor auf dem Burgenmarkt am Beispiel des Breisgaus, in: Burgen im Breisgau. Aspekte von Burg und Herrschaft im überregionalen Vergleich, hg. von Erik Beck, Eva-Maria Butz, Martin Strotz, Alfons Zettler und Thomas Zotz (Archäologie und Geschichte. Freiburger Forschungen zum ersten Jahrtausend in Südwestdeutschland 18), S. 241-254, hier S. 252f.
  8. Vgl. Ulrich Ecker: Martin Malterer “König” der Gesellschaft zum Löwen und die Schlacht von Sempach, in: Geschichte der Stadt Freiburg im Breisgau, Bd. 1: Von den Anfängen bis zum “Neuen Stadtrecht” von 1520, hg. von Heiko Haumann und Hans Schadek, Stuttgart 1996, S. 279-284, hier S. 282f.
  9. Vgl. Bigott, Städtisches Patriziat, S. 252
  10. Ecker, Malterer, S. 279f.
  11. Bigott, Damen Malterer, S. 22
  12. Eißengarthen, Mittelalterliche Textilien, S. 30
  13. Eißengarthen, Mittelalterliche Textilien, S. 24
  14. Eißengarthen, Mittelalterliche Textilien, S. 24-30

Quelle: http://oberrhein.hypotheses.org/125

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