Rezension: Peter Doyle – Percy. A Story of 1918

 

Peter Doyle - Percy. A Story of 1918

Die Erfahrung des Ersten Weltkriegs fasziniert Menschen bis heute, weil sie, in den Worten Dan Carlins, die Extreme der menschlichen Existenz so eindrücklich untermalt. Werke wie "Im Westen nichts Neues" oder "In Stahlgewittern", aber auch Dramen wie "Journey's End" oder (neuerdings) "1917" beschäftigen sich mit der Thematik. Das Jahr 1918 hat immer einen besonderen Stellenwert in diesen Erzählungen, weil Tode in diesem Jahr die besondere zusätzliche Dramatik haben, kurz vor Ende dieses sinnlosen Gemetzels stattgefunden zu haben. Der profilierte Weltkriegs-Historiker Peter Doyle, mit dem ich über "Im Westen nichts Neues" im Speziellen und Erster-Weltkriegs-Narrative im Allgemeinen auch einen Podcast aufgenommen habe, hat auf Basis von Briefen und anderen Dokumenten ein Einzelschicksal jener letzten Monate rekonstruiert, das von Tim Godden mit liebenswerten Illustrationen angereichert wurde.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/11/rezension-peter-doyle-percy-story-of.html

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Rezension: Peter H. Wilson – Iron and Blood. A Military History of the German Speaking Peoples Since 1500 (Teil 2)

 

Peter H. Wilson - Iron and Blood. A Military History of the German Speaking Peoples Since 1500 (Hörbuch)

Teil 1 findet sich hier.

Das Ende der napoleonischen Kriege sah die europäischen Staaten erschöpft und ihre Finanzen zerrüttet. Obwohl die Kriege zahlreiche Defizite in den Militärstrukturen der deutschen Staaten aufgezeigt hatten - vom zahlenmäßig zu geringen Anteil der Artillerie über die zu kurze Reichweite der Glattrohre über die Fehleranfälligkeit der Musketen, von organisatorischen Defiziten gar nicht zu sprechen - gab es wenig Anreiz, diese anzugehen, weil sie einerseits teuer waren und andererseits Reformen erforderten, die von den konservativen Fürsten mit Verve abgelehnt wurden. 



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/11/rezension-peter-h-wilson-iron-and-blood_0281866693.html

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Rezension: Peter H. Wilson – Iron and Blood. A Military History of the German Speaking Peoples Since 1500 (Teil 1)

 

Peter H. Wilson - Iron and Blood. A Military History of the German Speaking Peoples Since 1500 (Hörbuch)

Deutsche Militärgeschichte ist nicht eben ein Feld, das arm an Veröffentlichungen wäre. Es ist allerdings ein Feld, das arm an zeitgenössischer, seriöser Forschung ist und eines, auf dem ansonsten die schlimmsten Exemplare der Populärwissenschaft unterwegs sind (ihr wisst schon, die Hälfte der Zeitschriftenauslage an Kiosken). Klischee reiht sich an Klischee, und in Deutschland selbst ist die Beschäftigung mit dem Gegenstand ohnehin wenn nicht mit einem Tabu belegt so doch zumindest vage unappetittlich. Wenig überraschend, dass die meiste Forschung aus dem englischsprachigen Ausland kommt. Der vorliegende Band, der im November 2022 ganz neu von Peter H. Wilson erschienen ist (bekannt etwa durch seine ausführliche Studie des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation in "Heart of Europe", das ich hier besprochen habe) und viele Vorschusslorbeeren erhalten hat, setzt sich explizit das Durchbrechen der typischen borussischen Klischees zum Ziel und legt eine Militärgeschichte aller deutschsprechenden Völker vor, der nicht beim Großen Kurfürsten, sondern über ein Jahrhundert vorher ansetzt. Allein dieser Ansatz macht die Lektüre wert. Doch der Band kann auch anderweitig bestechen.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/11/rezension-peter-h-wilson-iron-and-blood.html

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Rezension: Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael – Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970

 

Anselm Doering-Manteuffel/Lutz Raphael - Nach dem Boom. Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970

Ich erinnere mich noch gut daran, im Wintersemester 2006/2007 mein erstes Hauptseminar bei Anselm Doering-Manteuffel belegt zu haben: "Profile der 70er Jahre". Damals war die Erforschung dieser Epoche gerade in den Anfängen. Die Zeitgeschichte hat immer das Problem, dass sie, wenn sie zu nahe an die Gegenwart rückt, nicht nur unter dem fehlenden Zugang zu Quellen leidet (die Sperrfristen der Archive sind unerbittlich), sondern dass zeitgenössische Debatten und Begrifflichkeiten die Diskussionen beeinflussen und verundeutlichen. Zusammen mit Lutz Raphael hat Doering-Manteuffel deswegen schon 2008 den Band "Nach dem Boom: Perspektiven auf die Zeitgeschichte seit 1970" vorgelegt, der vor allem dazu dient, ein neues Grundgerüst für die Forschung über jene Epoche aufzubauen. Natürlich sorgte der Band in der Fachgemeinschaft für rege Diskussion, und so überarbeiteten die Autoren ihn und schärften ihre Argumente. Ich habe die dritte Auflage von 2010 gelesen und rezensiere diese hier.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/11/rezension-anselm-doering-manteuffellutz.html

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Rezension: Kyle Harper – Fate of Rome: Climate, Disease, and the End of an Empire

 

Kyle Harper - Fate of Rome: Climate, Disease, and the End of an Empire (Hörbuch)

Spätestens seit Edward Gibbon lässt die Frage, warum das Römische Reich fiel, die westliche Welt nicht los. Zu faszinierend ist das Narrativ von Zivilisation und Dekadenz, von Hochkultur und Niedergang. Allzu offensichtlich ließen sich Parallelen zur stets als prekär empfunden eigenen Lage ziehen, im deutschen Sprachraum am bekanntesten in Oswald Spenglers "Untergang des Abendlands". Die moralisch überhöhten Untergangsnarrative hat die Forschung (wenngleich nicht die populäre Wahrnehmung) mittlerweile glücklicherweise hinter sich gelassen. Trotzdem bereitet der Untergang als Ereignis immer noch zahlreiche Fragen. Kyle Harper legt mit diesem Buch eine neue These vor, die er explizit als komplementär zu bestehenden Argumentationen sieht, für die er aber zuversichtlich einen erhöhten Erklärungsbedarf sieht: das Römische Reich fiel, weil es ihm nicht gelang, ein Gleichgewicht zwischen Ausbeutung und Natur zu schaffen. Es war eine Kombination aus Viren und Klimakrise. Es ist eine starke These, aber es dürfte unbestreitbar sein, dass dies bisher in Narrativen über den Untergang des Reiches keine große Rolle gespielt hat.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/10/rezension-kyle-harper-fate-of-rome.html

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Bei Netflix nichts Neues

 

Seit 1979 ist der weltberühmte Roman "Im Westen nichts Neues" nicht mehr verfilmt worden. Zuvor war der Stoff 1930 in einer oscarprämierten und mindestens ebenso berühmten (wenngleich in meinen Augen völlig überschätzten) Version verfilmt worden. Nun hat sich Edward Berger des Stoffes angenommen und für Netflix mit einem Budget von immerhin 16 Millionen Euro verfilmt. Dafür bekommt man eine Folge "House of the Dragon" und immerhin rund 57 Minuten "Herr der Ringe - Die Ringe der Macht". Aber für eine deutsche Produktion ist das ein ordentliches Preisschild, und die Produzierenden gehen auch entsprechend hausieren. Der Film ist der deutsche Beitrag für die Oscar-Verleihung, und niemand macht einen Hehl daraus, dass man den Auslandsfilm-Oscar gewinnen möchte. Darin liegt auch der Grund, dass der Netflix-Film in Deutschland in ausgewählten Kinos läuft - was mir wiederum die Chance gegeben hat, ihn zusammen mit rund 140 Schüler*innen im eigens reservierten Kinosaal anzusehen. Es ist eine Erfahrung, auf die ich lieber verzichtet hätte.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/10/bei-netflix-nichts-neues.html

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Rezension: Andrei Soldatov – The New Nobility: The Restoration of Russia’s Security State and the Enduring Legacy of the KGB

Andrei Soldatov - The New Nobility: The Restoration of Russia's Security State and the Enduring Legacy of the KGB (Hörbuch)

Der russische FSB genießt einen schier legendären Ruf, der zu guten Teilen auf einer langen Traditionslinie beruht: der gefürchtete zaristische Geheimdienst stellte sich nach 1917 lückenlos als NKWD in die Dienste der kommunistischen Diktatur und wurde bald darauf in den KGB umstrukturiert, der nicht nur ein Repertoire an Antagonisten für James Bond zu stellen wusste, sondern auch für das Funktionieren der Diktatur unabdingbar war. Über 200.000 hauptamtliche Mitarbeiter*innen und vermutlich Millionen Zuträger*innen schufen den Polizeistaat der Sowjetunion. Unter Jelzin gab es Versuche, den KGB zu entmachten und demokratischer Kontrolle zu erstellen. Doch bald waren diese beendet, und 2000 übernahm mit Wladimir Putin der ehemalige Chef des nun in FSB umbenannten Geheimdiensts das höchste Amt im Staat. Er belohnte seine Weggefährten fürstlich: ein neuer Adel entstand, der dem vorliegenden Buch von Andrei Soldatov den Namen gegeben hat.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/10/rezension-andrei-soldatov-new-nobility.html

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Rezension: M. E. Sarotte – Not one inch. America, Russia, and the Making of Post-Cold War Stalemate

 

M. E. Sarotte - Not one inch. America, Russia, and the Making of Post-Cold War Stalemate (Hörbuch)

In der Krise um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine 2022/23 brachten die Gegner*innen einer Sanktionspolitik gegenüber Russland und Unterstützungspolitik für die Ukraine häufig das Argument vor, dass die NATO zumindest eine Mitschuld an dem russischen Angriff trage, da sie durch ihre Osterweiterung und damit eine Verschiebung der strategischen Peripherie nach Russlands Grenzen hin einen sicherheitspolitischen Druck erzeugt habe, den Moskau durch eigene Handlungen erleichtern zu suchen müsste. Sie beklagen das Verpassen einer Chance, Russland in eine europäische Sicherheitsarchitektur einzubunden. Ich habe über den Mythos, dass die Osterweiterung der NATO gegen Versprechen des Westens während des Falls des Eisernen Vorhangs verstoßen habe, schon einmal thematisiert. M. E. Sarottes Buch war nun eine willkommene Gelegenheit, um sich näher mit dieser Epoche und der Diplomatie darin zu beschäftigen.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/09/rezension-m-e-sarotte-not-one-inch.html

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Rezension: Dan Diner – Ein anderer Krieg. Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg 1935-1942

 

Dan Diner - Ein anderer Krieg. Das jüdische Palästina und der Zweite Weltkrieg 1935-1942

Wir haben sowohl hier in Deutschland als auch im Westen allgemein einen verzerrten Blick auf den Zweiten Weltkrieg. Wir Deutschen betrachten ihn meist mit uns selbst als Zentrum: Westfeldzug, Barbarossa, die Peripherie mit Balkan, Nordafrika (exotisch!) und Griechenland. Jahrzehnte triumphaler popkultureller US-Einflüsse haben uns außerdem sattsam mit dem Unternehmen Overlord und Market Garden gemacht. Dan Diner will von diesen wohlausgetretenen Narrativen nichts wissen. Stattdessen stellt er das jüdische Palästina in den Zentrum seiner Betrachtung der Jahre 1935 bis 1942, die auch nicht eben die übliche chronologische Einordnung des Zweiten Weltkriegs sind. Dafür gibt es gute Gründe, denn dieser Fokus ermöglicht ihm einen faszinierenden Blick auf diesen Konflikt und seine Auswirkungen, der wenig mit den eher deutschzentrischen Sichtweisen, an die wir gewöhnt sind, zu tun haben.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/09/rezension-dan-diner-ein-anderer-krieg.html

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Rezension: Thomas Sandkühler – Das Fußvolk der »Endlösung«. Nichtdeutsche Täter und die europäische Dimension des Völkermords. »Aktion Reinhardt«: die Rolle der »Trawniki-Männer« und ukrainischer Hilfspolizisten

 

Thomas Sandkühler - Das Fußvolk der »Endlösung«. Nichtdeutsche Täter und die europäische Dimension des Völkermords. »Aktion Reinhardt«: die Rolle der »Trawniki-Männer« und ukrainischer Hilfspolizisten

Obwohl der Holocaust wohl eines der best-rezipierten Themen der deutschen Geschichte ist, gibt es in der Forschung immer noch zahlreiche Leerstellen und Unklarheiten. Dazu kommt, dass die Interpretation des Holocaust großen Änderungen unterworfen ist, die von der Öffentlichkeit nicht immer nachvollzogen werden - zumindest nicht auch nur annähernd in der Geschwindigkeit, in der die Forschung voranschreitet. Obwohl etwa die Bedeutung des Teils des Holocaust, der sich außerhalb der Vernichtungslager durch Erschießungen und andere direkte Gewalt vollzog - immerhin etwa die Hälfte der Morde - in der Forschung seit den 1990er Jahren stark in den Fokus gerückt ist, bleibt in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch die Rampe von Birkenau und mit ihr die Vorstellung eines industriellen, organisierten, effizienten Massenmords vorherrschend. Dazu gehört auch eine kuriose Entfernung von den eigentlichen Taten: die deutsche Rezeption legte in der Forschung und legt noch immer in der Öffentlichkeit großes Gewicht auf die "Schreibtischtäter" und die Bürokratie des Terrors, die das spezifisch Deutsche des Holocaust gut zu unterstreichen scheinen - einerseits seine Singularität in der Industralität, andererseits die Effizienz, die mit dem deutschen Selbstbild auf geradezu perverse Art zusammenpasst. Tatsächlich legten die Nazis Wert darauf, die Drecksarbeit nach Möglichkeit andere für sich machen zu lassen. Auf dieses "Fußvolk der Endlösung" legt Thomas Sandkühler im vorliegenden gleichnamigen Band seine Aufmerksamkeit.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2022/08/rezension-thomas-sandkuhler-das-fuvolk.html

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