Waterloo Chamber, Windsor Castle

Auf ein unerwartetes Beispiel für die, in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmenden, Verflechtungen zwischen Großbritannien und den Gefängnissen Britisch-Indiens bin ich heute gestoßen:

At a spacious hall in Windsor Castle, known as the Waterloo Hall, there is a large and beautiful carpet adorning the floor. It has been the marvel and wonder of many a visitor – and rightly so, as it is the only one of its kind both in size and beauty, and in fact the largest one-piece carpet in the world. The admiration with which this wonderful specimen of handicraft is beheld by visitors is intense indeed, but it is nothing compared with the surprise it causes on being told who made it. To no greater person than the humble Indian prisoner that unique honour belongs! That briefly is a picture of the Indian prisoner – rather an uncommon individual – and a discourse on his official abode, namely the Indian prisons, ought to be informative if not interesting to the British public.1

Der in der Waterloo Chamber im Schloß Windsor liegende Teppich wurde in der Tat im Gefängnis von Agra von Häftlingen gewebt. Heute treffen sich dort jährlich die Mitglieder des Hosenbandordens um gemeinsam mit der Queen zu speisen. Eine nette Anekdote, wie das Empire Einfluss auf die britische Kultur hatte, bis in die Gestaltung von Raumdekorationen hinein.

Die Einführung von Teppichweben als Gefängnisarbeit war aber noch in vielerlei anderer Hinsicht das Produkt von Britsch-Indischen Verflechtungen. Abigail McGowan zeigt, das Teppichweben als Gefängnisarbeit Ausdruck spezifisch kolonialer Diskurse war. Neben der romantisch-orientalistischen Idee  der Bewahrung indischer Traditionen durch “historisch-authentische” Teppichmuster, sollte die Teppichweberei auch dem modernen Kolonialstaat dienen. Die Häftlinge sollten durch Arbeit zu disziplinierten Untertanen erzogen werden und gleichzeitig zur Finanzierung der Gefängnisse beitragen.2

Der Teppich in der Waterloo Chamber ist demzufolge das Ergebnis eines kolonialen Disziplinierungsprojektes, mit seinen charakteristischen Widersprüchen. Während Gefängnisarbeit dem Anspruch nach die Gefangenen erziehen und moralisch bessern sollte, sollte sie gleichzeitig auch abschreckend sein sowie wirtschaftlich profitabel sein. In der Praxis wurde der Fokus vor allem auf die letzten beiden Aspekte gelegt.3

  1. Durai, J. Chinna: Indian Prisons, in: Journal of Comparative Legislation and International Law 11/4 (1929), http://www.jstor.org/stable/754020, S. 245–249, S. 245.
  2. McGowan, Abigail: Convict Carpets: Jails and the Revival of Historic Carpet Design in Colonial India, in: The Journal of Asian Studies 72/2 (2013), S. 391–416. doi:10.1017/S0021911813000028
  3. Bilder vom Raum mit Teppich finden sich hier: http://www.royal.gov.uk/TheRoyalResidences/WindsorCastle/VirtualRooms/TheWaterlooChamber.aspx

Quelle: http://rajprisons.hypotheses.org/122

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