Irgendwie fing der Krieg an und breitete sich immer weiter aus. Zwar gilt der berühmte Fenstersturz von 1618 in Prag als Auslöser für die Konflikte, die wir dann unter dem Begriff des Dreißigjährigen Kriegs zusammenfassen. Doch einen „regulären“ Beginn des Kriegs, will heißen: eine eigentliche Kriegserklärung, gab es nicht, konnte es angesichts der Konfliktparteien und unterschiedlichen Interventionsmuster mit ihren jeweiligen Legitimationsstrategien auch nicht so einfach geben. Nun hat vor einigen Jahren Bernd Klesmann zum Problem der Kriegserklärungen eine Studie vorgelegt.
Unter dem Titel „Bellum solemne“ untersucht er in seinem Buch Kriegserklärungen im 17. Jahrhundert. Das Augenmerk der Untersuchung liegt dabei auf den Jahrzehnten nach dem Dreißigjährigen Krieg; vor allem die ludovizianischen Kriege stehen im Mittelpunkt. Dazu geht Klesmann auch auf das Phänomen der Reichsacht ein, ein zentrales Instrument der Reichsgerichtsbarkeit bei reichsinternen Konflikten, das bekanntermaßen gerade in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs von großer Bedeutung war. Und auch den Weg in den Dreißigjährigen Krieg, wie er sich seit 1618 entwickelte, zeichnet er nach (138 ff.). Ansonsten gibt es noch mit der französischen Kriegserklärung aus dem Jahr 1635 einen Fall, der sich auf die Zeit des Dreißigjährigen Kriegs bezieht. Doch ist dies alles nicht ein bißchen wenig für einen Beitrag im Rahmen des dk-blogs?
Wenn man tatsächlich allein die Seiten zusammenzählt, die strikt auf Phänomene aus der Zeit zwischen 1618 und 1648 bezogen sind, mag man enttäuscht sein. Doch dies erscheint mir zu bösartig, und vor allem wird man der Anlage des Buches nicht gerecht. Denn es ist eben charakteristisch für diese Studie, daß sie weder erst um 1618 beginnt noch – was ohnehin viel häufiger passiert – mit dem Stichjahr 1648 aufhört. Vielmehr umfaßt Klesmanns Ansatz das gesamte Jahrhundert und führt argumentative Linien über mehrere Jahrzehnte zusammen. Das Buch bringt einen dazu, diesen zeitlich erweiterten Kontext ernst zu nehmen und – aus der Sicht des am Dreißigjährigen Krieg Interessierten – eben auch die Entwicklung der späteren Jahrzehnte einzubeziehen. Genau in diesem Ansatz, die Zäsur von 1648 zu ignorieren, liegt auch ein Gewinn in dieser Studie.
Darüber hinaus können manche Interpretationen, die an Beispielen der zweiten Jahrhunderthälfte ausgeführt werden, sicherlich auch auf Verhältnisse in der Phase des Dreißigjährigen Kriegs angewendet werden. So dürften sich Stichworte wie die „Ehre des Staates“ und Formen der Ritualisierung in diesen Konfliktverläufen (S. 273 ff.) genauso wie Aspekte der rhetorischen Gestaltung (3. Kapitel) anhand von Material aus früheren Jahrzehnten exemplifizieren lassen. Um den Gedanken abschließend noch einmal aufzugreifen: Die magische Schwelle von 1648 zu überschreiten und die weitere Entwicklung miteinzubeziehen, kann man bei Bernd Klesmann lernen. Und wer sich dann noch für die davorliegende Entwicklung interessiert, kann nun auf die jüngst erschienene Habilitationsschrift von Anuschka Tischer zurückgreifen („Offizielle Kriegsbegründungen in der Frühen Neuzeit: Herrscherkommunikation in Europa zwischen Souveränität und korporativem Selbstverständnis“).
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/225