“Hallelujah, it works!” doesn’t it?

Wie gestern die Onlineausgabe des Daily Mail erleichtert berichtete funktioniert die visuelle Torlinientechnologie Hawk-Eye, welche seit dieser Saison in der englischen Fußball Premier League eingesetzt wird. Im Spiel Chelsea vs Hull wurde ein Tor nach Meinung aller Beteiligten korrekterweise nicht gegeben, weil der Torwart den Ball vor der Torlinie abgefangen hatte (siehe dazu auch die Visualisierung im Daily Mail Bericht).

no goal

Das Ereignis scheint ein für alle einleuchtender Beweis für die Funktionstüchtigkeit des Hawk-Eye Systems zu sein. So wird im Daily Mail Bericht z.B. ein Chelsea Spieler zitiert, der sich zu dem Vorfall in Sky Sports 1 so äußerte:

It was clearly not over the line. The technology is good so there will be no questions further.

Oder gibt es etwa doch noch weitere Fragen?

Interessanterweise berichtete am selben Tag der Irish Independent, dass Hawk-Eye aufgrund einer fehlerhaften Entscheidung im Halbfinale der All-Ireland Minor Hurling Championship abgeschalten wurde. Bei dem wichtigen Hurling Spiel, einem Mannschaftssport keltischen Ursprungs, identifizierte das aufgrund von strittigen Entscheidungen eingeführte Hawk-Eye System nach Meinung aller Beteiligten fälschlicherweise einen korrekt erzielten Punkt als ‘miss’, also als keinen Punkt. Die Schiedsrichter konnten aber den Fehler von Hawk-Eye überstimmen. Jetzt wurde das vom Irish Independent geschätzt etwa € 200.000 teure System erstmal für die Senior Bewerbe abgeschalten und weitere Ermittlungen eingeleitet, um herauszufinden wie der Fehler zustande kam.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5554

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Immer wieder, immer wieder: Torlinientechnologie!!!

Kaum ist im Fußball wieder einmal ein Tor geschossen worden, das aber nicht gewertet wurde (Bundesliga, 1.Spieltag, TSG Hoffenheim, K. Volland, siehe u.a. focus.de) kommt der Schrei nach dem Einsatz von Torlinientechnologie erneut auf.

tor volland

Dass die benachteiligte TSG Hoffenheim mit der Entscheidung unglücklich ist mag nicht verwundern. Doch wie es scheint sind sehr viele andere Akteure ebenfalls für den sofortigen Einsatz von Torlinientechnologie. Auf faz.net wird z.B. der beteiligte Schiedsrichter zitiert:

Schiedsrichter Kinhöfer gab die Unnahbarkeit auf, die seine Zunft so oft umweht, und forderte technische Hilfe an: „Wir Schiedsrichter würden es begrüßen, wenn diese Geschichte uns abgenommen wird. Aber das ist halt nicht so. Dementsprechend müssen wir die Entscheidung treffen – und die war heute leider falsch“, sagte Kinhöfer.

Die Einzigen, die sich dem Heilsbringer Torlinientechnologie (wobei hier anzumerken ist, dass unterschiedliche Versionen herumschwirren, was genau für eine Art von Torlinientechnologie eingesetzt werden soll; von Torkameras bis Chip im Ball) widersetzen zu scheinen sind die Verantwortlichen der Deutschen Fußball Liga (DFL). Auf sportal.de wird Andreas Rettig, der Geschäftsführer der DFL zitiert:

“Dass die Entscheidung in Hoffenheim die Diskussion über die Torlinien-Technologie neu entfacht, ist verständlich. Derzeit gibt es nach unserer Einschätzung jedoch noch kein perfekt ausgereiftes System, welches diese tiefgreifende und möglicherweise dann endgültige Entscheidung einer sofortigen Einführung rechtfertigt. So lässt die FIFA derzeit noch eine Fehlertoleranzgrenze von drei Zentimetern zu”, sagte Rettig.

In Bezug auf meinen Beitrag zum Thema Torlinientechnologie im Februar unterstütze ich diese kritische, abwartende und beobachtende Haltung der DFL. Denn im Gegensatz zu der weit verbreiteten “technological fix” Meinung, dass Torlinientechnologie die endgültige und einzig wahre Lösung des Problems ist, ist das Problem zum jetzigen Zeitpunkt noch lange nicht gelöst. Auch Torlinientechnologie, die selbstständig entscheidet, kann Fehler machen. Dies sollte man sich insbesondere auch dann vor Augen führen, wenn es tatsächlich einmal zu einer Einführung kommen sollte: Denn die Entscheidung einer visuellen Torlinientechnologie basiert wie auch der menschliche (Schiedsrichter-) Blick ebenso auf einer gesellschaftlich situierten, subjektiven und partikularen Sichtweise. Die Entscheidung einer Torlinientechnologie ist deshalb nicht zwangsläufig besser. Im Gegenteil könnte es sogar zu einem Gefühl von “falscher Transparenz” (vgl. Collins & Evans 2012: 907)1 kommen: D.h. duch den Einsatz der Technologie denkt man, dass es jetzt gerechter zugeht (weil alle Situationen richtig erkannt werden würden), obwohl auch die Technologie Fehler machen kann, das aber in der öffentlichen Wahrnehmung nicht verankert ist.

Ich würde es wegen der bereits vorhandenen Fernsehkameras in den oberen Ligen deshalb nach wie vor für sinnvoll halten (auch um dem endlosen Schrei nach Torlinientechnologie entgegenzukommen), die Einführung eines einfachen Video Reviews zu überlegen: Falls es zu einer strittigen Torlinienszene kommt (wie oft passiert das tatsächlich in Relation zu den absolut gespielten Minuten?2 ) kann das dreiköpfige Schiedsrichterteam unter dem Vorsitz des sog. vierten Offiziellen ein-zwei- oder dreimalig pro Spiel eine Unterbrechung des Spiels vornehmen und sich die Szene auf den zur Verfügung stehenden Fernsehbildern anschauen. Die einfache Mehrheit der drei vor-Ort Begutachtungen entscheidet. So wäre gewährleistet, dass die Schiedsrichter auf genau der selben Basis entscheiden können, wie das milionenfache, diskutierende Fernsehpublikum. Die Entscheidung wäre für jeden nachvollziehbar und gerecht. Wenn man die letzten strittigen Szenen (Volland Tor, Lampard Tor WM 2010) als Beispiel nimmt, waren sich bei der Betrachtung der TV Bilder im Nachhinein ja auch alle einig, dass es sich um reguläre Tore gehandelt hat.

Ein Problem bleibt natürlich bei allen Arten von Entscheidungstechnologien im Fußball bestehen: Wie kann die Integrität des Fußballs bis hin zur untersten Spielklasse gewährleistet werden? Wie kann man argumentieren, dass zwar in den oberen Klassen Technologien wie der Video Review eingesetzt werden, wenn sich die unteren Klassen einen solchen Einsatz nicht leisten können? Das Argument, dass es in den oberen Klassen um viel Geld geht lasse ich dabei aber nicht zählen.

  1. Collins, Harry & Evans, Robert (2012): Sport-decision aids and the ”CSI-effect”: Why cricket uses Hawk-Eye well and tennis uses it badly. Public Understanding of Science 2012, 21, 904-921.
  2. Bei einem normalen Bundesligaspieltag werden bei neun Spielen z.B. schon insgesamt mehr als 810 Minuten gespielt.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5536

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Der Einsatz von Torlinientechnologie bei der Fußball WM 2014 und die Frage, ob es funktioniert

Wie auch in unterschiedlichen deutschsprachigen Medien berichtet wird (z.B. sport.orf.at, sportschau.de) hat gestern die FIFA erklärt, dass bei der FIFA Fußball WM 2014 in Brasilien sowie beim Konföderationen-Pokal 2013 sog. Torlinientechnologie (GLT; Goal Line Technology) zum Einsatz kommen soll. Im April soll es eine Entscheidung geben, welche Technologie letztendlich verwendet wird. Bisher sind zwei Technologien lizenziert worden: Hawk-Eye und GoalRef. Während Hawk-Eye, welches bereits im Tennis und Cricket verwendet wird, über sechs bis acht Kameras und visuelle Triangulation den Standort des Balles abschätzt, ist GoalRef ein niederfrequentes magnetfeldbasierendes Funksystem, entwickelt vom Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen.

Die FIFA bietet u.a. auf Youtube zwei Videos zur rudimentären Erklärung der Systeme an: Hawk-Eye, GoalRef

Torlinientechnologie Bildrechte: FIFA.com

Auf FIFA.com wurde bereits im Dezember 2012 Roman Furrer von der EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) zitiert, dass sowohl Hawk-Eye als auch GoalRef die “abschließenden Installationstest bestanden” haben und gemäß diesen Tests funktionstüchtig sind. Genauere Angaben über die Tests und wie sich die Funktionstüchtigkeit ergibt werden hier aber nicht gemacht. In einem weiteren Video werden die Tests von der FIFA etwas genauer erläutert, auf der FIFA Qualitätsprogramm Webpage finden sich über die Vorgehensweise nähere Informationen. Dort heißt es:

Nur wenn das System funktioniert, d. h. genau anzeigt, ob ein Tor erzielt wurde oder nicht, erhält es die FIFA-Lizenz und darf bei offiziellen Spielen gemäss Spielregeln eingesetzt werden.

Doch was heißt in diesem Zusammenhang funktionieren bzw. genau anzeigen, ob ein Tor erzielt wurde oder nicht? Was heißt genau? Man müsste besser fragen: Wieviel Genauigkeit ist gesellschaftlich notwendig? (vgl. Gates 2011: 48)1 Ähnlich wie Kelly Gates es für Gesichtswiedererkennungstechnologien (face recognition) festgestellt hat, sollte bei der Diskussion um Torlinientechnologien die Frage nach der gesellschaftlichen Konstruktion von Genauigkeit im Zentrum stehen und wer die daran beteiligten relevanten Gruppen sind. Insofern kann die Diskussion um Torlinientechnologien auch eine wichtige Diskussion um das öffentliche Verständnis von Technologie werden. Harry Collins und Robert Evans argumentieren in ihrer Auseinandersetzung mit sports decision aids (SDAs), also Entscheidungshilfen im Sport, dass die Science and Technology Studies an dieser Diskussion teilnehmen sollten (Collins & Evans 2012)2, um insbesondere Unsicherheiten, Selektionsprozesse, Uneindeutigkeiten und Fehlertoleranzen in Technologieentwicklung und Entscheidungshilfen im Sport sichtbar zu machen. Das bedeutet nicht unbedingt, dass die Technologie an sich in Frage gestellt werden soll, sondern, dass klar gemacht werden soll, wie Entscheidungen durch Torlinientechnologie zustande kommen und welche Unsicherheiten damit verbunden sind.

Laut Collins & Evans gibt in etwa der Hawk-Eye Hersteller an, dass bei der Verwendung von Hawk-Eye eine Fehlerverteilung vorhanden ist. Beim Tennis etwa ist die durchschnittliche Genauigkeit 3,6 mm (Collins & Evans 2012: 911)3. Ein Durchschnitt ist allerdings nur ein Durchschnitt und so können kleinere und größere Abweichungen in der Realität vorkommen. Es besteht also in seltenen Fällen auch die Möglichkeit, dass der Fehler z.B. 10 mm beträgt (ebds.). Für die Frage nach der Funktionstüchtigkeit muss also festgehalten werden, dass Torlinientechnologien zwar durchaus in der Lage zu sein scheinen, grobe Fehler bei realtiv eindeutigen Toren zu erkennen. Bei sehr knappen Entscheidungen (wie z.B. im FIFA Hawk-Eye Video), und hier spielen sicher auch die Beschaffenheit der Torlinie und des Grases mit eine Rolle, kann auch die Entscheidung einer Torlinientechnologie schlichtweg fehlerhaft sein. D.h., wie Harry Collinss auch in einem Interview über den Streit von Hawk-Eye Entscheidungen im 2007 Wimbledon Finale Nadal vs. Federer anmerkt: Ein “health warning” in Zusammenhang mit Hawk-Eye ist unbedingt notwendig, da es nicht immer wiedergibt, was tatsächlich passiert ist. Hawk-Eye sollte eher wie eine Rechtsschreibprüfung auf dem Computer verwendet werden, die nicht immer richtig liegt, aber dennoch ein sinnvoller Ratgeber ist, so Collins.

Hierbei stellen wir (Daniel Meßner, Stephan Gruber und Christoph Musik) uns die Frage, wie teuer ein sinnvoller Ratgeber sein soll oder darf? Offensichtlich geht es der FIFA im Gegensatz zur UEFA nicht nur darum, dass richtige Entscheidungen getroffen werden, sondern auch, dass diese Entscheidungen mit Hilfe einer teuren “Hochtechnologie” getroffen werden. Darüber hinaus muss auch die Frage aufgeworfen werden, wer eigentlich von dieser Entscheidung am meisten profitiert? Insofern ist die Entscheidung, Torlinientechnologie einzusetzen, oder im Falle der UEFA diese nicht einzusetzen, sicherlich auch eine politische Entscheidung. Wir sind der Meinung, dass eine sehr kostengünstige, aber dennoch effektive Alternative ein einfacher Video-Review des Schiedsrichters sein könnte, welcher bei strittigen Torentscheidungen wie beim Feldhockey nur vom Schiedsrichter angefordert werden kann.

 

  1. Gates, Kelly (2011): Our Biometric Future: Facial Recognition Technology and the Culture of Surveillance. NYU Press.
  2. Collins, Harry & Evans, Robert (2012): Sport-decision aids and the ”CSI-effect”: Why cricket uses Hawk-Eye well and tennis uses it badly. Public Understanding of Science 2012, 21, 904-921.
  3. Collins, Harry & Evans, Robert (2012): Sport-decision aids and the ”CSI-effect”: Why cricket uses Hawk-Eye well and tennis uses it badly. Public Understanding of Science 2012, 21, 904-921.

Quelle: http://www.univie.ac.at/identifizierung/php/?p=5335

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