Archiv für April 2013

Gesamtausgabe querelles-net 13(1)

Quelle: http://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/1007

Anne von Streit: Entgrenzter Alltag – Arbeiten ohne Grenzen? Das Internet und die raum-zeitlichen Organisationsstrategien von Wissensarbeitern. Bielefeld: transcript Verlag 2011.

Anne von Streit geht in dieser Veröffentlichung ihrer Dissertation der Fragestellung nach, wie sich die räumlich und zeitlich flexibilisierten Arbeitsbedingungen auf die Alltagsgestaltung von selbständigen Frauen und Männern in der Internetbranche auswirken. Als Geographin geht es ihr dabei nicht nur um zeitliche, sondern auch um räumliche Entgrenzungsprozesse. Diese teildisziplinäre Grenzüberschreitung liefert einige Erkenntnisse. In der durchaus geschlechtersensiblen Studie mit einem komplexen, vorwiegend qualitativen Design kann die Autorin aus geschlechterbezogener Perspektive sowohl deutliche Unterschiede wie auch Homogenitäten zwischen den Geschlechtern nachweisen. Dieses genauer auszubuchstabieren und zu begründen, bleibt sie jedoch weitgehend schuldig.

Karl Lenz, Marina Adler: Geschlechterverhältnisse. Einführung in die sozialwissenschaftliche Geschlechterforschung Band 1. Weinheim u.a.: Juventa Verlag 2010. — Karl Lenz, Marina Adler: Geschlechterbeziehungen. Weinheim u.a.: Juventa Verlag 2011.

Karl Lenz und Marina Adler orientieren sich in ihrem zweibändigen Lehrbuch zur sozialwissenschaftlichen Geschlechterforschung an der etablierten Unterscheidung zwischen Makro- und Mikrosoziologie. Im ersten Band werden theoretische Perspektiven der Geschlechterforschung und unterschiedliche Zusammenhänge zu Kultur nachgezeichnet sowie zentrale Themenfelder einer Sozialstrukturanalyse der Geschlechterordnung fokussiert, nämlich Recht, Politik, Bildung und Arbeit. Im zweiten Band stehen neben der Sozialisation ausgewählte Erträge der mikrosoziologischen Geschlechterforschung im Zentrum, nämlich Körper, Sexualität, persönliche Beziehungen, Devianz und Gewalt. In dieser überfälligen, informativen, sorgfältig recherchierten, aber auch vergleichsweise traditionellen und empirisch orientierten Einführung wird die Geschlechterforschung zwar in einer breiteren Diversity-Forschung verortet, das Verhältnis von Diversität und Geschlecht leider aber nicht reflektiert.

Gottfried Magerl, Reinhard Neck, Christiane Spiel (Hg.): Wissenschaft und Gender. Wien u.a.: Böhlau Verlag 2011.

In neun recht unterschiedlichen Zugängen werden die Unterrepräsentation von Frauen in der Wissenschaft, institutionelle und wissenschaftspolitische Maßnahmen zu mehr Geschlechtergerechtigkeit und zum Teil auch notwendige Veränderungen in Bezug auf wissenschaftliche Inhalte angesprochen. Die vorgestellten Perspektiven unterscheiden sich nicht nur disziplinär, sondern auch in ihren theoretischen Hintergründen sowie den Bezügen auf feministische Konzepte. Gemeinsam ist den meisten Beiträgen, dass implizit oder explizit ein Schwerpunkt auf Naturwissenschaften und Technik gelegt und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf als schwieriges Hindernis dargestellt wird. Insgesamt handelt es sich um einen informativen Überblick, aber nicht um ein besonders innovatives Buch.

Maritza Le Breton: Sexarbeit als transnationale Zone der Prekarität. Migrierende Sexarbeiterinnen im Spannungsfeld von Gewalterfahrungen und Handlungsoptionen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011.

Sexarbeiterinnen selbst kommen in empirischen Studien zu Migration und Sexarbeit selten zu Wort. In ihrer Dissertation gelingt Maritza Le Breton jedoch genau das, sie schafft einen Raum für ansonsten (epistemologisch) marginalisierte Akteurinnen. Ihr Ziel ist es, deren tatsächliche (Gewalt-)Erfahrungen sowie Lebens- und Arbeitssituationen in den Blick zu nehmen und auszuarbeiten, um so wichtiges Adressatinnen-Wissen für die Soziale Arbeit zugänglich zu machen. Auf der Basis von 21 problemzentrierten Interviews mit migrierten Sexarbeiterinnen, die in Basel/Schweiz in Kontaktbars oder Salons arbeiten, stellt sie Gewaltverhältnisse und Machtkonstellationen in der Sexökonomie sowie Handlungsoptionen der Sexarbeiterinnen dar.

Patricia Feise-Mahnkopp: Die Ästhetik des Heiligen. Kunst, Kult und Geschlecht in der Matrix-Filmtrilogie. Köln u.a.: Böhlau Verlag 2011.

Die Matrix-Filme erlangten innerhalb von kurzer Zeit Kultstatus. Patricia Feise-Mahnkopp beleuchtet das Phänomen aus der Perspektive der ästhetischen Theorie und fragt nach den Gründen für den außergewöhnlichen Erfolg der Filmtrilogie. Die Herleitung und die Begründung ihrer These, dies habe etwas mit der religio-ästhetischen Qualität (d. h. der Eigenschaft, sowohl das Erhabene als auch das Heilige zu evozieren) zu tun, sind jedoch mit Argumentationslücken behaftet, weshalb die Analyse nicht vollständig zu überzeugen vermag.

Elvira Scheich, Karen Wagels (Hg.): Körper Raum Transformation. Gender-Dimensionen von Natur und Materie. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot 2011.

Öko-feministische Perspektiven wurden häufig als ‚essentialistisch‘ gekennzeichnet, und auch heute grenzt man sich gern mit diesem Vorwurf gegen sie ab. Der aktuelle Band Körper Raum Transformation. Gender-Dimensionen von Natur und Materie macht dagegen deutlich, wie brauchbar Perspektiven mit öko-feministischem Ausgangspunkt für aktuelle feministische und dekonstruktivistische Praxen und wissenschaftliche Analysen sein können. Für den Band gilt generell, dass an queere und postkoloniale Perspektiven und solche der ‚Krüppelbewegung‘ angeschlossen wird.

Julia Diekämper: Reproduziertes Leben. Biomacht in Zeiten der Präimplantationsdiagnostik. Bielefeld: transcript Verlag 2011.

Julia Diekämper zeigt mit ihrer Studie, wie die Präimplantationsdiagnostik (PID) zum umkämpften Gegenstand medialer Aushandlungen geworden ist. Anhand eines Vergleichs der Diskussion in deutschen und französischen Printmedien wird dargelegt, wie im Sinne Foucaults eine diskursive Auseinandersetzung um die PID stattfindet. Die Arbeit besticht durch ihren klar strukturierten empirischen Teil, der eine geologische Karte des PID-Diskurses zeichnet. Damit wird auch die aktuelle Relevanz des Begriffs der Bio-Macht unterstrichen. Ein Schritt in Richtung einer Genealogie bleibt aber aus. So verbleibt die Studie eher auf der deskriptiven Ebene, das von Foucault stets geforderte Infragestellen von Machtbeziehungen wird nicht eingelöst, aber fundiertes Material für ein solches geliefert.

Hilary Brown, Gillian Dow (Eds.): Readers, Writers, Salonnières. Female Networks in Europe, 1700–1900. Frankfurt am Main u.a.: Peter Lang 2011.

Im Sammelband von Hilary Brown und Gillian Dow werden die Kommunikationsnetze und der kulturelle Austausch zwischen den intellektuellen und schreibenden Frauen im Europa des 18. und 19. Jahrhunderts untersucht. Insbesondere wird auf die Analyse der verzweigten Verbindungen gelehrter Frauen verschiedener Länder eingegangen, unter Berücksichtigung ihrer Briefwechsel, ihrer gegenseitigen Besuche und ihrer in literarischen Salons entstandenen Kontakte. Durch die Analyse von veröffentlichten und unveröffentlichten Quellen unterschiedlichster Gattungen (vom Roman über Poesie, Reisetagebücher und Märchen bis hin zur Autobiographie) bietet der Band neue Einblicke in die literarischen Praxis und die Entwicklung der europäischen Tradition des weiblichen Schreibens.

Editorial

Quelle: http://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/1042