Archiv für April 2013

Christina Mundlos: Schönheit, Liebe, Körperscham. Schönheitsideale in Zeitschriften und ihre Wirkung auf Mädchen und Frauen. Marburg: Tectum Wissenschaftsverlag 2011.

Die Autorin untersucht die sprachlichen Überzeugungsstrategien in deutschen Mädchen- und Frauenzeitschriften aus den Jahren 2004 und 2005 daraufhin, wie Mädchen zur Annahme eines zerstörerischen, zeit- und kostenintensiven Schönheitsideals verleitet werden. Systematisch werde den Leserinnen eingeredet, einen mangelhaften Körper zu haben, der den Konsum von Mode- und Kosmetikprodukten notwendig mache, um Anerkennung von Männern zu erfahren. Trotz Schwächen in der theoretischen Fassung der Untersuchungsergebnisse überzeugt die sprachliche Analyse, so dass das Buch als Einstiegslektüre in das Thema Frauen- und Mädchenbilder dienen kann. Der Titel ist allerdings unpassend, da sich die Autorin nicht mit der Rezeption durch die Leserinnen befasst.

Marion Röwekamp: Die ersten deutschen Juristinnen. Eine Geschichte ihrer Professionalisierung und Emanzipation (1900–1945). Köln u.a.: Böhlau Verlag 2011.

In der Geschichte der Juristinnen im Zeitraum von 1900 bis 1945 werden in fünf Kapiteln sowohl die Zulassung von Frauen zum juristischen Studium sowie zur Berufsausübung als auch ihre Berufstätigkeit in den klassischen juristischen Berufen als Rechtsanwältin, Richterin, im höheren Verwaltungsdienst etc. behandelt. Auch ihr Engagement in verschiedenen Vereinigungen der Frauenbewegung wird aufgegriffen und die Abhandlung schließlich durch die Darstellung der Situation von Juristinnen in der Zeit des Nationalsozialismus vervollständigt. Marion Röwekamp gelingt es mit ihrer Arbeit, die durch umfangreich verarbeitetes statistisches und biographisches Material abgerundet wird, einen tiefen Einblick in die durch erhebliche Widerstände geprägte Professionalisierungsgeschichte der Juristinnen zu vermitteln.

Affront (Hg.): Darum Feminismus! Diskussionen und Praxen. Münster: Unrast Verlag 2011.

Feministische Kämpfe stehen im Fokus des Buches, das die Herausgeberinnen als Intervention in die Linke hinein verstehen. Es behandelt zum einen Transformationen feministischer Theorie aufgrund neuer Herausforderungen durch Dekonstruktivismus und postkoloniale Kritik. Zum anderen werden ausführlich diverse Handlungsfelder feministischer Politik dargestellt und diskutiert: von Antimilitarimus, Antifaschismus, Antikapitalismus, Freiraumpolitik und Rassismuskritik bis zu Stadt und Sexarbeit, und nicht zuletzt auch die Forderung nach körperlicher/sexueller Selbstbestimmung. Die Herausgeberinnen betonen dabei, dass feministische Kritik immer zwischen Positionierung und Selbstreflexion ausbalanciert werden muss, wenn man sie als Teil grundsätzlicher Gesellschaftskritik begreift.

Marcus Recht: Der sympathische Vampir. Visualisierungen von Männlichkeiten in der TV-Serie Buffy. Frankfurt am Main u.a.: Campus Verlag 2011.

Marcus Recht leistet als einer der ersten deutschsprachigen Autoren eine ausführliche Analyse der besonderen Darstellung alternativer Geschlechtlichkeit in der TV-Serie Buffy. Mit Hilfe ausführlicher wissenschaftlicher Methodik zeigt Recht auf, dass die Serie sowohl soziale Konstrukte analysiert, widerspiegelt und karikiert als auch eine alternative Geschlechtlichkeit etabliert, welche die männlichen Vampire in einen zur Zeit der Serienausstrahlung gänzlich neuen Gender-Kontext stellt. Viele weitere klassische filmsoziologische Theorien zu Gender-Konstruktion und -Darstellung werden kritisch aufgegriffen und in die Analyse einbezogen. Eine gute Grundlage für Einsteiger/-innen als auch für Kenner/-innen des Feldes, um sich mit dem wissenschaftlichen Potential des popkulturellen Feldes auseinanderzusetzen.

Martina Läubli, Sabrina Sahli (Hg.): Männlichkeiten denken. Aktuelle Perspektiven der kulturwissenschaftlichen Masculinity Studies. Bielefeld: transcript Verlag 2011.

Der Sammelband bietet einen guten Überblick über die Vielfalt an Themengebieten, mit denen sich die kulturwissenschaftlichen ‚Masculinity Studies‘ zurzeit beschäftigten. Neben theoretischen Texten finden sich Berichte aus zahlreichen kleineren Studienprojekten, die das Rätsel der Konstruktion von Männlichkeit u. a. durch die Analyse von Geschlechtsdarstellungen in Computerspielen, in der Literaturanalyse, in der Psychoanalyse oder in der Filmrezension zu lösen versuchen. Allen ist gemeinsam, dass sie von einer Fragilität von Männlichkeit ausgehen: Männlichkeit scheint etwas zu sein, dass brüchig wird, sobald es sich von heteronormer Zweigeschlechtlichkeit löst und ‚anders‘ daherkommt, als hegemoniale Vorstellungen dies vorschreiben.

Anna-Caterina Walk: Das Andere im Tatort. Migration und Integration im Fernsehkrimi. Marburg: Tectum Wissenschaftsverlag 2011.

Aus medien- und kulturwissenschaftlicher Perspektive widmet sich Anna-Caterina Walk in ihrer knappen Publikation der TV-Krimireihe ‚Tatort‘. Anhand von drei konkreten Folgen analysiert sie, wie das Andere in dieser Serie medial repräsentiert und konstruiert wird. Ihr Ziel ist es, die konkreten Darstellungen und deren Bedeutungen in ihrer Selbstverständlichkeit zu hinterfragen. Dabei sucht sie vor allem nach nicht-stereotypen oder destabilisierenden Bildern und fordert zugleich einen kritischeren Umgang mit Differenzkonstruktionen der Identität innerhalb der einzelnen ‚Tatort‘-Folgen. Zumal der Fokus der Autorin auf kulturellen Andersartigkeiten liegt, kommen Betrachtungen des_der geschlechtlich Anderen eine marginale Position zu und bleiben prinzipiell eher oberflächlich.

Sabine Hess, Nikola Langreiter, Elisabeth Timm (Hg.): Intersektionalität revisited. Empirische, theoretische und methodische Erkundungen. Bielefeld: transcript Verlag 2011.

Für eine kritische Diskussion der Genealogie und der Weiterentwicklung von Intersektionalität finden sich in diesem Tagungsband neben ethnografischen Studien methodologische und theoretische Reflexionen, in welchen diese sowohl im Hinblick auf ihre analytischen Ermöglichungen und spezifische Leistungsfähigkeit als auch in Bezugnahme auf ihre methodischen Grenzen und kontextuellen Unschärfen erörtert wird. Allerdings gelingt es den Herausgeberinnen über weite Strecken nicht, Orientierung angesichts der komplexen Diversität zu vermitteln, und sie versäumen es so, Intersektionalität im Kontext seiner theoretischen Grenzen fruchtbar zu machen.

Katinka Schweizer, Hertha Richter-Appelt (Hg.): Intersexualität kontrovers. Grundlagen, Erfahrungen, Positionen. Gießen: Psychosozial-Verlag 2012.

Den Herausgeber/-innen gelingt es mit ihrem Sammelband, einen Einblick in die wissenschaftliche, insbesondere die medizinische Debatte um ‚Intersexualität‘ zu geben. Es kommen Vertreter/-innen unterschiedlicher Disziplinen zu Wort, und es werden auch einige neuere Forschungsergebnisse zur Behandlungszufriedenheit und zu den anatomischen und funktionalen Ergebnissen der medizinischen Interventionen vorgestellt, die der Deutsche Ethikrat für seine im Februar 2012 vorgelegte Stellungnahme „Intersexualität“ nicht herangezogen hatte. Stimmen von Intersexen und Eltern von Intersexen haben in den Band leider nur sehr vereinzelt Eingang gefunden.

Janne Mende: Begründungsmuster weiblicher Genitalverstümmelung. Zur Vermittlung von Kulturrelativismus und Universalismus. Bielefeld: transcript Verlag 2011.

Janne Mende legt in ihrer ambitionierten Publikation eine eigenständige, dialektische Verhältnisbestimmung von Universalismus und Kulturrelativismus vor. Diesen konzeptuellen Part verbindet sie mit einer detailreichen und kritischen Analyse der zentralen Argumentationslinien um die Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung. Dabei hebt sich das übersichtlich gestaltete und stets begründend vorgehende Buch in methodischer Hinsicht von bisherigen Abhandlungen beider Themenkomplexe ab, lässt allerdings Zweifel hinsichtlich der Konstruktion des Widerspruchsverhältnisses offen. Als besonderes Verdienst lässt sich vor allem der umfassende und differenzierte Einblick in historische und aktuell vorherrschende Debatten auszeichnen.

Katja Hericks: Entkoppelt und institutionalisiert. Gleichstellungspolitik in einem deutschen Konzern. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2011.

Katja Hericks’ Dissertation kommt zur richtigen Zeit, denn sie nährt die virulenten Diskussionen über Gender und/oder Diversity und die politischen Kontroversen über die ‚richtige‘ Frauenquote für Führungspositionen in der Privatwirtschaft mit einer ethnographischen Fallstudie über einen gleichstellungspolitischen ‚Vorzeigekonzern‘ in Deutschland. Mit der theoretischen Rahmung durch den Neoinstitutionalismus und die konstruktivistische Geschlechterforschung zeigt die Verfasserin, dass die Gleichstellungsnorm im untersuchten Unternehmen gleichzeitig auf den Ebenen des Leitbilds, der formalen Struktur und des Arbeitsalltags allenfalls lose gekoppelt institutionalisiert wird. Eine mangelnde methodische Reflexivität und die wenig lesefreundliche Gestaltung des umfangreichen Texts schmälern aber leider erheblich den Erkenntnisgewinn.