Archiv für April 2013

Mart Busche, Laura Maikowski, Ines Pohlkamp, Ellen Wesemüller (Hg.): Feministische Mädchenarbeit weiterdenken. Zur Aktualität einer bildungspolitischen Praxis. Bielefeld: transcript Verlag 2010.

Den gemeinsamen Ort für die Verhandlung von durchaus widersprüchlichen Positionen der Frauen- und Geschlechterforschung bildet die feministische Mädchenarbeit in einer unabhängigen Bildungseinrichtung. Die Autor/-innen begegnen wiederkehrender Kritik mit gezielter Wachsamkeit für bestehende Benachteiligungsstrukturen. Das Argumentationsrepertoire findet in dekonstruktiven, queer-feministischen und intersektionalen Theorien wirksame Erweiterungen. Die Aneignung dieser kritischen Stimmen erlaubt die Aktualisierung des Wertes der feministischen Mädchenarbeit für eine bildungspolitische Praxis.

Therese Frey Steffen (Hg.): Körpergrenzen / Body Boundaries. Köln u.a.: Böhlau Verlag 2011.

Auflösungen, Fixierungen und (Re-)Adressierungen verschiedenster den Körper betreffender Grenzen und deren Auswirkungen werden in den auch disziplinäre Abgrenzungen überwindenden Artikeln des Züricher Graduiertenkollegs „Körper, Selbsttechnologien: Entgrenzungen und Begrenzungen“ beleuchtet. Im Mittelpunkt dieses Schwerpunktheftes der Zeitschrift figurationen stehen politische sowie ethische Implikationen von Grenzgestaltungen – von der innerpsychischen bis zur geographischen Grenze. Als Quellenmaterial dienen den acht Autorinnen dabei größtenteils mediale Repräsentationen des Grenztopos.

Eva Blome: Reinheit und Vermischung. Literarisch-kulturelle Entwürfe von ‚Rasse‘ und Sexualität (1900–1930). Köln u.a.: Böhlau Verlag 2011.

Eva Blome setzt sich in ihrer umfassenden Dissertation erstmalig aus literaturwissenschaftlicher Perspektive mit den interdiskursiven Transformationen des Themas ‚Rassenmischung‘ im deutschen kolonialen Kontext auseinander. Die Autorin nimmt den Einsatz der ‚Rassenmischung‘ als biopolitische und poetologische Argumentationsfigur in den Fokus, indem sie die deutschsprachige Kolonialliteratur um 1900 und die Kunst und Literatur des europäischen Primitivismus behandelt und sich abschließend mit den Kultur- und Rassentheorien der Weimarer Republik beschäftigt. Zentrale Verdienste des Buches liegen darin, dass eine Forschungsnische gefüllt und weiterführende Forschungsfragen zum Thema ‚rassisch‘ transgressiver Sexualität aufgeworfen werden.

Tanja S. Scheer: Griechische Geschlechtergeschichte. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2011.

Das Buch, Teilband einer Enzyklopädie, ist als praktisches Hilfsmittel konzipiert und enthält einen informativen Überblick über Geschlechterverhältnisse im antiken Griechenland sowie einen Einblick in die dazugehörigen Forschungskontroversen in der Alten Geschichte. Das Bild einer nach Geschlechtern streng segregierten Gesellschaft wird, auf der Grundlage revidierter Grundbegriffe der Geschichtsschreibung, teilweise relativiert.

Gesamtausgabe querelles-net 13(3)

Quelle: http://www.querelles-net.de/index.php/qn/article/view/1043

Sylka Scholz: Männlichkeitssoziologie. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot 2012.

Sylka Scholz bringt verschiedene Stränge ihrer bisherigen Forschung über Männer und Männlichkeit zusammen und bietet so einen guten Überblick. Für das viel diskutierte Forschungsfeld formuliert sie einen neuen theoretischen Rahmen und prüft dessen empirische Tragfähigkeit in den Feldern Arbeitsmarkt, Militär und Politik. Sie kann aufzeigen, dass Männlichkeit zwar brüchig wird, sich aber kein Zusammenbruch männlicher Herrschaft und keine Alternative zur bisherigen hegemonialen Männlichkeit abzeichnet. Das Buch eignet sich gut für eine Einführung in das Forschungsgebiet, an unterschiedlichen Stellen wird weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt. Theoretisch ist das Zusammendenken der Ansätze von Connell und Bourdieu für die Weiterentwicklung des Faches hilfreich – stellenweise hätte jedoch ruhig auch in diesem Buch schon etwas weiter theoretisiert werden dürfen.

Meike Sophia Baader, Johannes Bilstein, Toni Tholen (Hg.): Erziehung, Bildung und Geschlecht. Männlichkeiten im Fokus der Gender-Studies. Wiesbaden: Springer VS 2012.

Die Männerforschung ist innerhalb der Gender Studies eine recht junge, aber in den letzten Jahren gleichwohl verstärkt ernstzunehmende Disziplin auch in Deutschland. Der vorliegende Sammelband gewährt einen Einblick in gegenwärtige Forschungen zu Männlichkeitskonstruktionen und -strategien in Bildung und Gesellschaft. Es wird aufgezeigt, wie vielfältig, kritisch und aktuell die Männerforschung jenseits von politischer Vereinnahmung ist. Gleichwohl wird auch ersichtlich, wie viel ‚Nachholbedarf‘ es noch in der deutschsprachigen Forschung gibt.

Gudrun-Axeli Knapp: Im Widerstreit. Feministische Theorie in Bewegung. Wiesbaden: Springer VS 2012.

Gudrun-Axeli Knapp hat mit ihrem Sammelband eine beeindruckende und überaus umfangreiche Werkschau aus 25 Jahren feministischer Theoriebildung vorgelegt. Der Band ist in vier thematische Blöcke unterteilt, die um Weiblichkeitskritik, feministische Aneignungen der Kritischen Theorie, Intersektionalität und die Frage nach der Gestalt feministischer (theoretischer) Kritik kreisen. Dabei überzeugt die Autorin nicht nur durch ihre sorgfältigen wie streitbaren Argumentationen und Auseinandersetzungen im Terrain feministischer Theorie; reizvoll gestaltet sich überdies das Nachspüren jener Denkfigur über die Einzelbeiträge des Sammelbands hinweg, die auch den Titel des Bandes prägt: „im Widerstreit“. Damit legt Knapp auch Umrisse einer Programmatik feministischer Kritik vor.

Nadine Teuber: Das Geschlecht der Depression. „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ in der Konzeptualisierung depressiver Störungen. Bielefeld: transcript Verlag 2011.

Ausgangspunkt und roten Faden der Studie bildet die Frage nach einem erhöhten Depressionsrisiko von Frauen: Ist Depression als spezifische Frauenkrankheit zu verstehen, und wenn ja, warum? Mit dieser einher geht ein ausdrückliches Interesse an den gesellschaftlichen wie auch individuell verkörperten Wirkungen einer symbolischen Geschlechterordnung, die Nadine Teuber im Feld der Depression äußerst differenziert auffächert. Die Gratwanderung einer geschlechtertheoretischen Problematisierung des Phänomens Depression, in dem Spuren der Naturalisierung auf vielfältige Weise angelegt sind, gelingt ihr durch die fundierte Darstellung der diskursiven Herstellungsprozesse von Geschlechtlichkeit wie auch von Depression, die sie in einer interdisziplinären Bezugnahme auf psychologische, psychoanalytische und kulturwissenschaftliche Perspektiven herausarbeitet.

Rabea Krätschmer-Hahn: Kinderlosigkeit in Deutschland. Zum Verhältnis von Fertilität und Sozialstruktur. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2012.

Warum bleiben Frauen und Männer in Deutschland ohne Kinder? Welche Rolle spielen sozialstrukturelle und lebensstilbezogene Gründe dafür? Diesen Fragen geht Krätschmer-Hahn in der Veröffentlichung ihrer Dissertation nach. Anhand eines sekundäranalytischen Designs arbeitet sie in ihrer quantitativen Studie viele bekannte und einige neue Geschlechter- und Ost-/West-Unterschiede zu den Einflussfaktoren von Kinderlosigkeit heraus. Die Veröffentlichung überzeugt durch Stringenz, aufwendige quantitative Analyse, systematische Aufarbeitung des Forschungsstands sowie sprachliche Klarheit und Brillanz. Sie lässt jedoch offen, inwieweit Kinderlosigkeit und auch Elternschaft wirklich – wie angenommen – rationale Entscheidungen sind und warum Kinderlosigkeit in Deutschland überhaupt ein erklärungsbedürftiges Phänomen ist.