Rechtsschwenk Marsch – Die Jugend von Karl Eckhard Hahn
#Gildenschaft
Dass sich der Leiter des wissenschaftlichen Dienstes der CDU-Landtagsfraktion und Vorstandsmitglied der »Deutschen Gildenschaft«, Karl Eckhard Hahn, bereits seit seinem Studienbeginn in extrem rechten Kreisen bewegt hat, ist bekannt. Sein Engagement für den rechten Rand begann jedoch bereits im Schulalter und geriet zwischenzeitlich in Vergessenheit.

Kurz nach dem Dammbruch von Thüringen, also der Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten mithilfe der Stimmen von CDU und der »Alternative für Deutschland« (AfD), rückte auch Karl Eckhard Hahn wieder kurz in den Fokus der Öffentlichkeit. Der ehemalige Regierungssprecher hatte auf dem selbsternannten Debattenmagazin »The European« die (partielle) Zusammenarbeit von CDU und AfD postuliert, mithilfe derer die Wiederwahl von Bodo Ramelow verhindert und gemeinsame Projekte durchgesetzt werden sollten. Dementsprechend zügig wurde seine Vernetzung in die neurechte Szene thematisiert. Hahn entstammt, genau wie Karlheinz Weißmann, Götz Kubitschek und Dieter Stein der »Deutschen Gildenschaft«. Insbesondere mit Weißmann hat Hahn eine längere gemeinsame Vergangenheit: Beide schrieben unter anderem für die extrem rechten Blättchen »Zirkel« und »Phönix«, in denen sie die Vordenker des Nationalsozialismus – Vertreter der »Konservativen Revolution« – positiv besprachen. (s. @derrechterand Nr. 143). Hahns rechte Vergangenheit lässt sich jedoch noch weiter zurückverfolgen. Bereits als Schüler verteidigte er seine rechten Lehrer – Holocaust-Leugner und ehemalige SS-Mitglieder – gegen Kritik.
Die »Kausch«-Affäre am Hann. Mündener Grotefend-Gymnasium
Im Herbst 1978 wurde bekannt, dass am Hann. Mündener Grotefend-Gymnasium drei extrem rechte Lehrer ihr Unwesen trieben. Der Schulleiter Karl-Heinz Kausch – ein ehemaliges Mitglied der Waffen-SS – verfasste unter anderem ein Vorwort für den Erinnerungsband »Ein anderer Hitler« – welcher im rechten »Druffel Verlag« erschien – und Texte für die Verbandszeitschrift der »Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS e.V.« (HIAG), die Veteranenorganisation der SS. Darüber hinaus sprach er auf den »Lippoldsberger Dichtertagen« des nationalkonservativen und revisionistischen Autoren Hans Grimm („Volk ohne Raum“) und kandidierte auf einer gemeinsamen Liste mit der »Deutschen Reichspartei«, einer Vorläuferorganisation der heutigen NPD. Sein Kollege Karl Krah – ebenfalls ehemaliges Waffen-SS- und damaliges HIAG-Mitglied – verschenkte an Schüler*innen das offen antisemitische Buch »Grundgedanken der nationalsozialistischen Weltanschauung«. Der jüngere Dritte im Bunde, Heiner Luthardt, verteilte Texte, die den Holocaust leugneten und vermerkte handschriftlich, wo sich die entsprechenden Passagen zur »6-Millionen-Legende« finden lassen würden. Daneben baute er die Pfadfinder-Gruppe »Zugvogel« auf und versorgte deren Gruppenführer gezielt mit neonazistischer Literatur. Einige Personen dieser Gruppe unterhielten Kontakte zur »Wehrsportgruppe Hoffmann« und waren im Oktober 1978 an einem Angriff auf eine antifaschistische Filmvorführung beteiligt.
»Wider die Multikulti-Apologie«
Die Verteidigung ehemaliger SS-Mitglieder…
Karl-Eckhard Hahn besuchte in dieser Zeit das Mündener Gymnasium und tat sich als exponierter Verteidiger der rechten Lehrer hervor. So gab er unter anderem die Schülerzeitung »Die Hinterwelt« heraus und trat gegenüber einem Presseteam des NDR als »Gruppenführer« auf. Dem NDR unterstellte er bereits damals, Fakten zu verdrehen – das Wort Lügenpresse war noch nicht populär – und forderte seine Mitschüler*innen auf, dieser Linie zu folgen. In den beiden Ausgaben der »Hinterwelt« stellte Hahn dann seine Sicht auf diese »Rufmordkampagne« ausführlich dar. Die Waffen-SS wurde zu einer »reine[n] Fronttruppe, die als Elite der Wehrmacht eingesetzt wurde« verklärt. Sie hatte – nach Hahns Zeitschrift – »nicht das Geringste mit SD-, Polizei- oder KZ-Wachverbänden« zu tun. Eine Aussage, die bereits damals nicht dem Forschungsstand entsprach: So marschierten beispielsweise im Jahr 1978 unweit von Hann. Münden in Arolsen die früheren Angehörigen der Waffen-SS-Division »Totenkopf« auf, die von Theodor Eicke, dem »Inspekteur der Konzentrationslager«, befehligt worden und maßgeblich aus den KZ-Wachverbänden hervorgegangen war. Dementsprechend wird die HIAG in dem Heft als harmlose Veteranenorganisation verklärt und sogar ein Bundesvorstandsmitglied interviewt. Dass Schulleiter Kausch in einer Rede bei der HIAG unter anderem die Aufrüstungspolitik von Adolf Hitler rechtfertigte und behauptete, »daß die Nürnberger Paragraphenwillkür niemals und nirgends auf der Welt den mindesten Ansatz von Allgemeingültigkeit hat erlangen können«, ist für Hahn kein Thema. Dabei bediente Kausch hier rechte Topoi, die sich bis heute in der extremen Rechten unter dem Schlagwort »Siegerjustiz« großer Beliebtheit erfreuen. Und auch die anderen Umtriebe seines Schulleiters verteidigte er vehement: Das Buch »Ein anderer Hitler« des NS-Architekten Hermann Giesler wird als relevante Quelle gewürdigt, weswegen das Vorwort Kauschs gerechtfertigt sei. Der Quellenwert wird dabei mit Verweis auf den britischen Holocaust-Leugner David Irving gerechtfertigt. Das Gutachten des renommierten Münchner Instituts für Zeitgeschichte, welches das Buch als »Propagandapamphlet mit nur geringem Quellenwert« bezeichnet, wird ignoriert.
…und der Kampf gegen die Aufarbeitung des Nationalsozialismus
Doch nicht nur die Verstrickungen von Altnazis leugnete Karl-Eckhard Hahn: Auch damalige Neonazis in Hann. Münden waren für ihn kein Thema: So schrieb er in der rechten Zeitschrift »Phönix«, deren Redakteur er war, dass »die Vergangenheitsbewältigungsprofis« dringend eine »Nazi-Szene« benötigten, damit so »von der gängigen Auffassung abweichende historische Meinung zum Dritten Reich unter Strafe gestellt« werden könnten. Dahinter liegt der kaum verhüllte neurechte Wunsch, ein deutsches Nationalbewusstsein auf den „Trümmern der KZ-Gedenkstätten“ zu errichten. Dementsprechend forderte Hahn für die rechten Lehrer: »Solidarität mit den Opfern solcher Kampagnen ist das Gebot der Stunde.« Dass es in Hann. Münden in den späten 1970er Jahren eine militante Neonazi-Szene gab, haben Antifaschist*innen hinlänglich belegt (s. @derrechterand Nr. 138). Die Szene wurde unter anderem durch den Leiter des Jugendbundes »Zugvogel« und Lehrer des Grotefend-Gymnasiums, Heiner Luthardt, aufgebaut. Dieser hatte Kontakte zum »Bund Heimattreuer Deutscher Jugend« (BHJ). Der Lehrer versorgte nicht nur die »Gruppenführer« seiner Jugendgruppe mit geschichtsrevisionistischer Literatur, sondern auch seine Schüler*innen.
Karl-Eckhard Hahns Behauptung, er habe sich von seiner extrem rechten Jugend distanziert, wird unter diesem Eindruck nicht glaubwürdiger. Mit Heiner Luthardt war Hahn noch lange organisiert. Beide waren Mitglied der „Deutschen Hochschulgilde«, die Luthardt erst 2010 verließ, da die Göttinger Gliederung den damaligen Multi-Funktionär und späteren Aussteiger Andreas Molau aus der Gilde ausgeschlossen hatte. Eine inhaltliche Distanzierung Hahns von Luthardt und den anderen rechten Lehrern ist nicht bekannt.
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Quelle: https://www.der-rechte-rand.de/archive/7775/cdu-die-jugend-von-karl-eckhard-hahn/
Der Bundestag als rechter Veranstaltungsort
#Türöffner
Während das Vordringen von hunderten von »Reichsbürgern« im August 2020 auf die Reichstagstreppe viel Beachtung erfuhr, wird kaum bemerkt, wie die »Alternative für Deutschland« immer wieder die Tür des Bundestags für ihre Gäste und Freund*innen aus der extremen Rechten öffnet.

Ende April 2021 durften Oliver Hilburger und Hans Jaus von der rechten Pseudo-Gewerkschaft »Zentrum Automobil« beim »Nighttalk« des bayrischen Bundestagsabgeordneten Petr Bystron im Bundestagsgebäude auftreten. Jaus war ab November 1991 Bundesschatzmeister der 1994 verbotenen »Wiking-Jugend« (WJ). Damit hatte es ein ehemaliger WJ-Funktionär über einen Umweg bis in den Bundestag geschafft. Das war kein Einzelfall.
Schau mal, wer da spricht
Zwischen Februar 2018 und Juni 2021 veranstaltete die »Alternative für Deutschland« (AfD), nach einer unabhängigen Zählung des Autors, mindestens 52 unterschiedliche Veranstaltungen, zu der partei-externe Expert*innen eingeladen wurden. Veranstalterinnen sind entweder die gesamte Fraktion, eine einzelne AfD-Landesgruppe, die »Desiderius-Erasmus-Stiftung« oder einzelne Bundestagsabgeordnete. Im letztgenannten Fall ist es einfacher, sich von in die Kritik geratenen Personen zu distanzieren. Die Themen entsprachen meist dem üblichen Schema der AfD: Linksextremismus, der Islam, Christenverfolgung, Klimawandelleugnung und eine Kritik von Rechts am sogenannten »Verfassungsschutz«, instrumentalisierte Frauenrechte oder ein instrumentalisierter Anti-Antisemitismus. Traten manchmal mehrere partei-externe Referent*innen auf, waren es zumeist Einzelpersonen. Einige schafften es sogar, mehrmals im Bundestag für die AfD aufzutreten: Christian Jung als Experte zum Thema »Linksextremismus« sowie Josef Schüßlburner und Helmut Roewer als Experten zum Thema »Verfassungsschutz«.
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Aber auch geschichtsrevisionistische Veranstaltungen gehören in das Angebot der Rechtsradikalen. So hielt am 11. Dezember 2019 der US-Professor Bruce Gilley im AfD-Fraktionssaal den Vortrag »Die Bilanz des deutschen Kolonialismus. Warum sich die Deutschen nicht für die Kolonialzeit entschuldigen müssen und erst recht nicht dafür bezahlen müssen!«. Veranstalter waren die Abgeordneten Petr Bystron, AfD-Obmann im Auswärtigen Ausschuss, und Markus Frohnmaier, entwicklungspolitischer Sprecher der AfD.
Unterschiedliche Bezeichnungen der Veranstaltungen sollten dem jeweiligen Charakter und der erwünschten Außenwirkung Rechnung tragen. Zu »Symposien« wurde geladen, um etwa den verhandelten Themen Klima oder Corona einen wissenschaftlichen Anstrich zu verleihen. Ein hochtrabend bezeichneter »1. Alternativer Frauenkongress« fand im November 2018 in den Räumen des Bundestags statt, organisiert von der AfD-Referentin Leyla Bilge. Die Referent*innen kamen zum größten Teil aus der Partei selbst. Der »2. Alternative Frauenkongress« fand dann im März 2020 in einer weniger prominenten Umgebung im Stadthaus Elsterwerda statt.
Auch Konferenzen werden von der AfD im Bundestag abgehalten, so fand zum Beispiel am 11. Mai 2019 die »1. Konferenz der freien Medien« mit Vertreter*innen rechter analoger und digitaler Medien (Print, Blogs, Vlogs) statt. Diesmal war die AfD nicht die alleinige Veranstalterin. Als Mitveranstalter fungierten: »Compact«, »Philosophia Perennis«, »PI-News«, »Opposition 24«, »Deutschland Kurier«, »Die Unbestechlichen«, »Freilich«, »Okzident Media«, »Klagemauer-TV« und die »Vereinigung freie Medien«. Vor Ort vertreten waren unter anderem auch »Ein Prozent« und das »Arcadi-Magazin«. Die AfD-Bundestagsfraktion unterstützte die Veranstaltung finanziell mit einem vierstelligen Betrag. Am 10. Oktober 2020 fand, wieder im Bundestag, die »2. Konferenz der Freien Medien« in deutlich kleinerem Rahmen statt.
Durch die Einladungen der AfD erhalten neu-rechte Organisationen wie »Ein Prozent«, das »Institut für Staatspolitik« (IfS) oder die »Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft e. V.« (SWG) Zugang zu Räumen im Bundestag. So konnte Philip Stein, Leiter von »Ein Prozent«, am 4. Juli 2018 für die AfD-Landesgruppe Sachsen-Anhalt vor 60 Personen im Bundestag zum Thema »Linke Förderstrukturen und der neue ›Kampf gegen Rechts‹« referieren. Mit dabei waren die ehemaligen Neonazi-Kader Michael Schäfer und Julian Monaco. Damit schafften es ehemalige NPD/JN-Mitglieder in den Bundestag, wenn auch nur als Gäste. Die SWG tauchte sogar als Mitveranstalterin unter einer Ankündigung zu dem Vortrag »Wie viel Klimawandel macht der Mensch?« von Dr. Sebastian Lüning, dem Autor von »Die kalte Sonne«, am 28. Januar 2019 im Bundestag auf.
Internationalistische Vernetzung
Von der Möglichkeit, den Bundestag als symbolträchtigen Veranstaltungsort für internationales Publikum zu nutzen, macht die AfD ebenfalls Gebrauch, dienen solche Treffen doch auch immer der länderübergreifenden Vernetzung. So fand etwa vom 1. bis zum 3. April 2019 eine dreitägige »Wertekonferenz im Bundestag« mit bis zu 70 Personen statt, veranstaltet vom AfD-Bundestagsabgeordneten Christian Wirt.
Die Teilnehmer*innen kamen aus Estland, Lettland, Litauen, Serbien, Slowakei, Österreich und Großbritannien. Wenig überraschend sind Veranstaltungen mit Vertreter*innen der »Freiheitlichen Partei Österreichs« (FPÖ), wie Walter Rauch, Christian Hafenecker oder dem ehemaligen österreichischen Innenmister und jetzigen FPÖ-Vorsitzenden Herbert Kickl. Man teilt Ideologie und Sprache miteinander und stellenweise nimmt die Jahrzehnte ältere FPÖ eine Vorbildrolle für die AfD ein.
Auch zur Klimawandelleugnung referierten am 14. Mai 2019 internationale Gäste im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus des Deutschen Bundestags. Dort veranstaltete der umweltpolitische Sprecher der AfD Karsten Hilse ein »Alternatives Klimasymposium«. Dazu eingeladen wurden Lord Christopher Monckton (UK), Thomas Wysmuller (USA), Prof. Dr. Henryk Svensmark (Dänemark) und Prof. Gernot Patzelt (Österreich).
Win-Win durch Heimvorteil
Spätestens seit Februar 2018 lädt die AfD zu Veranstaltungen in die Gebäude des Bundestags, wie dem Paul-Löbe-Haus, bei denen auch Personen auftreten, die nicht zur Partei gehören. Der Bundestag ist durch die AfD zu einem rechten Veranstaltungsort geworden. Ausgewählte Aufzeichnungen werden live gestreamt oder später online gestellt, um den Wirkungskreis zu erweitern. Anders als in Gaststätten, Stadthallen oder anderen öffentlich zugänglichen Räumen gibt es hier keinen Protest gegen die AfD-Veranstaltungen. Sie finden abseits einer kritischen Öffentlichkeit statt, auch wenn einzelne Veranstaltungen Kritik in den Medien erfahren haben. Die Partei profitiert jedoch von einer sympathisierenden und mobilisierenden Berichterstattung durch rechte Medienschaffende. Mit ihren Angeboten kann sie außerdem zur Anbindung unterschiedlicher Strömungen der konservativen, christlichen und extremen Rechten an die AfD beitragen.
Auch für die Referent*innen, die der Partei angehören oder dauerhaft bei ihr beschäftigt sind, bieten sich neben dem Austausch mit Gleichgesinnten Vorteile. Ihr ideologischer Input in die Partei kann sich zum Beispiel in Form von Anfragen wiederfinden. Nicht unterschätzt werden darf auch das Renommee, als Expert*in im Bundestag aufgetreten zu sein. Das gilt gerade für bisher eher unbekannte Blogger*innen und YouTuber*innen. Auch der Zugang zu AfD-eigenen Mediennetzwerken – die YouTube-Kanäle erreichen in der Regel mehrere tausend Klicks – trägt dazu bei. Und letztendlich winkt in der Regel ein Honorar.
Mit dem Einzug in den Bundestag hat sich die AfD eine Möglichkeit erschlossen, mit wenig Aufwand störungsfreie Veranstaltungen zu organisieren. Dass die Partei sich nicht darauf beschränken wird, das Parlament als Bühne für rechte Propaganda zu nutzen, hat sie im November 2020 gezeigt. Während einer Demonstration gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie haben Abgeordnete der AfD einigen »Querdenkern« den Zutritt zum Parlament gewährt; diese bedrängten daraufhin Abgeordnete der anderen Parteien und versuchten diese einzuschüchtern.
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»Für eine Ausgrenzungsstrategie«
#Landtag
Wie veränderte die »Alternative für Deutschland« die Arbeit im Thüringer Landtag und was wäre der richtige Weg, um die rechtsradikale Partei im Parlament zu stoppen? Darüber sprach »der rechte rand« mit Christian Schaft. Er ist seit 2014 Mitglied des Thüringer Landtags für Die Linke.

drr: In der Thüringer »Alternative für Deutschland« (AfD) dominiert der völkische »Flügel«. Vertreter der radikalen Rechten, wie Björn Höcke oder Stephan Brandner, prägen das Bild der Partei seit vielen Jahren. Wie tritt die AfD im Thüringer Landtag auf?
Christian Schaft: 2014 zog die AfD mit elf Abgeordneten in den Thüringer Landtag ein, nach Austritten waren später nur noch acht Mitglieder der Fraktion übrig. Mit der Partei zog in die Parlamentsdebatten eine ganz andere Atmosphäre ein. Das zeigte sich auch an der deutlich höheren Zahl an Ordnungsrufen und Rügen in den Debatten durch das Parlamentspräsidium. Schon in der ersten Legislaturperiode von 2014 bis 2019 wurde klar, dass die AfD das Parlament im Wesentlichen als Bühne für ihre Hetze und Propaganda versteht. Das zeigt sich auch immer wieder an dem riesigen Unterschied zwischen ihrer Arbeit in den Ausschüssen und ihrem Auftreten in den öffentlichen Parlamentsdebatten. In den weniger öffentlichen Ausschüssen glänzte sie oft mit Abwesenheit oder ihre Abgeordneten sagten dort einfach nichts. In den Plenumsdebatten erlebten wir dann Phrasendrescherei aus dem AfD-Programm und bei bestimmten Themen, wenn es zum Beispiel um Migration ging, offen rassistische Hetze. Durch das Anwachsen der Fraktion auf 22 Abgeordnete nach der Wahl 2019 wurde das nicht besser.
Wird die Arbeitsfähigkeit des Parlaments durch dieses Agieren der AfD eingeschränkt?
Ja, durchaus. Das hat sich nun in der kurzen Legislaturperiode seit Ende 2019 noch einmal deutlich gezeigt. In den letzten Monaten ist – sicherlich auch mit Blick auf die möglichen Neuwahlen im Herbst – das Parlament mit einer Flut von Anträgen und Gesetzentwürfen der AfD beschäftigt. Viele Anträge von den rot-rot-grünen Fraktionen, der Landesregierung oder auch der CDU, über die man ja in einer sachlichen Debatte streiten könnte, gehen dabei unter. In der Vorwahlkampfzeit versucht die AfD nun auch stärker, populäre Themen aufzugreifen, wie zum Beispiel die Abschaffung der automatischen Erhöhung der Diäten für die Abgeordneten – das ist schon lange eine Forderung der Linken. Die AfD versucht damit, die Regierungsfraktionen und die demokratische Opposition vor sich herzutreiben und sich so als einzige angeblich nicht-etablierte Partei darzustellen. Exemplarisch für ihr aktuelles Agieren war der Streit um zwei Untersuchungsausschüsse Anfang Juli dieses Jahres. Die AfD zog da ihren eigenen Antrag auf einen Untersuchungsausschuss zu den Auswirkungen der Treuhand-Privatisierungen in den 1990er Jahren wieder zurück und ließ damit die CDU in eine Falle laufen. Denn die hatte auch einen Untersuchungsausschuss zu einem anderen Thema beantragt, nämlich zu politischer Gewalt aus Anlass der Brandserie in rechten Immobilien in Thüringen. Die AfD hätte durch das Zurückziehen ihres Antrags den Vorsitz des Ausschusses zu politischer Gewalt übernehmen können. Der ganze Vorgang war ein Trauerspiel! Denn um den AfD-Vorsitz zu verhindern, brachte nun die CDU den AfD-Antrag zur Treuhand ein. Da hat sich gezeigt, wie die CDU der AfD auf den Leim geht und sich am Nasenring durch die Manege ziehen lässt. Die Arbeitsfähigkeit des Parlaments wird so auch ganz bewusst beeinträchtigt.
Immer wieder werden Abgeordnete anderer Fraktionen durch Vertreter*innen der AfD angegriffen, teils sehr persönlich und verleumderisch. Was ist das politische Ziel und die Strategie solcher Angriffe?
Die persönliche Integrität der Personen soll angegriffen werden. Ein Beispiel: Seit 2015 wird durch die AfD immer wieder das Bild vom Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow gebracht, als er 2015 in Saalfeld den dort ankommenden Zug mit Hunderten geflüchteten Menschen persönlich am Bahnsteig empfangen hat und er wird in dem Zusammenhang von Rechts als »Inshallah Bodo« bezeichnet. Auch die Abgeordnete Katharina König-Preuss wird immer wieder diffamiert, weil sie nun einmal das prominente Gesicht der Thüringer Linksfraktion für den Bereich Antifaschismus und Antirassismus ist. Auch die Vorsitzende des Petitionsausschusses Anja Müller gerät in das Visier der AfD, weil sie auch den Vorsitz der Härtefallkommission innehat und dort darum bemüht ist, Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, hier eine Perspektive zu geben.
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Im Wesentlichen ist es immer wieder der Versuch, das Bild der Linken als »linksradikal« oder als »links-grün versifften Antifa-Apparat« zu zeichnen – gestützt durch die Regierung Ramelow. Auch demokratische Initiativen der Zivilgesellschaft geraten ins Visier. Es gibt zum Beispiel in Arnstadt im Ilmkreis ein sehr aktives antifaschistisches Aktionsbündnis »Zaunrüttlär«. Die werden vom AfD-Abgeordneten Olaf Kießling regelmäßig mit »Kleinen Anfragen« an die Regierung mit Fragen über deren Arbeit malträtiert und so ins Licht der Öffentlichkeit gezogen. Genauso geraten auch immer wieder andere Gruppen in den Blick der AfD und der extremen Rechten. Da gibt es offenbar die klare Zielstellung, die Leute zu diffamieren und zur Zielscheibe der Öffentlichkeit und insbesondere der eigenen Anhänger*innen zu machen.
Richten sich die Angriffe gegen alle Abgeordneten und Fraktionen der demokratischen Parteien oder gibt es Muster, wer am häufigsten ins Visier gerät und warum?
Bei den Fraktionen stehen vor allem wir als Linke und die Grünen im Fokus, die SPD teils auch. Die CDU eher selten – aber doch auch immer dann, wenn sich zum Beispiel konservative Abgeordnete deutlich gegen die AfD positionieren. Es ist auch erkennbar, dass vor allem Frauen – und hier noch einmal stärker junge Frauen – verschiedener Fraktionen öfter und stärker angegriffen werden. Das belegt auch noch einmal die antifeministische Politik der AfD.
Wie reagieren die demokratischen Parteien und die Gesellschaft auf das polarisierte Klima im Parlament und die Angriffe? Welcher Umgang wäre empfehlenswert, um die AfD in ihrer politischen Wirkung einzuschränken?
Im Parlament werden die Angriffe und Diffamierungen in den Debatten und den öffentlichen Diskursen zumindest durch die rot-rot-grünen Fraktionen zurückgewiesen. Zunehmend gefährlich finde ich aber den Umgang der CDU mit der AfD. Das haben ja auch die Ereignisse vom 5. Februar 2020 gezeigt, als mit den Stimmen von CDU, FDP und AfD Thomas Kemmerich zum kurzzeitigen Ministerpräsidenten gewählt wurde. Die Aufstellung von Hans-Georg Maaßen in Südthüringen als CDU-Bundestagskandidat ist nur ein weiteres Beispiel für die politische Ausrichtung der Partei in Thüringen. Aber auch im Parlament sieht man immer wieder, dass es wenig Berührungsängste gibt. Da ist immer mal wieder der eine oder andere Abgeordnete der CDU im netten Plausch mit Leuten von der AfD zu sehen. Letztens hatte der Abgeordnete Torsten Czuppon von der AfD einigen Abgeordneten der CDU T-Shirts geschenkt und überreicht. Wenn also der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt sich in seinen Reden noch klar gegen die AfD positioniert, ist die vermeintliche »Brandmauer gegen rechts« aber im politisch-zwischenmenschlichen Umgang zwischen der AfD und den Konservativen nicht so stabil. Ich sehe die Gefahr, dass Anträge der AfD peu à peu von CDU und eventuell auch der FDP mal mit in die Ausschüsse zur weiteren Bearbeitung überwiesen werden oder ihnen vielleicht gar zugestimmt wird. So findet Stück für Stück eine Normalisierung der Parlamentsarbeit der AfD statt. Die Forderung, mit der Partei zusammenzuarbeiten gibt es ja schon länger und sie wird begründet mit dem Argument, man könne nicht ein Viertel der Wähler*innen in Thüringen ignorieren. Aber die AfD benutzt das Parlament doch nur als Bühne. Sie verachtet das Parlament, in dem sie sitzt. Sie hat kein Interesse daran, dort auch inhaltlich zu arbeiten. Und man muss vor allem immer wieder deutlich machen, wer dort eigentlich sitzt: Die AfD in Thüringen ist eine klar faschistische Fraktion. Und deswegen muss man eine klare Strategie der Ausgrenzung fahren, um der AfD nicht die Möglichkeit zu geben, die parlamentarische Arbeit mitzugestalten und andere Parteien vor sich herzutreiben. Aus meiner Sicht gibt es keine Alternative zur Ausgrenzung.
Vielen Dank für das Interview!
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Quelle: https://www.der-rechte-rand.de/archive/7759/afd-fuer-eine-ausgrenzungsstrategie/
»Rote Linien ziehen«
#Angriff
Wie umgehen mit der »Alternative für Deutschland« in den Parlamenten? Diese Frage wird seit ihrem Einzug kontrovers diskutiert. Die Bundestagsabgeordnete Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) hat die AfD-Bundestagsfraktion fast vier Jahre lang erlebt. Sascha Schmidt hat im Juni 2021 mit ihr für »der rechte rand« gesprochen.

drr: Nach dem Einzug der AfD in den Bundestag im September 2017 kündigte der damalige Vorsitzende Alexander Gauland vor laufenden Kameras an: »Wir werden sie jagen.« Hat die Partei ihre Drohung wahr gemacht?
Renate Künast: Obwohl Gauland auch immer wieder versucht, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben, hat er damit gesagt, was er will. Bei dem Wort »jagen« sieht man Menschen laufen und man weiß, dass es auch um die Zerstörung von Menschen geht. Das war auch symbolisch aufs Parlament gerichtet und heißt dann: Wir werden sie verjagen und wir werden den Parlamentarismus zerstören – und damit eine Basis der Demokratie. Sie haben es versucht. Ich weiß noch, wie im Februar 2018 in unserer und auch in anderen Fraktionen eine sehr intensive Debatte darüber entstand, wie man mit dem Getöse, das die AfD veranstaltet, umgehen soll. Es ist ja so: Man sitzt regelmäßig im Plenum – manchmal von morgens um neun bis nach Mitternacht – und alle fünfundvierzig Minuten kommt ein Beitrag von denen. Und wenn jedes Mal alle darauf reagieren und sich distanzieren von diesen menschenverachtenden Dingen und Ungeheuerlichkeiten, geht dafür die ganze eigene Energie drauf. Nach ein paar Sitzungen hat man es dann verstanden. Wir haben uns entschieden, nur noch begrenzt darauf einzugehen, weil wir ihre Provokationen nicht weiter vorantreiben wollen. Bei Geschäftsordnungsanträgen wird dann schon mal entschieden, dass einer die Gegenrede macht und nicht jede Fraktion – weil uns das sonst nur aufhält. Wenn jeder fünf Minuten Gegenrede hält, wird das nachts immer länger und genau das ist das Interesse der AfD. Aber wenn man sich ständig dieses Zeug anhören muss, geht das nicht spurlos an einem vorbei. Zumal es nur ganz wenige sachliche Reden von der AfD gibt. Und bei denen kannst du dann vor Langeweile einschlafen. Aber ansonsten: Abwertung und Hetze. Wenn sie versuchen mal jemanden zu loben, wird gleichzeitig gesagt: »Alle anderen sind Idioten.« Das ist schon anstrengend. Aber treiben lassen wir uns nicht.
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Sie haben angedeutet, dass es Absprachen zwischen den Fraktionen gegeben hat. Gab es zwischen den Fraktionen auch einen Solidarisierungseffekt oder einen Schulterschluss gegen die Angriffe der AfD?
Wir haben ja eine Masse an Aufgaben. Dann kamen Corona, Gerichtsentscheidungen zum Thema Klima, darauf muss man reagieren. Politik ist ein schnelles Geschäft, wo immer zusätzliche Themen kommen. Ja, es gibt eine Kooperation, um das Parlament arbeitsfähig zu halten. Das finde ich schon einen positiven Punkt. Als ich Anfang 2018 wochenlang wegen eines Beinbruchs pausierte, fiel mir auf, wir verwenden zu viel Zeit dafür. Damit am Ende die Leute nicht sagen: »Ihr kümmert euch nicht um unsere Kinder, um soziale Fragen und um Jobs!« Zudem sind die Medien am Anfang über jede Provokation gesprungen. Anfangs wurden deren Aktivitäten, egal ob bei Twitter oder im Plenum, zehnmal durch die Republik gesendet. Das war ein Problem. Im Ergebnis meine ich, dass nicht nur wir uns im Parlament überlegen müssen, wie wir damit umgehen, sondern auch die Zivilgesellschaft und die Medien müssen sich fragen, ob man sich vor jeden Karren der AfD spannen lässt.
In einem internen Strategiepapier aus dem Jahr 2017 hatte die AfD Ihre Partei als den »eigentlichen Gegner« und die »Verkörperung der ›68er‹« bezeichnet. War überwiegend Ihre Fraktion den Angriffen ausgesetzt oder richteten sich diese gegen alle Fraktionen im Bundestag?
Also ich erlebe es schon so, dass wir besonders bedacht werden. Aber der Unterschied ist jetzt auch nicht riesig. In Wahrheit ist das Parlament für die AfD ein Aufnahmestudio für YouTube-Videos, um Menschen aufzuhetzen und bestimmte Thesen endlos wiederzugeben. Mit allen Tricks, die sie dann anwenden. Was aber auffällt ist, dass sie in klarer rechtsextremer Manier Misstrauen gegenüber den handelnden Personen und Mitgliedern der Regierung säen. Und dann gibt es einige Personen, über die sie sich besonders abwertend äußern. Sie wenden sich zum Beispiel besonders gegen Frauen und uns ›Grüne‹.
Gerade mit Blick auf den Sexismus und Antifeminismus der AfD – wie geht die Fraktion mit Frauen um?
Politisch aktive Frauen sind ihnen ein besonderer Dorn im Auge. Insbesondere, wenn diese sich unbeeindruckt von den Angriffen zeigen und selbstbewusst durch die Welt laufen. Da merkt man schon: das reizt sie. Und dann fangen sie an, sich besonders abwertend über diese Personen zu äußern. Wenn du als Frau bei denen einen Zwischenruf machst, kriegst du garantiert eine abwertende Äußerung, die dann immer persönlich ist.
Sie haben angesprochen, wie die AfD den Bundestag als Plattform nutzt. Man hört aber immer wieder, dass es auch außerhalb des Plenums, auf den Fluren beispielsweise, Rempeleien oder ähnliche Provokationen gab. Haben Sie solche Erfahrungen gemacht?
Ich persönlich bin noch nicht angerempelt worden. Ich höre aber von anderen, dass es verbale Übergriffe, Anrempeleien und Pöbeleien gab. Ich weiß auch, dass ein besonderes Leid die FDP-Frauen haben, die direkt neben denen sitzen und alles hören, was die von sich geben. Das bekommen andere oft gar nicht mit. Und es gibt die Geschichte, dass Gäste oder auch Abgeordnete der AfD Videos mit dem Handy drehen, beispielsweise an der Wahlurne. Das ist schon ein komisches Gefühl, denn du weißt: Sie wollen daraus jetzt ein Hetzvideo machen. In dem Augenblick weißt du: Der will gegen dich hetzen und du weißt nicht, wie weit das geht, welchen Shitstorm sie damit provozieren. Und wir wissen ja alle, dass der Übergang von der digitalen Welt in die analoge kurz ist.
Dann gibt es eine andere Variante, das ist besonders abstoßend: Wenn sie sich teilweise richtig einschleimen. Also nicht nur, dass sie eine Zeit lang versucht haben, sich als bürgerliche Partei zu gerieren. Eine Rechnung, die nicht aufging. Sie schleimen sich dann ein, im Sinne von: »Wir können uns doch da, wo wir einer Meinung sind, gegenseitig unterstützen.« Ich habe klar gesagt, dass in meinem Lebensplan nicht vorgesehen ist, dass ich jemals in meinem Leben einen Antrag der AfD unterstütze. Sie sind doch die Partei, die Hass und Hetze und Drohungen gegen mich unterstützt und jetzt soll ich mit ihnen zusammenarbeiten? Die AfD hat die Atmosphäre hier schon massiv verändert. Es hat so abwertende Formen angenommen, dass wir hier wirklich den Parlamentarismus verteidigen müssen. Wir hatten hier Demos, wo Corona-Leugner*innen versucht haben, Polizeisperren zu durchbrechen. Da wurden alle Türen des Reichstages geschlossen. Als dann AfDler Leute eingeschleust haben, angebliche Journalisten, die dann Räume gestürmt haben, haben sich viele Mitarbeiter*innen sicherheitshalber eingeschlossen. Nie habe ich so viel nachgedacht wie jetzt über die Frage: Wie war das eigentlich damals, als es mit der NSDAP anfing?
Daran anschließend, zu der kontrovers diskutierten Frage der Bewertung der AfD: Wenn Sie die Partei mit einem politischen Etikett versehen müssten, welches wäre das?
Sie sind Rechtsextreme. Weil sie alle Facetten davon darstellen. Sie haben das Interesse, Parlamentarismus, demokratische Strukturen und Prozesse zu zerstören. Sie akzeptieren die Würde jedes einzelnen Menschen und die Gleichheit der Menschen nicht. Sie sind islamophob, homophob, antisemitisch und antifeministisch. Die Rechtsextremen haben mittlerweile die Partei übernommen.
Es gibt ja die These, dass der Parlamentarismus die Radikalen einhegen könne. Wenn Sie auf die vergangenen vier Jahre und die AfD-Fraktion zurückschauen: Hat sich deren Auftritt, im Umgang mit anderen Abgeordneten und im Sinne einer Versachlichung, verändert? Man könnte ja meinen, dass irgendwann die Provokation auch nicht mehr selbstbefriedigend wirken kann.
Künast: Ich glaube, dass denen die Autosuggestion reicht, dass sie erfolgreich sind. Deren Interesse ist ja gar nicht, innerhalb des Parlamentarismus erfolgreich zu sein, sondern Bilder zu schaffen, wie »wir werden sie jagen«, um Menschen aufzuhetzen. Sie haben überhaupt kein Bedürfnis, innerhalb des Parlamentarismus Erfolg zu haben, weil sie ja einen autoritären Staat wollen. Da gibt es keine Einhegung. Aber es wird kein Parlament geben, das dem Problem alleine entgegenwirken kann. Wenn wir das glauben, hätten wir die Rechnung ohne die systemrelevante engagierte Zivilgesellschaft gemacht. Und die brauchen wir. Ohne die geht es gar nicht. Die rote Linie müssen wir gemeinsam ziehen.
Vielen Dank für das Interview!
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Quelle: https://www.der-rechte-rand.de/archive/7751/rote-linien-ziehen-renate-kuenast/