Oktober 26, 2022, 2:02 pm,
Redaktion der Blätter,
Allgemein.
Der Weg zum WandelRedaktion der …26. Oktober 2022 - 14:02
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VSA: Verlag
Eines der größten Rätsel linker Politik ist, warum die Richtung nötiger Veränderungen breit akzeptiert wird, aber sich praktisch dennoch so wenig tut. Warum handeln so wenige entsprechend ihren richtigen Einsichten in die Notwendigkeit eines grundlegenden sozialen und ökologischen Wandels?
Oktober 26, 2022, 2:01 pm,
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Chronik des Monats September 2022Redaktion der …26. Oktober 2022 - 14:01
1.9. – Krieg in der Ukraine. Nach ersten Untersuchungen des Atomkraftwerks Saporischschja durch ein Inspektorenteam der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) zeigt sich IAEO-Chef Rafael Grossi über den fortdauernden Beschuss und den Zustand des Kraftwerks besorgt. Entgegen der Ankündigung bleiben die Gaslieferungen über Nordstream 1 aus.
Gegen die Maßnahmen der Bundesregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurde seit Ende März auf der Straße und im Netz demonstriert. Unter Namen wie »Hygiene-Demos«, »Widerstand2020« versammelte sich eine politisch heterogene Masse, häufig unter Beteiligung von extrem Rechten. Was viele einte, ist der Glaube an verschiedene Verschwörungserzählungen, die im Kontext von COVID-19 und den nachfolgenden staatlichen Maßnahmen verbreitet wurden. Darüber sprach Sascha Schmidt für »der rechte rand« mit den Autorinnen des Buchs »Fake Facts«, Katharina Nocun und Pia Lamberty.
Autorinnen des Buchs »Fake Facts«, Pia Lamberty (li.) und Katharina Nocun.
drr: Nahezu zeitgleich mit dem Erscheinen eures Buchs demonstrierten Zehntausende gegen die Maßnahmen der Bundesregierung und eine vermeintliche Corona-Hysterie. Wart ihr überrascht, dass so viele Menschen auf die Straße gingen? Katharina Nocun: Wir waren vor allem überrascht darüber, wie über das Phänomen berichtet wurde. Im Zuge unserer Recherche haben wir uns auch die Impfgegner-, Alternativmedizin- und Esoterik-Szene intensiv angeschaut. Schon zu Beginn der Pandemie kursierten in diesen Kreisen zahlreiche Verschwörungserzählungen rund um das Coronavirus. Bestehende Mythen wurden um Erzählungen zu Corona erweitert. Viele dieser Gruppen haben später für die Demonstrationen mobilisiert. Trotzdem war zu Beginn in der Berichterstattung häufig die Rede von einem neuen Phänomen und neuen Gruppen, die quasi aus dem Nichts entstanden seien. Das war aus unserer Sicht eine kolossale Fehleinschätzung, weil vielerorts auf bestehende Mobilisierungsstrukturen zurückgegriffen werden konnte.
Die Versammlungen waren durch ein breites politisches Spektrum geprägt – darunter auch extrem rechte Akteur*innen, deren Präsenz anscheinend geduldet wurde. Seht ihr vor diesem Hintergrund ideologische Schnittmengen, die dies erklären würden? Katharina Nocun: Es gab schon immer Berührungspunkte zwischen Milieus wie etwa der Esoterikszene und der extremen Rechten. So gibt es Verlage, die einerseits Bücher zum Thema übernatürliche Phänomene verlegen und andererseits kein Problem damit haben, wenn rechtsextreme Autoren antisemitische Hetzschriften bei ihnen publizieren. Häufig wird in solchen Kreisen ein sehr traditionelles Frauenbild vertreten, darüber hinaus ist die Rede von einer »natürlichen Ordnung« – so etwas ist sehr anschlussfähig an das Weltbild der extremen Rechten. Eine Abgrenzung nach rechts findet vielerorts nicht statt, da häufig die Haltung vorherrscht, man sei »weder rechts, noch links, sondern frei«. Wenn man in die Geschichte der Esoterik zurückblickt, trifft man zudem auf Autoren, die davon ausgehen, es gäbe unterschiedliche »Menschenrassen«.
Einige prominente Verschwörungserzähler, wie Ken Jebsen oder Jürgen Elsässer, sind keineswegs neu in diesem Geschäft. Welche Rolle spielen die digitalen Plattformen solcher Personen für die Verbreitung solcher Erzählungen? Pia Lamberty: In Debatten zum Thema stehen oft soziale Medien im Fokus. Es herrscht dann die Vorstellung vor, der Verschwörungsglaube sei erst in den letzten Jahren entstanden. Dabei sind solche Narrative ja teilweise schon Jahrhunderte lang in der Gesellschaft verbreitet. Die antisemitischen »Protokolle der Weisen von Zion« wurden beispielsweise 1903 veröffentlicht, andere Mythen wie die Ritualmordlegende oder der Mythos der Brunnenvergiftungen sind deutlich älter. Trotzdem spielen soziale Medien bei der Verbreitung von Verschwörungserzählungen natürlich auch eine Rolle. Eine Studie aus den USA zeigt beispielsweise, dass alle interviewten »Flat Earther« direkt oder indirekt über YouTube mit dieser Verschwörungserzählung in Kontakt gekommen sind. Andere Studien zeigen, dass eine einmalige Konfrontation mit Verschwörungserzählungen schon einen Effekt haben kann und Menschen dadurch beispielsweise weniger bereit sind, sich impfen zu lassen. Konzerne wie Facebook oder Google haben lange wenig getan, um solchen Tendenzen etwas entgegenzusetzen und teilweise ja die Verbreitung solcher Inhalte durch die Empfehlungs- und Vorschlags-Algorithmen sogar befeuert. In der Krise haben dann viele Anbieter mehr unternommen, was auch die Abwanderung hin zu Telegram erklären kann. Der Messenger-Dienst Telegram stand ja schon länger in der Kritik, da bereits der IS oder Rechtsextreme aus den USA die Plattform für ihre politische Mobilisierung genutzt haben. Durch das Internet können sich einfacher Netzwerke bilden – auch international –, die vorher so nicht möglich gewesen wären. Die aus den USA stammende und auf dem Imageboard »4chan« entstandene Gruppierung »QAnon« beispielsweise erlangt auch in Deutschland immer mehr an Popularität. Zu Beginn der Pandemie waren Aktivitäten der Gruppierung noch vornehmlich online anzutreffen, aber in den letzten Wochen wurde »QAnon« auch auf den Demonstrationen oder durch Graffiti immer sichtbarer im öffentlichen Raum. Diese Verschränkung von einer Online-Mobilisierung, die sich dann auf den Straßen wiederfindet, kennen wir ja von den rassistischen »Nein zum Heim«-Protesten aus den Jahren 2015/2016.
Auffällig war zuletzt, dass vor allem männliche Promis in Erscheinung traten; mal mit steilen Thesen im Internet, mal als selbst inszenierte Widerstandskämpfer auf der Straße. Habt ihr hierfür eine Erklärung? Pia Lamberty: Das spiegelt auch die empirische Lage wider. Studien wie die sogenannte Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigen, dass der Verschwörungsglaube bei Männern stärker verbreitet ist als bei Frauen. Woher diese Unterschiede genau kommen, muss aber noch stärker erforscht werden. Wir wissen aus der psychologischen Forschung, dass ein ausgeprägtes Einzigartigkeitsbedürfnis beispielsweise den Glauben an Verschwörungen beeinflussen kann. Man kann sich über die Verbreitung von solchen Mythen selbst aufwerten und vermeintlich über andere stellen, die dann als »Schlafschafe« oder gleich als Teil der Verschwörung diffamiert werden. Dieses Einzigartigkeitsbedürfnis ist bei Männern stärker vorhanden als bei Frauen. Der Kampf gegen den vermeintlichen Verschwörer kann dann als Heldentat inszeniert werden, während sich Maßnahmen gegen die Pandemie weniger gut dazu eignen. Es geht hier also viel um Selbstinszenierung und klassische Männlichkeitsbilder.
Erschreckend häufig tauchten Demonstrierende mit dem »Judenstern« mit der Aufschrift »Ungeimpft« auf. Ist das ein neues Phänomen und wie erklärt ihr euch diese haarsträubende und widerliche Gleichsetzung? Pia Lamberty: Nein, das ist leider kein neues Phänomen. In der »Impfkritik«-Szene kann man schon länger beobachten, dass der sogenannte »Judenstern« verwendet wird, um die angebliche Opferrolle darzustellen. Diese Szene ist auch vor der Pandemie dadurch aufgefallen, dass sie eine sehr heterogene Gruppe vereint. Da gibt es dann sowohl Menschen aus einem eher links-alternativen oder esoterischen Spektrum und eindeutig Rechtsextreme, die auf diesen Veranstaltungen zusammenkommen. Anti-Impf-Haltungen haben in Deutschland auch eine lange antisemitische Tradition. Bereits im ausklingenden 19. Jahrhundert wurden antisemitische Mythen über das Thema Impfungen verbreitet.
Ihr ratet in eurem Buch davon ab, über die psychologische Verfasstheit der dort Anwesenden zu spekulieren oder diese als »Spinner« abzutun. Ich frage mich, ob sozialpsychologische Ansätze, die beispielsweise zur Analyse des Antisemitismus existieren, weiterführend wären, um die weit verbreitete Anfälligkeit für Verschwörungsdenken zu erklären. Pia Lamberty: Allgemein gibt es in der Gesellschaft die Tendenz, unliebsame Phänomene als psychisch krank darzustellen und damit zu entpolitisieren. Das passiert auch im Kontext von Verschwörungsdenken. Lange wurde das Thema als nicht relevant dargestellt, weil es ja nur »ein paar Spinner« betreffen würde. Das ändert sich gerade langsam. Zur Analyse ist es natürlich wichtig, sich klar zu machen, dass Verschwörungsdenken und Antisemitismus empirisch und analytisch starke Verschränkungen haben. Vielfach endet Verschwörungsdenken in antisemitischen Welterklärungsmodellen. In einer Studienreihe haben Roland Imhoff und ich uns mit der Frage auseinandergesetzt, in welchem Verhältnis Paranoia und Verschwörungsdenken zueinander stehen. Es zeigte sich, dass – obwohl es auch Überlappungen gibt – diese beiden Konstrukte doch unterschieden werden müssen. Interessanterweise war die paranoide Weltsicht, also das Wahnhafte, relevanter für den Antisemitismus als das Verschwörungsdenken, was uns ehrlich gesagt überrascht hat. Hier braucht es auf jeden Fall noch weiterführende Studien, um auch diese Frage abschließend beantworten zu können.
Mit Blick auf die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und die Gefahren, die – auch im Kontext von COVID-19 – damit einhergehen: Was braucht es, gesellschaftlich betrachtet, im Umgang mit Verschwörungserzählungen? Katharina Nocun: Das Thema Glaube an Verschwörungen wird oft als lustig und harmlos, ja sogar unterhaltsam abgetan. Gerade in den letzten Wochen und Monaten wurden immer wieder Screenshots aus Telegram-Gruppen bekannter Verschwörungsideologen in Social Media verbreitet, um sich darüber zu belustigen. Dabei wird vergessen, was für gravierende Folgen der Glaube an Verschwörungen sowohl auf der privaten als auch der gesellschaftlichen Ebene nach sich ziehen kann. Wir haben mit Angehörigen gesprochen, die verzweifelt sind angesichts einer Situation, in der Verwandte sich weigern bei schweren Erkrankungen zum Arzt zu gehen, weil sie an eine große Verschwörung in Medizin und Wissenschaft glauben. Viele der rechtsextremen Attentäter der letzten Jahre haben versucht, ihre Morde mit Verschwörungserzählungen zu rechtfertigen. Gerade für die rechtsextreme Szene sind Verschwörungsmythen von »jüdischer Weltverschwörung« über »Systemmedien-Komplott« bis hin zum »großen Austausch« ein zentraler Bestandteil ihrer Radikalisierungsstrategie. Der Glaube an einen übermächtigen äußeren Feind ist der Klebstoff, der Gruppen zusammenhält. Es ist höchste Zeit, dieses Phänomen ernst zu nehmen.
Der Leitungswechsel beim »Magazin für neue Sachlichkeit« verlief geräuschlos. Seit Februar 2022 ist Ingo Langner Chefredakteur von »Cato«. Im Editorial der März-Ausgabe schreibt der ehemalige Theaterkritiker und Filmproduzent aus der Mitte der Gesellschaft, dass Andreas Lombard »anderorts eine neue Aufgabe« gefunden habe. Nicht ohne zu erwähnen, dass der »erste ‹Cato›-Chefredakteur« das 100 Seiten starke Magazin zu einem »Solitär in der deutschsprachigen Medienlandschaft« werden ließ, in dem »das Wahre, Gute und Schöne«, der »Maßstab für die redaktionelle Leitlinie« sei.
Im September 2017 stellte Lombard das Zweimonatsmagazin in der »Bibliothek des Konservatismus« vor. Eine kleine Runde war in den Räumen in der Berliner Fasanenstraße versammelt. Karlheinz Weißmann – der die Wochenzeitung »Junge Freiheit« (JF) mitprägt – sagte, dass sie sich dem »Bewährten« widmen und »das Wirkliche gegen seine ideologische Verzehrung« verteidigen. Hier in den Räumen habe Weißmann die Idee zu dem Magazin schon vor Längerem aufgeworfen, erzählt JF-Chefredakteur Dieter Stein zur Begrüßung und erklärt, dass die JF beim Vertrieb unterstützen werde. Der Ort und die Personen legten nahe, was nun verkündet wurde: »Cato« ist ein Projekt aus dem JF-Milieu. Das alte Netzwerk der »Neuen Rechten« steht. Stein selbst verwies auf das frühere Magazin »Criticón«, das eine Gegenstimme zur 68er-Bewegung und dem vermeintlichen Linksruck der Kirchen bildete. Das Theorieorgan der »Neuen Rechten« war weltanschaulich prägend für einen Teil der heutigen »Alternative für Deutschland« (AfD). Einer der damaligen Autoren: der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. Ein weiterer: Weißmann.
Elite, Elite, Elite
Die Aufmachung des Magazins, die Sprache der Texte und auch der Einzelpreis von 15,20 Euro spiegeln die Intention der Redaktion: Sie möchte nicht die Masse ansprechen, sie will die Masse führen. Plebs versus Elite. Sie erscheint als reaktionäre Avantgarde. »Was wahr, gut und schön ist, hängt nicht von einem vorläufigen gültigen Zeitgeist ab«, schreibt Langner und stellte sich ins Ewige. Dieser Dreiklang des klassischen Ideals werde jedoch »vielfach verachtet«. Im Rekurs auf den griechischen Philosophen Sokrates definiert er, dass gut ist, »was erstens das richtige Maß hat, das zweitens, was schön und drittens was wahr ist«. Die sokratische Trias sei jedoch letztlich »entsorgt« worden. Ein destruktiver Niedergang. Unausgesprochen wird ausgesprochen, dass das Wahre, Gute und Schöne nicht zu hinterfragen sei. Sie alleine sind die Wissenden – und legen fest; ein Machtanspruch wird formuliert und als Verlust beklagt.
Der Niedergang ist aber der Aufstieg des Hinterfragens alles vermeintlich Gegebenen, Göttlichen und Natürlichen. Die Emanzipation des Einzelnen, die Demokratisierung der Gesellschaft und Liberalisierung des Privaten die in den unterschiedlichen Epochen den herrschenden Eliten abgerungen und erkämpft wurde, erscheinen als widernatürlich, gottlos und dekadent. Der Angriff auf die »Himmelsmusik« eines Beethoven und Wagner bejammert Langner unter dem programmatischen Titel: »Höllenlärm versus Himmelsmusik«. In der Verteidigung verwendet Langner, der ab 2018 Autor und ab 2020 Redaktionsmitglied ist, die gängige Methode des direkten Zitierens zur indirekten Positionierung – klingt auch gleich gebildet. So zitiert er aus Axel Ross’ »The Rest is Noise«: »Der kultartige Fanatismus der modernen Kunst- und Musikwelt ist dabei der Politik des Faschismus nicht unverwandt: Beide versuchen die Welt nach utopischem Modell umzugestalten.« Unter Faschismus wird an der Stelle »Hitlers blutiger Barbarismus« verstanden. Die Gleichsetzung dient auch als erhabene Distanzierung zu allen »Extremismen«.
Das Verschwinden des »Dreiklangs« als Basis der Harmonie habe schon 1875 zart begonnen, ab 1945 sei jedoch eine »Ästhetik der Dissonanz« vorangetrieben worden, weiß Ross. Und Langner wird mit Ross deutlich: Theodor W. Adorno greift dieser als »postmarxistischen Musikkritiker« an. Er sei »wirkungsvoller Geschmackpolitiker«, »dem jedes Mittel recht war, Musik zu verunglimpfen, die er als rückwärts gerichtet empfand«. Die Herren stört, dass der Mitbegründer der Kritischen Theorie im Schatten von Auschwitz das »Wahre, Gute und Schöne« auch in der Musik als mitursächlich für die Barbarei hinterfragt.
Auch Thomas Manns »Doktor Faustus« greift Langner auf: »Seit die Kultur vom Kultus abgefallen ist und aus sich selber einen gemacht hat, ist sie denn auch nichts anderes mehr als ein Abfall.« Die Elite empfindet Massenkultur für eine demokratische Kultur einfach nur als vulgär. Das Himmlische, das Göttliche klingt mit an, wenn den »Mächten der Finsternis« erneut vorgehalten wird, dass ihnen »Töne von Harmonie und Wohlklang« ein »Greul« seien. »Sie hassen das Wahre, sie hassen das Gute und sie hassen das Schöne. Ihr Gegengift sind Lügen, Bosheit und Mißklang« schreibt Langner ohne zu zitieren. Gemeint dürfte nicht bloß Adorno sein. Gemeint sind alle, die das Ewige für nicht ewig halten, sich dem »Natürlichen« nicht unterwerfen und dem Göttlichen nicht ohnmächtig folgen.
In der Ausgabe 2/2022 wird David Engel grundsätzlich. Der Professor für Römische Geschichte an der Université libre de Bruxelles und Forschungsprofessor am Institut Zachodni in Posen schreibt regelmäßig für »Cato«. »Per Aspera ad Astra« titelt er in Latein, frei übersetzt: »Durch Schwierigkeiten zu den Sternen.« Teile der »Schwierigkeiten« sind die Demokratie und der linksliberal dominierte Pluralismus. »Machen wir uns nichts vor«, beginnt Engel. »Es wird nicht durch traditionelle demokratische Prozesse sein, daß jene Kraft in Europa eine bestimmende Rolle einnehmen wird, die wir im folgenden mit dem Begriff ‹Hesperialismus› bezeichnen wollen, um den hiermit gemeinten christlich-abendländischen Kulturpatriotismus klar vom herkömmlichen ‹Konservatismus› zu trennen«. Die Kritik an der parlamentarischen Demokratie geht in einen radikalen Konservatismus über. Den Grund führt Engel gleich an: Durch den »formalen Pluralismus« sei ein »umfassender Wahlsieg der ‹Rechten› faktisch unmöglich«. Jede »kulturpatriotische Bewegung« werde »entweder totgeschwiegen, von innen zersetzt, diskreditiert oder ausgemerzt«. Ein »Milliardärsozialismus« beherrsche die Welt. Im Osten sei die Lage nicht ganz so schlimm, denn »Ultraliberalismus, Entchristianisierung, Multikulturalismus und Bildungsverfall« hätten noch nicht einen so hohen »Grad« erreicht. Die Rettung liege in einer »neuen abendländischen Elite«, die Charisma und eine »vorbildhafte Lebensführung« entwickle und verbinde – »wie das mittelalterliche Königstum«. Eine romantisch-reaktionäre Wende. Die eine »homogene, solidarische und politisch gebildete Bürgerschaft« des Hesperialismus vorbereiten müsse – gut vernetzt in »Parteien, Vereinen, Akademien, geistlichen Bruderschaften, Schulen, Selbsthilfeorganisation, kreativen Einrichtungen, Sicherheitsverbänden«. Der Historiker denkt in langen Zeiträumen. Das Ziel sei aber kein Zurück, sondern ein Sehnen nach »einem neuen Sacrum Imperium des 21. Jahrhunderts«. Der Gedanke der Führung durch Auserwählte war schon in der ersten Ausgabe des Magazins präsent. Mit Rückgriff auf Rom schlug Pierre Manent eine führende Elite der Tüchtigen und Tugendhaften als Rettung vor. Keine Überraschung, dass auf »Die Herrschaft der Minderwertigen« von Edgar Julius Jung, den antidemokratischen und eugenischen Klassiker aus dem Spektrum der »Konservativen Revolution«, verwiesen wird. In dem Kontext wundert auch wenig, dass Weißmann dem Hochadel der Hohenzollern in der Debatte um ihre Verantwortung am Aufstieg der NSDAP wenig vorhält, aber betont, dass die Diskussion »gar kein wissenschaftliches Interesse« antreibe, sondern »weltanschauliche Vorgaben«. Bei der Bewertung geht es auch um hohe Rückerstattungen. Und Geld ist bei »Cato« kein Tabu-Thema. Ein »Heiliges Reich« und dessen »Kulturpatriotismus« bräuchte »materielle Mittel«, hebt Engel hervor.
Ein bekennender Unterstützer von »Cato« ist Thomas R. J. Hoyer. Der Unternehmer aus Hamburg ist immer wieder mit Bild und Zitaten präsent wie: »Die Geschichte hat uns gelehrt, dass sich die Globalisierung und das Bekenntnis zur Nation nicht widersprechen.« 2018 überreichte der Hamburger Oberbürgermeister Peter Tschentscher dem Chairman der Hoyer Group den Gründungspreis für sein Lebenswerk. Der tageszeitung wollte er keine Stellungnahme geben. Die Geschäftsführung eines Modeunternehmens aus Hamburg ebenso nicht. Ihre Anzeige für den »Krawattendackel« war in diskreten Grün-Weiß-Tönen gehalten. »Modische Jagd- und Hundekrawatten, Socken und Einstecktücher sind das perfekte Geschenk zur Kneipe, zum Jagdschein, zum Geburtstag, zu Ostern, für sich selbst und für alle weitere Anlässe«, wirbt das Unternehmen. Der Veranstalter SenfkornReisen wunderte sich über die Anfrage zu ihrer Werbung: »Wir machen keine Politik, sondern organisieren seit Jahren anspruchsvolle Reisen und Begegnungen zu unseren östlichen Nachbarvölkern, mit denen wir vor allem Bildungsbürger ansprechen wollen«, erklärt der Reiseanbieter. Der Unternehmer und »Manuscriptum«-Eigentümer Thomas Hoof sponserte das Magazin mit einer zehn Seiten umfassenden Anzeige für seinen Verlag. In der aktuellen Ausgabe wirbt auch »ME-Fonds-Pergamon« für die Investition in »nachhaltige Zukunftstrends«.
Da fällt das auf der Rückseite beworbene »Richtig auswandern und besser leben« des »Kopp-Verlags« aus dem Rahmen. Nur aus internationaler Solidarität sollten diese Reisenden aufgehalten werden.