Mythos und Komödie: Wie passt das zusammen? Denken wir an einen Mythos, den die meisten Menschen vielleicht aus der Schule, vielleicht aus Filmen kennen: das Urteil des Paris. Ein Held soll zwischen den drei Göttinnen Aphrodite, Athena und Hera wählen, welche die schönste ist und entscheidet sich für Aphrodite, die ihm dafür die Liebe der schönste Frau der Welt, Helena von Troja, verspricht. Die folgenschwere Entscheidung führt zum Trojanischen Krieg und daraus entsteht eine der wichtigsten Epengeschichte der Antike. In Dramen werden diese und andere Mythen oft aufgegriffen, da sie tragische Geschichten von Göttern und Helden erzählen. Aber wie tauchen sie in Komödien auf? Im antiken Griechenland waren Komödien eine wichtige Erzählform. Ein Beispiel sind die Werke von Aristophanes, dem bekanntesten Dichter der sogenannten archaia, der alten griechischen Komödie (ca. V-IV Jh. v.Ch.). Was passierte aber, wenn nun Komiker versuchten, die Mythengeschichten in ihre Komödien einzubauen? Wie wurden sie „komisch“ dargestellt?
Die Antwort ist leider nicht in einem ausführlich studierten Text wie den Komödien des Aristophanes zu finden. In seinen vollständig erhaltenen Werken greift er nur selten Mythen auf. Doch in anderen Quellen aus derselben Zeit finden wir Hinweise darauf, auf welche Weise Mythen in der griechischen Komödie auftauchen. Am Anfang des 20. Jahrhunderts haben zwei Papyrologen, Bernard Grenfell und Alexander Hunt, einen Papyrus gefunden, der eine Zusammenfassung einer Komödie von Kratinos enthält (ca. 490-420 v.Chr.). Dieser war ein Dichter, Zeitgenosse und Konkurrent des Aristophanes. Ihr Titel ist Dionysalexandros und sie beschreibt eine „komische“ Version des Urteils des Paris.
Der Zustand des Papyrus ist komplizierter, als wir Forscher es uns wünschen würden. Der Anfang der Zusammenfassung (1/3) ist ganz verloren. Was wir dennoch lesen können, ist oftmals schwierig zu deuten. Können wir aber unsere Frage zum „komischen“ Mythos anhand dieser Quelle beantworten? Wir finden zwar einen in einer Komödie aufgearbeiteten Mythos, aber zur genauen Verwirklichung des Prozesses bleiben viele Fragen offen. Insbesondere fällt es uns schwer, dieses Fragment mit weiteren überlieferten Fragmenten der Komödie, 13 insgesamt, zu verbinden.
Oxyrhynchus Papyri, iv. ( Grenfell und Hunt 1904) stellt eine Zusammenfassung der Komödie des Kratinos auf Alt-Griechisch dar: Abschrift von Francesco Paolo Bianchi.
Im Papyrus erhalten wir nur eine generelle Antwort auf unsere Forschungsfrage: Dionysus, der Gott des Theaters, nimmt die Rolle des Paris ein. Er beurteilt die Göttinnen, und entscheidet sich für Aphrodite. Daraufhin raubt er Helena aus Sparta. Die Griechen, aber, verbrennen das Land, auf dem er sich befindet, und er versteckt sich. Der echte Paris entdeckt ihn und übergibt ihn den Griechen. Helena aber behält Paris bei sich und heiratet sie. Die Zusammenfassung auf dem Papyrus erklärt auch, dass Perikles, einer der berühmtesten Politiker des fünften Jahrhunderts vor Christus, in der Komödie verspottet wurde: die Figur des Dionysus stellt in der Komödie Perikles dar. Wie jedoch die einzelnen Elemente der Komödie zusammenpassen, bleibt unklar.
Eine Lösung zu diesen und ähnlichen Problemen zu finden, ist einer der Schwerpunkte meiner Forschung bei dem KomFrag-Projekt. In einer freundlichen und anregenden Gruppe von Forscherinnen und Forschern stelle ich meine Ergebnisse in wöchentlichen Sitzungen vor. Ich diskutiere gerne mit den anderen Teilnehmern, und alle zusammen versuchen wir, diese und ähnliche komplexe Fragen zu beantworten. Es gelingt uns nicht immer, doch auch kleine Antworten können den Wissensdurst stillen und unser Verständnisse der antiken Komödie verbessern.
Quelle: http://komfrag.hypotheses.org/56