China-News zur Plünderung und Zerstörung des ‚Sommerpalasts‘ im Herbst 1860

Die  Yùyuán 御园 [wörtl. "Kaiserliche Gärten"][1], die in Europa unter der Bezeichung 'Alter Sommerpalast' bekannt bekannt sind,  wurden ab Anfang des 18. Jahrhunderts errichtet. Zu der Anlage gehörte neben den Gärten eine kostbare Bibliothek.[2]

Yùyuán 御园

Yùyuán 御园 | Photographie: Georg Lehner

In der Endphase des so genannten 'Zweiten Opiumkriegs' wurden gefangen genommene französische und britische Abgesandte festgesetzt und gefoltert.  Als Vergeltungsmaßnahme wurden Paläste und Gärten von englischen und französischen Truppen geplündert und auf Befehl Lord Elgins die Yùyuán 御园 von englischen Truppen zerstört. Der französische Befehlshaber General Montauban, der sich persönlich bereichert hatte, verweigerte die Teilnahme an der Zerstörungsaktion.

Während die Plünderungen in Zeitungsberichten teilweise ausführlich geschildert wurden[3], wurde die Zerstörung des 'Alten Sommerpalasts' nur kurz erwähnt - so heißt es in Das Vaterland lapidar "Der Sommerpalast des Kaisers ist von den Engländern in Brand gesteckt worden."[4] Die in den Wiener Blättern abgedruckten Meldungen basierten mehrheitlich auf Berichten in englischen Zeitungen, die das Vorgehen als gerechtfertigte Maßnahme sahen - und bald Kritik äußerten, dass das Niederbrennen des 'Sommerpalasts' nur wenig Eindruck auf die chinesische Seite gemacht hätte.[5] Auch Robert Swinhoe (1836-1877), der als Übersetzer bei den Truppen war, beschrieb in seinen persönlichen Erinnerungen  Narrative of the North China Campaign of 1860 (1861) die Plünderungen und die Zerstörung und gibt auch Lord Elgins Sicht der Dinge breiten Raum. Robert Swinhoe: Narrative of the North China campaign of 1860 (London: Smith, Elder & Co. 1861) zur Plünderung  S. 305-312, zu Lord Elgins Gründen für die Zerstörung S. 326-328, zur Zerstörung S. 328-337 .Vgl. auch den Bericht "Die Plünderung des k. Sommerpalastes bei Peking durch die Alliirten im Jahre 1860". In: Militär-Zeitung Nr. 7 (22.1.1862) 53 f. und Nr. 8 (25.1.1862), 59 f. - basierend auf der Darstellung von Svinhoe.))

Im März 1865 wurden die Ereignisse in Běijīng 北京 noch einmal Thema, denn Charles Guillaume Marie Apollinaire-Antoine Cousin-Montauban, comte de Palikao (1796-1878) wurde im franzöischen Senat als Schwächling angegriffen. Montauban erläuterte ann seine Sicht der Dinge - die dann in den europäischen Medien breit diskutiert wurden.

Montauban stellt den Brand zunächst als Unfall dar:

Man hat viel davon gesprochen, aber man hat nie genau erklärt, wie das Feuer entstanden war, und zwar aus dem Guten Grunde, weil diejenigen, welche davon sprachen, nicht dabie waren. Die Sache ging folgendermaßen zu: Neben dem Sommerpalaste befanden sich einige hölzerne Häuser, woselbst man einige unserer Waffengefährten gefangen hielt; man stieß dort auf neue Beweise von der grausamen Behandlungsweise unserer Kameraden. Man fand blutige Kleidungsstücke und erkannte in einem Zimmer die Leiche des unglücklichen "Times"-Correspondenten, welchen die Chinesen dorthin geworfen hatten, damit er von den Schweinen gefresen werde. Die Soldaten wollten diese Häuser als einen infamen Ort, der an die schrecklichsten Grausamkeiten erinnerte, verbrennen, und sie hatten recht. Aber die daranstoßenden Mauerwerke berührten den Sommerpalast; das Feuer ergriff denselben und erbrannte theilweise ab, aber nicht vollständig."[6]

Doch als die Engländer mehr vom grausamen Schicksal der Gefangenen erfahren hätten, wollten sie weiter Rache nehmen:

[...] der englische Obercommondant, General Grant, schrieb mir, um mir den Vorschlag zu machen, nach dem Palaste zurückzukehren, um die Züchtigung der Chinesen zu vervollstänigen. Ich hielt es für durchaus unnütz, an unshcädliche Gebäude Feuer zu legen, schrieb in diesem Sinne an den englischen Gesandten und an den General und lehnte meine Betheiligung an diesem Zerstörungswerke ab.[7]

Auch Lord Elgin[8] hätte sich mit diesem Ansinnen auch an den französischen Gesandten, Baron Gros[9], gewandt, der ähnlich wie Montauban geantwortet hätte.

Was war nun noch zu thun? Es handelte sich weder um eine kriegerische Operation, noch um einen politischen Act, und wir hatten keinen Grund, uns dem Vorgehen der Englädner zu widersetzen. [10]

Es handle sich dabe nicht um einen Akt der Schwäche, im Gegenteil, man hätte die Engländer davon abgehalten, in die Stadt einzudringen und den Kaiserpalast niederzubrennen.[11]

Während die Plünderungen nicht weiter kommentiert wurden, wurde das Niederbrennen des 'Sommerpalastes' bald kritischer gesehen, so heißt es etwa in der Militär-Zeitung im Rahmen der Berichterstattung über die "Dotationsfrage des Grafen von Palikao[12]" ganz klar:

Was die Zerstörung des Sommerpalastes anbelangt, so ist dieselbe eine That des Vandalismus gewesen, denn es war zu allen Zeiten unerhört, Städte oder Plätze der Plünderung und Vernichtung preiszugeben, welche nicht vertheidigt werden.[13]

  1. Die Anlage besteht aus drei Teilen: Yuánmíng Yuán 圓明園 [Garten der vollkommenen Klarheit], Chángchūn Yuán 長春園 [Garten des ewigen Frühlings] und Qǐchūn Yuán 綺春園 [Garten des schönen Frühlings].
  2. Zur Geschichte der Anlagen vgl. Zhang Shuang: Das Yuan Ming Yuan Ensemble. Der kaiserliche Park der „Vollkommenen Klarheit“ in Beijing. Zeitschichtkarten als Instrument der Gartendenkmalpflege, Diss., TU Berlin, 2004. (URN: urn:nbn:de:kobv:83-opus-4683); einführend auch: MIT - Visualizing Cultures: The Garden of Perfect Brightness 1 - The Yuanmingyuan as Imperial Paradise  1700-1860). Zur politischen Bedeutung der Ruinen s. Haiyan Lee: "The Ruins of Yuanmingyuan: Or, How to Enjoy a National Wound." In: Modern China 35.2 (March 2009) 155-190. DOI: 10.1177/0097700408326911 (Access via JSTOR.
  3. Einige Beispiele: Die Presse Nr. 319 (12.12.1860) 3 - Online: ANNO; Innsbrucker Nachrichten Nr. 290 (18.12.1860), 1-2 - Online: ANNO; Das Vaterland Nr. 93(19.12.1860) [3] (Bericht aus der 'China Mail') - Online: ANNO; Die Presse (Abendblatt) Nr. 322 (15.12.1860) [2]: "Die Einnahme von Peking" - Online: ANNO.
  4. Das Vaterland Nr. 101 (30.12.1860), [3] - Online: ANNO.
  5. Vgl. "Stimmen über den Friedensschluß mit China" in Die Presse Nr. 1 (1.1.1861) [3] - Online: ANNO; "Die Ereignisse in China" in Die Presse (Abendblatt) Nr. 2 (2.1.1861) [2] - Online: ANNO;
  6. Wiener Abendpost Nr. 60 (14.3.1865), 237 - Online: ANNO.
  7. Wiener Abendpost Nr. 60 (14.3.1865), 237 - Online: ANNO.
  8. D. i. James Bruce, 8th Earl of Elgin and 12th Earl of Kincardine (1811–1863).
  9. D. i. Jean-Baptiste Louis Gros (1793–1870).
  10. Wiener Abendpost Nr. 60 (14.3.1865), 237 - Online: ANNO.
  11. Wiener Abendpost Nr. 60 (14.3.1865), 237 - Online: ANNO.
  12. D.i. Montauban, der 18 - "Palikao" ist abgeleitet von der Bālǐqiáo 八里橋 [wörtlich "Acht-Meilen-Brücke"], wo englische und französische Truppen am 21. September 1860 die chinesischen Truppen besiegten und direkten Zugang zur Hauptstadt erlangten.
  13. Militärzeitung Nr. 24 (22.3.1862) 191 - Online: ANNO.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1918

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China-News: Am Vorabend des Opiumkriegs (1839)

China hatte seit den ersten Versuchen europäischer Händler, in China Geschäfte zu machen, alles unternommen, den Handel einzuschränken und zu limitieren. Im 18. Jahrhundert etablierte sich das “Kanton-System”, benannt nach Guangzhou 廣州, dem einzigen Hafen, wo der Handel möglich war. Die ausländischen Händler lebten dort in einem abgeschlossenen Gebiet in ihren Faktoreien, der Handel lief über die Cohong [公行 gonghang] und wurde vom Hoppo [關部 guanbu] überwacht. Die chinesische Seite kontrollierte den Handel und legte (häufig willkürlich) die Handelsbegingungen fest. Bis in die 1820er war die Handelsbilanz eindeutig zu Gunsten Chinas ausgefallen. Die Europäer wollten immer größere Mengen an Tee und Seide kaufen, doch die Waren, die sie in China anboten, stießen auf wenig Interesse. Die Devisenabflüsse nach Ostasien führten in Europa zu einer Silberverknappung.

Österreichischer Beobachter (5.10.1839) | Quelle: ANNO

Österreichischer Beobachter (5.10.1839) | Quelle: ANNO

Ab den 1820ern verstärkte die East India Company systematisch den Opiumexport aus Bengalen nach China, die Opiummengen verfünffachte sich zwischen 1821 und 1837. Damit kippte die Handelsbilanz, große Mengen Silbers floßen aus China ab. Der Daoguang 道光-Kaiser ( 1782-1850, reg. 1820-1850) bemühte sich intensiv, den Opiumahndel einzudämmen – doch ohne Erfolg. Im Gegenteil, der Opiumhandel wuchs beständig an.

1838 wurde Lin Zexu 林則徐 (1785-1850) als Sonderkommissar nach Guangzhou geschickt, um dem Opiumhandel ein Ende zu setzen. Er ließ chinesischen Konsumenten und Zwischenhändler verhaften und Opium und Opiumpfeifen beschlagnahmen. Gegen die East India Company hatte er keinen Erfolg, die Händler forcierten noch die illegale Opiumeinfuhr.

Im März 1839 eskalierte die Situation. Auf der Basis eines kaiserlichen Edikts, das Ausländern den Handel mit Opium in China verbot, ließ Lin 350 in den Opiumhandel involvierte Ausländer in den Faktoreien quasi internieren, um den britischen Superintendenten zur Herausgabe von rund 1400 Tonnen Opium zu zwingen. Nach der Übergabe des Opiums, das im Juni 1839 vernichtet wurde, mussten die Kaufleute Guangzhou verlassen.

Nachrichten über diese Vorgänge brauchten etwa vier Monate nach Europa – und so fand sich im Österreichischen Beobachter[1] vom 5.10.1839 ein Bericht über die Beschlagnahme des Opiums, der auf ‘Nachrichten aus England’, ‘Briefen aus Macao [Aomen 澳門]‘ und englischen Zeitungen basierte und dis Situation bis Ende Mai 1839 darstellt.

Zunächst wird kurz umrissen, dass die englischen Kaufleute, die bis zur Ablieferung des Opiums quasi als Geiseln festgehalten worden waren, Guangzhou verlassen hätten.

Der brittische Handel mit China ist durch diese Ereignisse vorläufig wenigstens gänzlich vernichtet, und es steht zu fürchten, daß die Amerikaner diese Gelegenheit benutzen werden, alle Handelsvortheile an sich zu ziehen, wenngleich sie sich genöthigt sehen sollten, vielen Erniedrigungen sich zu unterwerfen.[2]

Der kurze Seitenhieb auf amerikanische Kaufleute, die – anders als die britischen Kaufleute – als Privatleute ohne direkte Verbindung zur US-Regierung auftraten und so auf dem chinesischen Markt Fuß fassen konnten, ist wenig mehr als eine Fußnote. Es folgt eine  Darstellung der Entwicklung des Opiumhandels – und der ‘Petition’ der britischen Kaufleute in Guangzhou bzw. Macau an Lord Palmerston vom Mai 1839.

Nachrichten über die Zuspitzung der Lage in China waren im August 1839 nach London gelangt, wo sich die Lobby der Opium-Kaufleute auf eine militärische Intervention drängte, untersützt von Vertretern der Industrie, die den Markt China öffnen wollte. Anfang Oktober beschloss das britische Kabinett unter Premier Lord Melbourne diese Intervention.

  1. Der Österreichische Beobachter war eine quasi-offizielle Tageszeitung, die erste Nummer erschien am 2.3.1810, zunächst 3 Nummer pro Woche, ab März 1811 täglich. Digitalisat (1811-1847) → ANNO.
  2. Österreichsicher Beobachter Nr. 278 (5.10.1839) 1380.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/867

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