Im Wissenschaftsteil der heutigen Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung referiert Moritz Neuffer einige Einsichten der Tagung Collecting Ideas – The Idea of Collecting, die vom 16. bis zum 18. Mai im Literaturarchiv im Marbach stattfand. Er stellt dabei unter anderem auch eine Rolle der Digitalen Geisteswissenschaften heraus:
“Wo Bestände nicht aus der Ferne sichtbar, die Wege ins Archiv weit und teuer sind, werden Zugänge versperrt. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an Digitalisierungsprozesse und die Schaffung von neuen Zugangspfaden, wie sie derzeit in den Laboren der digitalen Geisteswissenschaften entwickelt werden.”
Wir befinden uns dabei eindeutig auf der Ebene der Bestandsvermittlung bzw. der Entwicklung von Zugängen über digitale Kanäle. Diese Eröffnung (und die damit verbundene Transformation) der Bestände wirkt, wie Moritz Neuffer anhand eines Tagungsbeitrags von Ronald Schuchard herausstellt, nicht etwa als Substitut für die materiellen Originale sondern weckt vielmehr – jedenfalls nach den geschilderten Erfahrungen – “einen Hunger nach der Präsenzerfahrung von und mit den Quellen.” Die Aura des Originals könnte folglich entgegen mancher gegenteiliger Erwartungen angesichts seiner digitalen Verwandelbarkeit wenigstens als zeitstabil erweisen.
Zu durchdenken bleibt hier weniger das ob und auch nicht so sehr das wie, sondern tatsächlich das Spannungsverhältnis von Medialität, Materialität und der damit verbundenen Lesbarkeit dessen, was in den Infrastrukturen und Analysewerkzeugen der Digitalen Geisteswissenschaften verarbeitet wird. Dazu zählt übrigens auch eine Metareflektion der Bedingungen des Zustandekommens dieser Werkzeuge und Kanäle.
Paraphrasiert Moritz Neuffer den Diskutanten On Barak mit der Aussage:
“Wo sammelnde Institutionen Wissen und kulturelle Erzählungen produzierten, sei es politisch geboten, diese Produktionsverfahren offenzulegen.”
so gilt dies gleichwohl für die Strukturen, die aus dem Digital-Humanities-Umfeld für die geisteswissenschaftliche Arbeit entwickelt werden. Die Festlegung eines Zugangspfades bedeutet unvermeidlich eine Eingrenzung unter bestimmten Bedingungen und lenkt damit die Zugänglichkeit. Für die, die diese Pfade benutzen, ist es ungemein wichtig, zu wissen, was sie auf diesen erreichen können. Und womöglich sogar noch wichtiger, zu wissen, was nicht. Die Aufgabe einer entsprechend spezialisierten STS-Forschung (Science, Technology and Society) liegt aus meiner Aussicht genau darin, diese Offenlegung der Bedingungen hinter den digitalen Zugängen und Werkzeugen als eine Art Begleittext vorzunehmen.
Quelle: Moritz Neuffer: Die guten ins Töpfchen und die schlechten – in ein anderes. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.06.2013, S. N5
Berlin, 05.06.2013 / @bkaden
Quelle: http://dhd-blog.org/?p=1810