Mit einer Keynote von Ian Cross begann die summer school. Am Anfang der gemeinsamen Woche stand dabei die basale Frage: Was verstehen wir überhaupt unter Musik? Cross‘ Antwort: Viel zu oft das, was vor noch recht kurzer Zeit, nämlich vornehmlich im 19. Jahrhundert, als solche geprägt wurde. Eine bestimmte Aufführungsform, aufgeladen mit ästhetischen und auch ökonomischen Werten und Attributen der Autonomie und Authentizität. Dabei werde vielfach übersehen, wie vielfältige Formen von Musik diesem Muster gar nicht entsprechen.
Cross‘ Verweis auf die Unterscheidung von Turino zwischen „presentational musics “ (eine Aufführung, von geübten Spezialisten dargeboten, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehend) und „participatory musics” (als kollektiver Akt, die Teilnehmer in eine gemeinsamen und sychronisierten Handlung einbeziehend, mit Vorstellungen von Solidarität und Gemeinschaft verbunden) führte von diesem engen Verständnis hinweg.
Diese partizipative Musik begegne uns nicht nur bei Fußballgesängen, in der Chorprobe oder im Kindergartenmusizieren – selbst die einfach Sprache, Mittel alltäglicher menschlicher Interkation, berge bei genauerer Betrachtung viele Merkmale, die man eigentlich als musikalisch bezeichnen kann: je nach Zusammenhang eingesetzte Tonhöhe, Dynamik, Tempo, Rhythmik.
Musik und Sprache ließen sich anhand ihrer strukturellen Merkmale oft erstaunlich schwierig trennen, argumentiert Ian Cross. Kein Wunder, dass da ein Redner immer auch ein bisschen Dirigent ist…
Musik und Sprache ließen sich daher gar nicht unbedingt an ihren bestimmten strukturellen Eigenarten unterscheiden. Vielmehr habe (partizipative) Musik Funktionen, die sich von Funktionen der Sprache abgrenzen ließen.
Als zentrales Merkmal nannte Cross hier den (durch Beispiele belegten) Befund, dass Menschen in partizipativen Formen der Musik ihre Aufmerksamkeit, Aktivität und Klänge an die anderer koppeln und so ein Prozess der ständigen und gegenseitigen Anpassung von Klängen, Rhythmik und Bewegung erfolge.
Anders als im Fall der Sprache müssten im Fall der Musik zudem nicht ständig Bedeutungszuschreibungen explizit gemacht und abgeglichen werden. Ihre unauflösbare Polysemie, Cross nennt es „floating intentionalitiy“ führe dazu, dass unterschiedliche Zuweisungen einer Bedeutung (Meaning) von Musik weit weniger konfliktreich sei als im Fall der Sprache.
Das mache Musik so geeignet als Rahmen für kommuniaktive Interaktion, die möglichst konfliktfrei verlaufen soll. Der unmittelbare Ausdruck von Bedeutung und die , viele Teilnehmer koppelnde Qualität, vermittele den Teilnehmenden den Eindruck der gegenseitigen Angleichung, obwohl das was die Musik für den Einzelnen oder die Einzelne bedeutet, sehr weit auseinader liegen kann.
„Music is a communicative medium optimal for the management of situations of social uncertainty” (I.C.)
Musik als partizipatorsiche Aktivität hänge daher zwar vielfach mit unserem affektiven System zusammen – aber in den Augen (und Ohren!) von Ian Cross ist sie aber nicht die viel als solche titulierte „Sprache der Emotionen“.
Ich denke, an dem Punkt geht es morgen, bei Eckart Altenmüller auch schon weiter….
Quelle: http://elm.hypotheses.org/190