Klassiker und Zeichentrick (I): Sun Wukong 孫悟空, der ‘Affenkönig’

Der Affe gilt in Asien als klug, liebenswürdig und respektlos, er spielt vor allem  im Süden Chinas und in Tibet eine bedeutende Rolle in der Mythologie. Vielfach erscheinen Götter und/oder übernatürliche Wesen in der Gestalt von Affen, so in Indien der Affenkönig Hanuman, in China ist es Sun Wukong (japanisch: Son Gokū), der den Pilger Xuanzang auf der Reise nach Indien begleitet [1]. Diese Reise wird im 西遊記 Xīyóujì [Die Reise in den Westen], das Wú Chéng’ēn 吳承恩 (um 1500-1582) zugeschrieben und einer der vier klassischen Romane [2] der chinesischen Literatur ist, dargestellt. Der phantastisch-komische Roman erzählt von den 81 Bewährungen des ‘Affenkönigs’ Sun Wukong und des Mönchs auf der Reise zum ‘westlichen Himmel’ [3].

Im  Xīyóujì wird diese Geschichte in eine zweite eingebettet: Der Mönch Xuánzàng 玄奘 (603-664) war im 7. Jahrhundert von China nach Indien gereist, um heilige Schriften Buddhas nach China zu holen. Über diese sechzehn Jahre dauernde Reise verfasste Xuanzang einen ausfürhlichen Reisebericht [4], um den sich im Lauf der Jahrhunderte zahlreiche Legenden entwickelten – eine davon eben die über den Affenkönig.

Sūn Wùkōng 孫悟空, der ‘Affenkönig’, ist ein übernatürliches Wesen, das aus einem Felsen geboren wurde und durch daoistische Praktiken immense Kräfte erworben hat: Er kann schwere Lasten stemmen, ist pfeilschnell – und kennt 72 Verwandlugen (in Tiere und Objekte), jedes seiner Haare hat magische Eigenschaften, er kann Wind und Wasser beschwören und sich mit Beschwörungen vor Dämonen schützen, und er kann Menschen, Dämonen und Götter erstarren lassen. Er missbraucht seine Fähigkeiten und wird bestraft und für 500 Jahre unter einem Felsen gefangen. Um geläutert zu werden, darf er den Mönch Xuanzang nach Indien begleiten. Auf der Reise errettet er den Mönch aus zahlreichen Gefahren, spielt ihm aber auch zahlreiche Streiche.

Princess Iron Fan (1941)

Princess Iron Fan | Video

Eine Episode rund um den Affenkönig wird in Tiě shàn gōngzhǔ 鐵扇公主 [Princess Iron Fan/Prinzessin Eisenfächer] thematisiert, im ersten chinesischen Zeichentrickfilm in Spielfilmlänge, der 1941 uraufgeführt wurde: Auf der Reise nach dem Westen kommen der Mönch und seine Begleiter – Sun, Shā Wùjìng 沙悟凈 und Zhū Bājiè 豬八戒 – in das Land des Feuerdämons, wo feuerspeinde Berge alles verbrennen. Sie erfahren, dass es einen magischen eisernen Fächer gibt, der die Macht des Feuerdämons bricht und das feuer löscht.

Die Prinzessin, die diesen Fächer hat, ist allerdings ein böser Geist, der nicht helfen will – im Gegenteil: Sie kämpft mit Sun Wukong und gibt ihm einen falschen Fächer, der die Feuer noch mehr anfacht. Im Kampf um den Fächer nehmen alle Beteiligten – die Prinzessin, ihr Mann, der Stier-Dämon und seine Geliebte, ein Fuchsgeist, ebenso wie Sun Wukong, der Sha Wujing und Zhu Bajie – unterschiedlichste (Tier-)Gestalten an, um durch List eine Entscheidung herbeizuführen. Der Affenkönig nimmt die Gestalt eines Käfers an, und lässt sich von der Prinzessin verschlucken. Er zwickt dann solange ihre Eingeweise, bis sie den Fächer abgibt. Mit dem Fächer kann Sun Wukong das Feuer löschen. Auch der Stierdämon wird gefangen und angekettet und kann so nicht weiter Schaden anrichten.

Produzenten und Regisseure des Films waren die Brüder Wan, Wàn Làimíng 萬籟鳴 (1900-1997) und Wan Guchan  萬古蟾 (1900-1995). die Pioniere des chinesischen Animationsfilms. Die beiden hatten in den 1920ern begonnen, mit Animation zu experimentieren und schließlich 1938-1940 an dem ersten Film in Spielfilmlänge gearbeitet, der am 1.1.1941 herauskam. Der Film wurde bald nach Japan gebracht, wo er nicht nur Manga-Künstler beeinflusste, sondern auch japanische Animationsfilme anregte, u.a. den Propagnadafilm Momotarō: Umi no Shinpei 桃太郎 海の神兵 (lit. Momotaro’s Gods-Blessed Sea Warriors, Regio: Seo Mitsuyo 瀬尾 光世, 1945).

Die Brüder Wan wandten sich dem Stoff noch einmal zu: Anfang der 1960er Jahre entstand Dànào tiāngōng 大鬧天宮 ['Uproar in Heaven'/'Havoc in Heaven'/'Aufruhr im Himmel].

[1] Wolfram Eberhard, Lexikon chinesischer Symbole. Die  Bildsprache der Chinesen (München: Diederichs 1996) 17 f.

[2 ]Die anderen drei: 三國演義 Sānguó Yǎnyì Die Geschichte der Drei Reiche (spätes 14. Jahrhundert);  水滸傳 Shuǐhǔ Zhuàn Die Räuber vom Liang-Shan-Moor (2. Hälfte des 16. Jahrhunderts) und 紅樓夢  Hónglóumèng Der Traum der roten Kammer  (2. Hälfte des 18. Jahrhunderts).

[3] Helwig Schmidt-Glintzer, Geschichte der chinesischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart (München: C.H. Beck, 2. Aufl. 1999) 433-435 gibt eine kurze Inhaltsübersicht und die wichtigsten Übersetzungen.

[4] Das Dà Táng Xīyù Jì 大唐西域記 ist eine der wichtigsten Quellen für das mittelalterliche Zentralasien, die erste franzöische Übersetzung von Stanislas Julien erschien 1857.

 

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/391

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