Personalstrukturen: Vorschläge der Jungen Akademie zur Weiterentwicklung der Universität

Man mag versucht sein (ich bin es jedenfalls), immer nur zu Themen zu schreiben, in denen man sich seine Meinung schon gebildet hat. Das fällt aber auch einmal schwer. So hat mich ein guter Kollege auf das Papier der Jungen Akademie: “Nach der Exzellenzinitiative: Personalstruktur als Schlüssel zu leistungsfähigeren Universitäten” (http://www.diejungeakademie.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Personalstruktur_2013.pdf) aufmerksam gemacht. Darin fordern Mitglieder und Alumni/Alumnae der Jungen Akademie, das Lehrstuhlprinzip abzuschaffen, in dem Professoren im Rahmen ihrer Lehrstühle Mitarbeiter/innen zugeordnet sind, die Mitarbeiterstellen weitgehend durch Professuren zu ersetzen und so die Perspektiven von Nachwuchswissenschaftlern und von Universitäten im Ganzen zu stärken.

Die Argumente überzeugen nicht immer. Der Befund, dass viele deutsche Wissenschaftler ins Ausland gehen, ist nicht zwingend ein Beleg für die Unattraktivität der deutschen Universitäten als vielmehr zunächst ein Ausweis von Exportstärke: Offenbar treffen diese “Outgoings” auf Wissenschaftsmärkte, die ihnen Wissenschaft in hohem Maße zutrauen. Anderes ist aber durchaus nachvollziehbar: Dass etwa nur 20% derArbeitszeit eines Professors/einer Professorin für Forschung aufgewendet wird, während durchschnittlich 40% der Zeit in Begutachtungen, Drittmittelakquise und Verwaltung gehen, mag statistisch etwas grob aussehen, in der Tendenz aber stimmen. Die Universitäten haben bereits begonnen, hierauf zu reagieren, indem Unterstützung in der Drittmittelakquise aufgebaut und die Verwaltung (meist als “Management” tituliert) professionalisiert wird.

An diesem Punkt möchte man als Studienmanager gleich ansetzen: Gerade an gut organisierten Universitäten entwickeln sich im Zuge der Professionalisierung des Wissenschaftsmanagements auf allen Ebenen Expertenkulturen, die weder in der Lehrstuhllandschaft noch in den Gremien der Gremienuniversität in irgendeiner Weise strukturell eingebunden sind. Die Reaktion auf diese wachsende, professionelle Expertise ist häufig die strukturelle Ausdifferenzierung (meint: die Schaffung neuer Gremien außerhalb der nach Landeshochschulgesetzen bereits etablierten Gruppengremien) und die Einberufung von ad-hoc-Gremien – also genau das, was man soziologisch wohl erwarten würde. Eine strukturelle Antwort auf diese Entwicklungsprozesse gibt es noch nicht. Und hier spätestens zögere ich auch wirklich mit einer eigenen Meinung, denn an diesem Punkt kollidieren Demokratie und Partizipation (die ihren Ausdruck bisher in der Gremienstruktur finden) und die Ansprüche der natürlich nicht demokratisch legitimierten Profis mit technischer, administrativer oder rechtlicher Expertise.

Auf anderen ebenen lässt sich jedoch schon eine Auflösung des Lehrstuhlprinzips beobachten, wenn auch nicht im Sinne der Karikatur, die die Junge Akademie teilweise zeichnet. So hat die Auflösung der alten Studiengänge und die Entwicklung modularisierter Studienprogramme durchaus vielerorts dazu geführt, dass Professor/innen, Mitarbeiter/innen und Studierende lehrstuhlübergreifend Programme ausarbeiten und weiterentwickeln. Das passiert im Historischen Seminar der JGU seit vielen Jahren sehr konstruktiv. Das Lehrstuhlbild der Jungen Akademie hat hier also nicht gegriffen. Ob eine andere Struktur mit fast nur Professuren wesentlich andere (und bessere) Ergebnisse in einem Kernbereich universitäter Aktivität gezeitigt hätte, weiß ich nicht. Aber das Papier zielt auch eher aufBerufsperspektiven und Forschung – sicherein Manko des Papiers, das ja die Universitäten im Ganzen anspricht.

Das System, das die Junge Akademie im Blick hat, scheint zudem – und vielleicht tue ich dem Papier hier Unrecht – auf eine forschende Postgrad-Phase ohne Lehre (etwa in Projekten) und dann eine Professur mit entsprechend professoralem Lehrdeputat hinauszulaufen. Hier würde ich dann ganz ernsthaft didaktische Einbußen in der Lehre befürchten. Der Universität würde das mittelfristig nicht guttun.

Vieles andere in dem besprochenen Papier bin ich geneigt zu teilen. Dass solche Vorschläge überhaupt in einer so prominenten Form auf den Tisch kommen, ist ja auch ein Hinweis darauf, dass die Universitäten in ihrer Weiterentwicklung an systemische Grenzen stoßen und manches dysfunktional wird. Man darf gespannt sein, in welche Richtung diese Diskussionen gehen werden.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/166

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Massive Open Online Courses

Bisher habe ich oft auf aktuelle Berichterstattung reagiert; heute möchte ich eher auf Kommentare eingehen, die ich zum Artikel “Der Online-Angriff auf den Unterricht” von Frank Kelleter (FAZ) gefunden habe. Kelleter selbst kritisiert vor allem die universitären Aktivitäten, die sich in Zielvereinbarungen, Optimierungskonzepten, Entwicklungsplänen verstecken, den akademischen Servicemarkt, der sich um diese Prozesseherum gebildet hat, und die Absurdität, dass gerade engagierte Hochschulangehörige sich bis zur Grenze der gesundheitlichen Zumutbarkeit in solchen absurden Prozessen aufreiben müssen. Insbesondere den letzten Punkt kann ich nachvollziehen, auch wenn ich lange nicht alles für absurd halte.

Er warnt dann aber auch vor MOOCs, den Massive Open Online Courses, die seit einiger Zeit durch die Online-Zeitschriften geistern. Meinem Eindruck nach – und vielleicht täusche ich mich – sind MOOCs eher ein Medienphänomen als eine real relevante Erscheinung. Mir ist nicht bekannt, dass bisher auch nur ein einziger Studiengang in Deutschland in erheblicher Weise durch MOOCs ausgestaltet ist.

Genau an diesem Punkt setzen aber die Kritiker des Artikels ein. So klagt ein Leser: “Die Universität war schon immer eine elitärere Institution, was in Deutschland noch immer sinnlos künstlich aufrecht erhalten wird mit Numerus Clausus und der Bafög-Schulden-Keule. Das widerspricht allein schon der Herkunft des Wortes ‘Universität’.” Universität meint aber nicht “für alle” im Sinne von universal oder Ähnliches, sondern nur die Gemienschaft von Lehrenden und Lernenden (ein Aspekt, den zu betonen heute sicher viel wichtiger wäre als viele andere, nur zum Teil “Bologna” geschuldete Fragen). Es ist eben nicht möglich, durch MOOCs Lehrende für Forschung freizustellen; das verbieten nicht nur die Deputatsverordnungen der Länder, sondern auch der gesunde Hochschulverstand, der in der Verbindung von Forschung und Lehre auch den Kern von Hochschule als besonderem Ort von Wissensgenerierung und -vermittlung sieht. Diese Wissensvermittlung steht allen frei, die die entsprechenden Voraussetzungen mitbringen; wer diese Voraussetzungen erfüllt, kann in Deutschland fast allerorten kostenfrei studieren, etwas, was die MOOC’s bisher nur versprechen, aber wohl kaum halten werden (wenn man das ökonomische Interesse hinter diesen Projekten berücksichtigt).

Dass die Universitäten sich dabei nicht hinter die eigenen Mauern zurückziehen, ist wohl selbstverständlich. Die Mainzer Historiker/innen, für die ich arbeite, haben sich in den letzten Jahren an vielfältigen Formaten der Universität beteiligt, in denen universitäre Wissenschaft in die Öffentlichkeit der Stadt Mainz und des Landes getragen wird.

Ein anderer Leser raunt: “Sicher, die Beamten-Uni muß sich bedroht fühlen. Unis, deren Studenten zu 1/3 nie einen Abschluß machen, deren Professoren maximal 12 Stunden wöchentlich im Hörsaal stehen, deren Lehrpläne keinen Bezug zur Arbeitsrealität haben. Unis, die vornehmlich die eigene Eitelkeit polieren und in Deutschland inzwischen über 16.000 (!) unterschiedliche Studiengänge anbieten – und jedes Jahr kommen fast 500 neue zum Wohle der Professoren dazu.” Auch hier überrascht die Wahrnehmung der Universität. Dass 1/3 der Studierenden eines Faches den Abschluss nicht machen, ist nicht weit von der Wirklichkeit entfernt, aber erstens kein Problem der Präsenzlehre und zweitens nicht wirklich schlimm; manches muss man eben ausprobieren, um herauszufinden, ob es auch der eigene Weg ist. Professoren, die im oben angesprochenen Sinne Forschung und Lehre verbinden sollen und möchten, sollten tatsächlich nicht 12 Stunden im Hörsaal stehen; wer auch nur eine ungefähre Vorstellung von den Zeiten für Vor- und Nachbereitung seriöser universitärer Lehre hat, wird wissen, dass die Woche dann allein mit Lehre schon fast ausgefüllt wäre. Und dass die Universität nicht 100% passgenau auf Berufe hin ausbildet – das ist ja gerade der Witz universitärer Bildung. Erst das erlaubt es, aus dem universitären Studium heraus in die unterschiedlichsten Berufsfelder mit Entscheidungsbefugnis, Leitungsfunktion oder Führungsaufgaben zu wechseln. Alles andere ist Berufsausbildung – genauso ehrenwert, aber eben anders.

Und ein letzter Gedanke: Ein Leser fordert, die Debatte “eine Nummer kleiner” zu führen, um dann doch e-Vorlesungen zu fordern: “Wenn Universitäten ihre ganz alltäglichen Vorlesungen einfach zum Nachhören ins Netz stellen, stellen sie mit geringstem zusätzlichen Aufwand eine ohnehin getätigte öffentlichen Bildungsleistung einem breiteren Publikum zur Verfügung. Hilfreich für die Studenten, wenn sie mal was verpasst haben. Eine Möglichkeit für Schüler, sich ein Bild zu machen, was in einem Studium auf sie zukommt. Und eine Gelegenheit für alle anderen, sich einfach aus Interesse akademisch in dem Fach weiterzubilden, das sie interessiert. Alles kein großes Ding. Aber nützlich, interessant und höchst demokratisch.” Das klingt pragmatisch, sympathisch, nicht überambitioniert. Wer aber ene konkrete Universität in den Blick nimmt, an der Woche für Woche eine drei- oder vierstellige Zahl von Vorlesungen gehalten wird, wird vielleicht eine Ahnung vom Kostenaufwand haben, den das bedeuten würde: an Material, aber auch an Personal. Die Kosten wären immens und müssten an anderer Stelle eingespart werden. Es würde mich interessieren, wo da noch gespart werden könnte; die Grundausstattung der Universitäten in ganz Deutschland ist in den letzten Jahren schon massiv heruntergefahren worden. Demokratisierung gerne, auch Öffentlichkeit und Transparenz – aber nicht für jede Vorlesung, die ihre Bedeutung zunächst einmal innerhalb eines Studiengangs und damit innerhalb eines bestimmten Programms entfaltet, das nur als Ganzes jenen Kompetenzerwerb und die Ausprägung einer soliden Fachlichkeit ermöglicht, die das eigentliche Ziel auch der Vorlesung sind.

Auf die Diskussion hierüber freue ich mich schon …

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/152

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Master-Desaster – Follow-Up

Im vorhergehenden Artikel ging es schon um ein Problem des B.Ed./M.Ed.-Übergangs, nämlich die Tatsache, dass es nach dem B.Ed.-Abschluss weniger Exit-Optionen gibt als etwa nach einem B.A. Das ist ein ernsthaftes Problem. Ein anderes Problem ist die große Immobilität im Lehramtsstudium, gerade wenn man sich Lehrer/innen wünscht, die während ihres Studiums auch einmal einen Ortswechsel vollzogen haben.

So anerkennen die Kultusminister seit jeher wechselseitig das Staatsexamen – mit gewissen Einschränkungen in der Praxis, das ist bekannt, aber rein formal ist die Anerkennung des Staatsexamens nicht verweigerbar. Für M.Ed.-Abschlüsse war das lange durchaus schwierig; im Zuge der Verhandlungen um eine mögliche Bund-Länder-Exzellenzinitiative Lehramt sind die Kultusminister hier aber wohl einen Schritt weitergekommen. Die “Regelungen und Verfahren zur Erhöhung der Mobilität und Qualität von Lehrkräften” (KMK-Beschluss vom 07.03.2013) legen fest, dass die Länder “Zeugnisse über an Hochschulen erfolgreich abgelegte Prüfungen, die nach Maßgabe dee Bestimmungen dieser Vereinbarung erworben wurden, [...] als Zugangsvoraussetzungen für den Vorbereitungsdienst anerkennen”.

Nicht anerkannt wird also der Bachelorabschluss, denn hier differieren die landesspezifischen Lösungen stark. In NRW beispielsweise studiert man – soweit mir bekannt – zunächst einen fachwissenschaftlichen B.A., in RLP hingegen ist schon das Bachelorstudium als Lehramtsstudium angelegt. Hochschulwechsler aus NRW, die nach RLP wechseln möchten, kommen also ohne fachdidaktische Anteile an, die sie dann nachholen müssen. Damit stellt sich die Frage, ob das in RLP nur im Rahmen eines eingeschriebenen B.Ed.-Studiengang möglich ist – was ein gebührenpflichtiges Zweitstudium wäre. Umgekehrt: Wechselt ein B.Ed.-Studierender zum M.Ed. nach Berlin, muss er etwa im Fach Geschichte Fachanteile nachholen, also am besten noch in Mainz, Trier oder Koblenz zusätzliche Veranstaltungen besuchen, die strenggenommen nicht kreditierbar, weil außercurricular zu absolvieren sind.

Die Einführung modularisierter Lehramtsstudiengänge hätte hier eigentlich eine vorherige Abstimmung gebraucht; aber schon die grundsätzliche Philosophie der Lehramtsausbildung war offenbar zu uneinheitlich. Überwiegt im einen Land der Gedanke der Flexibilität (ausschließlich fachwissenschaftliche Bachelorstudiengänge, auf die man sowohl Wissenschaft als auch Lehramt oder Anwendungsmaster aufsatteln kann), so ist es im anderen Land der Gedanke der Berufsorientierung (daher eine frühe Ausrichtung auf das Lehramt, die im Sinne einer strukturierten, kontinuierlichen Ausbildung zum künftigen Lehrer sicher stärker ist).

Hier besteht offenkundig noch Diskussionsbedarf in der Kultusministerkonferenz. Man kann hoffen, dass die eventuell irgendwann einmal startende Exzellenzinitiative Lehramt dies thematisieren wird – und dass es den Fachdidaktiken und den Lehramtsexperten möglich sein wird, ihre Expertise in diesen Prozess einzubringen.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/147

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Wie viele Akademiker braucht das Land … oder was ist eigentlich die richtige Frage …

Auf das erneute Aufflammen der Diskussion war ich zufällig durch einen Artikel von Jürgen Kaube in der FAZ (“Im Bildungsrausch. Ist akademisch auch hochwertig?“, 05.09.2013) aufmerksam geworden: Man spielt wieder das beliebte OECD-contra-Duales-System-Spiel. Zunächst hatte Julian Nida-Rümelin die hochwertige Qualität des deutschen differenzierten Bildungssystems und die Güte des dualen Systems gegen die reine Fixierung auf Akademiker-Quoten in Stellung gebracht. Zu Recht, denn OECD-Quoten, die nichts darüber sagen, welches Land in welcher Situation und in welcher Marktposition sich wie entwickeln kann (und das in differenzierter und vielseitiger Perspektive), sind offensichtlich Humbug. Dass Andreas Schleicher als OECD-Vizedirektor auf diesen Angriff reagieren musste und das dann auch im Deutschlandradio-Interview mit ziemlich oberflächlichen Argumenten tat, war zu erwarten; ich kann mich an keinen Auftritt von, kein Interview mit Schleicher erinnern, aus denen ich wirklich etwas gelernt hätte.

Ratlos macht mich aber der Einwurf Nida-Rümelins. Seine Forderungen an das deutsche Bildungssystem zielen auf Persönlichkeitsbildung durch Selbstdenken und Schulung in Abstraktion (wer wollte dem widersprechen?; schließlich war das ein Bildungsziel schon vor Bologna und ist durch die Kompetenzdebatte nicht überwunden, sondern anders und in vieler Hinsicht produktiv profiliert worden); auf einen Vorrang der Allgemeinbildung vor der Spezialbildung im Sinne einer Vorbereitung auf spezifische Berufsfertigkeiten (einverstanden; allzu kontrovers scheint mir auch das nicht zu sein); auf gleiche kulturelle Anerkennung unterschiedlicher Bildungswege, insbesondere des Bildungsweges zum Facharbeiter bzw. zum Akademiker; viertens Hochschätzung der mathematischen, technischen und handwerklichen Kompetenzen statt akademischem Bildungsdünkel (den niemand verteidigen würde, selbst die nicht, die ihn praktizieren).

Fraglich ist doch vor allem, wie man dem von Nida-Rümelin befürchteten Abdriften der potentiellen Facharbeiter in unproduktive Akademikerquoten begegnen kann. Er weist selbst zu Recht darauf hin, dass Akademiker durch einen Verdrängungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt nicht akademisch ausgebildete Konkurrenten oft verdrängen; und die höhere Bildungsrendite spricht er nur am Rande an. Dass Meister, Fachwirt und Techniker im Deutschen Qualifikationsrahmen dem Bachelor auf der Niveaustufe 6 gleichgestellt sind, reicht sicher nicht, um ausreichend Nachfrage an Ausbildungsberufen zu generieren. Es gibt Akteure, die Interesse an hoch qualifizierten Arbeitnehmern haben (diese Arbeitgeber bedienen ja offenkundig den von Nida-Rümelin angesprochenen Verdrängungswettbewerb), und solche Akteure, die unter diesen Rahmenbedingungen sehr rational ihren eigenen Bildungsweg suchen. Mit OECD-Forderungen hat das nicht viel zu tun, mit staatlichen Steuerungsmöglichkeiten nur bedingt.

Lohnend wäre also, diese Debatte aus der Perspektive der Arbeitgebenden und der Arbeitsuchenden zu führen. Wie macht man Ausbildungsberufe so attraktiv, dass sie auch Abiturienten in hoher Zahl ansprechen? Welche Bildungsrenditen braucht es dafür? Wieso stellen Arbeitgeber in einer Bewerberkonkurrenz eher den Hochschulabsolventen (im Zweifelsfalle überqualifiziert) ein? Wie nehmen diese Arbeitgeber möglicherweise selbst das Anforderungsfeld wahr, in dem ein Hochschulabsolvent sich dauerhaft besser behaupten kann (billiger ist er ja sicher nicht)? Nur dann könnte man auch über das sicher sehr eingeschränkte staatliche Steuerungspotential sprechen können – ob Steuerung in diesem Feld überhaupt sinnvoll ist, ist dabei nicht die Frage, da der Staat durch die Finanzierung von Hochschulen, Universitäten und Berufsschulen sowieso und zwingend immer schon steuernd tätig ist.

Links zur Diskussion:

P.S.: Jürgen Kaube beklagt im oben verlinkten Artikel, dass nicht weiter genannte Akteure auch bei 90 Studierenden pro Professor noch von einer gleichbleibenden Qualität der Bildung ausgehen. In Mainz dürfte diese Relation um ein Mehrfaches höher sein; im Fach Geschichte kommen derzeit knapp 300 Studierende auf eine Professur. Diese Zahl ist mehr oder weniger öffentlich zugänglich, und an anderen Universitäten und in anderen Fächern (vor allem in den Geisteswissenschaten, die Nida-Rümelins Ideal am ehesten ensprechen) dürfte es ähnlich aussehen. Aber das hat mit der oben geführten Diskussion nur bedingt zu tun.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/130

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Unterstützung für das Deutsche Polen-Institut in Darmstadt

Die Landesregierung Rheinland-Pfalz beabsichtigt, entgegen klarer früherer Zusagen aus der gemeinsamen Finanzierung des Deutschen Polen-Institus aussteigen. Das DPI bittet um Unterstützung; eine Petition findet man unter der folgenden URL:

Die Universität Mainz als größte Universität des Landes mit ihren traditionell starken Verbindungen nach Polen hat von dem einzigartigen polen-freundlichen Umfeld bisher in hohem Maße profitiert: neben dem DPI in Darmstadt zum Beispiel auch von dem osteuropahistorischen Schwerpunkt an der Universität Gießen oder dem Wiesbadener Filmfestval GoEast. An der JGU Mainz selbst gibt es seit Jahrzehnten einen eigenen Schwerpunkt Polen mit Gastprofessuren für polnische Wissenschaftler, das Polonicum (den vielleicht besten Polnisch-Sprachkurs im deutschsprachigen Raum), eine Polonistik und etablierte Studienpartnerschaften in gleich mehreren Fächern, darunter z.B. bei den Juristen. Das Historische Seminar hat ähnlich lange intensive Kontakte zu polnischen Historikern. Auch das Institut für Europäische Geschichte in Mainz wäre wohl zu nennen, das ebenfalls sehr früh nach dem Krieg den Austausch mit polnischen Kolleg/innen gesucht hat. Für die Universtät und die Wissenschaftsstadt Mainz wäre der Ausstieg des Landes aus der Mitfinanzierung des DPI also ein herber Rückschlag; man kann nur hoffen, dass das noch vermieden werden kann. Ich bitte daher alle Mitlesenden, die Petition zu unterschreiben und auch andere auf diese Petition aufmerksam zu machen.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/122

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Lehrerfortbildung des Landesverbandes: Der Erste Weltkrieg in der Erinnerungskultur

Hundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkrieges ist es berechtigt, nach den Spuren zu fragen, die diese „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ im Gedächtnis hinterlassen hat. Daher bietet der Landesverband in Kooperation mit dem Arbeitsbereich Geschichtsdidaktik der Universität Mainz und dem ILF eine Lehrerfortbildung an, die am 16. und 17. September 2013 im Erbacher Hof (Mainz) stattfinden wird.

In einem ersten Schritt wird der aktuelle Stand der Forschung präsentiert (PD Dr. Peter Hoeres, Gießen/Mainz). Im Anschluss daran werden Wege aufgezeigt, wie mit interaktiven Whiteboards motivierende Einstiege in das Thema „Erster Weltkrieg“ gestaltet werden können (Daniel Bernsen, Koblenz). An ausgewählten Dokumentationen des ZDF erläutert Stefan Brauburger (Mainz), wie das Fernsehen das Bild vom Krieg prägt. Bei einer Ortsbegehung in Mainz wird mit der Nagelsäule auf dem Liebfrauenplatz ein bekanntes Mainzer Denkmal vorgestellt, das eng mit dem Ersten Weltkrieg verknüpft ist (Dr. Joachim Glatz, Mainz). Am Beispiel des Vertrages von Trianon dokumentiert Prof. Dr. Hans-Christian Maner (Mainz) die Langzeitfolgen des Krieges in der Erinnerung osteuropäischer Gesellschaften – ein Thema, das im Geschichtsunterricht oft unterrepräsentiert ist. Schließlich untersucht Dr. Jürgen Kost (Mainz) die Spuren des Ersten Weltkrieges in der Literatur.

Quelle: http://vgdrp.hypotheses.org/142

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Whistle Blowing an der Universität

Pünktlich zum Outing von Edward Snowden (Prism) erinnert die Süddeutsche heute an die jüngsten HRK-Empfehlungen zur guten wissenschaftlichen Praxis (14.05.2013). Darin heißt es u.a.:

Zum Schutz der Hinweisgeber (Whistle Blower) und der Betroffenen unterliegt die Arbeit der Ombudspersonen höchster Vertraulichkeit. Die Vertraulichkeit ist nicht gegeben, wenn sich der Hinweisgeber mit seinem Verdacht an die Öffentlichkeit wendet. In diesem Fall verstößt er regelmäßig selbst gegen die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis.

Das würde in der Konsequenz bedeuten: Niemand erhebt mehr Plagiatsvorwürfe. Denn bereits der Vorwurf, ein anderer habe plagiiert, ist schlechte wissenschaftliche Praxis. Das kann die HRK so eigentlich nicht gemeint haben. Wahrscheinlich ging es ihr nur darum, Wissenschaftler vor ungerechtfertigen Vorwürfen zu schützen. So klingt auch der folgende Satz:

Dies ist auch bei leichtfertigem Umgang mit Vorwürfen wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Fall sowie bei der Erhebung bewusst unrichtiger Vorwürfe.

Es irritiert hier aber das Wort “auch” – an welche Fälle denkt die HRK denn noch?

Nun sind die HRK-Empfehlungen nicht bindend; aber werden Wissenschaftler, die auf Drittmittelprojekte hoffen, nicht davor zurückschrecken, sich einer “schlechten wissenschaftlichen Praxis” verdächtig zu machen, wenn sie Plagiate finden sollten? Das kann nicht im Sinne der HRK sein …

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/106

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“Bologna-Reform – Positive Entwicklungen stützen, Fehler korrigieren und Verbesserungen durchsetzen”

Soeben hat die SPD-Bundestagsfraktion einen Antrag zur Bologna-Reform vorgelegt. Sehr erfreulich ist, dass die Fraktion dort gleich als ersten Punkt das wohl kritischste Problem benennt: “Bei der Umsetzung sind Probleme auch dadurch entstanden, dass die Hochschulen in Deutschland chronisch unterfinanziert sind. Für den durch den Bologna-Prozess entstandenen Mehrbedarf sind keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt worden und haben damit teilweise zu unvertretbaren Studienbedingungen geführt.” Wahrscheinlich wird nun der Hochschulpakt gegen diese Kritik in Stellung gebracht; das ist aber nicht korrekt, denn der Hochschulpakt ist vor allem dazu gedacht, Lehrkapazitätemn aufzubauen. Der im Rahmen des Bologna-Prozesses dramatisch gewachsene administrative Aufwand, d.h. genauer: die hierfür notwendigen Stellen sind im Wesentlichen aus der Grundausstattung der Universität heraus finanziert worden. Diese Grundausstattung ist deutschlandweit in just dem fraglichen Zeitraum nicht nur stagnierend, sondern real eher rückläufig. Strenggenommen ist das nicht nur eine Frage des Bologna-Prozesses, wenn man diesen nur als Phase der Implementierung neuer Studiengänge begreift; es handelt sich um Daueraufgaben, die immer häufiger aus Projektmitteln und befristeten Zuweisungen finanziert werden müssen.

Dass die SPD-Fraktion am Ende der Ausführungen den Bund zur vieldiskutierten Grundgesetzänderung auffordert, um den Ländern mit Bundesmitteln in der Hochschulausstattung zu helfen, ist allerdings irritierend, denn jenseits dieser sehr berechtigten Frage (Darf der Bund …?) bleibt festzuhalten, dass auch SPD-geführte Bundesländer in der Hochschulfinanzierung nicht gerade rühmlich dastehen; auch hier stagniert die Grundausstattung bei dramatisch wachsenden Studierendenzahlen, Prüfungszahlen, Zusatzaufgaben und Verwaltungsaufwand. Hier gibt es noch Einiges zu tun.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/101

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Dr. standard.

Die neue Bundesbildungsministerin Johanna Wanka plädiert für eine Reform der Promotionsverfahren – “Ich werde im Wissenschaftsrat vorschlagen, dass dort Standards für die Überprüfung von Doktorarbeiten entwickelt werden”, sagte sie der Rheinischen Post. Ihr gehe es um Themen wie Themen wie Gutachter, Dauer der Verfahren oder Verjährung.

Damit reiht sie sich in die Reihe jener ein, die das Problem der Plagiatsaffären der letzten Jahre vor allem auf Seiten der Hochschulen sehen – als hätten die Universitäten versagt. Das Verursacher-Prinzip wird damit vollkommen auf den Kopf gestellt. Wie sollten denn die neuen Standards aussehen, nach denen die Affären der letzten Jahre keine gewesen wären? Hätte die Zahl der Gutachter wirklich etwas geändert? Im positiven Sinne hätten (mehr oder externe) Gutachter nur wirken können, wenn die fraglichen Dissertationen dadurch gar nicht erst zur Promotion zugelassen worden wären. Die Dauer der Verfahren? Wie soll das die Qualität der Dissertationen beeinflussen? Am ärgerlichsten aber ist die Verjährungsfrage: Verjährung heilt nicht, sie sorgt nur für Straffreiheit, da die fragliche Tat  nicht mehr verfolgt werden darf. Sie ist also ein Instrument des Rechtsfriedens. Sie dient jedoch nicht dazu, unrechtmäßig erworbene Rechte oder Ansprüche zu schützen. Der Entzug des Doktortitels ist ja auch keine Strafe, sondern zunächst einmal die Zurücknahme eines Verwaltungsaktes, der offensichtlich nicht korrekt war. Erst wenn ein Verfahren wegen Betrugs hinzukommt (was bei echten Täuschungsversuchen wünschenswert ist), handelt es sich um eine strafrechtlich relevante Frage; hier könnte man auch über Verjährung sprechen; aber dazu müsste (was nicht an allen Universitäten der Fall ist) eine entsprechende eidesstattliche Erklärung des Doktoranden zu seiner Dissertation verlangt werden. Das wäre dann, wenn es deutschlandweit verlangt wird, wirklich eine Verschärfung – und eine wünschenswerte Standardisierung des Promotionsrechts.

Am Ende bleibt aber vor allem die Frage, wieso “die Wissenschaft” (wer genau ist das?) hier eigentlich Standards entwickeln oder verändern muss. Die Hochschulen haben das Promotionsrecht, nicht der Bund, die Länder, die DFG oder der Wissenschaftsrat. Die Hochschulen entscheiden, wie sie damit umgehen. Dass es in den letzten Jahren so viel Aufmerksamkeit für Plagiate gegeben hat, ist nicht die Schuld der Hochschulen und keine Folge des universitären Promotionsrechts, sondern Ergebnis schlampiger Arbeit der Doktoranden oder echter Täuschungsabsichten.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/94

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Wissenschaftlich schreiben und lesen

Unter dem Titel “Orte der Einkehr” berichtet die duz von der Expansion universitärer Schreibzentren, von der zunehmenden Vernetzung der entsprechenden universitären Akteure und der Gründung der Gesellschaft für Schreibforschung und Schreibdidaktik. Die duz schließt sich dem Appell der Gesellschaft an: Es braucht mehr Geld, das konstant und damit erwartbar zur Verfügung stehe; Schreibausbildung sei ein zentraler Bestandteil des Bologna-Studiums. Es brauche auch einen sichtbaren Ort, der für Beratung, Workshops und Gruppenarbeit genutzt werden könne. Personell seien mindestens ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, ein Koordinator und mehrere studentische Hilfskräfte nötig. Zudem sollten Universitäten in die Weiterbildung dieser Mitarbeiter investieren.

Wahrscheinlich wird eine solche Forderung jene, die sie überhaupt wahrnehmen, eher polarisieren; die einen werden sie für einen Ausdruck der Bologna-Bulimie halten (Techniken ohne Inhalte), andere werden darin einen Beitrag zum Erwerben der gegenüber Fachinhalten viel wichtigeren Schlüsselkompetenzen sehen.

Produktiver ist jedoch wohl ein dritter Weg: die Integration der Schreib- und Leseschulung in das fachwissenschaftliche Studium, ausgerichtet an fachlichen Inhalten, die zugleich auch Fachkompetenz, Selbstkompetenz und Sozialkompetenz schulen. Im Studiengang B.A. Geschichte (Kernfach) gibt es gegenwärtig eine Übung Historische Darstellung im Modul Grundlagen, Theorien und Methoden der Geschichtswissenschaft (1./2. Semester), die die Sensibilität für die textliche Verfasstheit historischer Erkenntnisse fördern soll. Hier sind Lesen und Schreiben in einer Veranstaltung miteinander integriert. Zugleich wird das Schreiben wissenschaftlicher Arbeiten in vier Proseminaren eigens thematisiert – keine Mainzer Errungenschaft, sondern ein Standard in der geschichtswissenschaftlichen Ausbildung. Hört man sich jedoch in anderen geisteswissenschaftlichen Fächern um, so scheint die Erkenntnis, dass man Lesen und Schreiben schulen muss, nicht überall verbreitet. Häufiger ist das Klagen, das Studierende ohne Lesemotivation und ohne besondere Talente im Schreiben an die Universtät kommen. Das wird jedoch nicht durchweg in eine universitäre Aufgabe übersetzt.

Die Universität Mainz geht tendenziell verschiedene Wege: Manche Fachbereiche bemühen sich um fachbereichsweite Angebote, andernorts integrieren Fächer das Lesen und Schreiben in ihr Curriculum. Die Universität organisiert über die Universitätsbibliothek eine “Lange Nacht der Hausarbeiten”, in denen nicht nur Lesen und Schreiben angesprochen, sondern auch viele weitere Themen berührt werden. Als offenes Angebot hat das einen hohen Wert. Und im Rahmen des Qualitätspaktes Lehre wurde ein Angebot geschaffen, in dem sich Lehrende und studentische Tutoren intern in der aktivierenden Textarbeit weiterbilden können.

Braucht es dann noch Schreibzentren? Im Sinne der inneruniverstären wisseschaftlichen Weiterbildung sicherlich. Ob man aber die Arbeit mit Studierenden in Schreibzentren auslagern darf, ist zumindest ambivalent: Es entlastet die Fächer, die sich dann wieder auf ihre Inhalte konzentrieren können, zu sehr: Sie werden aus der Pflicht entlassen, sich selbst darum zu kümmern. Mein Eindruck ist, dass sie eher stärker in die Pflicht genommen werden müssten. Auch das peer-to-peer Gespräch über Texte, die man liest, und solche, die man schreibt, scheinen vom innerfachlichen Gegenstand, an den sie in der oben genannten Übung gebunden sind, zu profitieren. Und die textliche Verfasstheit der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse differiert so deutlich, dass es lohnen dürfte, diese Aufgabe ins Fach zu geben. Die Studierenden – und die Lehrenden – werden hiervon sicherlich profitieren.

Quelle: http://geschichtsadmin.hypotheses.org/88

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