Rezension: Adam Tooze – The Deluge. The Great War and the Remaking of Global Order 1916-1931 (Teil 1)

 

Adam Tooze - The Deluge. The Great War and the Remaking of Global Order 1916-1931 (Deutsch) (Hörbuch)

Es gibt immer wieder Bücher, die so voller Erkenntnisse und Ideen stecken, dass sie mehrere Lektüren brauchen, um voll zu wirken. Manchmal sind sie ihrer Zeit geradezu voraus, ist die Wichtigkeit ihres Gegenstands zum Zeitpunkt des Erscheinens gar nicht klar oder sie werden vielleicht erst durch spektakuläre Ereignisse wirklich relevant. Werke wie "The Deluge" (hier und hier bereits besprochen) oder "Wages of Destruction" (hier und hier besprochen) sind solche Werke, auf eine Art, die Toozes neuere Schöpfungen wie "Crashed" (hier und hier besprochen) oder "Shutdown" (hier besprochen) nicht sind, obwohl sie eigentlich viel aktuellere Themen besprechen als die Zwischenkriegszeit. Es ist aber auch faszinierend, wie ein geänderter Blickwinkel plötzlich neue Dinge hervorhebt. Obwohl ich "The Deluge" bereits zweimal gelesen habe, hatte ich den Eindruck, es zum ersten Mal zu öffnen. Die besten Bücher schaffen so etwas, und das ist hier keine Ausnahme.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2025/05/rezension-adam-tooze-deluge-great-war.html

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Rezension: Cathal J. Nolan – The Allure of Battle: A History of How Wars Have Been Won and Lost

 

Cathal J. Nolan - The Allure of Battle: A History of How Wars Have Been Won and Lost (Amazon-Kauflink)

Als Putin im Februar 2022 die Ukraine überfiel, glaubte er an einen schnellen Sieg. Mit nur 120.000 Mann stieß er schnell auf Kiew vor, in der Hoffnung, die ukrainischen Verbände schnell zerschlagen und eine Entscheidung in seinem Sinne herbeiführen zu können. Trotz anfänglicher Erfolge scheiterte er, und der Krieg entwickelte sich zu einer verlustreichen und zähen Abnutzungsschlacht. Obwohl der Ukrainekrieg in Cathal J. Nolans Mammutwerk "The Allure of Battle" keine Rolle spielt, das mit dem Aufstieg der Condottiere in der Renaissance beginnt und mit der Niederlage der Achsenmächte im Zweiten Weltkrieg endet, passt er hervorragend in das Narrativ, das Nolan darin entwirft. Über mehrere Jahrhunderte der Kriegsführung zeichnet der Autor nach, wie Generation um Generation militärischer Planer und Staatschefs der Versuchung verfiel, auf dem Schlachtfeld die Entscheidung in einem Konflikt suchen zu wollen - und dass dies so gut immer eine törichte Hoffnung war, die in Blut erstickte.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2025/04/rezension-cathal-j-nolan-allure-of.html

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Rezension: Ulrich Herbert – Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert

 

Ulrich Herbert - Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert

Es besteht vermutlich kein Mangel an Überblickswerken über die jüngere deutsche Geschichte. Das allein allerdings kann kein Grund sein, nicht eine neue zu verfassen. Neue Erkenntnisse, neue Blickwinkel, neue Forschungsfragen treten konstant auf und beleben die Geschichtswissenschaft. In der deutschen herrscht ohnehin die Tendenz kleinteiligerer Arbeiten zu spezifischen Expert*innenthemen vor, die für die breite Öffentlichkeit wenig konsumierbar sind. Umso willkommener sind Werke von gestandenen Fachhistoriker*innen, die einen Überblick über eine Epoche geben und so auch einem in der Forschungsdiskussion weniger intensiv verankerten Publikum die Chance geben, von der historischen Wissenschaft zu profitieren. Mit Ulrich Herbert besteht auch wenig die Gefahr, die solchen Werken gerne zu eigen ist und in allzu populärwissenschaftliche Richtungen abzurutschen. Auch der schiere Umfang von 1450 großformatigen, eng bedruckten Seiten und ein stattliches Kampfgewicht, das es als Waffe klassifizieren könnte, legen eine nicht unbedingt leichte Kost nahe. Aber das alles sind Äußerlichkeiten. Die Frage ist, ob es Herbert gelingt, das deutsche 20. Jahrhundert auf der Höhe der Zeit, erkenntnisreich und dennoch lesbar zu untersuchen.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2025/01/rezension-ulrich-herbert-deutsche.html

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Rezension: Lutz Raphael – Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom

 

Lutz Raphael - Jenseits von Kohle und Stahl: Eine Gesellschaftsgeschichte Westeuropas nach dem Boom

Ende der 1960er Jahre begann eine der größten Verwerfungen seit der Industriellen Revolution, die häufig unter "Strukturwandel" gefasst wird: die Deindustrialisierung Europas zugunsten eines stark anwachsenden Dienstleistungssektors. Der Typus des "Malochers", der so lange das Bild des Arbeiters bestimmte und der für das Selbstbild der Nachkriegs-Wachstums-Ära so entscheidend war, begann an Strahlkraft zu verlieren. Stattdessen rutschten die westlichen Industriegesellschaften in eine Strukturwandelskrise, aus der sie als Dienstleistungsgesellschaften wieder auftauchten sollten. Lutz Raphael legt mit "Jenseits von Kohle und Stahl" eine vergleichende Sozialgeschichte, die die Entwicklung ab dem Ende der 1960er Jahre bis in die 1990er Jahre hinein in Deutschland, Frankreich und Großbritannien nebeneinderstellt. Forschungsansätze verschiedener Art, die den Umbruch "von unten", aus der Perspektive der Betroffenen, erklären sollen, verknüpft er dabei mit einer klassischen Ereignisgeschichte, die gleichwohl stets die große Thematik im Blick haben soll. Inwieweit dieser Forschungsansatz aufgeht, soll die Rezension klären.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/03/rezension-lutz-raphael-jenseits-von_0683282106.html

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Rezension: Kevin M. Kruse/Julian Zelizer – Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past

 

Kevin M. Kruse/Julian Zelizer - Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Hörbuch)

Gründungsmythen gehören zu jeder Nation. Es sind Geschichten, die erzählt und ständig wieder erzählt werden, oftmals in geradezu ritueller Form, um eine gemeinsame Identität zu schaffen. Mit historischen Realitäten haben sie häufig wenig zu tun; sie ssagen mehr über die Selbstwahrnehmung der Gegenwart, was man als wichtig empfindet. So erfinden die Franzosen Jahr für Jahr einen Aufstand des gesamten Volkes gegen den korrupten Adel, imaginieren die Briten einen die gesamte Bevölkerung umfassenden Stolz auf das die Wellen beherrschende Britannia, sind die Deutschen stolz auf auf den Fleiß, mit dem sie sich selbst und ohne Hilfe aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs herausgearbeitet haben und feiern die Amerikaner ihre Unabhängigkeit als demokratisches Urereignis. Die USA, als einer der ältestens Staaten der Erde, haben erwartbar mehr Mythen als die meisten anderen Länder, und die polarisierte Gesellschaft sorgt dafür, dass es umso mehr werden. Die Herausgeber Kevin Kruse und Julian Zelizer haben 20 Beiträge amerikanischer Historiker*innen gesammelt, die diesen Mythen auf den Grund gehen.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/01/rezension-kevin-m-krusejulian-zelizer_01185591280.html

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Rezension: Kevin M. Kruse/Julian Zelizer – Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Teil 4)

 

Kevin M. Kruse/Julian Zelizer - Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Hörbuch)

Teil 1 hier, Teil 2 hier, Teil 3 hier.

Kapitel 8 (Sozialismus) verbiegt sich auch ordentlich, um eine grundsätzliche amerikanische Offenheit für sozialistische Ideen aufstellen zu können (was ich für völlig haltlos halte). Einzelevents wie irgendwelche 200 Jahre alten Reden taugen jedenfalls als Beweise überhaupt nicht, das ist keine seriöse Geschichtswissenschaft. Auch die großzügige Sammlung aller Strömungen, die vage die bestehende Ordnung aus einer nicht-rassistischen oder -faschistischen Warte heraus kritisierten unter dem Label "sozialistisch" (vor allem solche, die bestenfalls (!) als sozialdemokratisch (democratic socialism) gewertet werden dürften, ist völliger Quatsch. Der Aufsatz hat mich so hart mit den Augen rollen lassen, dass sie schier aus dem Kopf fielen. Der Versuch, alle guten Entwicklungen der USA auf Sozialisten zurückzuführen und deren mangelnden politischen Erfolg als Ausdruck ihrer Effektivität zu verklären, ist solch motivated reasoning, dass es eigentlich kaum der weiteren Kritik bedarf. Für Bismarck und Wilhelm II. wäre es jedenfalls bahnbrechende Neuigkeit, dass Kooptierung dazu führte, dass "Sozialisten" keine Wahlerfolge feiern können. Mich erinnert das Ganze an die Abhandlungen der BernieBros 2016.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/01/rezension-kevin-m-krusejulian-zelizer_0583249890.html

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Rezension: Kevin M. Kruse/Julian Zelizer – Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Teil 3)

 

Kevin M. Kruse/Julian Zelizer - Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Hörbuch)

Teil 1 hier, Teil 2 hier.

Ein in letzter Zeit hauptsächlich rezipierter Anlass für den in Kapitel 14 besprochenen white backlash folgt in Kapitel 16, "Police Violence", von Elizabeth Hinton. Sie zeigt anhand von Ausschreitungen in den 1960er Jahren, dass Polizeigewalt oft die Ursache, nicht die Folge von Ausschreitungen war. Dieses Muster, das sich in Ferguson, bei George Floyd und in vielen anderen Fällen in den 2010er und 2020er Jahren beobachten ließ (#BlackLivesMatter), hat seinen Ursprung bereits wesentlich früher. In den 1960er Jahren wurde die systemische Polizeigewalt nur erstmals überhaupt wahrgenommen, wenngleich die weiße Mehrheit sie überwiegend begrüßte. Das galt auch für die Proteste Martin Luther Kings (siehe Kapitel 13), die ebenfalls massiver und unprovozierter Polizeigewalt ausgesetzt waren, die die Zeitgenossen nicht etwa den rassistischen Terrorregimen der Südstaaten, sondern den Protestierenden zuschrieben.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/01/rezension-kevin-m-krusejulian-zelizer_0601869905.html

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Rezension: Kevin M. Kruse/Julian Zelizer – Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Teil 2)

 

Kevin M. Kruse/Julian Zelizer - Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Hörbuch)

Teil 1 hier.

Kapitel 8, "American Socialism", beginnt mit dem Vortrag des Walisers Robert Owen vor dem Kongress vor über 200 Jahren, in dem dieser sozialistische Ideen unter großem Interesse und Anteilnahme vortrug. Für Michael Kazin ist das ein Beleg dafür, dass die Amerikaner*innen nicht so grundlegend antisozialistisch eingestellt sind, wie das oft behauptet werde. Zahlreiche Intellektuelle hätten in den folgenden Jahrzehnten sozialistische Ideen verbreitet, Organisationen wie Gewerkschaften dafür gekämpft und diverse Abgeordnete auf ihrer Basis Mandate errungen. Sozialistische Ideen hätten Druck auf die gemäßigte Linke und selbst Rechte ausgeübt, die sie übernommen hätte (etwa im New Deal) und die ob ihrer Popularität auch unter Rechten wie Reagan nicht zurückgefahren worden wären. Der mangelnde elektorale Erfolg sei maßgeblich auf diese Kooptierung sozialistischer Ideen zurückzuführen. Dass Sozialisten meist als Democrats gewählt wurden, zeige ihre moderate, reformorientierte Haltung.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/01/rezension-kevin-m-krusejulian-zelizer_02049699008.html

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Rezension: Kevin M. Kruse/Julian Zelizer – Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Teil 1)

 

Kevin M. Kruse/Julian Zelizer - Myth America: Historians Take On the Biggest Legends and Lies About Our Past (Hörbuch)

Gründungsmythen gehören zu jeder Nation. Es sind Geschichten, die erzählt und ständig wieder erzählt werden, oftmals in geradezu ritueller Form, um eine gemeinsame Identität zu schaffen. Mit historischen Realitäten haben sie häufig wenig zu tun; sie ssagen mehr über die Selbstwahrnehmung der Gegenwart, was man als wichtig empfindet. So erfinden die Franzosen Jahr für Jahr einen Aufstand des gesamten Volkes gegen den korrupten Adel, imaginieren die Briten einen die gesamte Bevölkerung umfassenden Stolz auf das die Wellen beherrschende Britannia, sind die Deutschen stolz auf auf den Fleiß, mit dem sie sich selbst und ohne Hilfe aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs herausgearbeitet haben und feiern die Amerikaner ihre Unabhängigkeit als demokratisches Urereignis. Die USA, als einer der ältestens Staaten der Erde, haben erwartbar mehr Mythen als die meisten anderen Länder, und die polarisierte Gesellschaft sorgt dafür, dass es umso mehr werden. Die Herausgeber Kevin Kruse und Julian Zelizer haben 20 Beiträge amerikanischer Historiker*innen gesammelt, die diesen Mythen auf den Grund gehen.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/01/rezension-kevin-m-krusejulian-zelizer.html

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Rezension: Shlomo Venecia – Inside the Gas Chambers. Eight Months in the Sonderkommando of Auschwitz

 

Shlomo Venecia - Inside the Gas Chambers. Eight Months in the Sonderkommando of Auschwitz (Hörbuch)

Der Holocaust gehört zu den historischen Ereignissen, die man wohl als die am weitesten bekannte und theoretisch best erforschte betrachten dürfte. Trotzdem ist das Wissen über den industriellen Massenmord an den Juden Europas erstaunlich dünn und oberflächlich, was selbst eigentlich versierten Menschen immer wieder klar wird, wenn sie sich den Details des grausigen Geschehens stellen. Angesichts der steigenden Zahlen von Holocaust-Relativierung und Holocaust-Leugnung ist gerade diese Auseinandersetzung immer wieder geboten, und aus historischer Perspektive schon alleine deswegen interessant, weil das Geschehen des singulären Ereignisses meist nur abstrakt bekannt ist. Sechs Millionen tote Juden - eine, wie das Vorwort feststellt, eher konservative Schätzung - sind eine Statistik. Weder die Schicksale dahinter noch die Abläufe des Massenmords werden dahinter sichtbar. Ein Mosaikstein dieser Abläufe ist die Arbeit der Sonderkommandos, der jüdischen Arbeiter, die die Drecksarbeit erledigten. Shlomo Venecia, italienisch-stämmiger Jude aus Griechenland, ist einer der wenigen Überlebenden der Sonderkommandos. Dieses Buch erzählt seine Geschichte.



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Quelle: http://geschichts-blog.blogspot.com/2024/01/rezension-shlomo-venecia-inside-gas_01231034522.html

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