Ein streitbarer Gelehrter

Wenn von Humanisten die Rede ist, denkt man an Gelehrte, die vor allem ihr perfektes klassisches Latein schulen, ansonsten aber eine eher weltabgewandte Existenz führen. Das mag es gegeben haben, doch nahmen viele dieser Gelehrten lebhaften Anteil an den Debatten ihrer Zeit und prägten sie auch mit. Dies gilt in ganz besonderem Maße für Kaspar Schoppe, der seine Gelehrsamkeit für zahlreiche polemische Attacken im konfessionellen Streit des frühen 17. Jahrhunderts einsetzte. Ursprünglich stammte Schoppe aus einer protestantischen Familie in der Oberpfalz, doch konvertierte er, knapp 22jährig, 1598 zum Katholizismus. Schon damals hatte er begonnen, sich mit seinen philologischen Studien einen Namen zu machen. Doch ein ruhiges Gelehrtenleben war nicht seine Sache; konfessioneller Furor, nicht ganz untypisch für Konvertiten, und Streitlust verschafften ihm eine Berühmtheit von zweifelhaftem Ruf: Seine Publikationen machten ihn teilweise so verhaßt, daß er sich im Reich nicht mehr sicher fühlte und bereits vor Ausbruch des Dreißigjährigen Kriegs nach Italien ging. Dort lebte und wirkte er an verschiedenen Orten, bis er sich 1635 in Padua niederließ, wo er bis zu seinem Tod 1649 bleiben sollte.

Schoppe erlebte also nicht nur den Dreißigjährigen Krieg bis zu seinem Ende, sondern hatte auch die Vorkriegszeit mit ihrer sich ständig weiter aufheizenden konfessionellen Spannung miterlebt – und beschränkte er sich dabei nicht nur auf die Rolle eines Zuschauers, sondern gestaltete die Phase auch mit. Er begeisterte sich für die Idee, daß sich die katholischen Reichsfürsten in einem Sonderbund zusammenschließen, wie es dann in der Katholischen Liga geschah (vergleiche den Aufsatz von Franziska Neuer-Landfried), und half mit seiner Publizistik eifrig mit, die Tonart zwischen den Konfessionsparteien zu verschärfen: sein berüchtigtes „Classicum belli sacri“ von 1619 war nichts weniger als ein Aufruf zum Krieg gegen den Protestantismus; die lateinische Urfassung wurde auch rasch in deutscher Übersetzung verbreitet als „Alarm zum Religions-Krieg in Teutschland“. Seine Schriften – und genauso die harschen Gegenreaktionen, die er damit hervorrief – sind mittlerweile sehr gut über das VD17 zu recherchieren. Doch gibt es neben den publizistischen Zeugnissen auch eine Autobiographie und einen umfänglichen Briefwechsel, die mittlerweile in sieben stattlichen Bänden ediert vorliegen. Für diese Edition zeichnet Klaus Jaitner verantwortlich, der diesen Quellenkorpus zwischen 2004 und 2012 herausgegeben hat.

Unter dem Titel „Philotheca Scioppiana“ ragt besonders die Autobiographie hervor, die Schoppe 1585 einsetzen ließ (es war das Jahr, als er in Amberg das Pädagogicum besuchte) und bis zum Jahr 1630 fortführte; hier beschreibt er noch den Regensburger Kurfürstentag (er war damals selbst vor Ort), bevor dieses Werk unvermittelt abbricht. Hinzu kommen knapp 1.500 Briefe, die einen Zeitraum von Anfang 1595 bis August 1649 abdecken. Aus diesen Zeugnissen erschließt sich ein schillerndes Bild der miterlebten Jahre; auch auf viele zeitgenössische Persönlichkeiten fällt ein Schlaglicht – nicht unbedingt immer ein positives: Ferdinand II. erfährt keine sonderlich schmeichelhafte Würdigung, ihm wirft Schoppe vor, allzu sehr von jesuitischen Einflüsterungen abhängig zu sein. Dafür belegt der Humanist den Feldherrn Tilly, den er noch 1630 in Regensburg getroffen hatte, mit den ehrenden Beinamen eines Gideon und Judas Maccabäus – Streiter für den Glauben, wie er es auch bei Tilly sah.

Die Philoteca ist natürlich in lateinischer Sprache verfaßt (in der Edition ist allerdings eine deutsche Übersetzung beigefügt), auch die Korrespondenz ist vor allem auf Italienisch und Lateinisch gehalten, wenige Briefe in deutscher und spanischer Sprache. Das mag mühselig erscheinen, doch einem Humanisten kommt man nun einmal nur auf diese Weise nahe. Immerhin bietet jetzt eine kurze, aber illustrative Würdigung der Edition von Alexander Koller in den QFIAB eine erste Einführung zu diesen Schriften Schoppes: Die Freiheit von Wort und Schrift. Zur Edition der Autobiographie und der Korrespondenz des Philologen und politisch-konfessionellen Grenzgängers Kaspar Schoppe (1576-1649), in: QFIAB 93 (2013), S. 363–376 (der vollständige Text wird auf perspectivia.net im März 2015 erscheinen können).

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/495

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