Die vergangenen zwei Tage habe ich in einigen Frankfurter Museen verbracht und mir ist jetzt danach, grundsätzlich über die Gestaltung von Ausstellungen für Menschen nachzudenken. Ein Museumsbesuch ist anstrengend. Das langsame Umhergehen in den Sälen, das Stehenbleiben, Betrachten, Lesen, Zuhören – je nachdem – ist nicht ohne. Habe ich den Besuch einer Ausstellung hinter mir, bin ich einfach kaputt. Warum muss ich eigentlich die ganze Zeit gehen oder stehen? Warum denkt niemand der Ausstellungsmacher daran, dass die Besucher auch mal müde werden? Und wenn man müde wird, kann man die Kunst auch nicht mehr genießen. Ich hätte mehr davon, könnte ich mich immer mal wieder bequem hinsetzen und dann in Ruhe und mit Genuss die Kunstwerke anschauen. Mit müdem Rücken ist das schwierig.
Nehmen Sie doch einen Stuhl mit!
Jetzt sagen Sie nicht: „Aber Sie können doch einen Stuhl in die Ausstellung mit hineinnehmen. Diese schwarzen Klappstühle, die es im Eingangs-/Garderobenbereich gibt.“ Ja, könnte ich, aber warum sollte ich so ein Ding permanent mitschleppen? Wieviel Menschen sehen Sie bei einem Museumsbesuch, die so ein Ding mit sich herum tragen? Ich habe in diesen zwei Tagen niemanden gesehen.
Gehe ich in ein Museum, bin ich noch frisch und wissensdurstig. Wenn ich dann das Bedürfnis nach einem am Eingang angebotenen Stuhl verspüre, bin ich meist meilenweit davon entfernt, irgendwo am anderen Ende des Museums. Deswegen zurücklaufen? Und wieder dorthin finden, wo ich gerade bin? Warum werden die Stühle nicht an verschiedenen Orten angeboten, so dass ich häufiger die Möglichkeit habe, einen Stuhl zu benutzen und ihn wieder abzugeben, damit ich ihn nicht ständig mitschleppen muss? Das ist eine zu bewältigende Organisationsfrage, meine ich.
Oder wenn ich sitzen darf, warum muss es ein unbequemer zusammengezimmerter Holzwürfel sein? Natürlich ohne Rückenlehne. Im Städel stürzte ich mich auf eine runde gepolsterte Sitzbank. Ich lehnte mich zurück, betrachtete das große Bild eines Obstgartens, taggte es in Gedanken und dachte: “Mist. Es zieht.“ Die Bank enthielt die Belüftungs- und Klimatechnik für den Raum. Sicherlich eine wichtige Sache, aber warum muss das so laut sein, dass es mir in den Ohren braust? Für das Museum ist es praktisch, die Klimatisierung mit einem Sitzmöbel zu kaschieren. Aber ist es das im Sinne des Besuchers? Zumal es so laut ist? Ich war richtig irritiert. Dabei will ich doch nur sitzen und in Ruhe genießen! [1]
Auch auf dem Fußboden kann man sitzen – oder nicht?
Ein Gutes hatte es, dass es im Museum für Moderne Kunst mit Sitzgelegenheiten besonders schlecht bestellt war: In der obersten Etage angekommen, war dermaßen k.o, dass ich mir die Videoinstallation „The Krazyhouse“ von Rineke Dijkstra so lange angeschaut habe, wie ich es sonst nie getan hätte und was sich wirklich gelohnt hat. Ich setzte mich auf den weichen Hochflorteppich und ließ mir Zeit beim Anschauen der Videos. Glücklicherweise bin ich gesundheitlich in der Lage, dann auch wieder aufzustehen. Aber wie sieht das bei älteren Menschen aus? Da kann nicht mehr jeder auf dem Boden sitzen. Warum denkt man nicht an sie? Ist das wirklich nur Gedankenlosigkeit oder würde ein Stuhl den Kunstgenuss stören? Was hat Vorrang? Auch das ließe sich, meine ich, organisieren.
Deshalb an alle Ausstellungsmacher: Das Gestalten von Ausstellungen ist eine anspruchsvolle Aufgabe und muss im Sinne des Betrachters geschehen. Denken Sie immer daran, dass die Menschen, für die Sie Ausstellungen planen, in ihrer Aufmerksamkeit begrenzt sind. Das ist ganz banale Normalität. Deshalb ein paar Vorschläge:
- Stellen Sie bequeme Sitzgelegenheiten vor die Bilder.
- Laden Sie zum Verweilen ein, nicht zum Vorübergehen.
- Lenken Sie den Besucher nicht ab.
- Überfordern Sie den Besucher nicht.
Vielleicht lässt sich durch die einfache Maßnahme der Ausstattung mit Sitzmöbeln die von Martin Tröndle [2] festgestellte Verweildauer von etwa 11 Sekunden, die der Betrachter durchschnittlich vor einem Bild verbringt, erhöhen.
Sorgen Sie dafür, dass Besucher im Museum mehr machen, als Kunst zu konsumieren. Das können sie schließlich auch im Internet. Schaffen Sie Raum und Zeit für Erfahrungen, die im Internet nie möglich sein werden: die Auseinandersetzung mit dem Original. Die ist in 11 Sekunden im Vorbeigehen nicht möglich.
[1] Übrigens hat das Städel so schöne Bilder, die ich gerne mit ARTigo taggen würde. Ein solchermaßen kennen gelerntes Bild dann in einer Ausstellung wiederzusehen, ist außerdem ein besonderes Erlebnis.
[2] siehe hierzu: Und die Herzen schlagen höher. Was geht in uns vor, wenn wir Kunst sehen? Eine neue Studie könnte die Museumswelt schwer erschüttern. Die ZEIT, 19.4.2012, Nr. 17
Quelle: http://games.hypotheses.org/947