Javelwasser und die poetische Funktion der Sprache

In den letzten Monaten, die ich in Paris verbrachte, war es dann schließlich so weit: Der Kloreiniger, den ich bis dahin resourcenschonend verwendet hatte, und den ich noch von der Vormieterin geerbt hatte, war endgültig zu neige gegangen. Ich machte mich daher, sobald ich Zeit hatte, auf den Weg zum nächsten Carrefour bei mir um die Ecke, um für Ersatz zu sorgen. Einkäufe von Alltagsgegenständen, insbesondere von Dingen, die man normalerweise komplett ignoriert, waren immer schon ein Horror für mich, wenn ich im Ausland war. Alle Routinen, die man sich über die Jahre angewöhnt hat, werden auf einmal über den Haufen geworfen, und man muss sich nicht nur mit den Standards einer fremden Kultur in einem Bereich auseinandersetzen, der gewöhnlich sehr fern von Unescos Kulturwelterbeliste angesiedelt wird, sondern man wird auch schnell an seine eigene Borniertheit und Abhängigkeit von Alltäglichkeiten erinnert, denen man normalerweise ja kaum Beachtung schenkt.

Als ich vor dem Regal mit WC-Reinigern im Carrefour stand, gingen mir genau diese, und viele andere Gedanken durch den Kopf. Ich dachte an die Seife aus Marseille mit ihren diversen Varianten, viele davon mit Gerüchen von Pflanzen, die ich gar nicht kenne. Lavendel gefällt mir immer am besten, aber vielleicht auch nur, weil ich ihn kenne. Ich dachte auch an eine Studie, die ich gelesen hatte, in der stand, dass wir kulturell geprägt unterschiedliche Gerüche mit Sauberkeit und Hygiene verbinden: In Deutschland denkt man bei Sauberkeit und Keimfreiheit wohl am ehesten an Zitrone, und je weiter man in den Süden geht, desto eher strahlt Chlorgeruch Sicherheit aus, der mich selbst immer eher an Schwimmbäder erinnert, die ich selten mit Sauberkeit verbinde. Ich fragte mich, ob Paris jetzt eigentlich schon südlich genug sei, oder ob sich die Studie dann doch eher auf Spanien und Italien bezogen hätte.

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Quelle: https://wub.hypotheses.org/47

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