Wallensteinische Werbungen in Köln

Im Dezember 1630 wurden dem Rat der Reichsstadt Köln Patente zur Werbung von Söldnern vorgelegt. Dies passierte durchaus häufig, und da es sich um Werbungen für die kaiserliche Armee handelte, hatte der Rat bei seinen Beratungen am 18. Dezember auch keine Bedenken, diese Werbungen zu erlauben. Allerdings ist diese Angelegenheit nur auf den ersten Blick klar; wenn man sich den Passus in den Ratsprotokollen anschaut, fallen doch Besonderheiten, vielleicht auch Ungereimtheiten auf.

Zunächst wird offenbar, daß es sich nicht um die Neuaufstellung einer Einheit handelte. Vielmehr ging es um die Zuwerbung zu einem bereits existierenden Regiment. Es war, wie das Protokoll vermerkt, das Regiment des Obersten Kaspar von Gramb. Dieser war nicht selbst in der Stadt, sondern hatte einen seiner Hauptmänner, Dietrich Grave, als einen Werbeoffizier geschickt. Auffällig ist jedoch, daß ausgerechnet so spät im Jahr, mitten im Winter, das Regiment verstärkt werden sollte. Normalerweise lagen die Einheiten in den Winterquartieren; eigentlich wurden erst im Frühjahr, im unmittelbaren Vorfeld eines neuen Feldzugs, die Einheiten durch Zuwerbungen ergänzt. Eine Erklärung für diesen Zeitpunkt ergibt sich aus den Umständen, in denen sich das Regiment des Obersten Gramb befand.

Der Oberst fungierte damals als Stadtkommandant in der Hansestadt Wismar; sein Regiment lag dort in Garnison. Die Situation im Herbst 1630 wurde zunehmend kritisch: Die Versorgung der Soldaten war miserabel, viele waren krank, angeblich starben täglich 10-15 Mann. Bedenklich war zudem die feindselige Haltung der Bewohner von Wismar, denen der Oberst nicht mehr traute. Er forderte daher dringende Verstärkungen an und drohte, falls diese nicht bewilligt würden, mit seiner Resignation (siehe die Angaben in den Documenta Bohemica Bellum Tricennale illustrantia, Bd. 5, hrsg. v. Miroslav Toegel, Prag 1977, S. 21 u. 30). Vor dem Hintergrund wird zumindest klar, warum Gramb mit Werbungen nicht mehr bis zum Frühjahr warten konnte.

Auffällig bleibt ein anderes Detail. Im Ratsprotokoll ist explizit von „patenten des Hertzogen zu Friedtlandt“ die Rede (Historisches Archiv der Stadt Köln, Ratsprotokolle Bd. 76, fol. 493‘). Abgesehen davon, daß Wallenstein selbst lieber als Herzog von Mecklenburg tituliert worden wäre, verwundert dies insofern, weil er seit seiner Entlassung im August des Jahres 1630 nicht mehr als Feldherr des Kaisers agierte. Auf welcher Rechtsgrundlage konnte er also noch Patente ausgeben, mit denen er Söldner anwerben ließ? Eine Erklärung wäre, daß dieses Patent noch vor August 1630 datiert war, doch selbst in dem Fall bliebe die Frage, ob es dann noch gültig wäre.

Über die Frage der Legitimität hinaus ist aber zu klären, welches Interesse Wallenstein überhaupt noch hatte, Werbepatente auszustellen, falls er doch zum Zeitpunkt der Ausstellung gar nicht mehr für die Armee zuständig war. Hier bleibt – zumindest sehe ich derzeit keine andere Erklärung – nur der Hinweis auf die Geographie: Die Hansestadt lag im Herzogtum Mecklenburg, und wenn Wallenstein auch das Amt als Feldherr verloren hatte, wollte er definitiv nicht auf das ihm übertragene Herzogtum verzichten. Wismar war ein Einfallstor nach Mecklenburg, das es zu schützen galt. Grund genug also, die kaiserlichen Truppen in der Stadt zu verstärken, unabhängig von der Rechtsgrundlage. Interessant ist allerdings zu sehen, dass diese Bemühungen sogar die Reichsstadt Köln erreichten, die ansonsten mit Wallenstein und dem Krieg im Nordosten des Reiches nicht viel zu tun hatte.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/377

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