Haben Früchte eine Nationalität? Zur Wissensgeschichte der Obstbaukunde im 19. Jahrhundert

(Friedrich Pollack)

In der historischen Nationalismusforschung spielten Fragen der Nutzpflanzenkultivierung und des Obstanbaus bislang nur eine untergeordnete Rolle. Dabei ließen sich aus ihrer Betrachtung durchaus mentalitätsgeschichtliche Erkenntnisse gewinnen, die unser Verständnis von nation-building-Prozessen um einige Facetten bereichern können.

Erfahrenen Obstbaukundlern (Pomologen) sind Apfelsorten wie die Deutsche Nationalbergamotte, die Prinz Albrecht von Preußen, die La Nationale, die La Bonaparte, die Queen Caroline, die Windsor oder die Pride Of Washington mit Sicherheit ein Begriff. Erst Anfang 2017 verlieh das Bundessortenamt in Hannover dem bislang bloß unter der Kenn-Nummer Malus Mill. APF 681 geführten Apfel den Namen Joachim Gauck.[1] Daraus wird ersichtlich, dass es sich bei der Pomologie keineswegs um eine per se politikferne Tätigkeit handelt, sondern dass nationale Identität und kollektives Gedächtnis mitunter sogar auf der Streuobstwiese verhandelt werden.[2]

Auch in der sorbischen Geschichte kreuzten sich verschiedentlich die Wege von Nationsbildung und empirischer Naturforschung.

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Quelle: https://lausitz.hypotheses.org/211

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