Die Schlacht bei Alerheim Anfang August 1645 war ein Desaster für die kurbayerische Armee – hohe Verluste, dazu der Tod des Feldherrn Mercy. In den Korrespondenzen mit seinen Gesandten beim Westfälischen Friedenskongreß bewegte Kurfürst Maximilian allerdings ein ganz anderes Thema: Angesichts des Blutzolls, den die französischen Regimenter geleistet hatten, fürchtete er, „es werden sich abermal gehässige leüth finden, welche spargiren dürffen, als ob die unserige auß sonderbarem haß und rach forderist den Franzosen hart zuesetzen und sie nit wie die Teutsche gefangen nemmen, sonder ohne ainige erthaillung der begerten quartier nidermachen thetten“ (Maximilian an seine Gesandten am 9.8.1645, in: Die diplomatische Korrespondenz Kurbayerns zum Westfälischen Friedenskongreß, Bd. 2: Die diplomatische Korrespondenz Kurfürst Maximilians I. von Bayern mit seinen Gesandten in Münster und Osnabrück, Teilband 2: August – November 1645, bearb. v. Gabriele Greindl und Gerhard Immler (Quellen zur Neueren Geschichte Bayerns, 2/2), München 2013, S. 369).
Hatte der Kurfürst in diesem Moment tatsächlich Sorge, daß der Krieg sich radikalisierte und die Kriegführung von einer neuen Verbitterung geprägt sein würde? Eigentlich war es in der Zeit des Dreißigjährigen Kriegs unüblich, den Gegner niederzumachen, wenn er den Kampf aufgeben wollte und um „Quartier“ bat, also darum, als Kriegsgefangener behandelt zu werden. Dies war zum wenigsten Ausdruck einer humanen Kriegführung als vielmehr dem Umstand geschuldet, daß auf beiden Seiten Söldner kämpften, die nicht aus ideologischen oder religiösen Gründen in den Krieg gezogen waren, sondern einen Beruf ausübten. Es gab eine gewisse Solidarität unter den Söldnern, und Gefangenen machte man oft das Angebot, in der Armee des Siegers zu dienen: Diese Söldner wurden „untergestoßen“, wie man sagte, fehlten also nicht nur dem Gegner, sondern verstärkten sogar die eigenen Truppen – während sie selbst wiederum in Lohn und Brot standen. Feindliche Söldner nicht zu töten, sondern gefangen zu nehmen, konnte eine win-win-Situation für alle Beteiligten sein.
Genau dieser Mechanismus war in der Schlacht von Mergentheim, ungefähr drei Monate vor Alerheim, gestört worden – angeblich. Denn es kamen Gerüchte auf (interessanterweise mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung von einigen Wochen), denen zufolge die siegreiche bayerische Armee „ein unerhörliche crudelitet und verbitterung insonnderheit wider die Franzosen erscheinen lassen, keinem kein quartier geben wollen, sonder alle nidergemacht und den Teutschen allein verschont haben“ (so Maximilian an seine Gesandten am 12.7.1645, S. 291). Kurfürst Maximilian war angesichts dieser Berichte aufs Höchste alarmiert. Eine solche Eskalation der Gewalt paßte nur schlecht zu seinen Bestrebungen, mit der französischen Seite so schnell wie möglich ein armistitium, eine Beilegung der Kämpfe also, zu erreichen. Natürlich wußte er wie auch sonst alle Zeitgenossen, daß im Kampfgeschehen so erbittert gefochten werden konnte, daß jeder Comment unter den Söldnern vergessen wurde, „da der unbündig soldat in der hütz der waffen und rabbia in keinem zaun zu halten“ (ebd. S. 370, siehe ähnlich auch schon S. 312 u.357 die bayerischen Gesandten am 19.7. und 8.8.1645).
Doch in diesem Fall gab es offenbar noch ein anderes Kalkül. Von französischer Seite wurde die Debatte über das angebliche Massaker an französischen Söldnern bei Mergentheim über Wochen und Monate hochgehalten. Damit hielt man die bayerische Seite auf Trab, die sich nach Kräften bemühte, dieses Gerede als irrig abzutun. Doch mochten diese Gerüchte tatsächlich haltlos sein, halfen sie der französischen Seite doch, den bayerischen Sieg bei Mergentheim in eine moralische Katastrophe für den Sieger zu verwandeln – was wiederum den politischen Preis für das von Maximilian so sehnlich gewünschte armistitium hochtrieb. Jedenfalls instruierte der Kurfürst seine Gesandten in Münster, daß die französischen Verluste bei Alerheim ganz normal im Zuge der Kämpfe zustande gekommen seien und nicht infolge von bayerischen Exzessen. Das Thema läßt sich noch bis September 1645 verfolgen, denn Haslang berichtete noch am 7.9.1645 von dieser Affäre (Bd. 2,2, S. 461). Ob tatsächlich nationale Befindlichkeiten eine Rolle im Krieg spielten, ist angesichts dieser politischen Dimension der Debatte schwer zu entscheiden.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/461