Die digitale Herausforderung im Spiegel der aktuellen deutschen Archivgesetzgebung

Palais_Sickingen_3Wie ist  ist bzw. wie wird in der Archivgesetzgebung der Länder verankert, dass auch digitale Unterlagen als Archivgut an zusehen sind und dementsprechend zu behandeln sind? Mit dieser wichtigen Thematik hat sich Martins Wiech vom LAV NRW beim Deutsch-Niederländischen Archivsymposium im Herbst 2013 beschäftigt. Auch dieser Beitrag wurde in der letzten Archivpflege 80/2014 veröffentlicht.

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Die digitale Herausforderung im Spiegel der aktuellen deutschen Archivgesetzgebung

von Martina Wiech

„Variatio delectat?“ Mit dieser Frage hat Rainer Polley 1991 einen Aufsatz überschrieben, in dem er die bis dahin erlassenen Archivgesetze des Bundes und der Länder verglich.[1] Die Landschaft der deutschen Archivgesetze ist in der Tat sehr vielfältig, zumal dann, wenn man neben den staatlichen Gesetzen des Bundes und der Länder auch noch die archivrechtlichen Bestimmungen der Kirchen mit in den Blick nimmt. Allen gemeinsam ist die Entstehung in den 80er- und 90er-Jahren sowie ihre generelle Konstruktion als Spezialgesetze zur Datenschutzgesetzgebung. Diese entwickelte sich in Deutschland vornehmlich in Reaktion auf das 1983 vom Bundesverfassungsgericht als Grundrecht anerkannte Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Die staatlichen Archivgesetze des Bundes und der Länder, auf die sich dieser Beitrag konzentriert, traten zwischen 1987 (Baden-Württemberg) und 1997 (Mecklenburg-Vorpommern) erstmals in Kraft. Sie entstammen damit einer Zeit, der elektronische Unterlagen grundsätzlich nicht fremd waren. So erwähnte das nordrhein-westfälische Archivgesetz vom 12.6.1989 in § 3 Abs. 4 etwa „programmgesteuerte mit Hilfe von ADV-Anlagen geführte Datenbestände“.[2] Dem damaligen Erfahrungshorizont entsprechend hatte man dabei aber wohl überwiegend in Rechenzentren betriebene Datenbanken und Großrechnerverfahren im Blick. Der Siegeszug der PCs in den öffentlichen Verwaltungen setzte in den Anfangsjahren der deutschen Archivgesetzgebung gerade ein. E-Government und Internet dagegen waren für den Alltag der öffentlichen Verwaltungen in den „Kindertagen“ der deutschen Archivgesetze noch lange ferne Zukunftsmusik.

In größerem Umfang begann man im deutschen Archivwesen seit Ende der 90er-Jahre einen Anpassungsbedarf der Archivgesetze an veränderte Rahmenbedingungen zu konstatieren.[3] Die Konferenz der Leiterinnen und Leiter der Archivverwaltungen des Bundes und der Länder (ARK), das zweimal jährlich tagende Koordinierungsgremium der staatlichen Archivverwaltungen in Deutschland, erkannte den Regelungsbedarf. Sie beauftragte deshalb im März 2001 ihre Arbeitsgruppen „Archive und Recht“ und „Elektronische Systeme in Justiz und Verwaltung“, ein Entwurfspapier mit Formulierungsvorschlägen für gesetzliche Regelungen zur Archivierung digitaler Unterlagen zu erstellen. Dieses 2003 von den Arbeitsgruppen fertig gestellte und 2004 von der ARK genehmigte Papier diente für die folgenden Novellierungen bestehender Archivgesetze als wichtige Richtschnur.[4] Die folgende Darstellung orientiert sich an den in den ARK-Empfehlungen beschriebenen Problemfeldern und stellt parallel dazu Beispiele für die Umsetzung in den in jüngster Zeit novellierten Archivgesetzen vor.

 

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Was tun, wenn die Akte nur noch digital vorliegt?

Einen wichtigen Regelungsbedarf sahen die Verfasser der ARK-Empfehlungen in einer veränderten Legaldefinition des Unterlagenbegriffs. Die deutschen Archivgesetze definieren den Unterlagenbegriff über eine Aufzählung verschiedener Träger bzw. Speichermedien und Unterlagenarten. Die Aufzählung war zwar in vielen Archivgesetzen bewusst offen gelassen worden, und man hatte versucht, andere, noch unbekannte Speicherungsformen definitorisch zu erfassen. In der Praxis ergaben sich jedoch Anwendungsprobleme, insbesondere bei solchen Archivgesetzen, die den eng gefassten Begriff des „maschinenlesbaren Datenträgers“ verwendeten. Die Verfasser der ARK-Empfehlungen schlugen deshalb vor, die definitorische Umschreibung von Speicherform und Datenträger zu vermeiden, aber die bisherige beispielhafte Aufzählung beizubehalten, um den anbietungspflichtigen Stellen eine praktische Vorstellung der anzubietenden Unterlagen zu ermöglichen.

DVD_2Beispiele für die Umsetzung

§ 2 Abs. 1 Archivgesetz NRW[5]

„Unterlagen nach § 1 sind Urkunden, Amtsbücher, Akten, Schriftstücke, amtliche Publikationen, Karteien, Karten, Risse, Pläne, Plakate, Siegel, Bild-, Film- und Tondokumente und alle anderen, auch elektronischen Aufzeichnungen, unabhängig von ihrer Speicherungsform, sowie alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die für die Erhaltung, das Verständnis dieser Informationen und deren Nutzung notwendig sind.“

§ 2 Abs. 1 Satz 2-4 Bremisches Archivgesetz[6]

„Unterlagen sind Aufzeichnungen unabhängig von ihrer Speicherform. Dazu gehören insbesondere Urkunden, Amtsbücher, Akten, Schriftstücke, amtliche Publikationen, Drucksachen, Karteien, Karten, Risse, Pläne, Plakate, Siegel, Bild-, Film- und Tondokumente. Unterlagen sind auch elektronische Aufzeichnungen sowie alle Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die für die Erhaltung, das Verständnis dieser Informationen und deren Nutzung notwendig sind.“

 

Beratungskompetenz der Archive

Die meisten deutschen Archivgesetze sahen bereits 2004 die Beratung der Verwaltung zu Fragen der Schriftgutorganisation und/oder Bestandserhaltung als eine Aufgabe der Archive. Die Beratungstätigkeit wurde dabei jedoch vielfach als eine Kann-Aufgabe dargestellt und nicht spezifisch mit Blick auf die Konzeption und Einführung elektronischer Systeme formuliert. Dadurch konnte bei anbietungspflichtigen Stellen der Eindruck entstehen, dass sich die Beratungskompetenz der Archive auf die konventionelle Schriftgutverwaltung beschränke. Archive wurden häufig nicht oder zu spät in die Konzeption und Einführung von Systemen einbezogen. Die Verfasser der ARK-Empfehlungen schlugen daher die Einführung einer gesetzlichen Pflicht für die anbietungspflichtigen Stellen vor, das zuständige Archiv in die Entwicklung oder Fortentwicklung eines Systems einzubeziehen.

Beispiele für die Umsetzung

§ 3 Abs. 5 Archivgesetz NRW

„Im Rahmen seiner Zuständigkeit berät das Landesarchiv die Behörden, Gerichte und sonstigen öffentlichen Stellen des Landes bei der Verwaltung, Aufbewahrung und Sicherung ihrer Unterlagen. Die obersten Landesbehörden stellen sicher, dass die anbietenden Stellen in ihrem Geschäftsbereich die in Absatz 4 genannten Austauschformate beachten. Das gilt sowohl bei der Planung, vor der Einführung und bei wesentlichen Änderungen von IT-Systemen, die zu nach § 2 Absatz 1 i.V.m. § 4 Absatz 1 anzubietenden elektronischen Dokumenten führen. Soweit hiervon ausnahmsweise abgewichen werden soll, ist bereits vor der geplanten Nutzung anderer Formate und Techniken Einvernehmen mit dem Landesarchiv zu erzielen, um die spätere Übernahme des Archivgutes sicherzustellen. Dies entfällt, wenn Formate oder Techniken eingesetzt werden, die nach einem Verfahren nach Artikel 91 c Absatz 2 GG (Länderübergreifende Standards) abgestimmt sind.“

§ 4 Abs. 3 Hessisches Archivgesetz[7]

„Das Hessische Landesarchiv berät die in § 2 Abs. 3 und 6 genannten Stellen im Rahmen seiner Zuständigkeit bei der Verwaltung und Sicherung ihrer Unterlagen im Hinblick auf die spätere Archivierung. Diese Stellen beteiligen das Hessische Landesarchiv bei der Einführung und Änderung technischer Systeme zur Erstellung und Speicherung digitaler Unterlagen. Die Beratungstätigkeit erstreckt sich auch auf die nicht staatlichen Archive im Rahmen der Archivpflege.“

Übergabe von Datenbanken

Die Verfasser der ARK-Empfehlungen sahen zudem dringenden Regelungsbedarf hinsichtlich der Anbietung und Übernahme von Datenbankdaten. Zwar kannten einige Archivgesetze 2004 bereits „maschinenlesbar gespeicherte Informationen“ bzw. nannte das nordrhein-westfälische Archivgesetz die bereits erwähnten „mit Hilfe von ADV-Anlagen geführten Datenbestände“. Diese Definitionen waren jedoch viel zu eng und sahen zudem keine Regelungen für laufend geführte Datenbanken, insbesondere solche ohne Historie, vor. Die ARK-Empfehlungen schlugen daher vor, die grundsätzliche Anbietungspflicht auch für laufend geführte Datenbanken gesetzlich zu verankern, dabei jedoch die Übergabemodalitäten nicht abschließend gesetzlich zu regeln, sondern auf untergesetzliche Verwaltungsvorschriften zu verweisen.

Beispiele für die Umsetzung

§ 4 Abs. 1 Archivgesetz NRW

„Die Behörden, Gerichte und sonstigen Stellen des Landes haben dem Landesarchiv alle Unterlagen zur Übernahme anzubieten, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr benötigen. Die Anbietung erfolgt grundsätzlich nach Ablauf der Verwahrungs- bzw. Aufbewahrungsfristen. Unabhängig davon sind alle Unterlagen spätestens dreißig Jahre nach ihrer Entstehung dem Landesarchiv anzubieten, sofern keine anderen Rechtsvorschriften längere Aufbewahrungsfristen bei den anbietungspflichtigen Stellen festlegen. Dem Landesarchiv ist auf Verlangen zur Feststellung der Archivwürdigkeit Einsicht in die Unterlagen und die dazu gehörigen Hilfsmittel und ergänzenden Daten, die für das Verständnis dieser Information und deren Nutzung notwendig sind, zu gewähren. Elektronische Unterlagen, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen, sind ebenfalls zur Archivierung anzubieten.“

 

§ 4 Abs. 3 Archivgesetz NRW

„Das Landesarchiv regelt die Anbietung und Übernahme von Unterlagen im Benehmen mit den anbietungspflichtigen Stellen.“

 

§ 9 Hessisches Archivgesetz

„Digitales Archivgut

(1) Bei der Übernahme von digitalen Unterlagen sind Auswahlkriterien und technische Kriterien, insbesondere das Format von Primär- und Metadaten und die Form der Übermittlung, von dem zuständigen Archiv mit Zustimmung der abgebenden Stelle vorab festzulegen.

(2) Bei digitalen Unterlagen, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen, legt das zuständige Archiv die Form der Anbietung und die Zeitabstände der Übergabe mit Zustimmung der abgebenden Stelle vorab fest.“

 

§ 3 Abs. 2 Bremisches Archivgesetz

„Zur Übernahme anzubieten sind auch Unterlagen, die

[…]

3. elektronische Daten enthalten, die einer laufenden Aktualisierung unterliegen.“

 

§ 3 Abs. 3 Bremisches Archivgesetz

„Art und Umfang der zu archivierenden Unterlagen können vorab zwischen dem Staatsarchiv und der abliefernden Stelle vereinbart werden. Für Datenbestände, die mit Hilfe von automatischen Datenverarbeitungsanlagen geführt werden, sind Art und Umfang sowie die Form der Übermittlung der zu archivierenden Daten vorab festzulegen. Datenbestände, die aus verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden, sind nicht anzubieten. […]“

 

Authentizität und Integrität der Unterlagen bis zur Übergabe bzw. von Übergabe an

Die ARK-Empfehlungen behandelten mit diesem Themenfeld einen Bereich, der nicht allein archivrechtlich zu regeln ist. Anforderungen an die Beweiskraft elektronischer Unterlagen vor wie nach der Übernahme ins Archiv sind Gegenstand anderer Gesetze und Normen (z.B. Signaturgesetz, TR-ESOR-Richtlinie, geplante Norm DIN 31647). Mit Blick auf die Archivgesetze erachteten die Verfasser der ARK-Empfehlungen solche Regelungen als notwendig, die den Archiven grundsätzlich die Migration elektronischer Unterlagen auf andere Träger und in andere, langzeitstabile Formate erlauben. Regelungen zur Erstellung von Ersatzmedien und zur Abweichung vom „Originalzustand“ enthielten bereits damals zahlreiche Archivgesetze. Die Diskussion um die 2003 vom sächsischen Rechnungshof geäußerte Empfehlung zur Ersatzdigitalisierung umfangreicher Teile des Archivguts zeigte jedoch die Ambivalenz derartiger Regelungen.[8] Hauptaufgabe der Archivgesetznovellierungen der letzten Jahre war es daher, im Gesetzestext sowohl die Möglichkeit zur Übertragung auf andere Träger und in andere Formate vorzusehen, die Entscheidung darüber jedoch ausschließlich an die archivfachliche Notwendigkeit solcher Maßnahmen zu knüpfen.

 

Beispiele für die Umsetzung

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Wie können elektronische Akten genauso sicher aufbewahrt werden wie Akten aus Papier?

 

§ 5 Abs. 2 Archivgesetz NRW

„Archivgut ist auf Dauer sicher zu verwahren. Es ist in seiner Entstehungsform zu erhalten, sofern keine archivfachlichen Belange entgegenstehen. Es ist nach archivfachlichen Erkenntnissen zu bearbeiten und vor unbefugter Nutzung, vor Beschädigung oder Vernichtung zu schützen. […]“

 

§ 11 Abs. 2 Hessisches Archivgesetz

„Sofern es unter archivfachlichen Gesichtspunkten gerechtfertigt ist, können die öffentlichen Archive die im Archivgut enthaltenen Informationen auch in anderer Form archivieren und die Originalunterlagen ausnahmsweise löschen oder vernichten. Darüber ist ein Nachweis zu führen.“

Kosten der Übernahme

Die Verfasser der ARK-Empfehlungen erwarteten angesichts der für die Übernahme notwendigen Migrationen einen höheren Kostenaufwand als bei konventionellen Unterlagen. Kostenregelungen für die Anbietung und Übernahme von Unterlagen sind jedoch damals wie heute als Verwaltungsinnenrecht nicht gesetzlich geregelt. Archivgesetzlich müssen entsprechende untergesetzliche Vorschriften, die z. B. in Aussonderungsvorschriften enthalten sein können, allerdings durch eine klare Abgrenzung der Verantwortungssphären von anbietungspflichtiger Stelle und Archiv unterfüttert werden.

Beispiele für die Umsetzung

Archivgesetz NRW § 2 Abs. 3-5

„(3) Archivgut sind alle, gegebenenfalls nach Ablauf der Verwahrungs- bzw. Aufbewahrungsfristen in das Archiv übernommenen archivwürdigen Unterlagen im Sinne des § 1 Absatz 1 und Absatz 2.

(4) Zwischenarchivgut sind Unterlagen, deren Verwahrungs- bzw. Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind, deren Archivwürdigkeit noch nicht festgestellt wurde und die vom zuständigen Archiv vorläufig übernommen wurden. Das Verfügungsrecht verbleibt bei der abliefernden Stelle.

(5) Vorarchivgut sind Unterlagen, die dauerhaft aufzubewahren sind, oder deren Verwahrungs- bzw. Aufbewahrungsfristen noch nicht abgelaufen sind und die als archivwürdig bewertet und übernommen worden sind. Das Verfügungsrecht liegt bei dem zuständigen Archiv. Es gelten die Normen des Archivgesetzes.“

Verwaltungsvorschriften zum Niedersächsischen Archivgesetz[9]

„3.5 Die Kosten der erforderlichen Verpackung und Verschnürung des Archivgutes und des Transportes oder der postalischen Versendung zu dem im Landesarchiv jeweils zu-ständigen Staatsarchiv trägt die anbietungspflichtige Stelle. Bei elektronischen Unterlagen gilt dies entsprechend für die Kosten der Konvertierung bzw. Migration in das vom Landesarchiv vorgegebene Speicherformat und Speichermedium sowie für die Übermittlung dieser Unterlagen an das Landesarchiv.“

 

Bereitstellung von Findmitteln und Archivgut in öffentlich zugänglichen Netzen

Die bislang referierten ARK-Empfehlungen befassten sich auftragsgemäß nur mit Fragen der Anbietung und Archivierung von elektronischen Unterlagen, nicht jedoch mit neuen Fragestellungen auf dem Gebiet der elektronischen Bereitstellung von Archivgut. Ohne Zweifel hat sich aber der archivische Alltag auch durch neue Formen der Bereitstellung im Internet seit Inkrafttreten der ersten Archivgesetze Ende der 80er-Jahre enorm verändert. Die Retrokonversion und Digitalsierung von analogen Findmitteln und Archivgut sowie daraus resultierenden Möglichkeiten zur Bereitstellung von Findmitteln und digitalisertem Archivgut im Netz warfen neue rechtliche Fragen auf. Die ARK verabschiedete deshalb 2007 ein erneut von der Arbeitsgruppe „Archive und Recht“ erstelltes Gutachten, das sich ausführlich mit den Möglichkeiten und Grenzen der „Bereitstellung elektronischer Findmittel in öffentlich zugänglichen Netzen“ befasste.[10]

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Stellt Findbücher bereit: ww.archive.nrw.de

Mit der Retrokonversion von Findmitteln und deren Präsentation im Internet rückte die Veröffentlichung erstmals stärker in den archivrechtlichen Fokus. Sie kann durch ihre Zielrichtung auf eine nicht näher spezifizierte allgemeine Öffentlichkeit von der archivrechtlichen Nutzung als einer individuellen, durch Antrag legitimierten Zugangsform unterschieden werden. Einige jüngere Archivgesetze benennen die Veröffentlichung von Archivgut deshalb explizit als Aufgabe der Archive und definieren deren Schranken. Im nordrhein-westfälischen Archivgesetz von 1989 fehlte eine solche Befugnisnorm noch, was 2005 vom Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu Recht bemängelt wurde.[11]

Beispiele für die Umsetzung

§ 8 Archivgesetz NRW

„Das Landesarchiv ist berechtigt, Archivgut sowie die dazugehörigen Findmittel unter Wahrung der schutzwürdigen Belange Betroffener zu veröffentlichen. § 6 Absatz 2 sowie § 7 Absatz 1 bis 4 gelten entsprechend.“[12]

§ 8 Abs. 1 Bremisches Archivgesetz

„Um der Öffentlichkeit den Zugang zu historischen und familienkundlichen Unterlagen zu ermöglichen oder zu erleichtern, ist das Staatsarchiv berechtigt, Archivgut, Reproduktionen von Archivgut und die dazugehörigen Findmittel im Rahmen seiner gesetzlichen Aufgaben zu veröffentlichen. Durch die Veröffentlichung dürfen keine überwiegenden schutzwürdigen Belange Betroffener oder Dritter beeinträchtigt werden; insoweit sind insbesondere auch die Art, die Form und die Zugänglichkeit der Publikation zu berücksichtigen. § 7 gilt entsprechend.“

Interessant ist an dieser Stelle auch ein Blick auf vergleichbare Überlegungen im Kontext der Schweizer Archivgesetzgebung. Beat Gnädinger und Eliane Schlatter berichteten 2012 auf der Frühjahrstagung der Fachgruppe 1 des VdA in Speyer über ein neues Schutzfristenmodell für den Kanton Zürich.[13] Dieses sieht absolute Schutzfristen zwischen 30 und 120 Jahren nach Entstehung der Unterlagen für die freie Zugänglichkeit, d. h. also die mögliche Veröffentlichung von Archivgut mit personenbezogenen Daten vor und unterscheidet sie von den weiterhin geltenden relativen Schutzfristen und einer möglichst liberalen Zugangsgewährung auf Antrag. Eine absolute Schutzfrist von max. 120 Jahren für die Veröffentlichung personenbezogenen Archivguts mag für einige Kolleginnen und Kollegen sehr lang klingen und wäre in dieser Form wahrscheinlich auch in Deutschland schwer durchsetzbar. Ein Bedarf an ebenso klaren wie strengen Regelungen für die Veröffentlichung von personenbezogenen Angaben im Internet ist aber nicht zu leugnen. Dies gilt umso mehr, wenn man an die Weiterentwicklung vorhandener Internetangebote in Richtung Semantic Web denkt, was z. B. für die Deutsche Digitale Bibliothek (DDB) eindeutig als Ziel definiert ist. In einer Semantic Web-Struktur kann auch eine vermeintlich „harmlose“ Angabe im online veröffentlichten Archivgut durch die Verknüpfung mit anderen Web-Inhalten eine ursprünglich vom Archiv nicht erwartete rechtliche Brisanz erlangen.

Wie geht es weiter?

Im Bund und in vielen Ländern steht eine umfassende Novellierung der Archivgesetze noch aus. Aktuell wird etwa über ein neues sächsisches Archivgesetz beraten, und die Überarbeitung des baden-württembergischen Archivgesetzes wurde bereits angekündigt.[14] Im Bund soll nach einer kleinen Novellierung 2013[15], die sich auf Pflichtregistrierung von Kinofilmen beschränkte, in der kommenden Legislaturperiode ein neuer Anlauf zu einer umfassenden Gesetzesreform gemacht werden. Insgesamt kann man aber konstatieren, dass das Alter eines Archivgesetzes nicht zwingend etwas darüber aussagen muss, wie ein Archiv die Herausforderungen des digitalen Zeitalters meistert. Zum Beispiel kann eine (allerdings noch nicht abschließend rechtskräftige) Entscheidung des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über den Umgang mit E-Mails des ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus[16] als ein großer Erfolg des baden-württembergischen Archivgesetzes gewertet werden, das im Wesentlichen seit Ende der 80er-Jahre unverändert in Kraft ist. Dennoch ist natürlich eine Anpassung aller Archivgesetze äußerst wünschenswert.

Mit der Novellierung ist es aber nicht getan. Man braucht keine archivische Kristallkugel, um vorauszusehen, dass in Nordrhein-Westfalen z. B. nicht wieder 21 Jahre vergehen werden, ehe weitere Änderungen in den archivischen Rahmenbedingungen neue Anpassungen erfordern. Insofern ist die in vielen deutschen Ländern übliche Befristung von Gesetzen nicht nur ein Instrument des Bürokratieabbaus, sondern auch eine realistische Einschätzung der Tragweite von aktuellen gesetzlichen Bestimmungen. Angesichts des Fristablaufs des aktuellen nordrhein-westfälischen Archivgesetzes am 30.9.2014 laufen derzeit erste Gespräche über einen möglichen Novellierungsbedarf an.

Das vorläufige persönliche Fazit der Autorin über drei Jahre neues nordrhein-westfälisches Archivgesetz im Hinblick auf die digitale Herausforderung ist überwiegend positiv. Die auf der Basis der ARK-Empfehlungen neu bearbeiteten Bestimmungen haben sich bewährt und müssen nur in Einzelheiten angepasst werden. Vier Punkte sind aufzugreifen:

  • Im Umgang mit der Anbietung laufend aktualisierter elektronischer Unterlagen haben sich bei einzelnen anbietungspflichtigen Stellen Fragen bezüglich der Aktualität der dem Archiv übergebenen Informationen ergeben. Die Archivierung von Datenbankschnitten führt in aller Regel dazu, dass auch tagesaktuelle Informationen an das Archiv übergeben werden. In der Behördenberatung sind in diesem Punkt der Hinweis auf die mögliche Übernahme von Vorarchivgut und die Geltung der archivgesetzlichen Schutzfristen gefragt. Im Archivgesetz NRW könnte evtl. ein klarstellender Hinweis hilfreich sein.
  • Die Archivierung elektronischer Unterlagen stellt insbesondere kleinere Archive vor große Herausforderungen, die sie alleine nicht bewältigen können. § 10 Abs. 2 ArchivG NRW ermöglicht es den kommunalen Archiven, ihrer Aufgabe durch Errichtung und Unterhaltung eigener Archive oder Übertragung auf eine für Archivierungszwecke geschaffene Gemeinschaftseinrichtung oder durch Übergabe ihres Archivguts zur Archivierung in einem anderen öffentlichen, nichtstaatlichen Archiv nachzukommen. Hier bleibt zu prüfen, ob diese Regelungen den Anforderungen einem elektronischen Archiv in gemeinsamer Trägerschaft in allen Punkten genügen können.
  • Als Spezialgesetze regeln die Archivgesetze Fragen der Archivierung abschließend. Den anbietungspflichtigen Stellen sind sie jedoch oftmals nicht oder nur vage bekannt. Sie sind mit den spezialgesetzlichen Vorschriften für ihren Verwaltungsbereich meist viel vertrauter. Mit der erfolgreichen Novellierung des Archivgesetzes NRW ist deshalb nur die halbe Arbeit getan. Die Archivarinnen und Archivare des Landesarchivs setzen sich vielmehr weiterhin in mühevoller Detailarbeit dafür ein, dass bestehende Kollisionen zwischen Gesetzen, insbesondere die Anbietungspflicht unterlaufende Löschvorschriften, aufgelöst werden und nach Möglichkeit keine neuen Kollisionen entstehen.
  • Schließlich sind für die nordrhein-westfälische Landesverwaltung trotz der jetzt drei Jahre zurückliegenden Novellierung des Archivgesetzes weiterhin Defizite im Bereich der untergesetzlichen Vorschriften zu konstatieren. Eine für alle Ressorts geltende Verwaltungsvorschrift zur Aussonderung, die nach niedersächsischem Vorbild u. a. auch Kostenfragen regelt, wäre sehr wünschenswert, ist aber angesichts widerstreitender Ressortinteressen in der Landesverwaltung faktisch nur schwer durchsetzbar. Bis auf weiteres wird es bei punktuellen, ressortspezifischen Verwaltungsvorschriften zur Aussonderung bleiben müssen. Hier gilt es v. a., vorhandene Regelungen so anzupassen, dass sie auch auf die Aussonderung elektronischer Unterlagen Anwendung finden können. Das Werben für die Anpassung vorhandener Verwaltungsvorschriften bewegt sich dabei in einem Grenzbereich zwischen archivrechtlicher Arbeit und aktiver Behördenberatung.

Damit sind wir am Schluss des Beitrags bei einer aus dem Bereich der konventionellen Unterlagen bereits hinlänglich bekannten Frage angelangt, nämlich der nach der Durchsetzungsfähigkeit des Archivgesetzes, das nach wie vor keine Sanktionen für die Nichteinhaltung seiner Bestimmungen vorsieht (was im Übrigen kein deutsches Archivgesetz tut). Drei Jahre Praxis erlauben noch keine abschließende Beurteilung, ob die geltenden Regelungen eine geeignete Basis zur Sicherung der elektronischen Überlieferung bieten oder eher ein „zahnloser Tiger“ sind. Entscheidend sind dafür auch weniger die gesetzlichen Regelungen als vielmehr die Qualität der archivischen Behördenberatung. Hier kommt es drauf an, ‚am Ball zu bleiben‘ und sich in der Landesverwaltung als kompetenter Gesprächspartner bekannt zu machen. Die gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen können für diese wichtige Daueraufgabe nur den juristischen Rahmen bieten.

 

Dr. Martina Wiech

Landesarchiv NRW, Fachbereich Grundsätze

martina.wiech@lav.nrw.de

[1] Rainer Polley, Variatio delectat? – Die Archivgesetze von Bund und Ländern im Vergleich, in: Archivgesetzgebung in Deutschland, hrsg. v. Rainer Polley, Marburg 1991, S. 21-48.

[2] Gesetz über die Sicherung und Nutzung öffentlichen Archivguts im Lande Nordrhein-Westfalen (Archivgesetz Nordrhein-Westfalen – ArchivG NW) vom 16. Mai 1989 (GV. NW. S. 302; geändert durch Artikel 69 des Dritten Befristungsgesetzes vom 5.4.2005, GV. NRW. S. 306, in Kraft getreten am 28. April 2005; geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 17. Dezember 2009, GV. NRW. S. 875, in Kraft getreten am 24. Dezember 2009).

[3] So fand z. B. die erste Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ im März 1997 in Münster statt. Die Tagungsbeiträge von 1997 bis heute sind online zugänglich unter http://www.staatsarchiv.sg.ch/home/auds.html (Stand: 19.12.2013, gilt ebenfalls für alle nachfolgenden Hinweise auf Internetseiten).

[4] Die Empfehlungen sind auf der beim Bundesarchiv betriebenen Website der ARK verfügbar unter: http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtg/g1/2004_ag_archive_und_recht_archivgesetze.pdf.

[5] Gesetz über die Sicherung und Nutzung öffentlichen Archivguts im Lande Nordrhein-Westfalen (Archivgesetz Nordrhein-Westfalen – ArchivG NRW) vom 16. März 2010, GV. NRW. S. 188, in Kraft getreten am 1. Mai 2010; geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 29. Januar 2013 (GV. NRW. S. 31), in Kraft getreten am 7. Februar 2013.

[6] Gesetz über die Sicherung und Nutzung öffentlichen Archivguts im Lande Bremen (Bremisches Archivgesetz – BremArchivG –) vom 7. Mai 1991 (Brem.GBl. S. 159) Sa BremR 224-c-1. Zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndG vom 21. 5. 2013 (Brem.GBl. S. 166).

[7] Hessisches Archivgesetz (HArchivG) vom 26. November 2012, verkündet als Artikel 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Archivwesens und des Pflichtexemplarrechts vom 26. November 2012 (GVBl. S. 458).

[8] Rechnungshof des Freistaates Sachsen, Jahresbericht 2003, S. 101ff., online verfügbar unter http://www.rechnungshof.sachsen.de/jb2003/jb2003.pdf.

[9] RdErl. d. StK v. 24.10.2006 – 201-56 201 (Nds.MBl. Nr.38/2006 S.959) – VORIS 22560 –.

[10] Die Empfehlungen sind auf der beim Bundesarchiv betriebenen Website der ARK verfügbar unter: http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/bundesarchiv_de/fachinformation/ark/20070320_veroeffentlichungsgrundsaetze_ark.pdf.

[11] Siebzehnter Datenschutz- und Informationsfreiheitsbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 2005, S. 136 f. Im Internet verfügbar unter https://www.ldi.nrw.de/mainmenu_Service/submenu_Berichte/Inhalt/17_DIB/17__Datenschutz-_und_Informationsfreiheitsbericht.pdf.

[12] Satz 2 verweist auf die Geltung der Versagensgründe für die archivische Nutzung (§ 6 Abs. 2) und der Schutz- und Sperrfristen (§ 7 Abs. 1-4).

[13] Beat Gnädinger und Eliane Schlatter, Individuelle und öffentliche Interessen in Konkurrenz. Die neue Schutzfristenregelung des Kantons Zürich – Ausgangslage und Lösungsansatz, in: Schutzwürdig. Zu Aspekten des Zugangs bei Archivgut. Beiträge der Frühjahrstagung der Fachgruppe Staatliche Archive des VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. am 23. April 2012 in Speyer, hrsg. von Elsbeth Andre und Clemens Rehm, Koblenz 2013 (Unsere Archive Beiheft 3), S. 9-17.

[14] Gesetzentwurf der Sächsischen Staatsregierung zur Änderung des Archivgesetzes vom Juni 2012, Drucksache 5/9386: http://edas.landtag.sachsen.de/viewer.aspx?dok_nr=9386&dok_art=Drs&leg_per=5&pos_dok=1.

[15] Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz – BArchG) vom 06. Januar 1988 (BGBl. I S. 62), zuletzt geändert durch das Dritte Gesetz zur Änderung des Bundesarchivgesetzes vom 27. Juni 2013 (BGBl. I S. 1888).

[16] VG Karlsruhe Urteil vom 27.5.2013, 2 K 3249/12.

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/645

Weiterlesen

Alles neu zu durchdenken? Archivische Bewertung im digitalen Zeitalter

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Was hat die Halskette der Kanzlerin mit digitaler Archivierung zu tun?  Diese und andere Fragen versuchen die Beiträge des Deutsch-Niederländischen Archivsymposiums 2013 zu klären. Wir starten hier die Reihe der Fachbeiträge im Blog. (Alle Beiträge vor diesem Hintergrund finden sich auch in der neuen Archivpflege 80/2014)

 

 

 

Alles neu zu durchdenken? Archivische Bewertung im digitalen Zeitalter (Dieser Beitrag wurde auf dem Deutsch-Niederländischen Archivsymposium in Arnheim gehalten und mit Fussnoten ergänzt.)

von Robert Kretzschmar

Am 1. September hatten wir im Bundestagswahlkampf das Fernseh-Duell zwischen Frau Merkel und Herrn Steinbrück. Binnen kurzer Zeit wurden 6.800 Tweets zur Halskette der Kanzlerin in die Welt geschickt – in eine digitale Welt, für die das Phänomen typisch ist. Insgesamt gab es 230.000 Tweets zum TV-Duell.[1]

Quelle: Twitter/http://loomings-jay.blogspot.de/

Sollen Archive Tweets dauerhaft dokumentieren? Die Frage ist nicht ausdiskutiert. Mancher Kollege hat sich jüngst eher ablehnend dazu geäußert.[2] Ich meine: Da unsere Welt heute sehr von kommunikativen Prozessen dieser Art geprägt ist, müssen wir das in das kulturelle Gedächtnis der Gesellschaft aufnehmen, kollaborativ und in angemessener, sehr verdichteter Weise. Hier besteht für mich Diskussions- und Handlungsbedarf.

So haben wir uns auch jüngst im Landesarchiv Baden-Württemberg in Abstimmung mit dem Stadtarchiv Stuttgart und der Württembergischen Landesbibliothek dazu entschlossen, private Blogs zu sichern, die im Kontext der Auseinandersetzungen um den Neubau des Stuttgarter Bahnhofs (Stuttgart 21) entstanden sind.[3] Diese Entscheidung wurde aus der Überzeugung heraus getroffen, dass hier Vorgänge von landespolitischer Bedeutung greifbar sind, die wir nicht nur über amtliches Schriftgut im Archiv abbilden sollten. Als dann im Sommer in Baden-Württemberg ein neuer Generalstaatsanwalt berufen wurde und die Presse über ihn recherchierte, stieß sie in unserem Website-Archiv auf eine Liste, in die er sich als Befürworter von Stuttgart 21 eingetragen hatte. Das war natürlich eine Meldung wert[4] – Langzeitverfügbarkeit digitaler Dokumente für einen kurzfristigen Informationswert der Presse.

Fast eher schon zum klassischen Schriftgut gehören E-Mails, auch wenn sie in der Praxis archivischer Überlieferungsbildung vielfach noch außerhalb gezielter Aktivitäten zur Überlieferungs- und Theoriebildung geblieben sind. Die Archivwissenschaft hat sie bisher kaum beachtet. Das liegt vermutlich daran, dass die E-Mail zwischen Ebenen der mündlichen und schriftlichen Sphäre changiert und nicht so recht in archivarische Weltbilder passt.

Welche Bedeutung das E-Mail-Account eines Ministerpräsidenten gewinnen kann, hat aber im Sommer ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe bestätigt.

Ihm zufolge müssen E-Mails des früheren Ministerpräsidenten Mappus, die auf seinem dienstlichen Rechner zu Sicherungszwecken kopiert worden waren, unter Beachtung des Datenschutzes zwar gelöscht, zuvor aber dem Landesarchiv angeboten werden. Der ehemalige Ministerpräsident hatte auf Löschung dieser E-Mails geklagt. Die Presse hat darüber berichtet.[5] Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sondern aktuell Gegenstand eines Berufungsverfahrens.[6]

In unser Digitales Archiv, das 2001 seine Arbeit aufgenommen hat und seit 2012 im Regelbetrieb läuft,[7] haben wir in den letzten Jahren wiederholt ganze E-Mail-Accounts aus der politischen Leitungsebene übernommen. Ausschlaggebend dafür war der Befund, dass in den Behörden relevante E-Mails nicht selbstverständlich in den Geschäftsgang und zu den Akten gegeben werden – eine Realität, auf die wir reagieren müssen, auch wenn wir natürlich gebetsmühlenartig bei jeder Gelegenheit die geregelte Aktenführung einfordern. So war der Ausgangspunkt einer konkreten Übernahme die folgende Aussage eines Ministerialbeamten: Nehmen Sie mein E-Mail-Account. Dort finden Sie alles Wichtige. Die Akten können Sie vernichten. Die sind ohnehin unvollständig

Insgesamt sichert unser Digitales Archiv aber vor allem digitale Überlieferungen aus geregelten Prozessen staatlicher Einrichtungen: Daten aus dem Umweltinformationssystem und zur Lebensmittelüberwachung, Geobasisdaten der Landesvermessung, eine Straßendatenbank und eine Lehrerdatenbank, digitalisierte Hochbaupläne der Bundesbahndirektion oder auch Einzelfälle digitaler Ermittlungsakten der Polizei. Das alles sind nur Beispiele.[8]

Die Bewertung ist dabei eingebettet in unser Konzept einer integrativen Überlieferungsbildung aus analogen und digitalen Unterlagen.[9] Auch dazu ein Beispiel: 2012 hat das neu geschaffene Ministerium für Integration eine systematische Bestandsaufnahme der Einbürgerungsverfahren in Baden-Württemberg durchgeführt. Ausgewertet wurden dazu Fragebögen von 1.057 Eingebürgerten und 44 Einbürgerungsbehörden. Sehr zeitnah – schon wegen der Löschpflichten – haben wir die elektronisch erfassten Auswertungen in das Landesarchiv übernommen und die Bögen zur Vernichtung freigegeben. Ausschlaggebend für die Entscheidung waren die mehrdimensionalen Nutzungsmöglichkeiten der Daten.[10]

Insgesamt ist unser Digitales Archiv auf alle Arten digitaler Überlieferungen ausgerichtet, also auf Dokumenten-Management-Systeme (DMS), elektronische Aktenführung, Hybrid-Akten, ersetzendes Scannen, elektronische Fachverfahren und Informationssysteme, E-Mail-Accounts, Datensammlungen, Webseiten und soziale Netzwerke (Web. 2.0, Blogs, Twitter). In der Praxis sichern wir aktuell vor allem Daten aus Fachverfahren.[11] Das liegt daran, dass die elektronische Aktenführung in Baden-Württemberg eher zögerlich eingeführt wird. Und social media archivieren wir nur sehr gezielt als Ergänzungsdokumentation. Insofern ergab sich der Fokus unserer aktuellen Übernahmen einerseits aus der gegebenen Situation in der Verwaltung, andererseits aber auch aus traditionellen Grundsätzen der Überlieferungsbildung.

Archivische Überlieferungsbildung im digitalen Zeitalter. Alles neu zu durchdenken? Ausgehend von unserer Praxis – ich komme später auf die Beispiele zurück – möchte ich hierauf eine Antwort geben. Ich werde zunächst etwas zum Stand der Bewertungsdiskussion in Deutschland sagen – allgemein und im Blick auf digitale Unterlagen, um dann darauf basierend ein paar Überlegungen anzustellen und abschließend ein Fazit ziehen.

 Anmerkungen zum Stand der Bewertungsdiskussion in Deutschland

Der aktuelle Stand der Bewertungsdiskussion wird 2014 wieder vermittelt werden in einer Fortbildungsveranstaltung der Archivschule Marburg, deren Ankündigung vor kurzem erfolgt ist. Ziel dabei ist, Konzepte zur archivischen Dokumentation der Gesamtgesellschaft vorzustellen.[12] Dass dies das Ziel archivischer Bewertung ist, darüber besteht, so hoffe ich, in Deutschland heute weitgehend Konsens. Nach der kontroversen Diskussion der neunziger Jahre[13] haben wir uns in Deutschland ja doch in den letzten Jahren weitgehend auf gemeinsame Sicht- und Vorgehensweisen verständigt wie auch auf das Ziel einer multiperspektivischen Überlieferungsbildung,[14] denn sie ergibt sich aus einer archivischen Dokumentation der Gesamtgesellschaft. Die Diskussion ist freilich nicht abgeschlossen, aber das ist auch gut so, weil man die Zielsetzungen, Strategien, Grundsätze und Methoden laufend reflektieren muss.

In der Ankündigung der Archivschule Marburg sind zentrale Punkte benannt, von denen die Diskussion in der letzten Zeit bestimmt war. Ich greife drei heraus.

  1. Vertikale und horizontale Bewertung als eine Methode zur Verdichtung
  2. Überlieferungsbildung im Verbund als Strategie
  3. Das Dokumentationsprofil als ein Konzept für Ziele und Wertmaßstäbe der Überlieferungsbildung, wie es in der Ankündigung heißt.

 

Die sogenannte vertikale und horizontale Bewertung dient bei inhaltlichen Überschneidungen verschiedener Überlieferungen als Folge der Beteiligung verschiedener Stellen dem Abgleich, wo die Überlieferung mit der größten Aussagekraft entsteht.[15] Überlieferungsbildung im Verbund sieht vor, dass sich verschiedene Archive abstimmen, um ein möglichst breites und differenziertes Abbild bestimmter Lebensbereiche und Phänomene zu erzielen.[16] Unverzichtbar sind dafür Zieldefinitionen und Dokumentationsprofile als Arbeitsgrundlage einzelner oder mehrerer Archive auf dem Feld der Überlieferungsbildung.[17]

Ich glaube, dass man in der Praxis sehr weit kommt, wenn man entsprechend vorgeht, also Ziele definiert, Profile entwickelt und sich mit anderen Archiven abstimmt und im Einzelnen analysiert, wo welche Überlieferungen von hoher Aussagekraft vorliegen oder generiert werden. Dabei wird man im einen Fall von der Überlieferung selbst ausgehen, im Idealfall aber gezielt ganze Lebens- und Überlieferungsbereiche betrachten. Schon deshalb sind die Vorgehens- und Betrachtungsweisen auch komplementär zu verstehen. In der Praxis geht es nicht um die Frage horizontale/-vertikale Bewertung oder Dokumentationsprofil, vielmehr ergänzt sich beides. So wie es bei der Betrachtung des Dokumentationswertes auch nicht heißen darf Evidenzwert oder Informationswert, sondern beides abgeprüft werden muss.

Und so ergänzen sich auch provenienzorientierte und inhaltsbezogene Vorgehensweisen. Die Polarisierung in zwei Stränge, wie sie jüngst sehr anschaulich auf einem Poster der Fachhochschule Potsdam dargestellt wurde,[18] war das Konstrukt einer heute doch völlig überholten und in weiten Teilen doch auch spezifisch deutschen Bewertungsdiskussion. Ich hoffe, dass sie überwunden ist, und sehe die beiden Stränge auch aktuell zusammenlaufen – in der Praxis wie auch in der Theorie. Sehr schön hat das vor kurzem Andreas Pilger 2012 in einer Sektion auf dem 49. Deutschen Historikertag in Mainz in seinem Referat zum Stand der archivischen Bewertungsdiskussion in Deutschland akzentuiert.[19] Insgesamt sind wir in den letzten Jahren in der Bewertungsdiskussion sehr fruchtbar vorangeschritten. Das wird besonders an der Neuauflage des „Klassikers“ von Matthias Buchholz deutlich, der dies in einem Nachtrag zur ersten Auflage mit einem Resümee der Diskussion für den Zeitraum 2001 bis 2011 detailliert dargestellt hat; es zeigt sich schon darin, dass der Nachtrag allein über 50 Seiten umfasst.[20]

Im Ergebnis haben wir insgesamt eine sehr gute theoretische Basis, auch wenn im Detail freilich noch manches weiter zu durchdenken bleibt. So sind sicher noch einige terminologische Unstimmigkeiten mit dem Ziel einer breiten fachlichen Verständigung zu klären. Dies beginnt bei den Begriffen Dokumentationsprofil und Archivierungsmodell; das sei hier nur angedeutet.[21]

Auch sei nur angedeutet, dass wir die Konsequenzen unseres aktuellen Selbstverständnisses[22] für die Bewertung bedenken müssen. Wenn wir die Transparenz des Verwaltungs- und Regierungshandelns gewährleisten wollen, dann müssen wir dies – so denke ich – noch sehr viel genauer im Blick auf die Überlieferungsbildung reflektieren.[23] Das gilt auch für unsere Rolle in der Erinnerungskultur jenseits der historischen Forschung.[24] Und bei all dem werden auch Möglichkeiten einer partizipatorischen Einbeziehung von Nutzergruppen zu prüfen sein.[25]

Insgesamt sehe ich aber weniger Theorie- als Anwendungsdefizite. Aus meiner Sicht besteht großer Handlungsbedarf, die guten Strategien, Grundsätze und Methoden auch konsequent unter breiter Beteiligung vieler Archive umzusetzen.

Dies gilt für die Überlieferungsbildung im Verbund wie auch für die Ziele der Bewertung im Konkreten und die Entwicklung von Dokumentationsprofilen.[26]

Wobei ich nicht unerwähnt lassen möchte, dass wir seitens der Landesarchive, z.B. bei uns in Baden-Württemberg, schon seit langem systematisch Papiere zur Bewertung erarbeitet haben,[27] dass gerade das Landesarchiv-Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren seine Vorgehensweisen und Bewertungen sehr systematisch bearbeitet und publiziert hat,[28] dass auch vom Historischen Archiv der Stadt Köln jetzt geradezu beispielhaft ein umfassendes Dokumentationsprofil vorgelegt wurde[29] und dass vor allem verschiedene Arbeitsgruppen in Deutschland immer wieder übergreifend für bestimmte Überlieferungsbereiche grundlegende Ergebnisse erzielt haben.[30] Und da werden jetzt auch zunehmend digitale Überlieferungen einbezogen.

Stand der Bewertungsdiskussion über digitale Unterlagen in Deutschland

 Damit zu der Frage: Welchen Stand haben wir da im Blick auf die Bewertung erreicht? Hier sind wir in Deutschland noch sehr in den Anfängen. Beim Aufbau digitaler Archive standen in den letzten Jahren weniger Fragen der Bewertung im Vordergrund als technische und organisatorische Aspekte.[31] Das hatte auch seine völlige Berechtigung, denn diese Dinge waren und sind zum Teil noch zunächst zu klären.[32] Oft waren es in den Archiven auch nicht die traditionellen Überlieferungsbildner, von denen digitale Archive aufgebaut wurden, sondern jüngere Kolleginnen und Kollegen ohne einen langjähren Erfahrungshorizont der Bewertung. So entstanden in den Archiven verschiedene Welten für die Arbeitsfelder der digitalen Archivierung und Überlieferungsbildung, mit unterschiedlichen Fachsprachen, wodurch die Kommunikation nicht gerade erleichtert wurde. Die Zahl der Publikationen zur Bewertung digitaler Unterlagen ist dementsprechend auch noch relativ überschaubar. Wer zur Bewertung digitaler Unterlagen etwas wissen wollte, musste lange Zeit die internationale Fachliteratur rezipieren. Erste, noch sehr allgemeine Hinweise fanden sich im nestor-Handbuch aus dem Jahr 2006, für das eine neuere Version 2.0 vom Juni 2009 vorliegt.[33]

Es gibt jedoch deutliche Anzeichen, dass sich aktuell forciert ein Generationenwechsel vollzieht und digitale Überlieferungen zunehmend bewertet werden. Ich denke, wir stehen an der Schwelle zu einer vertieften Befassung mit dem Thema und einer breiter praktizierten Bewertung digitaler Unterlagen. Für den Bereich der Statistik hat eine Arbeitsgruppe der Archivreferentenkonferenz geradezu Pionierarbeit geleistet, indem sie 2008 520 elektronische Statistiken der Statistischen Ämter bewertet und Empfehlungen dazu ausgesprochen hat. 67 Statistiken wurde bleibender Wert beigemessen.[34] Es gibt weitere Beispiele dieser Art für ganz bestimmte Überlieferungsbereiche mit sehr konkreten Analysen, so zum Beispiel ganz aktuell der Entwurf eines umfassenden Papiers zur Überlieferung der Arbeitsverwaltung, das eine Arbeitsgruppe der Archivreferentenkonferenz erstellt hat.[35]

Gerade in den letzten Monaten hat sich auch der Arbeitskreis Archivische Bewertung im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. sehr grundsätzlich mit der Bewertung elektronischer Fachverfahren befasst, ein Papier dazu erarbeitet und zur Kommentierung gestellt; am 7. November 2013 fand dazu im Landesarchiv Baden-Württemberg in Stuttgart ein Workshop statt.[36]

Als grundlegenden Beitrag zur Bewertung digitaler Unterlagen ist vor allem das Referat von Christian Keitel zu nennen, das er 2009 auf dem 79. Deutschen Archivtag in Regensburg unter dem programmatischen Titel Benutzerinteressen annehmen und signifikante Eigenschaften festlegen. Eine neue Aufgabe für Archivare gehalten hat.[37] Auch wenn das auf dem Archivtag in Regensburg damals kaum wahrgenommen wurde, waren damit im Einklang mit der internationalen Diskussion die Begriffe benannt, die in den folgenden Jahren immer wieder im Zentrum von Bewertungsanalysen zu digitalen Unterlagen standen. Es liegen zwischenzeitlich mehrere Publikationen mit Analysen signifikanter Eigenschaften vor.[38] Hier ist etwas Grundsätzliches in Gang gekommen. Nur in einem Satz: Signifikante Eigenschaften sind die Merkmale einer digitalen Überlieferung, die sie in ihrer ursprünglichen Entstehungsumgebung hatte und die in jedem Fall erhalten werden sollen, in allen Ausprägungen über alle Migrationen hinweg – in der Annahme, dass man damit zu erwartenden Interessen von Nutzern entspricht. Bei Fachverfahren geht es dabei zum Beispiel um Recherchierbarkeit, Verknüpfbarkeit, Aggregierbarkeit und die Möglichkeiten der Weiterverarbeitung der Daten; ich zitiere aus dem aktuellen Papier des VdA-Arbeitskreises, das diesen Punkt näher ausführt.[39]

Soweit ganz grob der Diskussionsstand. Noch einmal: ich denke, wir stehen aktuell an der Schwelle zu einer vertieften Befassung mit dem Thema und einer breiter praktizierten Bewertung digitaler Unterlagen. Nicht zuletzt ist die thematische Ausrichtung dieses Symposiums selbst ein Beleg dafür.[40]

Alles neu zu durchdenken?

Von da aus zurück zu meiner Fragestellung: Alles neu zu durchdenken?

Dazu sehe ich keinen Anlass. Im Gegenteil: Ich glaube, dass wir eine sehr gute Basis haben, digitale Unterlagen in die Überlieferungsbildung einzubeziehen. Entscheidend ist dabei für mich, dass wir integrative Strategien entwickeln müssen für konventionelle und für digitale Überlieferungen.

Im Landesarchiv Baden-Württemberg verfolgen wir bewusst einen solchen Ansatz, der schon in der strategischen Grundlegung unserer Aktivitäten von 2007 ausformuliert ist.[41] Wir haben sehr früh die digitale Archivierung einbezogen in die regelmäßigen Besprechungen unserer abteilungsübergreifenden Arbeitsgruppe Überlieferungsbildung (AGÜ).[42] Und organisatorisch haben wir in den Archivabteilungen des Landesarchivs die Bewertung digitaler Unterlagen gezielt verankert in den herkömmlichen Referaten für Überlieferungsbildung. Das heißt, dieselben Leute bewerten integrativ konventionelle und digitale Unterlagen einer Provenienz. Und treffen dann – um dieses Beispiel wieder aufzunehmen – die Entscheidung, statt der Erhebungsbögen auf Papier die digitalen Daten zur Einbürgerung zu sichern.

Damit ist die Bewertung digitaler Unterlagen einbezogen in die Entwicklung von Zieldefinitionen für die Bewertung bestimmter Bereiche, von Dokumentationsprofilen, von Überlegungen zu einer Überlieferungsbildung im Verbund und Verdichtungen auf der Grundlage vertikaler und horizontaler Bewertung. Die komplementären Strategien, Betrachtungsweisen, Grundsätze und Methoden erweisen sich als tragfähig; die laufende Evaluation versteht sich wohl von selbst. So ist die Archivierung von Websites eingebettet in Konzepte zur Ergänzungsdokumentation – dies gilt für das Beispiel der Blogs zu Stuttgart 21 und bleibt entsprechend für social media einmal grundsätzlich zu überdenken, in Verbindung mit Dokumentationsprofilen und einer Überlieferungsbildung im Verbund.

Wir haben uns in Stuttgart mit vielen Gedächtnisinstitutionen zusammengesetzt, um eine arbeitsteilige Dokumentation zu Stuttgart 21 zu erreichen.

Selbstverständlich haben digitale Unterlagen spezielle materialspezifische Eigenheiten, die zu berücksichtigen sind und zu veränderten Vorgehensweisen und Modellbildungen führen. Die Loslösung der Information vom Träger, die digitale Mehrdimensionalität verlangen spezifische Betrachtungsweisen und Analysen, die in der Literatur im Einklang mit der internationalen Diskussion[43] angesprochen sind,[44] sicher aber in Deutschland noch vertiefter Betrachtung bedürfen. Die Überlegungen, die mit dem Begriff der signifikanten Eigenschaften verbunden sind, mögen dafür stehen; [45] anders als bei konventionellen Unterlagen müssen wir unter Umständen eine Wahl treffen, welche Eigenschaften über den gesamten Archivierungsprozess hinweg erhalten werden sollen. Anders als konventionelle Unterlagen müssen digitale Informationsobjekte als Gegenstand der Bewertung oft auch zunächst einmal in einem ersten Schritt abgegrenzt werden. Dieselben Informationen finden sich zudem heute dank der einfachen Kopiermöglichkeiten oft gleichzeitig an mehreren Orten. Manchmal wurden diese Informationen weniger oder mehr geändert, manchmal auch nicht. Es entstehen also verschiedene Informationskomplexe, die sich teilweise überdecken und miteinander zu vergleichen sind. Und bei Fachverfahren stellt sich die Frage, welche Felder und welche Tabellen wir erhalten wollen. In all diesen Dingen müssen wir in den nächsten Jahren Erfahrungen sammeln.

Denn all das ist in der Tat neu. Und die Archive werden dabei sehr viel stärker als bei herkömmlichen Unterlagen zu Gestaltern der Überlieferung.[46] Sie müssen – schon wegen der Kosten, die mit der dauerhaften Verfügbarkeit verbunden sind –  dabei auch sehr viel stärker als bisher die zukünftige Nutzung im Blick im haben. Welche Funktionalitäten, welche Eigenschaften sollen bzw. müssen erhalten bleiben? Denkbare Nutzungen denkbarer Nutzergruppen sind in Betracht zu ziehen, Nutzungspakete anzudenken. Für die Überlieferung der Arbeitsverwaltung hat die schon erwähnte Arbeitsgruppe vorgesehen, dass aus einer zentralen Datenbank heraus bestimmte Dossiers erzeugbar sein sollen, mit denen die Arbeitsverwaltung zum Teil selbst nie gearbeitet hat.[47] Das ist ein Spezifikum digitaler Überlieferung. Das erfordert neue Sichtweisen von uns und unserem Selbstverständnis

Überlieferung bilden, sprich: Überlieferung gestalten ist aus archivgeschichtlicher Perspektive aber schon seit langem ein gestalterischer Prozess, der über das reine Sichern von beweiskräftigen Unterlagen und Überresten hinausgeht. Allein die Auswahl hatte schon immer zukünftige Nutzer und Nutzungsmöglichkeiten im Blick; in der Diskussion über die Bewertung massenhafter gleichförmiger Einzelallakten war das zum Beispiel ein zentraler Gesichtspunkt.[48] Neu ist nur die Dimension dieses Aspekts. Spätestens seitdem in Archiven über Methoden der Auswahl und Verdichtung nachgedacht wird, changiert archivische Überlieferung quellenkundlich zwischen Überrest und Tradition, wie ich 2011 auf einem Kolloquium in Berlin etwas näher ausgeführt habe.[49] Je stärker wir als Archivare im Ausgangsmaterial – in den Überresten – Eingriffe vornehmen,[50] desto deutlicher nähert sich das Archivgut der Tradition an. Wir bilden Überlieferung, und gestalten damit Möglichkeiten zur Forschung und der Erinnerung.

Im digitalen Zeitalter wird diese Tendenz verstärkt. Um die aktuelle Diskussion über die Bewertung von Fachverfahren auszugreifen: Zur Auswahl der Unterlagen als solche tritt die Auswahl der Felder und Festlegung der signifikanten Eigenschaften.[51]

Andererseits kann aber auch die reine Bewahrung elektronischer Unterlagen zur Rechtssicherung der Bürgerinnen und Bürger im digitalen Zeitalter eine ganz neue Dimension gewinnen. Ein Beispiel dafür ist die elektronische Grundakte, die wir seit 2012 in Baden-Württemberg im neu eingerichteten Grundbuchzentralarchiv auftragsgemäß für die Verwaltung als unbefristet zu erhaltende Unterlage verfügbar halten; der Bestand hat hier aus quellenkundlicher Sicht Überrest-Charakter in Reinform.[52]

Umso mehr Bedeutung gewinnen gerade dann aber auch heute Zieldefinitionen und Dokumentationsprofile. Ich sehe das digitale Zeitalter als eine besondere Chance, archivische Überlieferung noch einmal sehr viel bewusster zu gestalten, sehr zeitnah (wie bei den eingangs erwähnten Einbürgerungsdaten) und im Idealfall prospektiv; das muss ich hier in diesem Kreis wohl nicht näher ausführen.[53]

Ich möchte vielmehr auf meinen früheren Punkt zurückkommen. Beachten müssen wir bei all dem viel stärker noch als bisher die verschiedenen Funktionalitäten des Archivs nach unserem heutigen archivarischen Selbstverständnis. Die strittigen E-Mails des früheren Ministerpräsidenten Mappus: Sie sind – bezogen auf die Person – vermutlich historische Dokumente von hoher Aussagekraft für die Persönlichkeit. Sie sollen zugleich aber auch retrospektiv die Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns ermöglichen. Das sind unterschiedliche Zweckbestimmungen, die wir uns bei der Bewertung im Einzelfall bewusst machen müssen.

Nicht zuletzt sind in den fraglichen E-Mails geradezu archetypisch – und das wäre ein weiterer Evidenzwert – Veränderungen in der Kommunikation und Aktenführung einer Regierungszentrale zu Beginn des 21. Jahrhunderts greifbar.

Dass alle relevanten Unterlagen, einschließlich der E-Mails, Teile einer geregelten und Aktenführung sein müssen, konnten wir in der Diskussion darüber gegenüber Politik und Verwaltung sehr grundsätzlich thematisieren. Ich hoffe, mit nachhaltiger Wirkung.

Realiter, und da müssen wir uns nichts vormachen, leben wir aber in einer Zeit des medialen Übergangs, in der die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und Prozessen zunehmend lückenhaft geworden ist. Der eingangs zitierte Ministerialbeamte, dessen E-Mail-Konto wir komplett übernommen haben, hat das explizit ausgesprochen. Daraus ist für mich zweierlei abzuleiten. Erstens: Natürlich müssen wir weiterhin versuchen, über das Records Management eine geregelte Aktenführung durchzusetzen und im digitalen Zeitalter entsprechende Anforderungen in den Systemen implementieren; auch das muss ich hier in diesem Kreis sicher nicht näher ausführen.[54] Wir müssen aber – zweitens – die digitalen Spuren auch so, wie sie jetzt entstanden sind und laufend entstehen, bewerten, um dem Ziel gerecht zu werden, unsere Zeit des medialen Übergangs mit all ihren Irregularitäten und Verwerfungen in der Aktenführung zu dokumentieren.[55] Darüber vermisse ich noch eine vertiefte Fachdiskussion. Neben normative Sichtweisen und Vorgaben aus archivarischer Sicht müssen deskriptive Analysen treten – als Grundlage gezielter Überlieferungsbildungen.[56] Auch in diesem Punkt sind komplementäre Sichtweisen unabdingbar. Und unverzichtbar wird dabei auch der Rekurs auf eine zu aktualisierende Archivalienkunde sein; das ist zwar ein anderes Thema, es hat aber durchaus Schnittmengen mit der archivischen Überlieferungsbildung, die hier zumindest angedeutet sein sollen.[57]

Fazit

Ich komme zu einem Fazit in 5 Punkten.

  1. Für die Überlieferungsbildung im digitalen Zeitalter müssen wir keineswegs alles neu durchdenken. Vielmehr besteht Anlass, die Bewertung digitaler Unterlagen auf der Grundlage des aktuellen Diskussionsstands in integrative Konzepte für herkömmliche und digitale Unterlagen einzubeziehen
  2. Die soweit entwickelten Vorgehensweisen, Strategien, Grundsätze und Methoden sind im digitalen Zeitalter noch sehr viel konsequenter anzuwenden.
  3. Vertiefter Betrachtung verdient dabei im Blick auf die jeweilige Zweckbestimmung der Überlieferungsbildung die Anbindung an das aktuelle Selbstverständnis archivischer Arbeit.
  4. Die materialspezifischen Gesichtspunkte sind bei der Einbeziehung digitaler Überlieferung zu berücksichtigen. Der Archive werden dabei nochmals verstärkt zu Gestaltern von Überlieferung.
  5. Unabhängig von dem wichtigen Ziel, eine geregelte Aktenführung durchzusetzen, muss das digitale Zeitalter, so wie es aktuell seine Spuren hinterlässt, dokumentiert werden.

 

Schließen möchte ich mit einem Appell: Wir stehen an der Schwelle zu einer vertieften Beschäftigung mit der Bewertung digitaler Unterlagen. Wir sollten dies zum Anlass nehmen, die Überlieferungsbildung insgesamt zu optimieren. Ich jedenfalls erhoffe mir hiervon einen positiven Schub.

Prof. Dr. Robert Kretzschmar

Landesarchiv Baden-Württemberg

robert.kretzschmar@la-bw.de

[1] http://www.tagesschau.de/inland/merkel-kette100.html [Stand: 11.12.2013, gilt ebenfalls für alle nachfolgenden Hinweise auf Internetseiten].

[3] Johannes Renz, Aus Gegenwart wird Zeitgeschichte. Landesarchiv sichert Weblogs zum Thema „Stuttgart 21“, in: Landesarchiv Baden-Württemberg. Archivnachrichten 47 (2013), S. 39.

[6] Bei Abschluss des vorliegenden Manuskripts war das Berufungsverfahren noch nicht abgeschlossen.

[7] Christian Keitel, Digitale Archivierung beim Landesarchiv Baden-Württemberg, in: Archivar 63 (2010), S. 19-26.

[8] Vgl. die Aufstellung der Bestände mit elektronischen Unterlagen unter http://www.landesarchiv-bw.de/web/50811.

[9] Dies ist in der Digitalisierungsstrategie des Landesarchivs verankert; vgl. Robert Kretzschmar, Das Landesarchiv Baden-Württemberg in der digitalen Welt. Einführung und Textabdruck, in: Archivar 61 (2008), S. 14-19, hier bes. S. 16, auch online unter  http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/2008/ausgabe1/Archivar_2008-1.pdf.

[10] Landesarchiv Baden-Württemberg, Abt. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Kanzleiakten Az. 7-751-1601-IntM/Bn/Et.

[11] Vgl. dazu Christian Keitel, Eine andere Art der Dokumentation. Anmerkungen zur Bewertung umfassender Informationssysteme; http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/52529/Workshop_Keitel_andere_Art.pdf.

[12] Vgl. die Beschreibung des Kurses AK 11 „Überlieferungsbildung – Ziele, Methoden, Verfahren“ unter http://www.archivschule.de/uploads/Fortbildung/2014/Fobi_2014_web1.pdf.

[13] Robert Kretzschmar, Die „neue archivische Bewertungsdiskussion“ und ihre Fußnoten. Zur Standortbestimmung einer fast zehnjährigen Kontroverse, in: Archivalische Zeitschrift 82 (1999), S. 7-40.

[14] Robert Kretzschmar, Multiperspektivische Überlieferungsbildung in Archiven. Ziele und Methoden, in: Harald Siebenmorgen (Hrsg.), Überlieferungskultur. Wie viel Vergangenheit braucht die Gegenwart? Wie viel Gegenwart braucht die Zukunft?, Karlsruhe 2010, S. 123-139.

[15] Robert Kretzschmar, Vertikale und horizontale Bewertung. Ein Projekt der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg, in: Der Archivar 49 (1996), Sp. 257-260.

[16] Robert Kretzschmar, Historische Gesamtdokumentation? Überlieferungsbildung im Verbund?, in: Christoph J. Drüppel/Volker Rödel (Hrsg.), Überlieferungssicherung in der pluralen Gesellschaft (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 11), Stuttgart 1998, S. 53-69.

[17] Irmgard Christa Becker, Dokumentationsprofile als Grundlage kommunalarchivarischer Bewertung; http://www.landesarchiv-bw.de/sixcms/media.php/120/52523/Workshop_Becker_Dokumentationsprofile.pdf.

[18] Vgl. das Poster „Archivische Bewertung. Eine deutsche Diskussion seit den 1990er Jahren“; http://iw.fh-potsdam.de/fileadmin/FB5/lehrende_uploads/schwarz/Studienprojekte/FHP-Poster-Bewertungsdiskussion-seit-1990.pdf.

[19] Andreas Pilger, Grundsätze, Methoden und Strategien der Überlieferungsbildung in Archiven, in: Robert Kretzschmar/Rainer Hering (Hrsg.), Zeitgeschichte, Archive und Geheimschutz. Beiträge einer Sektion auf dem 49. Deutschen Historikertag 2012 in Mainz, Stuttgart 2013, S. 40-49. – Irmgard Christa Becker, Effizienzsteigerung in der Überlieferungsbildung – Dokumentationsprofile und Archivierungsmodelle, in: Rainer Hering (Hrsg.), 5. Norddeutscher Archivtag 12. und 13. Juni 2012 in Lübeck (bibliothemata 26), Nordhausen 2013, S. 195-206, hier S. 195 hat jüngst in diesem Sinne Dokumentationsprofile und Archivierungsmodelle als „zwei große Konzeptfamilien“ unterschieden, die sich für die kommunalen und staatlichen Archive in der Bewertungsdiskussion herauskristallisiert haben, ohne sich wechselseitig auszuschließen.

[20] Matthias Buchholz, Archivische Überlieferungsbildung im Spiegel von Bewertungsdiskussion und Repräsentativität (Landschaftsverband Rheinland LVR-Archivberatungs- und Fortbildungszentrum, Archivhefte 35), 2., überarbeitete Auflage, Köln 2011, hier S. 151-209.

[21] Zur Terminologie in diesem Zusammenhang vgl. Robert Kretzschmar, Handlungsebenen bei der archivischen Bewertung. Strategische Überlegungen zur Optimierung der Überlieferungsbildung, in: Archivalische Zeitschrift 88 (2006), S. 481-509, hier S 494 ff. – Ein jüngstes Beispiel für Dokumentationsprofile hat Karsten Kühnel für das Universitätsarchiv Bayreuth publiziert; http://www.uni-bayreuth.de/universitaetsarchiv/downloads/Dokumentationsprofil_oeffDisk.pdf.

[22] Karsten Uhde (Hrsg.), Berufsbild im Wandel – Aktuelle Herausforderungen für die archivarische Ausbildung und Fortbildung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg 43), Marburg 2005, S. 99-126; Robert Kretzschmar, Aktuelle Entwicklungstendenzen des archivarischen Berufsbilds, in: Archivar 63 (2010), S. 356-360.

[23] Robert Kretzschmar, Quellensicherung im institutionellen Rahmen. Zur Macht und Ohnmacht der Archive bei der Überlieferungsbildung, in: Rainer Hering/Dietmar Schenk (Hrsg.), Wie mächtig sind Archive? Perspektiven der Archivwissenschaft (Veröffentlichungen des Landesarchivs Schleswig-Holstein 104), Hamburg 2013. S. 45-63, hier S. 51 f.

[24] Ebd.

[25] Clemens Rehm, Kundenorientierung – Modewort oder Wesensmerkmal der Archive? Zur Transparenz und Partizipation bei der archivischen Überlieferungsbildung, in: Hans Schadek (Hrsg.), Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Das Dienstleistungsunternehmen Archiv auf dem Prüfstand der Benutzerorientierung. Vorträge des 61. Südwestdeutschen Archivtags am 26. Mai 2001 in Schaffhausen, Stuttgart 2002, S. 17-27; Pilger, wie Anm. 20, S. 48.

[26] Kretzschmar, Handlungsebenen, wie Anm. 22, S. 503 ff.

[27] Robert Kretzschmar (Hrsg.), Historische Überlieferung aus Verwaltungsunterlagen. Zur Praxis der archivischen Bewertung in Baden-Württemberg (Werkhefte der Staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 7), Stuttgart 1997.

[28] Martina Wiech, Steuerung der Überlieferungsbildung mit Archivierungsmodellen. Ein archivfachliches Konzept des Landesarchivs Nordrhein-Westfalen, in: Der Archivar 58 (2005), S. 94-100, auch online http://www.archive.nrw.de/archivar/hefte/2005/Archivar_2005-2.pdf; Martina Wiech, Strategische Herausforderungen an das Landesarchiv Nordrhein-Westfalen auf dem Bereich der Überlieferungsbildung – Probleme und Lösungsansätze, in: Frank M. Bischoff/Robert Kretzschmar (Hrsg.), Neue Perspektiven archivischer Bewertung (Veröffentlichungen der Archivschule Marburg/Institut für Archivwissenschaft 42), Marburg 2005, S. 71-79.

[29] Dokumentationsprofil für das Historische Archiv der Stadt Köln. Stand: März 2013; http://www.archive.nrw.de/kommunalarchive/kommunalarchive_i-l/k/Koeln/BilderKartenLogosDateien/Dokuprofil.pdf.

[30] Vgl. z.B. die Empfehlung Überlieferungsbildung bei Unterlagen der Standesämter; http://www.bundeskonferenz-kommunalarchive.de/empfehlungen/Empfehlung_Personenstandswesen.pdf.

[31] Dies wird schon bei einer Durchsicht der Publikationen des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ deutlich, dessen Tagungsergebnisse im Netz unter http://www.staatsarchiv.sg.ch/home/auds.html greifbar sind, wie Christian Keitel am 7. November 2013 auf dem Workshop der Arbeitskreises „Archivische Bewertung“ im VdA – Verband deutscher Archivarinnen und Archivare e.V. in Stuttgart aufgezeigt hat.

[32] Aus der Fülle der Literatur sei zum aktuellen Diskussionsstand nur hingewiesen auf Christian Keitel/Kai Naumann, Digitale Archivierung in der Praxis. 16. Tagung des Arbeitskreises „Archivierung von Unterlagen aus digitalen Systemen“ und nestor-Workshop „Koordinierungsstellen“ (Werkhefte der staatlichen Archivverwaltung Baden-Württemberg A 24), Stuttgart 2013 und Kai Naumann/Peter Müller: Das neue Handwerk. Digitales Arbeiten in kleinen und mittleren Archiven. Vorträge des 72. Südwestdeutschen Archivtags am 22. und 23. Juni 2012 in Bad Bergzabern, Stuttgart 2013.

[33] Heike Neuroth/Achim Oßwald/Regine Scheffel/Stefan Strathmann/Mathias Jehn, nestor Handbuch. Eine kleine Enzyklopädie der digitalen Langzeitarchivierung. Version 2.0 Juni 2009, Boizenburg 2009, auch online unter http://nestor.sub.uni-goettingen.de/handbuch/nestor-handbuch_23.pdf. Die einschlägigen Abschnitte zur Bewertung haben Christian Keitel sowie Andrea Hänger, Karsten Huth und Heidrun Wiesenmüller verfasst (Kapitel 2.4 und 3.5).

[34] ARK-Arbeitsgruppe Bewertung von Statistikunterlagen. Abschlussbericht Mai 2008, hier S. 40; http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/bundesarchiv_de/fachinformation/ark/200805_ark_ag_statistikunterlagen_abschlussbericht.pdf.

[35] Archivreferentenkonferenz des Bundes und der Länder. Arbeitsgruppe „Arbeitsverwaltung“. Bewertung der elektronischen Akten im Bereich SGB III und der Familienkasse (Strategiepapier) (Stand: 21.08.2013); unveröffentlicht.

[36] Bewertung elektronischer Fachverfahren. Diskussionspapier des VdA-Arbeitskreises „Archivische Bewertung“ (Stand: 5. September 2013); http://www.vda.archiv.net/aktuelles/meldung/257.html.

[37] Christian Keitel, Benutzerinteressen annehmen und signifikante Eigenschaften festlegen. Einige neue Aufgaben für Archivare, in: Archive im digitalen Zeitalter. Überlieferung – Erschließung –

Präsentation. 79. Deutscher Archivtag 2009 in Regensburg. Redaktion: Heiner Schmitt (Tagungsdokumentation zum Deutschen Archivtag 14), Fulda 2010. S. 29-42.

[38] Verwiesen sei hier nur auf den Leitfaden zur digitalen Bestandserhaltung. Vorgehensmodell und Umsetzung. Version 1.0. Verfasst und herausgegeben von der nestor-Arbeitsgruppe Digitale Bestandserhaltung. nestor-materialien 15; http://files.d-nb.de/nestor/materialien/nestor_mat_15.pdf und – als ein Beispiel konkreter Betrachtungen einzelner Bereiche – auf die Abschlussarbeit von Nicole Sachmann von 2010 an der FH Potsdam mit dem Titel Das OAIS-Referenzmodell in der Praxis: Ein Konzept zur Archivierung des BR-Intranets; http://fiz1.fh-potsdam.de/volltext/diplome/10599.pdf. Gerade 2013 ist die archivfachliche Diskussion über signifikante Eigenschaften auch auf Tagungen aufgegriffen worden; vgl. den Tagungsbericht von Katharina Tiemann: Tagung „Bewertung und Übernahme elektronischer Unterlagen, in: Archivar 66 (2013), S. 483 f.; Christoph Schmidt, Signifikante Eigenschaften und ihre Bedeutung für die Bewertung elektronischer Unterlagen, in: Bewertung und Übernahme elektronischer Unterlagen – Business as usual?, Beiträge des Expertenworkshops in Münster am 11. und 12. Juni 2013 (Texte und Untersuchungen zur Archivpflege 28), Münster 2013, S. 20-29.

[39] Wie Anm. 37, S. 3 (unter Punkt 7).

[40] Dasselbe gilt für die Anm. 39 erwähnte Tagung, die am 11.06.2013 in Münster stattfand.

[41] Wie Anm. 10.

[42] Die Arbeitsgruppe ist der Ort halbjährlicher Besprechungen der zuständigen Referentinnen und Referenten sowie Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den einzelnen Archivabteilungen des Landesarchivs. Von ihr werden regelmäßig auch Unterarbeitsgruppen für bestimmte Projekte eingesetzt.

[43] Vgl. dazu jetzt Adrian Brown, Practical digital preservation. A how-to guide für organizations of any size, London 2013, bes. S. 109-127.

[44] Zum Folgenden vgl. Keitel (wie Anm. 38).

[45] Wie Anm. 39; vgl. besonders den Tagungsbericht von Tiemann.

[46] Aus der internationalen Diskussion sei dazu nur verwiesen auf Richard J. Cox, Appraisal and the Future of Archives in the Digital Era; http://d-scholarship.pitt.edu/5865/1/Appraisal_and_the_Future_of_Archives_in_the_Digital_Era.pdf, bes. S. 24 f.

[47] Wie Anm. 36. Dieser Aspekt wurde auch bei der Behandlung des Entwurfs am 25. September 2013 auf der 117. Archivreferentenkonferenz in Saarbrücken kurz besprochen.

[48] Auf Belege dazu sei hier verzichtet.

[49] Vgl. Kretzschmar, Quellensicherung im institutionellen Rahmen, wie Anm. 24, hier S. 53 ff. Zur Thematik bereite ich einen weiteren Beitrag vor, der voraussichtlich im Archivar Heft 3/2014 erscheinen wird. Zur quellenkundlichen Bestimmung archivalischer Überlieferung vgl. jetzt auch Dietmar Schenk, „Aufheben, was nicht vergessen werden darf“. Archive vom alten Europa bis zur digitalen Welt, Stuttgart 2013, S 139 ff.

[50] Schenk, ebd., bes. S. 173 ff. hat zur Betrachtung dessen sehr überzeugend den Begriff der „archivarischen Intervention“ eingeführt.

[51] Vgl. dazu auch die grundsätzlichen Ausführungen von Schenk, ebd., S. 198 ff.

[52] Zum Grundbuchzentralarchiv vgl. demnächst den Beitrag von Michael Aumüller/Clemens Rehm/ Karen Wittmershaus, der im Archivar Heft 1/2014 erscheinen wird.

[53] Dass die archivische Überlieferungsbildung heute weitgehend prospektiv erfolgen muss, darüber dürfte in archivarischen Fachkreisen Konsens bestehen. Das ist (doch dies sei hier nur angedeutet) jedoch nicht ausschließlich eine Folge des digitalen Zeitalters. Vielmehr war dieser Gesichtspunkt schon bei der Entwicklung von Archivierungsmodellen für Unterlagen auf Papier in der Bewertungsdiskussion herausgestellt worden.

[54] Auf Literaturangaben zum Themenkomplex Records Management sei hier verzichtet.

[55] Darauf habe ich zuletzt auch in der abschließenden Podiumsdiskussion bei der Verabschiedung von Prof. Dr. Wilfried Reininghaus aus dem Amt des Präsidenten des Landearchivs Nordrhein-Westfalen aufmerksam gemacht.

[56] Vgl. auch Robert Kretzschmar, Auf dem Weg in das 21. Jahrhundert: Archivische Bewertung, Records Management, Aktenkunde und Archivwissenschaft, in: Archivar 63 (2010), S. 144-150.

[57] Robert Kretzschmar, Hilflose Historikerinnen und Historiker in den Archiven? Zur Bedeutung einer zukünftigen archivalischen Quellenkunde für die universitäre Forschung, in: Blätter für deutsche Landesgeschichte 147 (2011), S. 133-147.

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/630

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Praktikum im LWL-Archivamt- Praktikum der anderen Art

von Daniel Kemper

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Einen Praktikumsplatz in einem Archiv zu bekommen ist tatsächlich gar nicht einmal so einfach. Umso mehr hat es mich dann auch gefreut, als ich die Zusage des LWL – Archivamtes bekam.

Da Praktika in den Semesterferien rar gesät sind, griff ich natürlich, ohne groß darüber nachzudenken, sofort zu. Wie speziell außergewöhnlich, und wie groß die Unterschiede zwischen Archiv und Archivamt tatsächlich sind, wurde mir dann erst während meines Praktikums klar.

Schon Tag eins des Praktikums sollte für mich alles andere als normale Archivarbeit beinhalten. Es ging mit zwei Mitarbeitern des Archivamtes in eine größere Stadt im Westmünsterland, wo, wie man mir auf der Fahrt mitteilte, das hiesige Stadtarchiv notgedrungen in neue Räumlichkeiten ziehen müsste. Soweit so gut. Wovon ich mir allerdings bisher noch keine Vorstellungen gemacht hatte, ist die Fülle an Faktoren die bei der Suche  nach geeigneten Räumlichkeiten für ein Archiv zu beachten sind. Wie und wolang die Wasserleitungen innerhalb eines Gebäudes verlaufen ist da noch eines der kleineren Probleme. Neben den generellen statischen Anforderungen an Gebäude und Untergrund muss auch das Klima, in den für das Magazin vorgesehenen Räumen, immer in etwa gleichbleibend sein. Auch sollen gute Verkehrsanbindungen und Rettungswege für die Feuerwehr gewährleistet sein. Klingt alles sehr Vernünftig und einleuchtend, wenn man sich allerdings noch nie mit dem Bau oder Umzug eines Archivs geschäftigt hat, erschlagen einen die vielen Einzelheiten dann doch nahezu, die für ein Archiv gewährleistet werden müssen.

Es war im Endeffekt nicht ganz das, was ich mir von meinem ersten Tag erwartet hatte. Ich hatte mit der üblichen Einführung und dem ebenso üblichen Rundgang gerechnet, aber so war meine Zeit ja auch nicht vertan. Ich habe an einem Tag alles über die benötigten baulichen gegebenheiten eines Archives mehr gelernt, was in man an einem Tag eben lernen kann. In diesem Fall eine ganze Menge.

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Baupläne fanden sich u.a. im Bestand

Mal abgesehen vom ersten Tag, wurde ich in meinem Praktikum allerding sehr wenig mit den baulichen Faktoren eines Archivumzuges konfrontiert. Dafür standen nun andere Sachen an. Direkt in der ersten Woche gab es dann auch noch eine Einführung in die Restaurierung. Einen ganzen Tag verbrachte ich mit Akten aus dem mir zugewiesenen Bestand und brachte ihnen ein wenig Liebe, vor allem aber Spezialschwämme, entgegen. Etwas, was wohl lange niemand mehr getan hatte. Nachdem mir die Restauratoren auch noch einmal eindringlich zu verstehen gaben, was, außer Staub, noch so alles auf den Akten sein kann, durfte ich dann auch den mir zugewiesenen Bestand (Haus Ruhr, AB (Andere Besitzungen)  bearbeiten. Verzeichnet worden war dieser schon, das letzte fachmännisch begutachtet wurde er allerdings ca. 1950. Das war jetzt also meine Aufgabe für die Wochen vor mir: Inventur des Bestandes durchführen, zur Not Korrekturen am Verzeichnis vornehmen, und alles, was mit Schimmel oder ähnlichem zu tun hat, einmal gesondert verpacken. Nebenbei bekam der Teilbestand, den ich bearbeiten durfte, von mir dann auch mit neuen Kartons und Mappen das Rundum – Wohlfühl – Paket.

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Die Akten lagen unverpackt in den Kartons

 

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Der Bestand vorher hatte eine Umverpackung dringend nötig

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch neben umpacken, korrigieren und Kartons von vor 60 Jahren dem Altpapier zuzuführen, gab es auch noch andere Aspekte während des Praktikums. So war die Fahrt an Tag eins nicht das einzige Mal, das mich mit Mitarbeitern des Amtes in einem Auto saß, unterwegs zu den Schlössern und Burgen Westfalens. Aber nicht nur die Adelsarchive und deren sehr eigene Funktionsweise durfte ich mir anschauen. Während der Fahrten gab es für mich noch mehrere Möglichkeiten, Mitarbeitern bei der Beratung von Kommunalarchiven auf Schritt und Tritt zu folgen, und so einen sehr illustren Querschnitt der Archive Westfalens kennenzulernen.

Die spannendste Fahrt war fast eine Weltreise. Von Münster bis in die Gefilde hinter Paderborn. Kreis Höxter und Konsorten haben an diesem Tag mein Sitzfleisch auf eine Probe der etwas anderen Art gestellt. Nach einer Anfahrtszeit von gefühlt einem ganzen Tag, durch das beschauliche Münsterland rüber nach Ostwestfalen, ging es an die Arbeit. Zwei Adelsarchive wurden besucht. Eines in einem Schloss, das andere auf einem Gutshaus, in dem ein Teil der Familie noch wohnte. Zum Abschluss ging es dann noch in ein Kommunalarchiv, wieder zur Beratung. Allerdings wollte dieses Archiv nicht umziehen. Konnte also wieder nicht mitreden. Trotzdem hat es Spaß gemacht, grade der Querschnitt, der mir an diesem Tag geboten wurde, brachte mir einen weiteren Einblick in die vielfältige Welt der Archive.

Aber auch die Arbeit im hauseigenen Archiv stellte sich als alles andere als eintönig heraus. Als ich meinem Teilbestand endlich alle nötigen Sofortmaßnahmen angetan hatte und ihn, beruhigt das er diesmal hoffentlich länger als 50 Jahre  sicher ist, wieder zurück in das Magazin stellen konnte, ging die Arbeit für mich weiter. Diesmal war das Problem jedoch anders gelagert. Die Kisten die ich diesmal bekam, waren denen, die ich noch eigens zusammen bauen musste nicht unähnlich, und auch das Papier war offensichtlich schon einmal komplett durch die Restaurierung gegangen. Allerdings war nichts davon verzeichnet. Unverzeichnetes Material, was ich natürlich mit Tatendrang und Eifer direkt selbst verzeichnen konnte.

Damit war das Praktikum dann aber auch schon wieder beendet. Das Archivamt ist mich vorerst wieder los. Es wird vermutlich einige Zeit dauern, bis das Chaos beseitigt ist, welches ich angerichtet habe. Aber sollte der Tag kommen, an dem man meinen Namen dort vergessen hat, würde ich gerne noch einmal wieder kommen.

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Danach ist der Bestand in einem Topzustand, wie die neuen Kartons zeigen

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Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/561

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Nicht nur die “Digital nerds”- Die Tagung Offene Archive 2.1. in Stuttgart

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Nachdem die Tagung “Offene Archive? Archive 2.0 im deutschen Sprachraum (und im europäischen Kontext)” im November 2012 in Speyer als Start sehr erfolgreich gewesen war, war es nur logisch eine weitere Tagung zu diesem Thema folgen zu lassen.  So kamen am 3. und 4. April 2014 über 120 Kolleginnen und Kollegen zur Folgetagung  ins Hauptstaatsarchiv nach Stuttgart. Die Tagung hieß dieses Mal “Offene Archive 2.1 – Social media im deutschen Sprachraum und im internationalen Kontext”,  ein kleiner Hinweis darauf, wie schnell sich das Thema weiterentwickelt. Umso erfreulich war es, unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht nur die Personen zu finden, die man bereits aus dem Jahr 2012 kannte, sondern auch andere Archivarinnen und Archivare, die nicht unbedingt für ihre Aktiviäten im Bereich Web 2.0 bekannt sind, sich aber nun aktiv mit der wichtigen Thematik auseinandersetzen wollen. Hinzu kamen auch andere Interessierte, wie u.a. Betreiber historischer Blogs. Gerade diese Mischung des Publikums bereicherte die Diskussion der Tagung umfassend und  deutlich. Das Programm hatte bereits schon im Vorfeld auf dem begleitenden  Archive 2.0 mehr als neugierig gemacht.

Insgesamt ist die Organisation unter Beteiligung des Stadtarchivs Speyer, des Kreisarchivs Siegen-Wittgenstein und des Landesarchivs Baden-Württemberg hoch zu loben. Technisch wurde viel möglich gemacht. Neben Lan und W-Lan gab es einen Livestream  http://193.197.29.93/larch/web2.0/ und eine Twitterwall.

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Für den Livestream wurde aufgezeichnet

Deswegen war es auch unproblematisch die Keynote der Archivblogger Kate Theimar (Archives Next) am Telefon live vortragen zu lassen. Leider hatte der Lufthansa-Piloten Streik verhindert, dass die US-Amerikanerin in Persona an der Tagung teilnehmen konnte. Sie stellte in ihrem Grundlagenbeitrag klar, dass sich die Archive ihre Arbeitseinstellung ändern müssen. Anstelle von Einzelkämpfertum müsse man sich der vernetzten Welt anpassen und sich über Social Media selbst untereinander vernetzen. Ein Ziel dieser Vernetzung muss es sein, den Menschen Geschichte und ihre Bedeutung für die Gegenwart nahe zu bringen. Warum sollten Archive nicht wie die Museen Social Marketing für diese Zwecke nutzen?

Um die vielfältigen Möglichkeiten dieses Socialmarketing in der Welt des Web 2.0 drehte sich alles in der folgenden Sektion. Nach der Einnerung von Christoph Deeg und Marcus Bösch, auch die spielerischen Instrumente und ihre Wirkung nicht außer Acht zu lassen, berichteten Maria Rottler und Tanja Paske in ihren Beiträgen jeweils über das Bloggen. Deutlich wurde der Blog als ein Mittel der dauerhaften Informations- und Nachschlagemöglichkeit hervorgehoben. Paske betonte an ihren Beispielen wie wichtig es für den vielgepriesenen Austausch ist, dem Blog ein Gesicht zu geben, da Menschen lieber mit Menschen als mit Institutionen kommunizieren. Beide Vortragende brachten bereits ein wichtiges Element auf, was während der Tagung immer wieder diskutiert wurde. In  Blogs und Facebook-Auftritten in Deutschland wird kaum kommentiert. Woran kann das liegen? Wie Diskussionen im Web 2.0  in anderen Fachbereichen aussehen könnten, zeigte Pfarrer Alexander Ebel mit seinem Beitrag zur Web 2.0-Arbeit in der evangelischen Landeskirche in der Pfalz. Zuvor hatten Kathrin Pindl/Christopher Kolbeck und Susanne Haaf am Beispiel einer historisch-sprachwissenschaftlichen Editions gezeigt, welche Vorteile Web 2.0 für die Wissenschaft haben kann.

Ulrich Nieß vom Stadtarchiv Mannheim stellte die Arbeiten  zu “einer Web 2.0-Empfehlung für die Bundeskonferenz der Kommunalarchive beim Deutschen Städtetag (BKK)” vor und verdeutlichte die Bedeutung des Web 2.0-Einsatzes in den Kommunen. Kommunale Archivmitarbeiter stehen oft vor der Herausforderung, entweder von ihrer Verwaltung gedrängt zu werden, Web 2.0-Anwendungen zu nutzen, oder dass bei der kommunalen Verwaltung Social Media-Anwendungen reglementiert oder ganz verboten sind. Eine Empfehlung der BKK zu diesem Thema wird deswegen hilfreich sein.

Erste Schritte für den Web 2.0-Einsatz eines Landesarchivs präsentierte  Bastian Gillner in seinem Beitrag zum Facebook-Auftritt des Landesarchivs NRW. Auch er bemerkte die Tendenz der Nutzer wenig zu kommentieren. Grundlage des Facebook-Auftritts sind interne Guidelines, die-obwohl inhaltlich selbstverständlich-wichtig für die korrekte Umsetzung erscheinen. Einen Ort, an dem ansatzweise Diskussion entsteht präsentierte Angela Stillwell aus München. Aus einer kleinen privaten Gruppe für archivische Fachfragen ist die Facebook-Gruppe “Archivfragen” inzwischen auf fast 300 Mitglieder angewachsen. Einige  wenige trauen sich im Rahmen dieser noch geschlossenen Gruppe auch Kommentare abzugeben.

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Für das Publikum gehörte “Twittern und Bloggen zum Handwerk”

 

 

 

 

 

 

 

Anschließend präsentierte Silke Jagodzinski das Projekt Linked Open Data im Archivportal Europa, das zum Ziel hat, auf dem Archivportal Europa die verschiedenen Daten der Archive mit einem sematischen Tool untereinander zuvernetzen. Jeder Inhalt und jedes Bild kann geteilt werden. Verschiedene Inhalte vereint auch das stadtgeschichtliche Wiki, das Christoph Sonnlechner vom Stadtarchiv Wien vorstellte. Unterschiedlicheste Inhalte vereinen sich zu einem semantischen Media-Wiki zur Geschichte der Stadt.

Den zweiten Tagungstag eröffnete Ingmar Koch, Archivinspektor und Archivblogger aus Meersen bei Maastricht. Er stellte in seiner Präsentation die wichtige Frage nach den Inhalten der Web 2.0-Funktionalitäten. Wenn immer mehr Behörden Web 2.0 für den Kontakt mit dem Bürger nutzen,  ist das dann nicht archivwürdig?

Neil Bates von Europeana brachte mit seinem Vortrag eine Lösung für die seit dem ersten Tag stets immer wieder kehrende Frage: Warum kommentiert keiner? Er zeichnete den durchschnittlichen Web 2.0-User v.a. als jemanden, der konsummiert, nicht partizipiert. Der normale Web 2.0-User ist für Bates ein “window-shopper”. Deswegen komme es vor allem darauf an, was in diesen “Fenstern” liege. Man ist also aufgefordert, vor allem an Bilder zu denken. Bilder führen den Konsumenten weiter zu den Inhalten. Bates präsentierte seine These am Beispiel des Europeansauftritts auf der Bilderplattform Pinterest.

Nachdem Anabella Arahuetes Barroso und Anna Sobczak beeindruckende Einblicke in die Nutzung von Social Media  der Archive in Spanien und Polen gegeben hatten, präsentierte abschließend Anneke van Waarden-Koets die Twitterinitiatven @follow an archive und @ask an archivist, die sie zusammen mit ihrer dänischen Kollegin Charlotte Jensen  ins Leben gerufen hat und seit einigen Jahren erfolgreich betreibt. Anneke van Waarden-Koets ist Archivarin im Zeeuws Archief in Middelburg und Archivbloggerin, außerdem ist sie für den Twitterbereich beim für die Niederlande zentralen Blog-Portal Archief 2.0 zuständig.

Die folgenden beiden Sektionen standen unter dem großen Thema Crowdsourcing. Ein wichtiges Thema, was v.a. den Nutzen der Web 2.0-Anwendungen für die Archive in den Focus stellte. Esther Howell präsentierte passend zu Beginn Überlegungen für ein Crowdsourcing-Projekt beim Landesarchiv Baden-Württemberg. Anhand eines mittleren Beispielarchives stellte sie u.a. eine Checkliste für ein mögliches Crowdsourcing-Projekt vor, die auf großes Interesse stieß. Vor allem die Auswahl eines geeigneten Bestandes für ein solches Projekt, war einer der Schwerpunkte dieser Liste. Es steht zu hoffen, dass das Landesarchiv in Kürze diese Überlegungen allgemein veröffentlichen wird. Anschließend zeigte Nanna Floor Clausen, dass in Dänemark im Bereich der Genealogie bereits seit 20 Jahren Crowdsourcing sehr erfolgreich betrieben wird. Nicole Graf vom Swiss-Air-Archiv in Zürich stellte ein Foto-Crowdsourcing Projekt vor, in dem es ihr und ihren Mitarbeitern gelungen war, speziell die Gruppe der alten Mitarbeiter der Swiss-Air anzusprechen, die nach und nach den freien Fotobestand des Swiss-Air-Archivs bis ins Detail erschloss. Hier zeigte sich ein weiterer wichtiger Punkt bei einem Crowdsourcing-Projekt: Die Mitarbeiter benötigen Betreuung und Fürsorge. Sogar bei einem recht klaren Mitarbeiterkreis, wie im Swiss-Air-Projekt (es waren alles alte Mitarbeiter der Firma) war dies der Fall. Bei eigenen Planungen sollte dieser Punkt dringend berücksichtigt werden.

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Nicole Graf präsentiert ihr Projekt

Nachdem Elisabeth Steiger  und Esther Howell die aktuellen Crowdsourcing Projekte des Stadtarchivs Speyer und des Landesarchivs Baden-Württemberg vorgestellt hatten, präsentierte Jochen Hermel die Strategie zur kollaborativer Erschließung im Historischen Digitalen Archiv der Stadt Köln. Dort ist es bedingt durch den Archiveinsturz ein zentrales Anliegen, einen vollfunktionstüchtigen elektronischen Lesesaal zu erschaffen und mit Digitalisaten zu füllen. Darüber hinaus ist die Mithilfe der Nutzer bei der Identifizierung ganzer Bestände oder einzelner Stücke unerlässlich.

Einen interessanten Perspektivwechsel bot dann der Vortrag von Andreas Job, der aus ehemaliger Nutzerbespektive die gemeinsamen Interessen von Genealogen und Archivaren in punkto Digitalisierung in den Vordergrund stellte und auslotete welche Möglichkeiten für eine effektive Zusammenarbeit über Crowdsourcing bestehen.

Bevor Mario Glauert als Moderator das Schlusswort sprach, fasste Karsten Kühnel die archivfachliche Perspektive des Crowdsourcings ins Auge. Er ging in seinem Beitrag Partizipation durch Standardisierung? Erschließung vor dem Hintergrund fortgeschrittener Nutzeremanzipation der Frage nach, welche Bedingungen erfüllt werden müssen, damit Nutzer den Archivar bei seiner Erschließung unterstützen können. Er setze sich in seinem Vortrag mit der Frage auseinander, wie die fachlichen Anforderungen der Archive auch in einem Crowdsourcing-Projekt erfüllt werden können.

Insgesamt brachte die Tagung eine sehr fruchtbaren Diskussionen in Punkto Archivar/Nutzerbeziehung, wichtigen Grundlagen und praktischen Hinweise zum Thema Crowdsourcing und die Aussicht auf eine Fortsetzungsveranstaltung “Offene Archive 2.2″. im Jahre 2016. Es hat sich gezeigt, dass sich der Themenbereich Web 2.0 und Social Media vom Außenseiter zu einem richtigen Fachthema entwickelt hat. Nicht nur deswegen berücksichtige der VDA das ganze Thema vor kurzem in einen gesonderten Arbeitsgruppe. Auch die Publikumszusammensetzung hat in diesem Jahr die Diskussion mehr als bereichert und befördert. Gerade deswegen steht zu hoffen, dass sich im Verhältnis Archive und Social Media weiterhin etwas bewegt, um die Ausgangsbasis beim nächsten Mal noch breiter zu gestalten. Ein Stillstand der Diskussion wäre bei einem Medium, dass sich so schnell verändert wie die Social Media mehr als fatal.

 

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Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/502

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Die “geheimen” Tagebücher des Herzogs von Croÿ online

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Am 30. März vor 230 Jahren 1784 verstarb  der Herzog Emmanuel de Croÿ, der Stammvater der Croÿs in Dülmen. Sein Nachlass und seine Tagebücher (in französischer Sprache) wurden im letzten Jahr in einem internationalen Projekt mit dem DHI in Paris im LWL-Archivamt erschlossen und digitalisiert. Entstanden ist ein digitales Inventar zur Person des Herzogs. Über www.archive.nrw.de wurden die Erschließungsinformationen und die Digitalisate online zugänglich gemacht.

Erstmals wurde im Echtbetrieb die Funktion von archive.nrw genutzt, neben Erschließungsinformationen auch Archivaliendigitalisate online zu stellen. Inzwischen sind weitere Digitalisate nachgefolgt.

Emmanuel de Croÿ war der einzige Sohn von Philippe-Alexandre-Emmanuel de Croÿ (1676–1723), Fürst von Solre etc. und Marie-Marguerite-Louise, Gräfin von Millendonk (1681–1768), und damit auch Fürst des Heiligen Römischen Reiches. Als Musketier machte er in der französischen Armee eine steile Karriere, an deren Ende er schließlich am 13. Juli 1783 zum Marschall von Frankreich ernannt wurde. Darüber hinaus entwickelte er sich zu einem engen Berater Ludwigs XV., später auch Ludwigs XVI. Neben seiner glänzenden militärischen und diplomatischen Laufbahn repräsentiert Emmanuel de Croÿ den Typus des aufgeklärten Grandseigneur des 18. Jahrhunderts. Er interessierte sich für alle Erfindungen und Entdeckungen seiner Zeit. Sein enzyklopädisches Interesse für alles, was seine Zeit bewegte, seien es Geistes- und Naturwissenschaften, Militärwesen, Geographie, Nationalökonomie oder Kunst, spiegelt sich in den zahlreichen Manuskripten und Dossiers seines Nachlasses wider, die – wie der gesamte Nachlass bisher von der Forschung in Deutschland weitgehend unbeachtet geblieben sind.

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Berühmtheit erlangt haben allein die 41 Bände Tagebücher des Emanuel de Croÿ, aus denen Hans Pleschinski 2011 eine Auswahledition in deutscher Sprache herausgegeben hat.[1] Der Nachlass des Emmanuel de Croÿ lag bis zu Beginn des Jahres 2012 unbearbeitet im Archiv der Herzoge von Croÿ in Dülmen. Hierhin hatte sich die Herzogliche Familie Croÿ nach dem Reichsdeputationshauptschluss Anfang des 19. Jahrhunderts auf die zugewiesenen Entschädigungsgüter zurückgezogen.

 

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[1] Vgl. Hans Pleschinski, Nie war es herrlicher zu leben. Das geheime Tagebuch des Herzogs von Croÿ, C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-62170-3; Emmanuel Henri vicomte de Grouchy (Hrsg): Emmanuel duc de Croÿ, Journal inédit, 4 Bde., Paris 1906 (Nachdruck 2010);

als Onlineressource: https://archive.org/details/journalinditdud01crogoog.

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/439

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Europeana-Aktionstag in Münster

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Diese Feldpostkarte zu Weihnachten ist Teil der vom LWL-Archivamt geplanten Publikation “Adel im Krieg.Quellen aus westfälischen Adelsarchiven 1914-1918″, die im August 2014 in der Reihe der “Vereinten Westfällischen Adelsarchive” erscheinen wird.

 

 

 

Alle Archive, nein, alle Kulturinstitutionen hält in diesem Jahr aus gegebenem Anlass ein Projekt zum Thema 1. Weltkrieg in Atmen. Wichtig ist es, in diesem Zusammenhang das Projekt “Europeana 1914-1918″ nicht zu übersehen.

 

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Das internationale Projekt bietet zunächst die Möglichkeit Fotos und Archivalien online einem großen digitalen Bildarchiv hinzuzufügen. Darüber hinaus gibt es zu diesem Projekt überall in Europa Aktionstage. Jedermann kann seine Fotos, Materialien und Briefe vorbei bringen. Sie werden gescannt und die Scans werden dem Onlinearchiv hinzugefügt. Voraussetzung für alles ist die Zustimmung zur Veröffentlichung der Bilder im Rahmen der Europeana. Die Digitalisate von seinen Stücken kann jeder mit nehmen, also sollte man eine Festplatte bzw. USB-Stick mitbringen.  Bei den Aktionstagen sind außerdem Historiker und Archivare vor Ort, die als Experten beraten, um was es sich z.B. handelt oder wie man Fotos richtig lagern sollte. Am Ende nimmt jeder Interessierte seine Unterlagen, das Digitalisat und jede Menge Informationen wieder mit nach Hause.

Auch in Münster findet am Samstag, 29. März von 10-18 Uhr ein solcher Aktionstag im Landesarchiv NRW, Abt. W, im Bohlweg 2 statt.  Wir werden auch mit einem Stand vor Ort beraten und freuen uns auf Sie!

Den Infoflyer zum Aktionstag in Münster können Sie hier herunterladen: Europeana1418_Flyer_M__nster_1mm_20140220

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/409

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Restaurierung städtischer Verwaltungsakten aus dem Stadtarchiv Rheine – auch ein strategisches Projekt.

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Der Westfälische Archivtag am 11. und 12. März in Bielefeld hat das Oberthema Strategien. Aber was hat sich die Kollegin oder der Kollege genau unter Strategien vorzustellen? Ein gutes Beispiel dafür befindet sich gerade in unserer Werkstatt. Der Stadtarchivar von Rheine sah sich mit einem Berg von schimmeligen Akten konfrontiert. Was tun und wie geht man vor?

Bereits im Jahre 2007 hat Dr. Thomas Gießmann, Leiter des Stadtarchivs Rheine die ersten von 1032 Verwaltungsakten aus den Jahren 1813 bis 1935 nach Münster in die Restaurierungswerkstatt im LWL-Archivamt gebracht. Die Akten waren durch die Lagerung in einem feuchten Keller des alten Rathauses bereit beschädigt, als sie 1952/53 in das Stadtarchiv übernommen wurden; im Sommer 2006 blühte der Schimmel wieder auf und drohte die Archivalien zu zerfressen. Inhaltlich sind und waren sie von höchster Bedeutung für die Stadt Rheine. In der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu wichtigen Entwicklungsprozessen in der Geschichte der Stadt. Auch die Ratsprotokolle – per se eine der wichtigsten Quellen in einer Stadt – waren unter den zu restaurierenden Stücken.

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Schritt für Schritt machten sich die Damen und Herren der Restaurierungswerkstatt daran unter der Leitung von Werkstattleiterin Birgit Geller die Akten zu säubern und wieder herzustellen. In der Natur der Sache lag es, dass diese Prozesse nur langsam voran gehen können. Bei den 700 am stärksten in Mitleidenschaft gezogenen Akten hat der Schimmel das Papier bereits soweit angegriffen, das es zum Substanzverlust führen muss. Das bedeutet: Nach einer ausführlichen Reinigung müssen die Akten angefasert werden, um das Papier wiederherzustellen. Teilweise müssen auch Fehlstellen ganz ergänzt werden.  Ein Prozess, der dauert. Bisher sind 163 Akten fertig gestellt.

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Auch wenn es lange Zeit brauchen wird, Dr. Thomas Gießmann ist zuversichtlich. Die Akten müssen gereinigt werden und dies geschieht Schritt für Schritt. Es ist auch eine Frage der strategischen Planung, denn genau wie die Werkstatt im LWL-Archivamt nicht alle der 1032 Akten auf einmal wiederherstellen kann, kann das Stadtarchiv Rheine nicht die Restaurierung aller Akten auf einmal bezahlen. Im Schnitt die Kosten für rund 34 Akten pro Jahr einzuplanen, bedeutet den Aktenberg langsam aber stetig abzuarbeiten und damit dem Ziel, diese für die Stadtgeschichte höchst wichtigen Akten zu erhalten näher zu kommen. Zur Strategieplanung gehört auch in regelmäßigen Abständen öffentlichkeitswirksam auf die Wiederherstellung aufmerksam zu machen, wie aktuell in der Münsterschen Volkszeitung für Rheine geschehen:

http://www.mv-online.de/Region-Rheine/Rheine/LWL-Archivamt-restauriert-vom-Schimmel-befallene-Archivbestaende-aus-Preussenzeit-Rheines-historisches-Gedaechtnis-wird-muehsam-rekonstruiert

 

(Dank an Paul Nienhaus, MV Zeitung)

Quelle: http://archivamt.hypotheses.org/194

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