Die Maßnahmen, die man im Sommer 1943 unmittelbar nach dem verheerenden Feuersturm ergriff, dienten dazu, so viele Menschen wie irgend möglich zu retten und den ersten Schritt zur Wiederherstellung der Ordnung zu unternehmen. Doch erreichten die Flächenbrände in Hamburg Dimensionen, angesichts derer die in der Vorkriegszeit für den Luftschutz ausgearbeiteten Systeme an ihre Grenzen stießen. Auch wenn das Inferno für viele Zeitgenossen einem Weltuntergang gleichkam, konnte man zumindest das Ausmaß sowie einige der Langzeitfolgen dieser Katastrophe etwas begrenzen. Welche Handlungsspielräume gab es und was wurde durch deren Ausschöpfung erreicht?
Luftschutz
Schon vor Beginn des II. Weltkrieges hatten die Verantwortlichen geahnt, dass die technischen Innovationen in der Luftfahrt das Risiko von Bombenangriffen gegen die Städte erhöhten. Dementsprechend hatte man im Rahmen des Luftschutzes Vorkehrungen getroffen, mit denen man die Auswirkungen begrenzen wollte. Dies betraf sowohl die Prävention als auch Planungen für die Durchführung von Sofortmaßnahmen im Ernstfall. Da der Luftkrieg ein vollkommen neues Mittel der Kriegsführung war, konnte jedoch kaum jemand im Voraus ahnen, welche Szenarien genau man zu erwarten hatte. Daher kamen die Verantwortlichen im Verlauf des II. Weltkrieges nicht umhin, ihren Luftschutz an die tatsächlich eintretenden Gegebenheiten anzupassen. In Deutschland geschah dies auch und gerade unter dem Eindruck des Schocks infolge der so genannten „Operation Gomorrha“ in Hamburg.
Schutzräume
Bereits bei Kriegsbeginn hatte man Luftschutzräume eingerichtet, in denen die Menschen sich im Falle eines Angriffs sicher fühlen sollten. Es gelang in Hamburg ebenso wie in vielen anderen deutschen Großstädten nicht, für die ganze Bevölkerung Plätze in den besonders gut ausgestatteten öffentlichen Schutzräumen zu schaffen. Daher mussten viele Menschen bei Bombenangriffen auf ihre behelfsmäßig ausgebauten Hauskeller ausweichen, die nur einen sehr unzureichenden Schutz boten. Bei Flächenbränden konnten sich in diesen Räumen giftige Gase entwickeln, an denen die Insassen erstickten, sofern sie diese Keller nicht umgehend verließen. Die fatalen Folgen dieser Mängel sollten die Bewohner Hamburgs im Sommer 1943 auf grausame Weise zu spüren bekommen. Ausgerechnet die Kellerräume, die sie zu ihrem eigenen Schutz aufgesucht hatten, wurden für Tausende zur tödlichen Falle.
Organisationsstrukturen im Luftschutz
Ebenfalls vor Kriegsbeginn hatte man die Organisation der Sofortmaßnahmen für den Fall von Bombenangriffen genau geregelt. Hierbei war es zum Einen wichtig, die vorgesehenen Abläufe genau einzustudieren und damit das angemessene Verhalten im Ernstfall zur Routine werden zu lassen. Zum Anderen war man jedoch auf Spielräume angewiesen, um sich an unvorhersehbare Gegebenheiten anpassen zu können. Daher waren einerseits kommunale und staatliche Institutionen erforderlich, die Personal und Logistik bereitstellten, um umfangreichere Einsätze durchzuführen. Andererseits wurde die Schadensbegrenzung vor Ort durch schnelles Eingreifen entscheidend durch dezentrale Strukturen erleichtert. Gerade in Deutschland spielte der Einsatz der Bewohner vor Ort neben den Einrichtungen des professionellen Katastrophenschutzes eine entscheidende Rolle. Im Rahmen der so genannten „Luftschutzdienstpflicht“ waren im „Dritten Reich“ alle erwachsenen und gesunden Bewohner zur Mitwirkung verpflichtet. Damit waren die luftschutzbedingten Eingriffe in das Privatleben der Menschen besonders massiv. Dass Menschen angesichts der primitiven Ausstattung, die dafür zur Verfügung stand, bei Großangriffen ihr Leben riskierten, nahm die NS-Führung billigend in Kauf. Für das Regime waren diese Organisationsstrukturen nicht nur aus praktischen Erwägungen heraus notwendig, sondern man sah darin vielmehr noch eine zusätzliche Chance, die Kampfmoral im totalen Krieg zusätzlich zu erhöhen. Bei kleinen Bombenangriffen mochten die Einsätze dieser so genannten „Selbstschutzgemeinschaften“ aus Hausbewohnern und Belegschaften von Betrieben durchaus eine gewisse Wirksamkeit entfalten. Mit Flächenbombardements und deren verheerenden Folgen waren sie jedoch überfordert.
Brandbekämpfung
Um Menschenleben zu retten und Zerstörungen zu begrenzen, war es zunächst einmal erforderlich, die durch Tausende von Phosphor- und Stabbrandbomben ausgelösten Brände zu bekämpfen. Zunächst war es an den „Selbstschutzgemeinschaften“, Brände im Keim zu ersticken, zumindest aber deren weitere Ausbreitung zu verhindern. Die mit Fahrzeugen und professionellem Löschmaterial ausgerüstete Feuerwehr sollte dann eingreifen, wenn die Löschkräfte vor Ort ein Feuer nicht unter Kontrolle bringen konnten.
Aufgrund der wiederholten massiven Bombardements im Juli und August 1943 stießen alle Beteiligten dieses Brandbekämpfungssystems an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Die professionelle Feuerwehr war in ihrer Mobilität eingeschränkt, weil Trümmer und Brände kein Durchkommen mehr ermöglichten. Darüber hinaus fielen zahlreiche Fahrzeuge den Flammen zum Opfer. Die „Selbstschutzgemeinschaften“ konnten mit ihren primitiven Löschmitteln – einfache Handspritzen gegen herkömmliche Brandbomben und Sand gegen Phosphor – der umfassenden Brandentwicklung keinen Einhalt mehr gebieten. Je länger die Großangriffsserie dauerte, desto stärker wurden bei allen Löschkräften die Erschöpfungssymptome. Wenn es angesichts der Konzentration der abgeworfenen Brandbomben kaum möglich war, Brände zu löschen, so konnte man zumindest deren Ausbreitung eindämmen. Vor allem bei den ersten Bombenangriffen vor dem 27. Juli 1943 konnte man hier noch eine entscheidende Wirkung erzielen. Die vorübergehende Eindämmung der Brände verschaffte eine Atempause im Wettlauf gegen die Zeit und ermöglichte es zahlreichen Bewohnern, sich und einen Teil ihrer Habe in Sicherheit zu bringen, bevor es zu spät war.
Hilfe für die Opfer
Mit mehr als 30.000 Toten gehörte die „Operation Gomhorra“ zu den folgenschwersten Bombenangriffen gegen deutsche Städte im II. Weltkrieg. Doch angesichts der Dimensionen des Brand-Infernos hätte es noch um einiges schlimmer kommen können, wenn nicht die trotz allem bestehenden Handlungsspielräume zur Rettung von Menschenleben ausgeschöpft worden wären.
Rettung und Bergung
Durch die sehr gut funktionierende mobile medizinische Versorgung konnten zahlreiche Verletzte überleben und vor dauerhaften gesundheitlichen Beeinträchtigungen bewahrt werden. So waren eingesetzten Pflegekräfte angemessen darauf vorbereitet, Verletzungen durch Phosphor und Stabbrandbomben wirkungsvoll zu behandeln. An die Belastungsgrenzen stieß man jedoch bei der Rettung von Bombenopfern, die entweder verschüttet oder vom Flammenmeer eingeschlossen waren. Hierfür musste man schnell handeln, gleichzeitig jedoch mit Sorgfalt vorgehen, um die Betroffenen nicht zusätzlich zu gefährden. Angesichts der allgemeinen Überlastung kam daher für viele Opfer jede Hilfe zu spät. Die Bergung der Toten stellte die städtischen Institutionen lange nach Ende der Großangriffsserie vor erhebliche Belastungen. Die Leichen mussten geborgen und umgehend entfernt werden, um den Ausbruch von Seuchen sowie eine Beeinträchtigung der Moral der Bevölkerung zu vermeiden. Tatsächlich verlief die Seuchenbekämpfung trotz der sommerlichen Witterung erfolgreich. Ob dies auf die Wirksamkeit der Bergungsaktionen oder eher darauf zurückzuführen ist, dass es die meisten Toten in den schwer zerstörten Stadtteilen gab, die ohnehin weitgehend unbewohnbar geworden waren, lässt sich im Nachhinein kaum noch nachvollziehen.
Versorgung der Obdachlosen
Um die Moral der Bevölkerung zu stabilisieren und den Ausbruch sozialer Unruhen zu vermeiden, war es unerlässlich, die Obdachlosen, die oftmals ihre gesamte Habe verloren hatten, umgehend mit dem Nötigsten zu versorgen. Unverzüglich sollten kommunale Institutionen und NS-Wohlfahrtsorganisationen Nahrungsmittel, Getränke und eine Grundausstattung mit Ersatz-Hausrat für die Ausgebombten bereitstellen. Durch die besonderen Bedingungen des Hamburger Feuersturms waren viele Obdachlose zusätzlich akuter Lebensgefahr ausgesetzt. Daher funktionierte das ursprünglich ausgearbeitete Versorgungssystem nicht, das die Ausgebombten zu den bereits vorbereiteten Sammelunterkünften leiten sollte, in Hamburg nur sehr unzureichend. Tatsächlich verließen in Hamburg zahlreiche obdachlos gewordene Menschen fluchtartig die Stadt in Richtung Umland, nachdem sie dem Inferno entronnen waren. Es kam zu chaotischen Zuständen auf den Bahnhöfen. Doch es gelang Behörden und NS-Wohlfahrtsorganisationen rasch, die Obdachlosen auf dem Land mit dem Lebensnotwendigen – vor allem mit Nahrungsmitteln – zu versorgen. Unterkünfte konnten ebenfalls zeitnah bereitgestellt werden. Trotz des durch das Inferno hervorgerufenen Chaos gerieten diejenigen, die durch den Feuersturm in Hamburg ihr Zuhause verloren hatten, aufgrund dieser wirkungsvollen Maßnahmen nicht in eine die existenziellen Lebensgrundlagen dauerhaft bedrohende Notsituation. Das Wichtigste war, dass die Lebensmittelversorgung der Obdachlosen durch die großzügigen Sonderzuteilungen zu keinem Zeitpunkt gefährdet war.
Wiederherstellung von Ordnung und Normalität
Sobald man die unmittelbare, mitunter lebensbedrohliche Notsituation infolge der Bombenangriffe unter Kontrolle gebracht hatte, ging es darum, die Grundlagen für die Wiederaufnahme eines geregelten Alltagslebens zu schaffen. Durch entsprechende effiziente Sofortmaßnahmen konnte man mit einem geringen Aufwand an Personal und Logistik schnell eine Wiederherstellung der lebenswichtigen Grundfunktionen bewirken. So gelang es, die Auswirkungen der Bombenangriffe in den als lebensnotwendig oder kriegswichtig eingestuften Bereichen zeitlich und räumlich erheblich zu begrenzen.
Trümmerbeseitigung
Um die für die Wiederaufnahme des öffentlichen Lebens entscheidenden Verkehrswege wieder nutzbar zu machen, mussten die dort befindlichen Trümmer umgehend beseitigt werden. Dazu gehörte auch das Entfernen einsturzgefährdeter Ruinen, die ein erhebliches Sicherheitsrisiko darstellen konnten. Wollte man zudem mit den Ressourcen effizient haushalten, war es erforderlich, den Schutt bestmöglich wiederzuverwerten. Somit kam der Trümmerbeseitigung auch bei der Schaffung der Grundlagen für eine langfristige Bewältigung der Bombenkriegsfolgen eine Schlüsselrolle zu.
Die Enttrümmerung war also eine anspruchsvolle, mit hohem personellem und logistischem Aufwand verbundene Aufgabe. Aufgrund der flächendeckenden Zerstörung ganzer Stadtteile durch den Feuersturm war es unmöglich, alle Trümmer zeitnah zu entfernen. Doch indem die Verantwortlichen klare Schwerpunkte beim Freiräumen der lebenswichtigen Hauptverkehrswege setzten, gelang es in diesem Bereich eine beachtliche Wirksamkeit zu entfalten. Das Abräumen des Schutts auf den total zerstörten Grundstücken wurde damit zur Nachkriegsaufgabe.
Behelfsmäßige Reparaturen
Während des Krieges war aufgrund des Mangels an Personal, Baumaterialien und finanziellen Mitteln nicht an einen groß angelegten Wiederaufbau zu denken. Dennoch gab es bei den begrenzten Schäden beträchtliche Handlungsspielräume für behelfsmäßige Instandsetzungen. Um hierbei mit dem geringstmöglichen Aufwand eine größtmögliche Wirksamkeit zu erzielen, konzentrierte man sich sehr gezielt auf die lebensnotwendigen und kriegswichtigen Bereiche. Entscheidende Ergebnisse brachten diese Reparaturen vor allem bei der Infrastruktur, bei lebenswichtigen öffentlichen Gebäuden sowie bei der Industrie. Gerade das Beispiel des Hamburger Feuersturms zeigt, dass es trotz schweren und flächendeckenden Bombenschäden während des Krieges möglich war, die Grundfunktionen einer Metropole aufrechtzuerhalten.
Sofortmaßnahmen und Ausbeutung von Zwangsarbeitern
Die frühen Publikationen zum Hamburger Feuersturm in den 1950er und 1960er Jahren betonen den vorbildlichen Einsatz der deutschen Bevölkerung und das dabei angeblich gelebte Gemeinschaftsgefühl. Erst in den letzten Jahren wurde herausgearbeitet, dass diese Sichtweise einseitig ist. Es ist an der Zeit, dass der Einsatz von Zwangsarbeitern, die auch bei diesen Kraftakten ausgebeutet wurden, größere Beachtung findet.
Der Zwangsarbeiter-Einsatz für jene Maßnahmen, die mit der Bewältigung von Bombenkriegsfolgen zu tun hatten, war in Hamburg keine improvisierte Notlösung, auf die man erst 1943 zurückgriff. Vielmehr war die menschenunwürdige Ausbeutung dieser billigen Arbeitskräfte von langer Hand geplant worden. Schon seit 1938 mussten Häftlinge des KZ Neuengamme unter lebensfeindlichen Bedingungen schuften, um in dem dortigen Klinkerwerk dringend benötigte Baustoffe zu produzieren, die für Zwecke des Luftschutzes und der Behebung von Bombenschäden zum Einsatz kommen sollten. Als die Intensität des Bombenkrieges zunahm, wurden über das ganze Stadtgebiet verteilt dezentrale Zwangsarbeiter-Lager eingerichtet, um die Arbeitskräfte zeitnah an den Einsatzorten bereitstellen zu können.
Zwangsarbeit spielte vor allem in denjenigen Bereichen der Sofortmaßnahmen eine entscheidende Rolle, in denen die physische oder psychische Belastung für deutsche Arbeitskräfte eine Belastung der allgemeinen Kriegsmoral hätte bewirken können. Zugleich handelte es sich um Tätigkeiten, die weder ein ausgeprägtes Fachwissen voraussetzten, noch sicherheitsrelevante Bereiche der Kriegswirtschaft berührten. Daher griff man vor allem bei der Bergung der Leichen und bei der Schutt-Beseitigung verstärkt auf Zwangsarbeiter zurück. Es ist daher davon auszugehen, dass die Wiederherstellung der Lebensgrundlagen nach dem Feuersturm durch den Einsatz der Zwangsarbeiter erheblich erleichtert und beschleunigt wurde. Daher ist es an der Zeit, die Arbeit dieser Menschen bei der Erinnerung an die Bombenangriffe angemessen zu würdigen.