Bernd Sommer, Harald Welzer: Transformationsdesign. Wege in eine zukunftsfähige Moderne. München: oekom verlag 2014.
Transformationsdesign verstehe sich auch als „Resilienzforschung und Resilienzgenerator“, schreiben Bernd Sommer und Harald Welzer auf Seite 116 – „als Mittel zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung von Widerstandsfähigkeit“. Die Diagnose, auf die sich dieses Buch stützt, ist nicht neu: „Die zukunftsvergessene und innovationsversessene Kultur des unbegrenzten Wachsens und Konsumierens ist ein Endzeitphänomen“ (S. 10). Mit etwas weniger Fremdwörtern: Es geht zu Ende mit dem Überfluss, in dem wir leben. Kaufen, kaufen, kaufen und jeden Euro, der übrig bleibt, jede gewonnene Kilowattstunde, jedes gesparte Stück Material in eine neue Reise, ein neues Gerät investieren: Damit ist es vorbei. Sommer und Welzer sprechen von „struktureller Nicht-Nachhaltigkeit“ und widmen „Klima, Krisen und Katastrophen“ folgerichtig ein ganzes Kapitel (S. 27-37), gefolgt von einem Abschnitt über die „imperiale Lebensweise“ (S. 37-43). So weit, so bekannt.
Was dann folgt, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Aufruf zur Revolution von oben. Da der Crash unausweichlich sei, bleibe nur eine Frage offen: Transformation „by design or by desaster“ (S. 11)? Antwort eins gibt der Buchtitel. Antwort zwei: Wir (also die aufgeklärten Eliten) müssen uns darauf einigen, wie die Zukunft aussehen soll. Sommer und Welzer schlagen eine Art Quadratur des Kreises vor (S. 47): den „Zivilisierungsstandard“ bewahren, den uns die „kapitalistische Wachstumswirtschaft“ beschert hat (ein Standard, zu dem offenbar auch eine komplexe Sprache gehört), und trotzdem wegkommen vom Immer-weiter-Wachsen. Voraussetzung: die Bereitschaft, „sich selbst zu deprivilegieren“ (S. 49). Puh. Bei Armin Reller, der sich für seine Stoffgeschichten mit der Journalistin Heike Holdinghausen verbündet hat, wird ausgesprochen, was das bedeutet: keine Bockwurst mehr für 1,50 Euro, nur alle paar Jahre ein neues Handy und öfter beim Schuster um die Ecke als im Designerladen, der den neuesten Schrei aus Italien oder Asien anbietet. Der geschenkte Planet oder Wir konsumieren uns zu Tode informieren besser über „Transformationsdesigns“ als das Buch, das diesen Namen trägt.
Immerhin: Sommer und Welzer bieten einen schönen Abriss über Umwälzungen in der Vergangenheit (neolithische und industrielle Revolution, Abolitionismus, Frauen- und Gleichstellungsbewegungen). Und (noch besser): Sie nehmen die Visionen auseinander, die den Diskurs im Moment beherrschen. Technik, alles verrechnen (auch die Umweltschäden), grünes Wachstum: Nichts davon wird funktionieren. Nicht mal Müll trennen, Radfahren und vegan essen. Alles umsonst, was in „ein verändertes Bewusstsein“ investiert wurde, sagen Bernd Sommer und Harald Welzer, solange eine „gesellschaftliche Gesamtpraxis“ regiere, „in der nichts nachhaltig ist“ (S. 38).
Wer ohnehin Probleme mit Veggie-Day und grünen Besserwissern hat, mag sich über solche Sätze freuen. Zu Ende gedacht ist das aber nicht, schon gar nicht in dem Theoriekontext, in dem sich dieses Buch bewegt. Sommer und Welzer beschreiben sozialen Wandel mit der Soziologie von Norbert Elias. Das passt einerseits, weil es bei Elias um Macht geht, um Pfadabhängigkeit und um Positionsverluste. Wenn eine Gruppe aufsteigt, verliert unweigerlich eine andere. Andererseits lassen sich „die Strukturen der menschlichen Psyche“ in dieser Theorie nicht ohne „die Strukturen der menschlichen Gesellschaft“ verstehen – und umgekehrt: Die „Praktiken und Normen einer jeweiligen Gesellschaftsformation“ prägen „auch die Innenwelten ihrer Mitglieder“ (S. 105). Übersetzt: Es lohnt sich doch, in das Bewusstsein zu investieren. Die vielen Beispiele im zweiten Teil des Buchs (von Linux über Wikipedia bis zum Spindelrasenmäher, von dem Sommer und Welzer gar nicht genug bekommen können) zeigen, dass die Transformation längst läuft, ganz ohne Design aus den Studierstuben.