Vor einigen Tagen ging der 2500. Eintrag der Bibliotheca Sinica 2.0[1] online - Zeit für eine Zwischenbilanz, was seit dem ersten Beitrag, der am 17. Januar 2010 online ging, geschah …
Eines der Bilder aus dem Header der Bibliotheca Sinica 2.0 | Foto: Monika Lehner *)
Am Anfang stand ein Berg von Zetteln & Notizen, Listen & Tabellen – teils handschriftlich in Mappen, Notizbüchern, Journalen, teils in zahllosen Dateien unter mehr oder weniger sinnvollen Namen abgespeichert – als Nebenprodukte von Jahren (bzw. inzwischen Jahrzehnten) der Beschäftigung mit westlichem Wissen über China in gedruckter Form.
In diesen Listen standen (Kurz-)Titel und die Signaturen dazu – aus der Universitätsbibliothek Wien, der Österreichischen Nationalbibliothek und aus der Bibliothek des Österreichischen Staatsarchivs. In zahllosen Gesprächen nach Vorträgen und Präsentationen bei Workshops und Konferenzen tauchte immer wieder dieselbe Frage auf: Und wo haben Sie/hast du diesen oder jenen Titel gefunden? Die Anwort löste häufig Verblüffung aus, denn die Bestände der Wiener Bibliotheken zur frühen westlichen Beschäftigung mit China waren (und sind wohl auch heute noch) weitgehend unbekannt.
2003 wurde – eigentlich zum Eigengebrauch, um ‘leere Kilometer’ zu sparen – aus dem Zettelberg eine einzige Tabelle mit Basisdaten :
- Autor
- Titel
- Erscheinungsort
- Verlag
- Erscheinungsjahr
- Signatur(en)
Etwa zeitgleich kam die Veröffentlichung von Katalogen/Inventaren zur China-Literatur vor 1939 in der Forschungsbibliothek Gotha [2] und in der Universitätsbibliothek Leipzig[3].
Eine gedruckte Version erschien im Lichte dieser Veröffentlichungen wenig zweckmäßig[4] – und so entstand die Idee, die Bibliographie online zu stellen. Im April 2004 ging die erste Version der ‘Wiener China-Bibliographie 1477-1939′ online – statische Webseiten, die den Standort/die Standorte des jeweiligen Werks farbkodiert anzeigten – mit gut 2000 Titeln. Das sah damals so aus:
Screenshot: Wiener China-Bibliographie 1477-1939 (2004)
Die Bibliographie wuchs, der Aufbau änderte sich im Lauf der Zeit nur wenig, was die Wartung der Seiten mühsamer machte und dazu zwang, nach neuen Lösungen zu suchen. Gleichzeitg wurde die ‘berühmte’ Tabelle erweitert um Links zu frei zugänglichen Digitalisaten[5]. Denn die Wiener Bibliotheken waren zwar wahre Schatzkammern der frühen westlichen China-Literatur, aber keine der Wiener Bibliotheken hat(te) Early English Books Online oder Western Books on China up to 1850[6]. Trotzdem wurden mehr und mehr der Titel digital zugänglich - Internet Archive, GDZ, MDZ, VD 18 digital, HATHI Trust, Laures Rare Books etc. Das Einpflegen der Links hätte die Aktualisierung der Bibliographie noch aufwändiger gemacht hätte.
Die Lösung war ein Blog, der einen eingängig(er)en Namen brauchte, denn der Ausgangspunkt war zwar das (nach wie vor wachsende) Verzeichnis der Wiener Bestände, aber eben nicht nur, denn zum Verzeichnis der China-Literatur vor 1939 sollten Links zu frei zugänglichen Digitalisaten kommen.. Im Dezember 2009 wurde aus der “Wiener China-Bibliographie 1477-1939″ die die Bibliotheca Sinica 2.0 - mit einer sehr bewussten Anspielung auf großes Vorbild: Henri Cordier: Bibliotheca sinica. Dictionnaire bibliographique des ouvrages relatifs à l’Empire chinois (Paris: E. Leroux 1878-1895)[7]
Im Dezember 2009 wanderten die Listen – zunächst ohne große Veränderungen – in ein WordPress-Blog, während die Links in der berühmten Tabelle immer mehr wurden. Ab Januar 2010 gab es erste Versuche, Links in Blogbeiträgen unterzubringen, ab April 2010 begann der Dauerbetrieb: Seit dem 8.4.2010 gibt es täglich zumindest einen neuen Post – und das sind inzwischen mehr als 2500 Beiträge mit Titeln aus dem Zeitraum 1477-1939 mit Links zu Digitalisaten in mehr als 120 verschiedenen Repositorien, Archiven und Bibliotheken.
Bibliotheca Sinica | Erscheinungsdaten
Die Digitalisate sind (wie an anderer Stelle schon angerissen) von von unterschiedlichst)er Qualität. Das Spektrum reicht von schwer/kaum lesbaren Scans von Ausdrucken von Mikrofilmen bis zu Farbbildern mit Zoom und OCR – The Art of Google Books gibt nur einen kleinen Einblick in die Höhe- oder Tiefpunkte der Massendigitalisierung – in der Bibliotheca Sinica 2.0 finden sich daher wo immer möglich mehrere Möglichkeiten bzw. kommen neue Digitalisate dazu.
Auch wenn wenig/nicht kommentiert wird, wird die Bibliographie genutzt – und die Zugriffszahlen entwickeln sich (für ein absolutes Nischen-Angebot) gut: etwa 150 single user und etwa 500-800 pageviews, viele kommen über den RSS-Feed. oder Twitter @BS_2.
*) “Ta au sze ma kia kuoh 大奧斯馬家國” [Beizeichnung für Österreich-Ungarn] (Ausschnitt aus: Karl von Scherzer, Fachmännische Berichte über die österreichisch-ungarische Expedition nach Siam, China und Japan (1868-1871). Im Auftrage des k. k. Handelsministeriums redigiert und herausgegeben (Stuttgart: Julius Maier 1872), S. VIII.))
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- Die Bibliotheca Sinica 2.0 trägt Links zu frei zugänglichen Digialisaten von westlichsprachigen Büchern über China aus der Zeit zwischen 1477 und 1939 zusammen und ist ein Projekt von Georg Lehner und Monika Lehner, das ohne Förderungen entsteht.
- Britta Woldering: Katalog des ostasienbezogenen Bestandes der Forschungsbibliothek Gotha (= Erfurder Reihe zur Geschichte Ostasiens: Lehr und Forschungsberichte 1; Erfurt: Lehrstuhl for Ostasiatische Geschichte 2000) – Online [pdf].
- Thomas Jansen: China-Literatur in der Universitätsbibliothek Leipzig: 1500-1939. Eine systematische Bibliographie. Bd. 1: Werke in westlichen Sprachen (mit Gabriele Schlesinger, Richard Teschke and Katharina Zinn). Bd. 2: Sinica (mit Richard Teschke). (Leipzig: Leipziger Universitätsverlag 2003). Vgl. dazu meine Rezension in Oriens Extremus 44 (2003/04), 286-290 [Rezensionen (pdf online frei zugänglich].
- Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass Spezialbibliographien für einschlägige Fördergeber keine wissenschaftliche Leistung darstellen und daher nicht förderungswürdig sind.
- ‘Frei’ heißt im konkreten Fall: ohne dass der User technische Hürden überwinden müsste – d.h. die Nutzung von US-Proxys etc. ist nicht notwendig.
- Zuerst Mikrofiche-Ausgabe (IDC 1987), jetzt auch als Online-Version bei Brill.
- Zweite Auflage 1904-1908 [Digitalisate der 1. Auflage und der 2. Auflage → Bibliotheca Sinica 2.0]; Reprint: Henri Cordier, Bibliotheca Sinica. Dictionnaire bibliographique des ouvrages relatifs à l’empire chinois. [Six volumes bound in three] (Staten Island : Maurizio Martino n.d. [1997]).