China-News: Der Tod des Jiaqing-Kaisers (1820) in österreichischen Zeitungen

Die lose Reihe China-News widmet sich Zeitungsmeldungen, die Ereignisse in China behandeln. Am Beispiel der Meldungen über den Tod eines Kaisers in österreichischen Blättern sollen hier gezeigt werden, auf welchen Wegen Nachrichten aus Ostasien nach Wien kamen – und wie lange es dauerte, bis ein Ereignis in den österreichischen Zeitungen auftauchte.

Jiaqing-Kaiser

清 佚名 《清仁宗嘉庆皇帝朝服像. By Annonymous Qing Dynasty Court Painter (Palace Museum, Beijing) [Public domain], via Wikimedia Commons

Am 25. Tag des 7. Monats des Jahres Jiaqing 25 (清仁宗嘉慶25年7月25日), am 2. September 1820 starb der Jiāqìng 嘉慶-Kaiser im kaiserlichen Sommerpalast (Bì Shŭ Shānzhuāng 避暑山庄) in Rèhé 热河.[1] Die konkrete Todesursache ist unbekannt, die Angaben in den Renzong rui huangdi shilu 仁宗睿皇帝實錄  sind kryptisch und gaben später zu zahlreichen Spekulationen Anlass, unter anderem: er wäre vom Blitz erschlagen worden.[2]

Es dauerte, bis die Nachricht vom Tod des Kaisers nach Europa kam, die ersten Meldungen finden sich Ende Dezember, also nach etwa drei Monaten:

Kaiserthum China. Authentischen Nachrichten zufolge ist der Kaiser von China, Kia-Kin, mit Tode abgegangen.
(Der Wanderer Nr. 363 (28.12.1820), 624. Online: ANNO)

Nach sichern Nachrichten aus Kjachta[3] ist der Kaiser von China, Kia – Kin, mit Tod abgegangen.
(Wiener Zeitung Nr. 297 (30.12.1820), 1180. Online: ANNO)

Nach sichern Nachrichten aus Kiachta ist der Kaiser von China, Kia – King [sic!], mit Tod abgegangen.
Österreichischer Beobachter Nr. 365 (30.12.1820), 1687. Online: ANNO

Von Wien ins schlesische Opava [dt. Troppau] brauchte diese Nachricht einige Tage. Am 5.1.1821 bringt die Kaiserliche-Königliche schlesische Troppauer Zeitung mit Angabe der Quelle die Meldung aus dem Österreichischen Beobachter.((Kais. König. Schlesische Troppauer Zeitung Nr. 2 (5.1.1821) 11. Online: ANNO.)).

Einige Monate später, im April 1821, taucht das Thema wieder in den Zeitungen Wiens auf.

Nachrichten aus Canton [Guangzhou 廣州] vom 18. October, in Englischen Blättern, melden, daß der Kaiser von China gestorben sey, zwey seiner Söhne kämpften um die Thronfolge, und einige Provinzen hätten dieß benutzt, um sich gegen die regierende Dynastie zu empören. Dabey richtete die von Bengalen eingebrachte Cholera-Krankheit in China große Verheerungen an.
(Wiener Zeitung Nr. 78 (4.4.1821) 309. Online: ANNO)

Ganz ähnlich die Nachricht in der Lemberger Zeitung:

China. Canton, den 18. October. Wir haben hier die Nachricht von dem erfolgten Tode des Kaisers von China erhalten. Dieser Vorfall hat zu einem Streite zwischen seinen beiden Söhnen die Veranlassung gegeben; beide machen Anspruch auf den Thron. Verschiedene Provinzen des Chinesischen Reiches sollen sich in Folge dieses Streites in einem Insurrections-Zustande befinden. [...] (H.C.)[4]
(Lemberger Zeitung Nr. 45 (13.4.1821) 233 – Online:  ANNO)

Ende April kommen Wiener Zeitungen erneut auf die Vorgänge in China zurück:

China. Aus Batavia vom 26. November enthalten Hamburger Blätter Folgendes: Der Kaiser von China ist am 25sten Tage des siebenten Monaths (nach unserer Zeitrechnung am 2. September) zu Ye-h-kol in der Tatarey (Mongoley ?) plötzlich an demselben Tage, als er dort angekommen war, mit Tode abgegangen. Alle Chinesen haben auf erhaltenen Befehl, auf 100 Tage Trauer angelegt. Der zweyte Sohn des Verstorbenen[5] folgt ihm in der Regierung, da der älteste schon in seiner Kindheit verstorben ist. [...]
(Wiener Zeitung Nr. 98 (28.4.1821) 389 – Online: ANNO)

Weitgehend ident findet sich die Meldung auch im Österreichischen Beobachter vom 28.4.1821.[6] In den Wochen danach finden sich in dien Blättern Meldungen über das “Testament”[7]  des Jiaqing-Kaisers, das dieser am 2. September 1820, dem Tag seines Todes verfasst haben soll. Der Österreichische Beobachter, der sich auf “Londoner Blätter” beruft, bringt nur eine kurze Notiz.[8] Andere Blätter drucken den Text vollständig ab, unter anderem die Wiener Zeitung ((Wiener Zeitung Nr. 104 (5.5.1821), 413 – Online: ANNO.)) und -  nach dem Wanderer – die Klagenfurter Zeitung, dort wird das Datum fehlerhaft (“20. September 1820″ anstatt 2. September 1820) angegeben.[9]

Im Juli 1821 wird der Tod des Jiaqing-Kaisers noch einmal Thema – es gibt die ‘offizielle’ Meldung:

China. [...] Die Pekinger Zeitung [d.i.  Jīng bào 京報 ["Peking Gazette"].)) zeigt den Tod des Kaisers Kea King [d.i. Jiaqing] folgendermaßen an: Am fünfundzwanzigsten Tage des siebenten Mondes traten Se. kaiserliche Majestät in der Stadt Jeho Jhre Reise an, um unter den Unsterblichen zu wandeln.
(Österreichischer Beobachter Nr. 202 (21.7.1821) 931 – Online: ANNO

Wortident findet sich diese Meldung unter anderem in der Wiener Zeitung (26.7.1821)[10], in der Lemberger Zeitung (30.7.1821)[11] und in der Troppauer Zeitung (3.8.1821)[12], die sich auf die Wiener Zeitung beruft.

Die kleine Presseschau zeigt die Wege, auf denen Nachrichten aus Ostasien nach Wien kamen: Auf dem Landweg kamen Meldungen über Russland, in der Regel aus Sankt Petersburg, wohin Nachrichten aus China über Kâhta kamen. Auf dem Seeweg kamen zum einen ‘englische’ Meldungen, die zumeist aus Guangzhou stammten, dem einzigen Platz, wo (nicht-russische) Ausländer Handel treiben konnten, zum anderen Meldungen aus Hamburg, die zumeist über Handelsplätze in Südostasien kamen. Der Landweg dauerte etwa drei Monate, der Seeweg dauerte – vor der Einführung von Clippern[13] – etwa sechs Monate. In Anbetracht der technischen Möglichkeiten der Zeit, und der vielen Stationen, über die eine Nachricht ging, bevor sie in einer Zeitung abgedruckt wurde, erscheint inhaltliche Kohärenz und faktische Richtigkeit der Nachrichten bemerkenswert.

  1. Die Anlagen des Palastes in Rehe, des Bì Shŭ Shānzhuāng 避暑山庄 ["Mountain Villa for Avoiding the Heat"] wurden im 18. Jahrhundert errichtet, die Kaiser verbrachten dort die Sommermonate. Seit 1994 steht das “Mountain Resort and its Outlying Temples, Chengde” auf der UNESCO-Welterbe-Liste.
  2. S. dazu: Fabien Simonis <fabsimonis@yahoo.com>: “Cause of Death of Qing Jiaqing Emperor (response)” In: H-ASIA <h-asia@msu.edu>, 12 March 2007, archived at  h-asia discussion logs for March 2007) <abgerufen am 13.2.2014>.
  3. Der Ort Kâhta [Кяхта] war durch den 1727 geschlossenen Vertrag zwischen China und Russland als Handelsplatz zwischen den beiden Reichen festgelegt worden und war nicht nur Umschlagplatz für Waren, sondern auch für Nachrichten.
  4. “H.C.” steht für Hamburgischer Correspondent.
  5. D.i. der Daoguang-Kaiser [Dàoguāng Dì 道光帝] (17.9.1782-25.2.1850).
  6. Österreichischer Beobachter Nr 118 (28.4.1821) 552 – Online: ANNO.
  7. Gemeint ist damit das yízhào 遺詔, ein vom verstorbenen Kaiser hinterlassenes Schreiben, s. Grand dictionnaire Ricci de la langue chinoise Bd. III, Nr. 4549, S. 434.
  8. Österreichischer Beobachter Nr. 125 (5.5.1821) 588 – Online: ANNO.
  9. Klagenfurter Zeitung Nr. 37 (9.5.1821) 5 – Online: ANNO.
  10. Wiener Zeitung Nr. 170 (26.7.1821), 677 – Online: ANNO.
  11. Lemberger Zeitung Nr. 91 (30.7.1821) 480 – Online: ANNO.
  12. Kais. Königl. Schlesische Troppauer Zeitung Nr 62 (3.8.1821) 549 – Online: ANNO.
  13. Die schnellsten dieser Schiffe, die die jeweils erste Tee-Ernte einer Saison nach Europa brachten, legten in den 1860ern die Strecke von der Mündung des Min-Flusses bei Fuzhou nach London in knapp 4 Monaten zurück, die Taeping, die das legendäre “Great Tea Race of 1866″ gewann, legte die Strecke in 102 Tagen zurück.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1284

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China-News: Am Vorabend des Opiumkriegs (1839)

China hatte seit den ersten Versuchen europäischer Händler, in China Geschäfte zu machen, alles unternommen, den Handel einzuschränken und zu limitieren. Im 18. Jahrhundert etablierte sich das “Kanton-System”, benannt nach Guangzhou 廣州, dem einzigen Hafen, wo der Handel möglich war. Die ausländischen Händler lebten dort in einem abgeschlossenen Gebiet in ihren Faktoreien, der Handel lief über die Cohong [公行 gonghang] und wurde vom Hoppo [關部 guanbu] überwacht. Die chinesische Seite kontrollierte den Handel und legte (häufig willkürlich) die Handelsbegingungen fest. Bis in die 1820er war die Handelsbilanz eindeutig zu Gunsten Chinas ausgefallen. Die Europäer wollten immer größere Mengen an Tee und Seide kaufen, doch die Waren, die sie in China anboten, stießen auf wenig Interesse. Die Devisenabflüsse nach Ostasien führten in Europa zu einer Silberverknappung.

Österreichischer Beobachter (5.10.1839) | Quelle: ANNO

Österreichischer Beobachter (5.10.1839) | Quelle: ANNO

Ab den 1820ern verstärkte die East India Company systematisch den Opiumexport aus Bengalen nach China, die Opiummengen verfünffachte sich zwischen 1821 und 1837. Damit kippte die Handelsbilanz, große Mengen Silbers floßen aus China ab. Der Daoguang 道光-Kaiser ( 1782-1850, reg. 1820-1850) bemühte sich intensiv, den Opiumahndel einzudämmen – doch ohne Erfolg. Im Gegenteil, der Opiumhandel wuchs beständig an.

1838 wurde Lin Zexu 林則徐 (1785-1850) als Sonderkommissar nach Guangzhou geschickt, um dem Opiumhandel ein Ende zu setzen. Er ließ chinesischen Konsumenten und Zwischenhändler verhaften und Opium und Opiumpfeifen beschlagnahmen. Gegen die East India Company hatte er keinen Erfolg, die Händler forcierten noch die illegale Opiumeinfuhr.

Im März 1839 eskalierte die Situation. Auf der Basis eines kaiserlichen Edikts, das Ausländern den Handel mit Opium in China verbot, ließ Lin 350 in den Opiumhandel involvierte Ausländer in den Faktoreien quasi internieren, um den britischen Superintendenten zur Herausgabe von rund 1400 Tonnen Opium zu zwingen. Nach der Übergabe des Opiums, das im Juni 1839 vernichtet wurde, mussten die Kaufleute Guangzhou verlassen.

Nachrichten über diese Vorgänge brauchten etwa vier Monate nach Europa – und so fand sich im Österreichischen Beobachter[1] vom 5.10.1839 ein Bericht über die Beschlagnahme des Opiums, der auf ‘Nachrichten aus England’, ‘Briefen aus Macao [Aomen 澳門]‘ und englischen Zeitungen basierte und dis Situation bis Ende Mai 1839 darstellt.

Zunächst wird kurz umrissen, dass die englischen Kaufleute, die bis zur Ablieferung des Opiums quasi als Geiseln festgehalten worden waren, Guangzhou verlassen hätten.

Der brittische Handel mit China ist durch diese Ereignisse vorläufig wenigstens gänzlich vernichtet, und es steht zu fürchten, daß die Amerikaner diese Gelegenheit benutzen werden, alle Handelsvortheile an sich zu ziehen, wenngleich sie sich genöthigt sehen sollten, vielen Erniedrigungen sich zu unterwerfen.[2]

Der kurze Seitenhieb auf amerikanische Kaufleute, die – anders als die britischen Kaufleute – als Privatleute ohne direkte Verbindung zur US-Regierung auftraten und so auf dem chinesischen Markt Fuß fassen konnten, ist wenig mehr als eine Fußnote. Es folgt eine  Darstellung der Entwicklung des Opiumhandels – und der ‘Petition’ der britischen Kaufleute in Guangzhou bzw. Macau an Lord Palmerston vom Mai 1839.

Nachrichten über die Zuspitzung der Lage in China waren im August 1839 nach London gelangt, wo sich die Lobby der Opium-Kaufleute auf eine militärische Intervention drängte, untersützt von Vertretern der Industrie, die den Markt China öffnen wollte. Anfang Oktober beschloss das britische Kabinett unter Premier Lord Melbourne diese Intervention.

  1. Der Österreichische Beobachter war eine quasi-offizielle Tageszeitung, die erste Nummer erschien am 2.3.1810, zunächst 3 Nummer pro Woche, ab März 1811 täglich. Digitalisat (1811-1847) → ANNO.
  2. Österreichsicher Beobachter Nr. 278 (5.10.1839) 1380.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/867

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China-News: Tee und der Handel mit China (5.9.1767)

Die Rubrik ‘China-News’ sammelt Zufallsfunde und (frühe) Zeitungsartikel zu China und Chinathemen. Diesmal geht es um den Tee (Camellia sinensis) und seine wirtschaftliche Bedeutung. In den “Gelehrten Beiträgen zu dem Wienerischen Diarium, oder Auszüge aus verschiedenne ausländischen Monat- und Wochenschriften” findet sich am 5.9.1767 ein Beitrag  “Vom Thee, und den großen Summen, welche dadurch für Europa verloren gehen”.

ANNO: Wienerisches Diarium 5.9.1767

ANNO: Wienerisches Diarium 5.9.1767

Vor allem ist die Handlung nach China, welcher alle Nationen so nachstreben, in vielem Betracht die allerverderblichste. Für unser schönes Gold und Silber erhalten wir nichts weiter von den Chinesern zurück, als eine Menge der entbehrlichsten Waaren, und unter diesen vornämlich zerbrechlichen Thon, und getrocknete Blätter von einem ihrer Sträuche, Thee nämlich und Porcellain:[1]

Der Verfasser hält offensichtlich sehr wenig vom Tee – und von ‘den Chinesern’, die seiner Darstellung nach nichts anders im Sinn haben, als die Europäer zu übervorteilen:

Sie lassen sich durch keine neuen Moden hinreißen, wie es bey uns zu geschehen pflegt, und sehn alle ausländischen Waaren mit großer Gleichgültigkeit an. Sie trinken gern Caffee und Wein, aber sie kaufen sich keinen, und lassen sich von den Europäern damit traktiren. [...] Überdieß sind sie sehr listig, und mit allen ihren Sachen außerordentlich geheim. Soblad sie merken, daß ein Europäer sich zu genau wornach erkundigt, und etwas nicht in seinem Lande hat, so brechen sie die Unterredung ab, oder suchen ihn mit falschen Nachrichten zu betrügen.[2]

Dann geht es darum, dass der Teestrauch in Europa nicht und nicht gedeihen will – trotz aller Bemühungen, selbst Linné hätte es nicht hingekriegt. Es wäre allerdings den Engländern gelungen, Tee in South Carolina zu kultivieren[3] – was die Lage allerdings kaum verbessert, denn so würde ‘unser Geld’ eben nicht ‘den Chinesern’, sondern ‘den Engländern’ in den Rachen geworfen.

Es gibt allerdings eine Möglichkeit, das zu verhindern:

[...] wenn wir nähmlich unserer Vernunft Gehör gäben, den Thee als ein bloß überflüssiges Getränk ganz abschaften [sic!], oder an dessen Stelle einen Thee aus einheimischen Kräutern oder Blättern machten, und ihn allgemein einzuführen suchten. Die herrn Aerzte und die Vornehmen eines Landes könnten viel hiezu beytragen; die erstern, wenn sie uns den chinesischen Thee zuwider machten; und den einheimischen für besser erklärten; und die zweyten, wenn sie durch den Gebrauch des einheimischen zuerst ein gutes Beyspiel geben wolltne. [...][4]

Stimmen wie diese – mit Vorschlägen für Pflanzen, die den teuren chinesischen Tee ersetzen sollen – finden sich seit dem späten siebzehnten Jahrhundert häufiger. [5] Diese Bemühungen blieben erfolglos – der Tee war bis ins 19. Jahrhundert die begehrteste Ware, die aus China nach Europa kam.

  1. Geleherte Beyträge zu dem Wienerischen Diarium, oder Auszüge aus verschiedenen ausländischen Monat- und Wochenschriften. Sonnabends, Nro. 71. den 5ten Herbstmonat im Jahre 1767, [S. 1 f.] Online bei ANNO [dort S. 9 f.]
  2. Ebd. [S. 3]; online bei ANNO [dort S. 11].
  3. Dieser angebliche ‘amerikanische Tee’ hatte allerdings – wie Zeitgenossen bald erfuhren – mit dem chinesischen wenig gemeinsam, vgl. Gothaische gelehrte Zeitungen (10.9.1774) 560, online bei ANNO.
  4. Ebd. [S. 4]; online bei ANNO [dort S. 12].
  5. Ein Beispiel unter vielen: Johann Francke schlug vor, Veronica (Ehrenpreis) zu verwenden und widmete sich dem Thema in mehreren Schriften, u.a.: Johann Francke: Die preißwürdige Veronica oder europäischer Thee : wie selbige an statt der indianischen Thee mit Fug gebrauchet werden kan, auch worinnen derer, wie auch des Coffi Nutz und Eigenschafft bestehe … (Lübeck: Wiedemeyer 1695 [erste Aufl. 1694]; VD17 12:641673P, URN: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10913515-0.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/820

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China-News: Eine Zeitungsmeldung vom 28. April 1734

Welche Meldungen aus/über China finden sich in den Zeitungen Europas? ‘Sensationen’ oder ‘Merkwürdigkeiten’? Nachrichten über Naturkatastrophen? Über Erfahrungen von Europäern in China? Die Suche nach diesen Nachrichten, die häufig eher Kürzestmeldungen sind, gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Aber … seit einigen Wochen bietet ANNO (Austrian Newspapers Online) die Möglichkeit der Volltextsuche in ausgewählten Titeln. Die Volltextsuche ist im Beta-Stadium, derzeit sind “knapp 200.000 Zeitungsausgaben mit knapp 2 Millionen Seiten von 1704-1872″ [1] durchsuchbar.  Zur Qualität heißt es:

Der Volltext basiert auf OCR-gelesenen Daten. Bei OCR (Optical Character Recognition) handelt es sich um ein automatisiertes Verfahren, weshalb es in manchen Texten zu einer sehr hohen Fehlerdichte kommen kann. Die Suche gestaltet sich oft etwas anders als etwa bei manuell abgetippten Texten. [...].[2]

Wienerisches Diarium 28.4.1734

Wienerisches Diarium 28.4.1734 | ANNO

Das lädt zum Experimentieren ein – denn unterschiedlichen Transkriptionen (wie etwa ‘Pecking’ oder ‘Pekin’ neben ‘Peking’ für Beijing 北京), sind bei der Arbeit mit Texten, die vor dem Zweiten Weltkrieg publiziert wurden, selbstverständlich. Aber Versuche (oder eher Spielereien – denn mehr ist es noch nicht – mit “ſ” (langem ‘s’)/”f” oder “ß”/”B” oder “C”/”S” etc. sind viel spannender, denn: Afien ift fuper.[3] ”

Sucht man “Chinese”, so ist der erste Treffer 1734 – April – 28: Wienerisches Diarium[4] – Seite 4.

Werfen wir einen Blick auf den Text – ein Klick auf das entsprechende Icon rechts oben zeigt den OCR-Text((Wienerisches Diarium Num. 34 (28.4.1734), 3f. Online: ANNO)).

Die kurze Meldung ist nicht besonders spannend – sie bringt zwei unterschiedliche Themen: Erdbeben in Beijing 1733 (und in den 3 Jahren davor) und den Krieg gegen die ‘Tartar(e)n’.

Zu den Erdbeben: Der Catalog of Damaging Earthquakes in the World (Through 2010) des International Institute of Seismology and Earthquake Engineering, Building Research Institute listet für die Zeit zwischen 1730 und 1733 eine Reihe von Erdbeben in China, darunter auch das Dongchuan 東川-Beben (Prov. Yunnan) vom 2.8.1733 (Stärke 7.8), aber nur wenige für den Raum Beijing.

  • 1730 Winter: China: Shandong – Stärke 5
  • 1730.09.30: China: Beijing – Stärke 6.5
  • 1731.11.30: China: Beijing – Stärke ? – 100000 Tote

Das Beben von 1730 hatte  schwere Schäden verursacht, das vom 30.11.1731 wohl 100000 Todesopfer gefordert.

Mit dem ‘Krieg gegen die Tartar(e)n’ ist wohl der Feldzug gegen die Dzungaren in der Yongzheng 雍正-Ära (1722-1735 ((Der Yongzheng 雍正-Kaiser Yinzhen  (1678-1735, regierte 1722-1735) hatte – wie schon sein Vater, der Kangxi-康熙-Kaiser Xuanye 玄燁 (1654-1722, regierte 1661-1722) vor ihm – versucht, die Position Chinas in der Äußeren Mongolei mit militärischen Mitteln zu sichern. Trotz der drückenden Übermacht der Qing-Streitkräfte konnten sich die zwar kleinen, aber sehr mobilen Verbände der Dzungaren zunächst behaupten, es gelang ihnen sogar, die Qing an den Rand der Niederlage zu bringen. Erst ein ‘Überläufer’, der sich auf die Seite der Qing-Dynastie geschlagen hatte, besiegte die Dszungaren.

Aber das ist hier eigentlich nebensächlich – es geht um Digitalisate und Volltext(e).

 OCR-Text Transkription
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 Tartarn würde in dortigen gegenden auch
 «och immer fortgesetzet / doch es hatten
 sich zoo. Tartarn / unter allerhand vor,
 wände / mit ihren gmchen Familien auf die
 feite deren Chineftw gezogen / und dies
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 dadurch die gantze Chinesische Armee et-
 «er untemchmung deren Tartaren ausge ­
 setzet. Das daeauf vorgefallene Treffen,
 war so hitzig/ unvsö blutig gewesen/ den
 Weichen niemals w dortigen Landes ges«
 Den worden, 50000. Chinese» waren da,
 bey umgekommen, und ein General/
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ley art umgekommenen personen sich gegen 
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schild=wachten listiger weise ermordet / und 
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bey umgekommen / und ein General / 
welcher denen Tartarn in die H[ae]nde ge
fallen / war sogelich j[ae]mmerlich in Stücken 
zerhauen worden.

Das blaßorange markierte Wort ‘Chinese’ liefert den Treffer in der Volltextsuche, das blaßblau markierte ‘Chinesern’ wird nicht erkannt, denn da steht im OCR-Text ‘Chineftw’. Gleiche Typen auf einer Seite (also demselben Papier) knapp untereinander, kein Schatten (wie das in der jeweils inneren Spalte im Bereich des Möglichen wäre). Der Befund überrascht wenig – und es ließen sich vermutlich zahllose ähnliche Beispiele finden BTW: Das blassgrün markierte ‘Pecking’ wird bei einer Suche nach ‘Peking’ ebenfalls nicht gefunden, ein Blick in den OCR-Text zeigt warum: Dort steht ‘Ptckng’.

Big Data zum Greifen nahe?
Oder doch nicht?

  1. S. ANNO Suchhilfe
  2. S. ANNO Suchhilfe <abgerufen am 8.7.2013.>
  3. S. auch: Im Netz der (un)begrenzten Möglichkeiten.
  4. Das Wienerische Diarium war quasi der Vorgänger der Wiener Zeitung, es erschien 1703 bis 1779, ab 1780 erscheint das Blatt als Wiener Zeitung.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/796

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China-News: Eine Zeitungsmeldung vom 28. April 1734

Welche Meldungen aus/über China finden sich in den Zeitungen Europas? ‘Sensationen’ oder ‘Merkwürdigkeiten’? Nachrichten über Naturkatastrophen? Über Erfahrungen von Europäern in China? Die Suche nach diesen Nachrichten, die häufig eher Kürzestmeldungen sind, gleicht der Suche nach der sprichwörtlichen Stecknadel im Heuhaufen. Aber … seit einigen Wochen bietet ANNO (Austrian Newspapers Online) die Möglichkeit der Volltextsuche in ausgewählten Titeln. Die Volltextsuche ist im Beta-Stadium, derzeit sind “knapp 200.000 Zeitungsausgaben mit knapp 2 Millionen Seiten von 1704-1872″ [1] durchsuchbar.  Zur Qualität heißt es:

Der Volltext basiert auf OCR-gelesenen Daten. Bei OCR (Optical Character Recognition) handelt es sich um ein automatisiertes Verfahren, weshalb es in manchen Texten zu einer sehr hohen Fehlerdichte kommen kann. Die Suche gestaltet sich oft etwas anders als etwa bei manuell abgetippten Texten. [...].[2]

Wienerisches Diarium 28.4.1734

Wienerisches Diarium 28.4.1734 | ANNO

Das lädt zum Experimentieren ein – denn unterschiedlichen Transkriptionen (wie etwa ‘Pecking’ oder ‘Pekin’ neben ‘Peking’ für Beijing 北京), sind bei der Arbeit mit Texten, die vor dem Zweiten Weltkrieg publiziert wurden, selbstverständlich. Aber Versuche (oder eher Spielereien – denn mehr ist es noch nicht – mit “ſ” (langem ‘s’)/”f” oder “ß”/”B” oder “C”/”S” etc. sind viel spannender, denn: Afien ift fuper.[3] ”

Sucht man “Chinese”, so ist der erste Treffer 1734 – April – 28: Wienerisches Diarium[4] – Seite 4.

Werfen wir einen Blick auf den Text – ein Klick auf das entsprechende Icon rechts oben zeigt den OCR-Text((Wienerisches Diarium Num. 34 (28.4.1734), 3f. Online: ANNO)).

Die kurze Meldung ist nicht besonders spannend – sie bringt zwei unterschiedliche Themen: Erdbeben in Beijing 1733 (und in den 3 Jahren davor) und den Krieg gegen die ‘Tartar(e)n’.

Zu den Erdbeben: Der Catalog of Damaging Earthquakes in the World (Through 2010) des International Institute of Seismology and Earthquake Engineering, Building Research Institute listet für die Zeit zwischen 1730 und 1733 eine Reihe von Erdbeben in China, darunter auch das Dongchuan 東川-Beben (Prov. Yunnan) vom 2.8.1733 (Stärke 7.8), aber nur wenige für den Raum Beijing.

  • 1730 Winter: China: Shandong – Stärke 5
  • 1730.09.30: China: Beijing – Stärke 6.5
  • 1731.11.30: China: Beijing – Stärke ? – 100000 Tote

Das Beben von 1730 hatte  schwere Schäden verursacht, das vom 30.11.1731 wohl 100000 Todesopfer gefordert.

Mit dem ‘Krieg gegen die Tartar(e)n’ ist wohl der Feldzug gegen die Dzungaren in der Yongzheng 雍正-Ära (1722-1735 ((Der Yongzheng 雍正-Kaiser Yinzhen  (1678-1735, regierte 1722-1735) hatte – wie schon sein Vater, der Kangxi-康熙-Kaiser Xuanye 玄燁 (1654-1722, regierte 1661-1722) vor ihm – versucht, die Position Chinas in der Äußeren Mongolei mit militärischen Mitteln zu sichern. Trotz der drückenden Übermacht der Qing-Streitkräfte konnten sich die zwar kleinen, aber sehr mobilen Verbände der Dzungaren zunächst behaupten, es gelang ihnen sogar, die Qing an den Rand der Niederlage zu bringen. Erst ein ‘Überläufer’, der sich auf die Seite der Qing-Dynastie geschlagen hatte, besiegte die Dszungaren.

Aber das ist hier eigentlich nebensächlich – es geht um Digitalisate und Volltext(e).

 OCR-Text Transkription
[S.3] Mm »st hier bmft «tK Ptckng / des )( » haupv 
[S. 4] Haupt, stadt in China / unter dem -offen
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 tige erdbeben daselbst verfpühret hätte / da
 dann die anzahl deren dabey auf manchen
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 2. Millionen beliefe. Der krieg gegen die
 Tartarn würde in dortigen gegenden auch
 «och immer fortgesetzet / doch es hatten
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 dadurch die gantze Chinesische Armee et-
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 setzet. Das daeauf vorgefallene Treffen,
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 Weichen niemals w dortigen Landes ges«
 Den worden, 50000. Chinese» waren da,
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 welcher denen Tartarn in die Hände qe.
 saSen / war sogleich jäminerlich iv Stücken
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[S. 3] Man hat hier briefe aus Pecking / der 
[S.4] Haupt=stadt in China / unter dem 20sten 
Martii des vorigen 1733. jahres des in-
halts / wie man 4. jahre nach einander heft
ige erdbeben daselbst verspühret hätte / da 
dann die anzahl deren dabey auf mancher
ley art umgekommenen personen sich gegen 
2. millionen beliefe. Der krieg gegen die 
Tartarn w[ue]rde in dortigen gegenden auch 
noch immer fortgesetzet / doch es hatten 
sich 300. Tartarn / unter allerhand vor
wande / mit ihren gantzen Familien an die 
seite deren Chinesern gezogen / und diese 
hatten in einer nacht / alle Chinesische 
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dadurch die gantze Chinesische Armee ei
ner unternehmung deren Tartaren ausge
setzet. Das darauf vorgefallene Treffen 
war so hitzig / und so blutig gewesen / der
gleichen niemals in dortigen Landen gese
hen worden / 50000. Chineser waren da
bey umgekommen / und ein General / 
welcher denen Tartarn in die H[ae]nde ge
fallen / war sogelich j[ae]mmerlich in Stücken 
zerhauen worden.

Das blaßorange markierte Wort ‘Chinese’ liefert den Treffer in der Volltextsuche, das blaßblau markierte ‘Chinesern’ wird nicht erkannt, denn da steht im OCR-Text ‘Chineftw’. Gleiche Typen auf einer Seite (also demselben Papier) knapp untereinander, kein Schatten (wie das in der jeweils inneren Spalte im Bereich des Möglichen wäre). Der Befund überrascht wenig – und es ließen sich vermutlich zahllose ähnliche Beispiele finden BTW: Das blassgrün markierte ‘Pecking’ wird bei einer Suche nach ‘Peking’ ebenfalls nicht gefunden, ein Blick in den OCR-Text zeigt warum: Dort steht ‘Ptckng’.

Big Data zum Greifen nahe?
Oder doch nicht?

  1. S. ANNO Suchhilfe
  2. S. ANNO Suchhilfe <abgerufen am 8.7.2013.>
  3. S. auch: Im Netz der (un)begrenzten Möglichkeiten.
  4. Das Wienerische Diarium war quasi der Vorgänger der Wiener Zeitung, es erschien 1703 bis 1779, ab 1780 erscheint das Blatt als Wiener Zeitung.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/796

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