Stichtag 20. März: Der Bayernherzog als neuer Kaiser?

Bevor die böhmischen Unruhen 1618 ausbrachen, die den Auftakt zum Dreißigjährigen Krieg darstellten, gab es vielerorts Verhandlungen und auch vielfältige politische Planungen, die sich sehr konkret um eine Beilegung der verschiedenen Krisenherde im Reich bemühten. Dazu zählten auch die Verhandlungen vom 3. bis 8. Februar 1618 in München, als Kurfürst Friedrich V. von der Pfalz Herzog Maximilian von Bayern besuchte. Damals passierte das, was man heute Vertrauensbildendung nennt: Das Mißtrauen zwischen den konfessionellen Blöcken sollte abgebaut werden, die reale Gefahr kriegerischer Konflikte zwischen katholischen und protestantischen Reichsständen sollte eingehegt werden. Dazu brachte die pfälzische Seite noch ein weiteres Thema auf die Agenda: Ob Maximilian nicht bei der nächsten Kaiserwahl kandidieren wolle? Schließlich gelte es, den habsburgischen Einfluß im Reich einzudämmen und damit auch die deutsche Libertät zu bewahren. Der bayerische Herzog lehnte diesen Vorschlag ab, doch vermochte er diese Haltung dem Pfälzer nicht überzeugend mitzuteilen. Dieser jedenfalls war auch nach den Münchener Gesprächen nach wie vor der Ansicht, daß Maximilian an der Kaiserkrone grundsätzlich interessiert sei.

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Quelle: https://dkblog.hypotheses.org/1300

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Wünsche für ein gutes Jahr 1621

„E[uer] L[iebden] wölle dero Gemahlin Sönen vnd Töchtern meine in ehren dienst vnd freuntlichen gruß vermelden neben wuntschung eines gluckseeligen freudenreichs vnd frolichers dann dz vergangener gewest ist Neujahrs.“ So schloß Graf Johann Albrecht (Albert) I. von Solms-Braunfels das Schreiben, das er am 29. Dezember 1620 bzw. 8. Januar 1621 an den Grafen Georg von Nassau-Katzenelnbogen geschrieben hatte (HHStAW Abt. 170 III Nr. 414 fol. 177-178‘ Ausf.). Solms war als kurpfälzischer Großhofmeister (nach anderen Quellen lautete der Titel Oberhofmeister oder Großhofmarschall) Friedrichs von der Pfalz nach Böhmen gefolgt. Bereits seit dem letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts war er in den innersten Machtzirkel am pfälzischen Hof vorgerückt. Solms gehörte also zu den Beratern in Heidelberg, die das böhmische Abenteuer befördert oder zumindest mitgetragen haben.

Nun aber hatte sich die Situation komplett verändert, nachdem am 8. November 1620 vor den Toren Prags die Truppen des Kaisers und der mit ihm verbündeten Katholischen Liga das böhmisch-pfälzische Heer vernichtend geschlagen hatten. Friedrich konnte sich als König von Böhmen nicht mehr in seiner Residenzstadt halten und floh aus Prag. Der Weg führte ihn in die anderen Länder der böhmischen Krone, eben jetzt nach Schlesien. Solms berichtete vom schlesischen Fürstentag aus Breslau, der für die pfälzische Sache noch sehr positiv verlaufen war. Dies hatte Solms am 8./18. Dezember 1620 aus Breslau geschrieben, dem Datum des Hauptbriefs, der aber offenbar nicht von dort abgesandt worden war. Denn das Postscriptum datierte vom 29.12.1620/8.1.1621 aus Küstrin und berichtete von einer neuerlichen Wendung des Geschehens: Die mährischen Stände hätten sich uneins gezeigt und damit den kaiserlichen Truppen die Gelegenheit geboten, wichtige Plätze in Mähren zu besetzen.

Somit hatten die Pfälzer die Erwartung, sich doch noch in den böhmischen Nebenländern halten zu können, aufgeben müssen. Stattdessen hatte sich Friedrich mit seinem Gefolge entschlossen, Böhmen zu verlassen: Sie waren nun auf dem Weg in die Generalstaaten, machten hier Halt im brandenburgischen Küstrin. Einen Grund für den Aufenthalt in der Stadt an der Oder nennt Solms in diesem Brief nicht, aber vermutlich unterbrach man die Flucht auch deswegen, weil Elisabeth Stuart, die Gemahlin des Königs von Böhmen, in diesen Tagen ein weiteres Kind zur Welt bringen sollte: Sohn Moritz wurde tatsächlich am 6. Januar geboren.

Dafür hatte Solms in diesem Moment keinen Sinn; er war ganz damit beschäftigt, den militärischen und politischen Umschwung in den Ländern der böhmischen Krone zu beobachten; alles deutete auf einen völligen Zusammenbruch der Königsherrschaft Friedrichs hin. Wenn er dies an den Grafen von Nassau-Katzenelnbogen berichtete, suchte er nicht nur den Kontakt zu einem Verwandten, sondern auch generell zu den Wetterauer Grafen, die zur pfälzischen Klientel zählten. Ganz offenbar war es für Friedrich, den König von Böhmen, gerade in dieser kritischen Situation umso wichtiger, sich weiterhin der kurpfälzischen Machtbasis zu versichern. Doch der Weg Friedrichs und seines Gefolges sollte nicht in die Pfalz, sondern nach Den Haag führen. Im dortigen Exil starb Solms dann im Jahr 1623: Damals erreichte die pfälzische Sache mit der Translation der pfälzischen Kurwürde auf den bayerischen Herzog Maximilian einen weiteren Tiefpunkt.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/475

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Audienz bei einem Geächteten

Das Schicksal Friedrichs V. von der Pfalz berührt vordergründig nur die Anfangsphase des Dreißigjährigen Kriegs: zunächst als pfälzischer Kurfürst einer der wichtigsten Reichsfürsten, dann König von Böhmen, um kurz darauf geächtet und als „Winterkönig“ verspottet alles zu verlieren und ins Exil nach Den Haag zu gehen. Bei den Generalstaaten hatte er zwar Zuflucht gefunden, doch seine Machtgrundlagen waren verschwunden. Gleichwohl setzte er in den folgenden Jahren alles daran, um auf die politische Bühne des Reiches zurückzukehren, die pfälzischen Besitzungen und ebenso auch die böhmische Krone wiederzugewinnen. Immerhin gab es noch Kriegsunternehmer wie Mansfeld und Christian von Braunschweig, die vorgaben, für die Sache des Pfälzers zu streiten, und nach wie vor flossen Gelder aus Frankreich, England und den Niederlanden, um diese Feldzüge zu finanzieren.

Auf der kaiserlichen Seite sah die Sache anders aus. Für Ferdinand II. und dem mit ihm verbündeten Maximilian von Bayern mitsamt der Liga war Friedrich nur der „exilierte Pfalzgraf“. Mit einem Reichsächter konnte man keinen Umgang haben, als politischer Faktor war Friedrich rechtlich betrachtet ausgeschaltet. Und Maximilian, der Friedrichs pfälzische Kurwürde nach Bayern transferiert hatte, dachte gar nicht daran, den Exilierten durch diplomatische Kontakte aufzuwerten. Doch war nicht zu übersehen, daß man über die Machenschaften in Den Haag Bescheid wissen mußte. Was ging am Hof des exilierten Rex Bohemiae vor? Das wollte man schon gerne erfahren, doch durfte dies nicht über offizielle Kanäle erfolgen.

Es gab aber einen indirekten, eleganteren Weg. Ferdinand, als Bruder Maximilians von Bayern, unterhielt einen eigenen Agenten in Den Haag. Damit war kein Geheimdienstler gemeint, sondern ein diplomatischer Vertreter auf ganz niedriger Stufe – das war zum einen hinsichtlich des repräsentativen Aufwands billig und zum anderen politisch unverfänglich. Dieser Agent versorgte Ferdinand, der als Kurfürst von Köln unmittelbarer Nachbar der Generalstaaten war, permanent mit Nachrichten über die aktuellen Vorgänge in Den Haag und kümmerte sich auch um kurkölnische Belange bei den Generalstaaten. Er sollte nun auch auf den Pfalzgrafen ein Augenmerk haben.

Tatsächlich knüpfte dieser Agent namens Johann van der Veecken Kontakte zum Gefolge des Pfalzgrafen. Ja, mitunter berichtete er sogar von direkten Gesprächen mit Pfalzgraf Friedrich selbst. Berichte über diese Audienzen schickte er dann an Kurfürst Friedrich – der die wirklich brisanten Informationen über den exilierten Friedrich gleich exzerpierte und nach München weitersandte. Auf pfälzischer Seite wird man schon gewußt haben, welche Dimension diese Gespräche mit Veecken hatten; wer weiß, was man dort alles lanciert hatte, im sicheren Bewußtsein, daß diese über kurz oder lang doch bei Maximilian von Bayern landen würden.

Jedenfalls entwickelten sich hier auf ganz unverfängliche Weise Kontakte zwischen den mächtigen Fürsten im Reich und dem Geächteten im Haager Exil – Kontakte, die es eigentlich gar nicht geben durfte, die aber trotzdem für beide Seiten wichtig waren. Ich habe vor Jahren schon einmal dieses Themen im Umfeld der bayerischen Pfalzpolitik gestreift (im Katalog zum „Winterkönig“ von 2003), will mich demnächst aber noch einmal intensiver mit der Figur des kurkölnischen Agenten Veecken auseinandersetzen.

Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/514

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