Frühe Stimmen über das Chinesische: Adelung, Mithridates (1806)

Johann Christoph Adelung (1732-1806), der vor allem für sein Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart (erste Aufl. 1774–1786)[1] bekannt ist, behandelt im ersten Band von  Mithridates, oder allgemeine Sprachenkunde[2], der in seinem Todesjahr 1806 erschien, die asiatischen Sprachen.

Adelung erläutert selbst, warum er “Sinesisch” als erste der asiatischen Sprachen abhandelt:

[...] die Sprache, welche unter den einsylbigen die einfachste, folglich der ersten Srachbildung die nächste ist. Zwar ist sie nicht mehr blosser [sic!] ungeschlachter Vocal-Laut [...] allein sie hat [...] die höchste nur mögliche Einfachheit, welches mich bewogen hat, sie an die Spitze aller übrigen zu setzen.[3]

Das Kapitel “Sinesisch” (Bd. 1, 34-64) ist in sieben Teile gegliedert:

  • “Geschichte” (34-40)[4]
  • “Sprache” (40-46)
  • “Schrift” (46-49)
  • “Mangelhafte Cultur” (49-51)
  • “Literatur der Sprache” (51-53)
  • “Mundarten” (53-55″)
  • “Sprachprobe” (55-64)

Der Autor hält die chinesische für “noch sonderbarer” als die Sprache – und erhält sie für “in ihrer Art einzig”.[5]:

Sie unterscheidet sich von den übrigen Schriftarten dadruch, dass sie weder natürliche noch symbolische Hieroglyphik, noch Sylben- noch Buchstabenschrift ist, sondern ganz ausgebildete Begriffe, und zwar jeden Begriff durch sein eigenes Zeichen ausdrückt, ohne mit der Sprache in Verbindung zu stehen.[6]

Um dem Leser zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, wird auf die europäischen Zahlzeichen verwiesen, die “jeder verstehet, und auf seine Art ausspricht.”[7] Da es keine Beispiele gibt, müssen sich Leserinnen und Leser aus der doch sehr kryptischen Beschreibung ein Bild machen:

[...] so liegen in der Schrift sechs theils gerade, theils auf verschiedene Art gekrümmte Linien zum Grunde, welche die 214 so genannten Schlüssel oder Urzeichen bilden, mit welchen alle übrigen Zeichen, deren höchste Zahl man auf 80000 angibt, zusammen gesetzt sind.[8]

Die “sechs theils gerade[n], theils auf verschiedene Art gekrümmte[n] Linien” scheinen auf die sechs Radikale zu verweisen, die aus einem einzigen Strich bestehen.[9]. Mit Phantasie lassen sich alle Zeichen – vom einfachsten bis zum komplexesten – auf diese Grundformen zurückführen.

Das Radikal (bùshǒu 部首 [wörtlich "Klassenhaupt"] ist derjenige graphische Bestandteil eines Schriftzeichens, unter dem dieses Zeichen in einem traditionellen einsprachigen Wörterbuch oder Zeichenlexikon angeordnet ist.

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Schriftzeichen zùn 鱒. | Graphik: Monika Lehner

Ein Beispiel: Das Schriftzeichen 鱒 [zùn, "Forelle"] besteht aus zwei Teilen:  Der linke, in der Abbildung blau eingefärbte Teil ist das Radikal, yú 魚 ["Fisch"]. Der rechte, schwarz eingefärbte Teil ist das Phonetikum zūn 尊 ["Gefäß (Typ Zun)"].
Kennt man das Schriftzeichen nicht, würde man im Wörterbuch zunächst nach dem Radikal suchen, und dann nach der Anzahl der verbleibenden Striche (im konkreten Fall: 12).

Im Laufe der Zeit schwankte die Zahl der Radikale beträchtlich, das 1716 veröffentlichte Kāngxī Zìdiǎn 康熙字典 ["Kāngxī-Wörterbuch"] legte einen neuen Standard fest: die 214 Kāngxī bùshǒu 康熙部首 ["Kāngxī -Radikale"][10] – die “214 so genannten Schlüssel oder Urzeichen” .[11]

Adelung, der sich bei seinen Ausführungen auf “Bayers Museum Sinicum”[12]), “Fourmonts Grammat[ica] Sinica”[13] und “Petity Encyclop. élémentaire, Th. 2, Abth 2, S. 625-660″[14] stützt[15], kann dem System wenig Positives abgewinnen:

Wäre diese Schrift ein systematisches Werk Eines oder mehrerer dazu vereinigter guter Köpfe, so würden diese 214 Schlüssel die nothwendigsten Haupt- oder Grundbegriffe enthalten, aus welchen sich denn alle übrigen hätten müssen zusammen setzen lassen. Allein so bezeichnen sie einen verworrenen Haufen unter sich fremdaritger Dinge, so wie Laune und Zufall sie den ersten Erfindern zugeführt zu haben scheinen.

Anfängs hätte man ja versucht, mit wenigen Zeichen auszukommen- und damals hätten die wenigen Zeichen genügt. Aber …

Nichts beweist die Eingeschränktheit und den Mangel alles Genies mehr, als dass man bey fortschreitender Cultur, da des Schreibens mehr ward, diese lästige Schriftart nicht verliess, sondern vielmehr auf diesem unbequemen Wege fortwandelte, und diese Zeichen durch Zusammensetzung und Verbindung der Schlüssel und ihrer Theile nach und nach bis zu einer Menge vermehrte, zu deren Erlernung auch das längste Leben eines Sinesischen Gelehrten, und wäre er auch ein Leibnitz oder Newton nicht hinreicht.[16]

Verdeutlicht wird diese “lästige Schriftart” durch einige Beispiele, die die Unbestimmtheit von Sprache und Schrift sichtbar machen sollen, unter anderem das Zeichen für “Nacht”, 夜:

Die Nacht heisst Ye; aber das Zeichen bestehet aus den drey Schlüsseln Finsterniss, Bedecken und Mensch, die Finsterniss anzudeuten, in welcher sich der Mensch bedeckt, oder die Finsterniss, welche den Menschen bedeckt [...][17]

ye

Schriftzeichen yè 夜 “Nacht” | Graphik: Monika Lehner

Das Schriftzeichen 夜 besteht nach der Beschreibung aus drei getrennten (in der Graphik unterschiedlich gefärbten) Teilen:

  • Der (schwarze) Teil rechts unten ist eine graphische Variante von  夕 “Abend”, “Nacht”
  • Der blau eingefärbte Teil kann als  tóu 亠 “Dach” gesehen werden
  • Der grau getönte Teil kann als graphische Variante von rén 人 “Mensch”, “Mann” gelesen werden.

Adelungs Beschreibung kann bestenfalls als mnemotechnisches Hilfsmittel zum Zeichenlernen gedeutet werden, tatsächlich verbindet das Zeichen das Radikals 夕 “Abend” mit dem Phonetikum yì 亦.

Anhand weiterer Beispiele macht Adelung deutlich, für wie wenig entwickeltund unzulänglich er das Chinesische hält. Er hat nur Spott und Hohn für diejenigen, die das Chinesische als Universalsprache empfehlen würden.[18]  Er kommt zu drastischen Schlussfolgerungen:

Diese höchst unbequeme Schrift ist denn, nebst der unvollkommenen Sprache, auch die vornehmste Ursache, warum der Sinese es bisher zu keinem nur erträglichen Grade der wissenschaftlichen Cultur hat bringen können, noch es jemahls bringen wirf.[19]

Allerdings schränkt er ein, dass dies zunächst “die Hof-Schrift- und höhere Gesellschaftssprache, welche in Sina Kuan hoa [guānhuà 官話; wörtl. "Beamten-Sprache"], in Europa aber die Mandarinen-Sprache genannt wird, weil sie unter den Gelehrten und obern Beamten gangbar ist.”[20].
Diese Sprache sei die der “Provinz Kiang nan” (Jiāngnán 江南[21], in der “die ehemaligen einheimischen Kaiser ihren Sitz hatten”[22]

Als die Mantschu sich des Reiches bemächtigten, und den Hauptsitz näher an die Grenze nach Peking verlegten, gebrauchten sie zwar ihre mitgebrachte Sprache, behielten aber in allen Reichsgeschäften die alte Hofsprache bey, daher selbige noch jetzt in den obern Classen zu Peking am reinsten und zierlichsten Gesprochen wird.[23]

Adelung bringt hier  Míng 明-Dynastie   (1368-1644) und Qīng 清-Dynastie (1644-1912). Der Yǒnglè 永樂-Kaiser (1360-1424, regierte 1402-1424) hatte Běijīng 北京1421 zur Hauptstat Chinas – um  näher an der wieder und wieder bedrohten nördlichen Grenze zu sein.
Die mandschurische Qīng 清-Dynastie übernahm die chinesische Verwaltung, Dokumente wurden in chinesischer und mandschurischer (teilweise auch in mongolischer) Sprache ausgefertigt.

Nach  Bemerkungen zu “Mundarten” schließt das Kapitel mit “Sprachproben” – chinesische “Vaterunser“-Fassungen – ohne Schriftzeichen, nur Umschrift, Wort-für-Wort-Übersetzung – die aus seit der Mitte des 17. Jahrhunderts entstandenen Publikationen von Missionaren und Gelehrten entnommen sind.

Besonders interessant erscheint die von Adelung getroffene Auswahl von Literatur über das Chinesische, die in dem Abschnitt “Litteratur der Sprache” (51-53) aufgelistet und kurz charakterisiert wird. Dabei weist Adelung auch auf die nur rudimentären Darstellungen zur chinesischen Sprache hin::

Sonderbar, dass von den vielen Jesuiten, welche seit dritthalb Jahrhunderten in diesem Reiche gelebt haben, uns beynahe keiner eine gründliche Übersicht dieser Sprache gegeben hat, ungeachtet sie es an Lobpreisungen nicht haben fehlen lassen. Befürchteten sie etwa, dass eine getreue Darstellung die beste Widerlegung ihres übertriebenen Lobes seinw ürde?[24]

 

 

  1. Danach mehrere Auflagen, u.a.: 2. Aufl. 1793–1801, weitere Auflagen 1808 [Digitalisat: UB Bielefeld] und 1811 (Digitalisat [Volltext  & Images]: Bayerische Staatsbibliothek.
  2. Johann Christoph Adelung: Mithridates oder allgemeine Sprachenkunde : mit dem Vater Unser als Sprachprobe in bey nahe fünfhundert Sprachen und Mundarten : Theil 1 (Berlin: Voss 1806) – Digitalisat: ULB Sachsen-Anhalt (urn:nbn:de:gbv:3:3-36894). Die weiteren Bände wurden von Johann Severin Vater (1771-1826)  fortgesetzt und vollendet ((Digitalisate aller Bände: ULB Sachsen Anhalt (urn:nbn:de:gbv:3:3-36909).
  3. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 40.
  4. Der Abschnitt enthält kursorische Angaben zur Lage, Allgemeines zur Geschichte, zur Historiographie und deren als mangelhaft eingeschätzter Glaubwürdigkeit.
  5. Adelung, Mithridates, Bd. 1 (1806) 46.
  6. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 46 f.
  7. Adelung, Mithridates  Bd. 1 (1806) 47.
  8. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 47.
  9. Einstrichige Radikale: 1) 一 yī, 2) 丨 gǔn, 3) 丶 zhǔ, 4) 丿 piě, 5) 乙 yǐ und 6) 亅 jué.
  10. In dem 1615 publizierten, von Méi Yīngzuò 梅膺祚 herausgegebenen Zìhuì  字彙 wurden die 214 Radikale erstmals verwendet.
  11. Das oben erläuterte Schriftzeichen zùn 鱒 findet sich im Kāngxī Zìdiǎn 康熙字典 unter Radikal 195 (yú 魚) auf Seite 1478.
  12. D.i.: Theophil Siegfried Bayer: Museum Sinicum in quo Sinicae Linguae et Litteraturae ratio explicatur (Petropoli: Ex Typographia Academiae Imperatoriae, 1730 – Digitalisat: Bibliotheca Sinica 2.0.
  13. D.i. Étienne Fourmont: Linguæ Sinarum Mandarinicæ  hieroglyphicæ grammatica duplex, latinè & cum characteribus sinensium. Item sinicorum Regiæ Bibliothecæ librorum catalogus  (Paris: Guerin, 1742) – Digitalisate: Bibliotheca Sinica 2.0.
  14. D.i.: Jean Raymond de Petity: Encyclopédie Élémentaire, Ou Introduction A L’Étude Des Lettres, Des Sciences Et Des Arts. Ouvrage utile à la Jeunesse & aux Personnes de tout âge, enrichi d’amples Notices des meilleurs Auteurs dans chaque Faculté ... Bd. 2.2 (Paris: Herrisant [1767]) – Digitalisat: Bayerische Staatsbibliothek (URN: urn:nbn:de:bvb:12-bsb10351945-4).
  15. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 47.
  16. Adelung, Mithridates, Bd. 1 (1806) 48.
  17. Adelung, Mithridates, Bd. 1 (1806) 48.
  18. Vgl. dazu: Hao Liuxiang: “Leibniz’s Ideal of Characterstica Universalis”. In: Wenzhao Li, Hans Poser:  Das Neueste über China: G.W. Leibnizens Novissima Sinica von 1697 : Internationales Symposium, Berlin 4. bis 7. Oktober 1997 ((= Studia Leibnitiana / Supplementa 33, Stuttgart: Steiner 2000) 170-191.
  19. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 49.
  20. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 50.
  21. Jiāngnán bezeichnet die Region südlich des Unterlaufs des Cháng Jiāng 長江.
  22. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 50.
  23. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 51.
  24. Adelung, Mithridates Bd. 1 (1806) 51.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1813

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Frühe Stimmen über das Chinesische: “Über die Chinesische Schriftsprache” (1813)


In China besteht noch jetzt alle Gelehrsamkeit in der Kenntniß der Sprache. Um zu den höchsten Staatsämtern zu gelangen, braucht man durchaus nichts weiter zu verstehen. Die Candidaten aller Staatsämter in China werden nur hierinn äusserst scharf examinirt. [...] Nicht sowohl wegen der Natur der Chinesischen Schriftsprache selbst sind in China noch alle gelehrten Fertigkeiten auf die Kenntniß der Sprache beschränkt[1]

Der Aufmerksame, eine Beilage zur Grazer Zeitung brachte am 20. März 1813 den Beitrag “Ueber die Chinesische Schriftsprache”, in dem die Besonderheiten der Sprache beschrieben  und durch Beispiele illustriert werden.

Unter Berufung auf Barrows Reisebeschreibung[2] heißt es, die “Mundsprache [wäre] sehr leicht, indem sie nur aus einigen Hunderten (342) einsilbigen Worten besteht, die bloß durch verschiedenen Accent und veränderte Aussprache zu 1,331 verschiedenen Ausdrücken werden.”

Die Schrift hingegen wäre wesentlich komplexer:

Zur schriftlichen Darstellung dieser 1,331 Worte aber gehören nicht weniger als 80,000 Charaktere (Zeichen, Symbole, Hieroglyphen), so daß also 60 Charaktere auf ein und dasselbe Wort kommen. Das einsilbige Wort nemlich hat so viel verschiedene Bedeutungen, daß es keine geringere Anzahl als 60 Charaktere im Durchschnitte zu seiner schriftlichen Darstellung nöthig hat.[3]

Um den Lesern eine Vorstellung von der Schrift zu geben, werden einige einfache(re) Schriftzeichen beschrieben, darunter:

  • tián “Feld”
  • xià “unten”
  • shàng “oben”

Der Beitrag beschreibt dann Radikal-System und das Signifikum-Phonetikum-Prinzip und führt aus, dass “das Zeichen, das Hand bedeutet, bey allen Zeichen vor[kommt], die Geschäfte oder Handwerke bedeuten, nur wird es durch andere Zeichen näher bestimmt.”[4]

Der Artikel führt weiter aus, dass die meisten Schriftzeichen aus  einfacheren Zeichen zusammengesetzt scheinen. Diese ‘Bilder’ seien für Chinesen ganz selbstverständlich, für Europäer aber schwer nachzuvollziehen.Am  Zeichen für “Glück” wird das genauer ausgeführt:

[...] einem Europäer bleibt es immer schwer zu begreifen, wie die vereinten Zeichen von Dämon, Einheit, Mund, und bebautem Feld  das Glück bedeuten. Ohne Zweifel hat diese Vereinigung in der Vorstellung der Chinesen keinen andern Sinn als Glück, aber einem Europäer bleibt sie immer schwer zu fassen.[5]

Beschrieben damit wird das folgende Schrifzeichen:

fu

fu “Glück” [Graphik: Monika Lehner]

Das Zeichen 褔 besteht demnach aus vier Elementen:

  1. shì (Variante von  示)  „Vorfahren, zeigen, verehren“
  2. 一  yī “eins”
  3. 口 kǒu “Mund”
  4. tián “Feld”

Das Zeichen ist zusammengesetzt aus dem Radikal[6]/Signifikum[7] 礻und dem Phonetikum[8] 畗.礻ist Bestandteil vieler Zeichen, die mit Religiösem und Geistern im weitesten Sinn zu tun haben, Das Phonetikum 畗 bedeutet “Überfluss”[9] S. 193, Lesson 75 D).)) Wieger leitet 畗 von 高 ab und gibt als Bedeutungen: “the heaping up of the productions of the 田 fields, goods of the earth abundance, prosperity”.[10]

In dem Beitrag wird die Quelle nur beiläufig erwähnt, ist aber eindeutig. Es handelt sich um Travels in China von John Barrow ( 1764-1848) aus dem Jahr 1804[11], genauer um Kapitel VI “Language – Literature, and the fine Arts – Sciences _ Mechanics, and Medicine.” (S. 236-356) Der Artikel “Ueber die Chinesische Schriftsprache” fasst Ausführungen von Barrow sehr kursorisch (und manchmal irreführend) zusammen), die bei Barrows mit abgedruckten Schriftzeichen fehlen.

So heißt es bei Barrows zu den Schriftzeichen 上 und 下 “above and below, distinctly marked these points of position”[12] In dem Beitrag heißt es: “Das Wort unten wird durch ein Lateinisches T [...] dargestellt, und oben durch dasselbe umgekehrte Zeichen.” Der Punkt, der in dem “T” die Position angibt, bleibt außen vor.[13]
Zu den ‘zusammengesetzten’ Zeichen heißt es bei Barrow: “It may not be difficult to conceive, for instance, that in a figurative language, the union of the sun [日]and moon [yuè 月] might be employed to express any extraordinary degree of light or brilliancy [míng 明], but it would not so readily occur, that the character foo or happiness, or suprime felicity, should be designed by the union of the caracters expressing a spirit or demon, the number one or unity, a mouth and a piece of cultivated ground thus 福.”[14]

Der Beitrag kommt zu einem eher pessimistischen Fazit:

Wären die Chinesen fest beym Urmechanismus ihrer Schriftsprache geblieben, der gewiss sinnreich und philosophisch ist, so würde sie eine der interessantesten Sprachen seyn. Aber so kommen noch täglich neue Charaktere auf, die gegen den universellen Sinn dieser Sprache eben so sehr als viele der bereits vorhandenen anstoßen. Doch würde dieser Uebelstand für Ausländer noch leichter zu überwinden seyn, als die vielen Abbreviaturen, woduch der Sinn der Charaktere noch mehr leidet, als durch die sonderbare Symbolik derselben.[15]

Der Kern ist Barrow entnommen:

If the Chinese had rigidly adhered to the ingenious and philosophical mechanism they originally employed in the construction of their characters, it would be the most interesting of all languages. But such is far from being the case. New characters are daily constructed, in which convenience, rather than perspicuity, has been consulted.[16]

Nun stimmt es zwar, dass jederzeit neue Zeichen ‘erfunden’ werden können, in der Praxis kamen allerdings seit dem 19. Jahrhundert vor allem Schriftzeichen für chemische Elemente dazu.
Auffallend ist, dass der Text in Der Aufmerksame eher Schwierigkeiten und Negatives in den Vordergrund stellt, während Barrow bei seiner Beschreibung der Sprache zwar deren Fremdartigkeit ins Zentrum rückt, dabei aber von negativen Zuschreibungen absieht.

  1. Grazer Zeitung,  Nr. 23 (20. März 1813) 1. Online: ANNO.
  2. Diese Beschreibung wird nicht weiter diskutiert, bibliographische Angaben fehlen.
  3. Grazer Zeitung,  Nr. 23 (20. März 1813), 1. Online: ANNO.
  4. Grazer Zeitung,  Nr. 23 (20. März 1813), 2. Online: ANNO.
  5. Grazer Zeitung,  Nr. 23 (20. März 1813), 2. Online: ANNO.
  6. Ein Radikal, chin. bùshǒu 部首 (auch ‘Klassenzeichen’)  ist eine grafische Zuordnungskomponente eines chinesischen Schriftzeichens. In manchen Fällen ist das Radikal auch Determinativ und deutet eine Begriffsklasse im weitesten Sinn an. Jedes Schriftzeichen hat genau ein Radikal; und in chinesischen Wörterbüchern sind die Lemmata nach Radikalen geordnet.
  7. Das Signifikum, chin. yìfú 義符, ist das sinntragende Element eines Schriftzeichens.
  8. Das Phonetikum, chin.  shēngpáng 聲旁 oder yīnfú 音符, ist das lauttragende Element eines Schriftzeichens und kann Hinweise zur Aussprache desZeichens enthalten.
  9. Léon Wieger: Chinese Characters. Their Origin, etymology, history, classification and signification. A thorough study form Chinese documents. Translated into Enlish by L. Davrout, S.J. Second Edition, enlarged and revised according to the 4th French edition (New York: Paragon Book Reprint Corp/Dover Publications 1965
  10. Ebd.
  11. John Barrow:  Travels in China containing descriptions, observations, and comparisons, made and collected in the course of a short residence at the imperial palace of Yuen-Min-Yuen, and on a subsequent journey through the country from Pekin to Canton (London: T. Cadell and W. Davies 1804) Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  12. Barrow (1804) 237.
  13. Grazer Zeitung,  Nr. 23 (20. März 1813), 2. Online: ANNO.
  14. Barrow (1804) 254 f.
  15. Grazer Zeitung,  Nr. 23 (20. März 1813), 2. Online: ANNO.
  16. Barrow (1804) 255 f.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1631

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Frühe Stimmen über das Chinesische (VI): Orientalisch- und occidentalische[r] Sprachmeister (1748)

In den sogenannten Vaterunser-Sammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts wurde versucht,  Versionen des Gebets in möglichst vielen Sprachen zusammenzutragen. Zur Kompilation wurden häufig die von Missionaren gesammelten Sprachproben herangezogen, in einigen Fällen kommen dazu Bemerkungen zu den unterschiedlichsten Sprachen.[1]
Keine Ausnahme bildet dabei der Orientalisch- und occidentalische[r] Sprachmeister[2], in dem 100 Alphabete und das Vaterunser in 200 Sprachen und Dialekten zusammengetragen sind. Die für China angeführten Vaterunser-Versionen (S. 111 f.) sind teilweise der 1710 erschienen Sammlung Oratio dominica …[3] entnommen – inklusive der dort enthaltenen Quellenangaben (S. 6 (Transkription) und S. 11 (Schriftzeichen)).

Doch von den Vaterunser-Auflistungen abgesehen, finden sich im Sprachmeister einige Bildtafeln mit chinesischen Schrfitzeichen (die nur teilweise und mit viel Phantasie zu entziffern sind)

Orientalisch- und occidentalischer Sprachmeister

Orientalisch- und occidentalischer Sprachmeister (1748)
Internet Archive

Im Abschnitt “Das Sinesische Alphabet” (S.102) gibt es  kurze Bemerkungen – allerdings nach einer wenig verheißungsvollen Einleitung:

Sie [d.h. die chinesische Sprache] ist eben nicht nöthig zu lernen [...]
Bey dieser Sprache ist anzumerken, daß in dem weitläuffitigen Sinesischen Reiche selbst 20 Sprachen, welche aber alle voneinander unterschieden, gefunden werden, die Mandarinische aber hat vor andern einen Vorzug, welche in der Zierlichkeit und Gelehrsamkeit im gantzen Reiche gebraucht wird.[4]

Auch hier findet sich der Verweis auf den (vermeintlichen) Mangel and Wörtern und den Monosyllabismus:

Ob gleich die Sprache reich an ·Characteurs·, so leidet sie dennoch grossen Mangel an Wörtern [...]
Denn die Sprache hat kaum 1500 ·Vocabula·, und dieselben sind ·Monosyllaba· (ob gleich zwey oder dreysylbigte Wörter zzu sein scheinen, so sind selbige doch zusammen gesetzt) und endigen sich in einen ·Vocalem· oder in ·m· und ·n· (manchmahl auch ·ng·) niemahls aber anders. Daher denn die ·Homonymia· (vielfältige Bedeutung der Wörter) in der Sprache sehr stark vorhanden, dergestalt daß manchmahl ein Wort wohl 20 bis 30 ·diverse Significationes· in sich enthält und andeutet, welche manchmahl durch die ·Characteurs· und Aussprache ·distinguiret· ewerden. Denn die Sineser erheben bald die Stimme im Reden, bald aber lassen sie solche wieder fallen, und scheinet gleichsam als wenn sie singen. Weil nun sothane ·Pronunciation· denen Redenden nöthig ist, so hat ·P. Jacobus Pautoja· [sic] fünff Merckmahle, so in der Music bekannt sind, ·ut, re, mi, fa, sol,· erdacht, welche er Sinesisiche ·Accente· nennet, mit welchen er die Stimme, und wie der Klang gegeben werden müsse anzeigt, welches ·Kircherus in Chin. Illustr. p. 236·  referiret.[5]))

Hier vermischen sich – wie so oft – Fakten uund Phantasie:

  • “1500 Vocabula”: In der Modernen Chinesischen Hochsprache sind 1338 Sprachtonsilben realisiert (von etwa 1600 theoretisch) möglichen.[6]
  • “dieselben sind ·Monosyllaba·”: Jedes Schriftzeichen entspricht einer Silbe. Aber  – aber nicht jede Silbe ist gleich ein vollständiges Wort, die Zahl der zwei-, drei- und mehrsilbigen Wörter steigt im Laufe der Sprachgeschichte.[7]
  • “und endigen sich in einen ·Vocalem· oder in ·m· und ·n· (manchmahl auch ·ng·) niemahls aber anders”: In der Modernen chinesischen Hochsprache enden Silben auf einen Vokal (oder Diphthong) oder auf -n oder -ng. Endung auf -m existiert in der Modernen chinesischen Hochsprache nicht
  • “manchmahl ein Wort wohl 20 bis 30 ·diverse Significationes· in sich enthält und andeutet”: zu manchen Sprachtonsilben gibt es unzählige Schriftzeichen, die vollkommen unterschiedlich aussehen, vollkommen unterschiedliche Bedeutungen haben – aber eben alle gleich ausgesprochen werden.
  • “Denn die Sineser erheben bald die Stimme im Reden, bald aber lassen sie solche wieder fallen, und scheinet gleichsam als wenn sie singen.”: Die Töne sind bedeutungsdifferenzierend – das klassische Beispiel aus dem Anfängerlehrbuch.
    • 1. Ton: 媽 “Mutter”
    • 2. Ton: 麻 “Hand”
    • 3. Ton: 馬 “Pferd”
    • 4. Ton: mà 罵 “schimpfen”
    • neutraler Ton: ma 嗎 [Partikel zur Bildung von Fragesätzen]
  • “Weil nun sothane ·Pronunciation· denen Redenden nöthig ist, so hat ·P. Jacobus Pautoja· [sic] fünff Merckmahle, so in der Music bekannt sind, ·ut, re, mi, fa, sol,· erdacht, welche er Sinesisiche ·Accente· nennet, mit welchen er die Stimme, und wie der Klang gegeben werden müsse anzeigt,”: Wie oben gesagt, sind die Töne bedeutungsdifferenzieren. In der Transkription werden sie in der Regel durch diakritische Zeichen markiert, mitunter finden sich auch Hochzahlen = ma¹ etc.
  • “welches ·Kircherus in Chin. Illustr. p. 236·  referiret”: Gemeint ist hier Athanasius Kirchers China … illustrata[8] – dort findet sich auf Seite 236 tatsächlich der Hinweis auf die Bezeichnung der Töne wie Musiknoten und mit diakritischen Zeichen – allerdings einem “P.  Jacobus Pantoja” zugeschrieben. Gemeint ist wohl Diego de Pantoja/Diego Pantoja (1571-1618), einer der Begleiter Matteo Riccis[9]

Zum Schluss kommt noch einmal die eingangs geäußerte Skepsis zum Ausdruck, ob es sinnvoll ist, sich dem Studium dieser Sprache zu widmen:

Uebrigens kan kein sonderlicher Nutzen von dieser Sprache erlangt werden, wenn man nicht den Umgang dasigen Ortes mit ihnen hat.[10]

Bisherige Beiträge in der Reihe “Frühe Stimmen über das Chinesische”: I, II, III, IV, V.

  1. Vgl. dazu die Bemerkungen bei Georg Lehner, Der Druck chinesischer Zeichen in Europa. Entwicklungen im 19. Jahrhundert (Wiesbaden: Harrassowitz 2004) 19.
  2. [Johann Friedrich Fritz/Benjamin Schultze:] Orientalisch- und occidentalischer Sprachmeister, welcher nicht allein hundert Alphabete nebst ihrer Aussprache, so bey denen meisten europäisch- asiatisch- africanisch- und americanischen Völckern und Nationen gebräuchlich sind, : auch einigen Tabulis Polyglottis verschiedener Sprachen und Zahlen vor Augen leget, : sondern auch das Gebet des Herrn, in 200 Sprachen und Mund-Arten mit dererselben Characteren und Lesung, nach einer geographischen Ordnung mittheilet. (Leipzig: Gessner 1748) – Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  3. Oratio dominica … plus centum linguis reddita   d.i. das Gebet des Herrn oder Vater Unser (Augspurg, editio novissima, 1710) VD18 14404427-001, Online: BSB / Google Books. – Die erste Auflage erschien 1700 in London, vgl. Lehner (2004) 19, Fußnote 96.
  4. Orientalisch- und occidentalische[r] Sprachmeister (1748), 101.
  5. ((Orientalisch- und occidentalische[r] Sprachmeister (1748), 102.
  6. Vgl. dazu den Abschnitt “Phonetik und Phonologie” in: Otto Ladstätter: “Sprache”, in Wolfgang Franke (ed.): China Handbuch (Düsseldorf: Bertelsmann 1974), 1274 f.
  7. S. dazu Endymion Wilkinson, Chinese History. A Manual (Harvard-Yenching Monograph Series 35, Cambridge, Mass./London: Harvard University Press 2000) 31 f: “Polysyllabic Words in Classical Chinese”.
  8. Athanasii Kircheri E Soc. Jesu China Monumentis, Qua Sacris quà Profanis, Nec non variis Naturæ & Artis Spectaculis, Aliarumque rerum memorabilium Argumentis Illustrata, auspiciis Leopold Primi, Roman, Imper. semper Augusti, Munificentißimi Mecænatis (Amstelodami : Janssonius a Waesberge ; Weyerstraet, 1667) – Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  9. Vgl. – auch zu den Transkriptionssystemen zur Zeit Riccis: Otto Zwartjes: Portuguese Missionary Grammars in Asia, Africa and Brazil, 1550-1800 (= Amsterdam studies in the theory and history of linguistic science., Series III,, Studies in the history of the language sciences, v. 117; Amsterdam/Philadelphia: John Benjamins Publishing, 2011), 287.
  10. Orientalisch- und occidentalische[r] Sprachmeister (1748), 102.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/1230

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Frühe Stimmen über die chinesische Schrift (I)

Kaum etwas hat die Phantasie der Europäer so nachhaltig beflügelt wie Überlegungen zur chinesischen Schrift: Mutmaßungen zu ihrem Ursprung und zur  Anzahl der Schriftzeichen finden sich dabei ebenso wie die Frage, ob die ‘Charaktere’ nun ‘Bilder’ im Wortsinn oder ‘Symbole’ wären.[1]  Das Thema taucht in den meisten Texten auf, die sich mit China beschäftigen, die Erklärungen sind zum Teil faszinierend bis abstrus, zum Teil aber auch sehr (zu)treffend. In loser Folge hält die Serie ‘Frühe Stimmen’ Notizen bei der Lektüre von Texten über China aus dem 16.-18. Jh. fest.

In der ersten deutschen Übersetzung von  González de Mendozas Historia, die Johann Kellner 1589 unter dem Titel Ein Neuwe/ Kurtze/ doch warhafftige Beschreibung deß gar Großmächtigen weitbegriffenen/ bißhero vnbekandten Königreichs China, seiner fünffzehen gewaltigen Prouincien, vnsäglicher grosser vnd vieler Stätt, Fruchtbarkeit, … grossen Reichthumbs … Kriegsmacht … dergleichen in keiner Histoiren … in der weiten Welt jemals befunden veröffentlichte[2] heißt es im Kapitel “Von den Buchstaben vnd Charactern / welche die in China gebrauchen [...]” (p. 125-129):

Zukommen nun auff den ersten Puncten / sage ich / wiewol jhrer wenig seind / die nicht schreiben vnd lesen vnter jhnen können / so haben sie doch kein A b c oder Alphabet von Buchstaben / wie wir haben / sondern schreiben alle Ding mit Figuren / die sie in langer Zeit lernen mit grosser M[ue]he / dann es hat ein jedes Wort sein eygen Zeichen. [...] (p. 125)


Ein Neuwe/ Kurtze/ doch warhafftige Beschreibung deß gar Großmächtigen weitbegriffenen/ bißhero vnbekandten Königreichs China (1589) [Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf, urn:nbn:de:hbz:061:1-8774]

Hier wird der sogenannte ‘Monosyllabismus’ des Chinesischen beschrieben, dessen Ursprung Gustav Ineichen auf die Schriften der Jesuiten im 16. Jahrhundert zurückgeführt hat.[3]. Tatsächlich gilt im Chinesischen die Regel ein Schriftzeichen = eine Silbe, aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass es nur einsilbige Wörter gibt …

Zur Anzahl der Schriftzeichen heißt es:

[...] Figuren / deren seind mehr dann sechstausend alle vnterschiedlich / vnd k[oe]nnen sie aber behende schreiben / wie man auß der Erfahrung gesehen hat / bey vielen dieser Nation / die t[ae]glich in dei Insuln Philippinas kommen / vnnd sich daselbst verhalten. (p. 125)

Wie der Verfasser auf die Zahl 6000 kommt ist, bleibt offen – denn schon das älteste Zeichenwörterbuch, das Shuōwén jiězì 說文解字 (um 1)00 n. Chr.)[4] enthält 9.353 Schriftzeichen (plus 1163 Varianten), das Kāngxī zìdiǎn 康熙字典 (1716)[5] – das zweite große Zeichenlexikon – enthält insgesamt rund 47.000 Schriftzeichen, das derzeit umfangreichste gedruckte Zeichenlexikon, das Zhōnghuá zìhǎi 中华字海 (1994), enthält rund 87.000 verschiedene Schriftzeichen und Varianten.[6]

Zur Schreibrichtung heißt es:

Sie schreiben anders / da[nn] wir im Brauch hab[en]/ dann sie schreiben die Zeilen von oben herab vnter sich sehr gleich vnd strack / vnd heben widerwertig an / nemlich von der Rechten zur Linken. (p. 126)

Bis ins frühe 20. Jahrhundert -war die Schreibrichtung in der Regel senkrecht von oben nach unten, die Zeilen (oder eher Spalten)  waren von rechts nach links angeordnet.

Zu Beschreibstoffen und Schreibwerkzeug heißt es:

Sie hab[en] grosse Meng Papier / welches leichtlich gemacht ist auß Tuch von Rohrn / das ist wolfeiles Kauffs / gleich wie auch die getruckten B[ue]cher / man kan aber nur auff einer Seit[en] darauff schreiben / da[nn] es gar d[uenn]e und rein ist. Sie brauch[en] der Federn zum schreib[en] nit wie wir thun / sonder etlich Rohr mit einem klein[en] Federlein an der Spitzen. (p.127)

Chinesische (Schreib-)Papiere waren überwiegend leicht (verglichen mit den in Europa verbreiteten Büttenpapieren. Da bei dem dünnen Papier Tusche und Druckerschwärze durchschlugen, wurden die Blätter einseitig beschrieben und bedruckt. Für Bücher wurden die bedruckten Blätter so gefaltet, dass die unbeschriebene Seite innen liegt, die gefalteten Blätter wurden gestapelt und auf der offenen Seite zusammengenäht.[7]

Chinesische Schreibpinsel (máobǐ 毛笔) haben meist einen Griff aus Bambus und einen kleinen Pinselkopf. Diese Pinsel sind sind deutlich elastischer als die im Westen gebräuchlichen Malerpinsel. Damit der Pinsel in einer haarfeinen Spitze ausläuft, die sich bei jedem Anheben neu bildet,  wird Haar von Ziege oder Hase um einen Kern aus Wieselhaar gebunden. Über die Art, wie der Pinsel geführt wird, äußert sich der Verfasser nicht[8] …

BTW: Georg Lehner hat auf De rebus sinicis hat eine Serie zu den Vier Schätze des Studierzimmers (I) begonnen – dort findet sich auch ein Bild dieser ‘vier Schätze’.))

  1. Zu satirischen Auswüchsen vgl. das Beispiel im Beitrag Fachchinesisch.
  2. Digitalisate → Bibliotheca Sinica 2.0.
  3. Gustav Ineichen: “Historisches Zum Begriff des Monosyllabismus im Chinesischen”. In: Historiographia Linguistica, Vol. 14, Number 3 (1987), pp. 265-282.
  4. Chinese Text Project: 《說文解字 – Shuo Wen Jie Zi》.
  5. Online-Version: http://www.kangxizidian.com/.
  6. Vgl. Endymion Wilkinson: Chinese History. A Manual. Revised and Enlarged. (Harvard-Yenching Institute Monograph Series, 52; Cambridge, Mass/London: Harvard University Asia Center 2000 p. 46.
  7. In europäischen Bibliotheken wurden Bücher oft neu gebunden, wobei die traditonelle Bindung abgeschnitten wurde – und mitunter die Falze geöffnet wurden.
  8. Vgl. dazu die Bemerkungen zum Porträt des Alvaro Semedo.

Quelle: http://mindthegaps.hypotheses.org/716

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