#kgd_nwt | Nachwuchstagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik | PH Ludwigsburg | 2.-4. Oktober 2012 | Sektion: Vernetzung – Geschichte in den digitalen Medien


An der PH Ludwigsburg fand vom 2. bis 4. Oktober 2012 die Nachwuchstagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik Neue Wege, Themen, Methoden statt, auf der über zwanzig Nachwuchsprojekte vorgestellt wurden (s. tweets unter #kgd_nwt). Die Beiträge behandelten mehrheitlich empirische und pragmatische Forschungsvorhaben; Schwerpunkte waren (lt. Sektionstiteln) geschichtskulturelle Aspekte, historisches Vorwissen, digitale Medien, Inklusion, Filme sowie Aspekte inter- und transkulturellen historischen Lernens.

Die Sektion Vernetzungen – Geschichte in den digitalen Medien und ihre Nutzung für das historische Lernen, die hier kurz zusammengefasst werden soll, eröffnete Manuel Altenkirch (Heidelberg), der sein Konzept zur empirischen Erforschung der Wikipedia vorstellte. Um die Frage zu beantworten, wie Wikipedia-Artikel mit historischen Inhalten, die aufgrund ihrer häufigen Nutzung inzwischen von großer geschichtskultureller Bedeutung sind, zustande kommen und welche Konstruktionsprozesse historischer Narrationen sich vollziehen, hat Altenkirch erstens Wikipedia-Einträge, die Versionsgeschichte und die Diskussionsseiten auf breiter empirischer Basis untersucht sowie zweitens Wikiedia-Autoren typologisiert. Jonathan Peter (Kassel) untersucht in privater Initiative geschaltete französischsprachige Internetseiten, die den Zweiten Weltkrieg beispielsweise mit Blick auf Familiengeschichten, regional bedeutsamen Ereignisse oder Militaria thematisieren. Sein Projekt will deren geschichtskulturelle Bedeutung als „Kampf um Erinnerung im WWW“ untersuchen. Ulf Kerber (Karlsruhe) stellte ein Konzept historischer Medienkompetenz vor und brachte Modelle zu historischen Lernprozessen mit Konzepten aus der Medienpädagogik in Deckung. Seine These, dass es zwar begriffliche Unterschiede, dennoch weitreichende konzeptuelle Überschneidungen gibt, lässt sich in die Diskussion einreihen, ob und wie sich der geschichtsdidaktischen Medienbegriff angesichts des digitalen Wandels verändern könnte. Zweitens stellte Kerber das Projekt an der PH Karlsruhe DisKAver zum mobilen e-Learning vor. Alexander König (Saarbrücken) referierte über sein Projekt zur empirischen Analyse von Webquests, die Aufgabenformate zum Lernen mit Internet-Ressourcen vorgeben. König nimmt unter Zugrundelegung des Kompetenz-Modells nach Gautschi eine qualitative und quantitative Analyse zahlreicher im Netz verfügbar Wequests vor. Schließlich berichtete Christoph Pallaske (Köln) von der Entwicklung der Lernplattform segu und möglichen empirischen Forschungsstrategien zum offenen Geschichtsunterricht.

Das Themenspektrum zeigt erstens, dass – wie Sektionsleiter Marko Demantowsky (Basel) bilanzierte – der digitale Wandel in der Geschichtsdidaktik endgültig angekommen ist. Der Aspekt der Vernetzung wurde in der Sektion nicht thematisiert; dazu ist anzumerken, dass die geschichtsdidaktischen Nachwuchsprojekte und -akteure über Blogs und social media nicht nur gut vernetzt sind, sondern auch in verschiedenen Projekten und Veröffentlichungen kooperieren. Die fünf vorgestellten Projekte zielten auf aktuelle Fragen des digitalen Geschichtslernens: erstens die grundsätzliche Diskussion eines geschichtsdidaktischen Medienbegriffs, zweitens neue Formen historischen Erzählens, drittens eine stärkere Hinwendung zu geschichtskulturellen Themen sowie viertens die durch Lernen mit digitalen Medien stärkere Subjektorientierung und neue methodische Konzepte. In der Sektion wurde auch das auf der Nachwuchstagung häufig gehörte Problem deutlich, zielorientierte empirische Forschungsdesigns zu entwickeln, beispielsweise historische Kompetenzen bezüglich konkreter Forschungsfragen zu operationalisieren und mittels geeigneter Parameter zu messen.

 

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2012): #kgd_nwt | Nachwuchstagung der Konferenz für Geschichtsdidaktik | PH Ludwigsburg | 2.-4. Oktober 2012 | Sektion: Vernetzung – Geschichte in den digitalen Medien.  In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 4.10.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/1214, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/1214

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Gibt es historisches Lernen im digitalen Medium – und wenn ja wie viele? | Anmerkungen zu gd_dig (2)


Seit Ende Juni 2012 gibt es bei twitter der Hashtag #gd_dig – meint “Geschichtsdidaktik digital”. Die Diskussion, ob und wie sich historisches Lernen angesichts des digitalen Wandels verändern könnte, hat in den vergangenen Monaten an Fahrt aufgenommen. Der Beitrag knüpft an den Blogpost Geschichtsdidaktik digital | Anmerkungen zu gd_dig (1).

 

Was brauchen Schüler_innen, damit sie sinnvoll mit PC, Tablet oder anderen digitalen Endgeräten im Geschichtsunterricht lernen können? „Informiert euch mal im Internet – dann könnt ihr zum Beispiel eine Power-Point-Präsentation machen!“ Solche Arbeitsaufträge – oft gehört – sind demotivierend und lassen die großen Potenziale digitalen Geschichtslernens brach liegen. Lehr-/Lernkonzepte oder Lernarrangements, die strukturieren, was Schüler_innen in digitalen Lernumgebungen wie lernen sollen und können, sind notwendige Voraussetzung für guten „digitalen“ Geschichtsunterricht.

Kürzlich haben Daniel Bernsen, Alexander König und Thomas Spahn in der neuen Zeitschrift für digitale Geschichtswissenschaften den Beitrag Medien und historisches Lernen: Eine Verhältnisbestimmung und ein Plädoyer für eine digitale Geschichtsdidaktik veröffentlicht, in dem sie Anforderungen an digitalen Geschichtsunterricht und eine digitale Geschichtsdidaktik diskutieren. Die Autoren stellen fest, dass „die Digitalisierung unsere Welt grundlegend verändert“ und „ jede Beschäftigung mit Geschichte die Bedingungen der digitalen Welt für Arbeitstechniken und Möglichkeiten historischer Erkenntnis, im digitalen Raum gleichsam als deren conditio sine qua non, immer mitdenken“ (S.2) muss. Der Aufsatz dokumentiert im Folgenden den Forschungsstand sowie allgemeine Aspekte zu konkreten Arbeitstechniken und zu neuen Herausforderungen historischen Lernens bezogen beispielsweise auf Kompetenzorientierung, Veränderungen historischer Narrationen oder die Hinwendung zu geschichtskulturellen, die Lebenswelt der Schüler_innen einbeziehenden Zugänge zu Vergangenheit und Geschichte. In Abgrenzung zum von Hans-Jürgen Pandel geprägten Medienbegriff stellen die Autoren fest, dass „in der Geschichtsdidaktik Nachholbedarf nicht nur bezüglich digitaler Medien, sondern auch hinsichtlich der Entwicklung eines fachspezifischen Medienbegriffs“ besteht (S. 14), „wenn man davon ausgeht, dass Vergangenheit immer nur medial vermittelt zugänglich ist und daher historisches Lernen nur medial erfolgen kann“ (S. 15). Medien sind – so fahren sie fort – nicht nur Unterrichtsgegenstände (wie Quellen, Darstellungen usw.), sondern erstens auch Werkzeuge und zweitens Denkräume historischen Lernens.[1] Das von Bernsen, König und Spahn vorgeschlagene Konzept einer digitalen Geschichtsdidaktik als „integraler Bestandteil der Geschichtsdidaktik“, die „sich mit den Bedingungen und Auswirkungen des digitalen Wandels auf das Geschichtsbewusstsein, historisches Lernen, Geschichts- und Erinnerungskultur“ (S. 16) beschäftigt, rückt diesen erweiterten Medienbegriff in den Mittelpunkt und unterscheidet vier Funktionen digitaler Medien:

  • historisches Lernen an digitalen Medien als Lernobjekte erster Ordnung (z.B. digitalisierte Quellen und Darstellungen);
  • historisches Lernen mit digitalen Medien als Lern- und Denkwerkzeuge (z.B. Blogs; aus „segu-Sicht“ würde ich auch Online-Plattformen für Lernmaterialien hier einordnen);
  • historisches Lernen über digitale Medien als Lernobjekte zweiter Ordnung (z.B. Analyse von Wikipedia-Artikeln);
  • historisches Lernen im digitalen Medium als Lern- und Denkraum. (S. 17ff.)

Der vierte Punkt – in Anlehnung an medienpädagogische Konzepte – versteht sich wohl als (variabel) integratives Konzept der drei erstgenannten Punkte.

Die Ansprüche an das historische Lernen im digitalen Medium werden im Beitrag nur ansatzweise konkretisiert. Wie lassen sie sich in Lehr-/Lernkonzepte übersetzen? In seinem Beitrag „Was ist digitale Geschichtsdidaktik” (Juli 2012) hat König festgestellt, dass eine digitale Geschichtsdidaktik stärker „den Mediennutzer ins Zentrum ihrer Überlegung [rückt]. Sie ist – wie die konstruktivistische Geschichtsdidaktik – eine subjektorientierte Geschichtsdidaktik, welche ‚die Lebenswirklichkeit‘ von Geschichtslernern zum Ausgangspunkt nimmt.“ Lernen im digitalen Medium kann also Chancen für individuelles und differenzierendes Lernen oder z.B. für Projektlernen bieten. Zweitens ist Lernen im digitalen Medium – nach Stand der technischen Möglichkeiten – vielfältig. Noch einmal König: In seinem Beitrag „Geschichtsvermittlung in virtuellen Räumen“ schildert er das Potenzial, Unterricht durch e-Learning-Konzepte zu öffnen (Zusammenfassung Blogpost vom 12.9.2012). Neuere Entwicklungen weisen unter dem Label Web3.0 zum mobilen e-Learning z.B. mittels Smartphones; die Regionalgeschichte könnte in Zukunft stärkeres Gewicht beim historischen Lernen bekommen.

Aus geschichtsdidaktischer Sicht geben die Beiträge Hinweise und es finden sich verschiedene Spuren, wie Lernen im digitalen Medium konturiert sein könnte. Individuelle Lernkonzepte können der individuellen Ausprägung von Geschichtsbewusstsein Rechnung tragen, eine stärkere Fokussierung digital vermittelter Geschichtskultur könnte stärker Lebensbezüge von Schüler_innen berücksichtigen usw. Dennoch scheint eine wichtige Voraussetzung – um das Gefäß historisches Lernen im digitalen Medium aufzufüllen und in Lehr-/Lernkonzepten zu konkretisieren – noch nicht geklärt.  Was zeichnet digitales Geschichtslernen als historisches Lernen aus? Wie lässt sich von der Medien-Reflexion eine tragfähigere Brücke zur geschichtsdidaktischen Theoriebildung und „Grammatik“ (Ausbildung von Geschichtsbewusstsein, fachdidaktische Prinzipien, historische Kompetenzen) schlagen? Ansätze, die geschichtsdidaktische Theoriebildung zugrundelegen und davon ausgehend Aspekte des digitalen Geschichtslernen konkretisieren, sind noch nicht sehr zahlreich; beispielsweise Beiträge von Jan Hodel (z.B. Geschichtslernen mit Copy and Share) oder von Jakob Krameritzsch (Die fünf Typen des historischen Erzählens – im Zeitalter digitaler Medien); sie lassen sich zudem eher der Kategorie Lernen über digitale Medien zuordnen.

Deshalb offen gefragt: Gibt es historisches Lernen im digitalen Medium – und wenn ja, wie viele? Wer kennt Best Practice-Beispiele? Lassen sich Merkmale guten “digitalen” Geschichtsunterrichts benennen? Bezogen auf welche Kategorien und Begriffe der geschichtsdidaktischen “Grammatik” lässt sich für das Lernen im digitalen Medium ein Zugewinn für das Geschichtslernen ausmachen? Sind Ziele historischen Lernens mit digitalen Medien – auf anderem Wege – nicht auch “analog” zu erreichen? Gibt es Aspekte geschichtsdidaktischer Theoriebildung jenseits des Medienbegriffs, die sich angesichts des digitalen Wandels erweitern oder sogar verändern könnten? Dazu gehört abschließend sicher auch die Frage, welche Ansprüche an historisches Lernen sich mit digitalen Medien ausdrücklich nicht erreichen lassen. tbc.


[1] Mit einem solchen erweiterten Medienbegriff knüpfen die Autoren an den Geschichtsdidaktiker Horst Gies an, der vor Jahren forderte, Medien „nicht nur ‚Mittel‘, sondern auch ‚Mittler‘“ aufzufassen; s. Horst Gies: Geschichtsunterricht. Ein Handbuch zur Unterrichtsplanung. Köln 2004, S. 214 . Gies unterteilt für den Geschichtsunterricht relevante  Medien symbolisch sowohl nach „Hardware“, also Geräte (vom Bleistift bis zum PC), als auch nach „Software“, d.s. Lernobjekte (vom Arbeitsblatt über Filme bis hin zu von Schülern selbst hergestellten Produkten historischen Lernens). Funktional betrachtet sind Medien lt. Gies sowohl Lehrmittel, Lehrsysteme als auch Lernmaterialien.

 

Bildnachweis    C.Pallaske, CC BY SA 3.0

empfohlene Zitierweise    Pallaske, Christoph (2012): Gibt es historisches Lernen im digitalen Medium – und wenn ja wie viele? | Anmerkungen zu gd_dig (2). In: Historisch denken | Geschichte machen | Blog von Christoph Pallaske, vom 19.9.2012. Abrufbar unter URL: http://historischdenken.hypotheses.org/968, vom [Datum des Abrufs].

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/968

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Flipped Classroom | #flipclass | Lernvideos @segu_Geschichte | nachgefragt: Welches Potenzial bieten Lernvideos für den Geschichtsunterricht?

Der Spiegel berichtet in seiner jüngsten Print-Ausgabe über den Computereinsatz in der Schule (“Gefangen in der Kreidezeit”, Nr. 20/2012, S. 124-127) im Allgemeinen und über Lernvideos nach dem Flipped Classroom-Prinzip im Speziellen. Auch Focus Schule hat neulich wegen der segu-Lernvideos bei segu angeklingelt. Das Thema Flipped Classroom oder (etwas verkürzt) vorbereitendes Lernen mittels Online-Videos scheint also in der Öffentlichkeit angekommen.

Kurz einige Informationen zu Flipped Classroom: Wie im Spiegel dargestellt, kommt die Idee aus den USA, wo sie bereits weite Verbreitung gefunden hat; von dort ist die Bezeichnung Flipped Classroom oder Inverted Classroom entlehnt. Was “umgekehrtes Klassenzimmer” bedeutet, wird im ZUM Wiki erklärt:

Die ursprüngliche Idee ist, dass die Lehrer ihre Vorträge, die sie sonst als Frontalunterricht vor den Schülern gehalten haben, aufnehmen. [...]  Die Filme oder Screencasts werden im Internet zur Verfügung gestellt und die Schüler haben als Hausaufgabe, sich diese Filme anzuschauen. In der Schule bekommen die Schüler Aufgaben gestellt, die zu den Vorlesungen passen. Es werden also Unterricht und Hausaufgaben vertauscht.

In Deutschland gibt es noch relativ wenige Angebote zum Flipped Classroom; wichtige Informationen geben der Blog Inverted Classroom in Deutschland (und die dazugehörige jährliche Tagung in Marburg; die nächste: #icm13), sowie bereits mit einem Fokus auf den Geschichtsunterricht die einschlägigen Beiträge im Blog Medien im Geschichtsunterricht; darunter eine Anleitung zum Erstellen von Geschichtslernvideos.

Beim Edu-Camp im März 2012 in Köln wurde segu auf die Möglichkeiten von Lernvideos aufmerksam, ist auf den (bereits rollenden) Zug aufgesprungen und hat inzwischen fünf Lernvideos produziert. In die segu-Lernvideos sind schriftliche Aufgaben für individuelles Lernen im Offenen Geschichtsunterricht integriert, sie lassen sich aber auch für das Lernen nach dem Flipped Classroom-Prinzip im lehrerzentrierten Unterricht einsetzen. Die Erfahrungen aus Sicht des segu-Projekts zeigen: Es ist zwar aufwändig, eigene Lernvideos zu erstellen (und es braucht vor allem ein gutes Mikrofon!), aber erstens war es ein interessanter Prozess und zweitens finden die Videos (gemessen an den Klicks) Zuspruch. Ein wichtiger Hinweis: Die segu-Lernvideos zeigen keine bewegten Bilder (etwa von einer dozierenden Lehrperson), sondern bedienen sich der Methode des Screencastings (im Grunde eine abgefilmte PowerPoint-Präsentation) und benutzen dabei Public Domain- oder Creative Commons-Bildmedien. Erfreulich aus Sicht der OER (Open Educational Resources | freie Bildungsmedien) ist, dass sowohl Youtube als auch iTunesU die Creative Commons Lizenzierung unterstützen. Die segu-Lernvideos sind jeweils unter CC abgelegt und eignen sich insbesondere auch für die Verwendung auf Tablets oder Smartphones; dabei sollten Kopfhörer verwendet werden (die Schüler_innen heute meist selbst mit in die Schule bringen).

Sicher: Das auditiv-visuelle Lernen mittels Lernvideos nach dem Flipped Classroom Prinzip bietet Schüler_innen einen motivierenden Zugang zum historischen Lernen. Aber es handelt sich um ein stark gelenktes und tendenziell auf reproduktives Lernen ausgerichtetes Lernarrangement (auch wenn die Aufgaben in den segu-Lernvideos immer Anforderungsbereich II und teilweise auch Anfordeurngsbereich III erreichen). Kurz eine Frage zu Flipped Classroom bzw. zum Einsatz von Lernvideos im Geschichtsunterricht: Welches Potenzial bieten Lernvideos für den Geschichtsunterricht? Die Frage richtet sich sowohl auf Aspekte des praktischen Einsatzes als auch grundsätzlich auf lerntheoretische Überlegungen. Für den weiteren Ausbau der segu-Lernplattform sind Ihre/Eure Kommentare interessant – um herauszuhören, ob sich die Mühe lohnt, weitere Lernvideos zu erstellen.

Bildnachweis: Screenshot

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/563

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Geschichtsdidaktik digital | Anmerkungen zu #gd_dig

In den vergangenen Tagen hat, ausgelöst durch den neuen twitter-Hashtag #gd_dig, in der Blogosphäre eine Diskusion zur Frage: Was ist „digitale Geschichtsdidaktik“?  begonnen. Hierzu ein paar Anmerkungen.


Das Wort Geschichtsdidaktik in einen Binärcode umzuwandeln ergibt eine Reihe von 144 Einser bzw. Nullen (s.o.). Der Reiz und Nutzen des Digitalen liegt ganz offenbar weniger in der Visualisierung seiner schlichten und ursprünglichsten Funktionsweise, die Welt auf nur zwei Zahlen zu reduzieren.

Gibt es eine digitale Geschichtsdidaktik? Die meisten Geschichtsdidaktiker würden die Frage heute wohl eher verneinen. Das Interesse am Thema ist (noch) nicht sehr groß. Bislang wurden der Einsatz und die Möglichkeiten digitaler Medien im Geschichtsunterricht nur von wenigen Geschichtsdidaktiker_innen,[1] vorrangig aber von Praktikern, also “digital affinen” Geschichtslehrern diskutiert und vorangebracht.[2]

Geschichtsdidaktik digital klingt zunächst ziemlich allerweltmäßig. Schließlich gibt es kaum einen Bereich heutiger Gesellschaften oder Aspekte des Lebens, hinter die man nicht einfach das Wort digital setzen kann und damit unspezifische Erwartungen zum Ausdruck bzw. eben nicht zum Ausdruck bringt. Der Versuch, die Vorstellungen über das Digitale im Umkehrschluss zu konkretisieren, sich also zu fragen, was eine nicht-digitale – eine analoge? – Geschichtsdidaktik sein könnte, hilft auch nicht wirklich weiter.

Diskussionen, wie der digitale Wandel die Geschichtsdidaktik – oder andere Bereiche heutiger Gesellschaften – verändert, wirken jeweils von außen ein. Gerade Wissenschaftlern ist es immer lieber, wenn sie neue Impulse selbst setzen können. Ansonsten gilt:  Soll man denn jeder Mode und jedem Trend hinterherlaufen?

Es wäre hilfreich zu klären, was digital jenseits von Einser und Nullen eigentlich meint. Für Geisteswissenschaften maßgebliche mediale und technische Entwicklungen lassen sich nach Stand der Dinge knapp zusammenfassen, d.s. insbesondere

  • die Möglichkeit, verschiedene Medien zu digitalisieren und zu speichern. Das macht sie fast uneingeschränkt „transportfähig“ und verschiedene Medientypen können integriert und/oder neu zusammengestellt werden;
  • die Strukturen digitaler Vernetzung. Die Verfügbarkeit von Medien und Informationen wird dadurch prinzipiell unbegrenzt, zudem durch digitale Endgeräte örtlich ungebunden;
  • der grundlegende Wandel wissenschaftlicher Arbeitstechniken, unterrichtspraktischer Methoden und Kommunikationspraktiken durch Web2.0 und social media.

Eine Ausschärfung, wie solche Entwicklungen einwirken und was genau digitale Geschichtsdidaktik begrifflich fassen und einordnen kann, sowie eine Anbindung an theoretische Aspekte der Geschichtsdidaktik stehen noch weitgehend aus. Wichtige Auswirkungen und Konsequenzen des digitalen Wandels auf die Geschichtsdidaktik benennt Alexander König in fünf Thesen. König macht dabei deutlich, weshalb die Geschichtsdidaktik um eine Positionierung zur Herausforderung des digitalen Wandels nicht umhin kommt. Ganz wesentlich ist dabei – einschränkend – die in These 3 benannte Funktionalität digitaler Medien. Es gibt keinen „Primat des Digitalen“. Historisches Denken und Lernen folgen weiterhin in erster Linie dem Anspruch Geschichtsbewusstsein auszubilden. Neue Möglichkeiten digitalisierter Medien, Arbeitstechniken und Kommunikationspraktiken sind dafür Mittel zum Zweck. Somit will digitale Geschichtsdidaktik keine Rundumerneuerung der Disziplin markieren, sondern wichtige Ergänzungen anregen.

Dennoch wird in den kommenden Jahren die Frage stärker in den Mittelpunkt rücken, ob und wie der digitale Wandel Denkstrukturen und Lernprozesse und damit auch Grundannahmen der Disziplin substanziell verändert. In These 4 deutet König einen möglichen Wandel hin zu einer stärker subjektorientierten Geschichtsdidaktik an. Andere Aspekte könnten sein: die Veränderung der Aneignung von Wissen angesichts des stetig wachsenden Überangebots im Netz; neue Methoden des Lernens, beispielsweise in kollaborativen Formaten; die Veränderung und der “Verschnitt” von Geschichtskultur durch digitale Medien usw. Auch bezogen auf das Alleinstellungsmerkmal des Faches Geschichte, die Kategorie Zeit, führt der digitale Wandel zu Verschiebungen. Kommunikation und Informationsaustausch finden heute in Echtzeit bis in jeden Winkel der Welt statt, und durch mobile Endgeräte machen sich die Menschen zunehmend abhängig davon, ständig überall live am (vermeintlichen) Weltgeschehen zu partizipieren. Diese neuen Kommunikationspraktiken verändern das Zeitbewusstsein nachhaltig; Langsamkeit, etwa der Briefverkehr im 19. Jahrhundert, als z.B. Auswandererbriefe oft Monate unterwegs waren, wird somit immer mehr zu einem Aspekt des Fremdverstehens. Soweit nur einige Anmerkungen, die noch stärker strukturiert und systematisiert werden müssen.

Historiker sollten bekanntlich mit Prognosen vorsichtig sein. Dennoch ein Hinweis betreffs des o.g. Aspekts, ob das Digitale nur eine Mode oder einen Trend beschreibt: Bereits seit Jahren ist klar, dass technische und mediale Entwicklungen mit großen Schritten unaufhaltsam vorangehen. Viele Gesellschaftsbereiche halten mit dieser Entwicklung Schritt, der Bereich Bildung  und hier besonders die Schulen (weniger die Universitäten) hinken deutlich hinterher. Dabei steht der digitale Wandel eher noch am Anfang und die medialen und technsichen Entwicklungen in zehn oder zwanzig Jahren sind heute noch gar nicht vorstellbar. Insgesamt fällt es somit nicht schwer sich auszumalen, dass Geschichtsdidaktik digital | #gd_dig  in Zukunft eine immer wichtigere Rolle im geschichtsdidaktischen Diskurs spielen wird. Wünschenswert wären eine intensivere Diskussion und Auseinandersetzung unter Einbeziehung sowohl von Akteuren aus der Diskziplin als auch der Praxis des Geschichtsunterrichts bzw. der historisch-politischen Bildungsarbeit. To be continued.

[1] Alavi, Bettina: (Hg.): Historisches Lernen im virtuellen Medium. Heidelberg 2010; Danker, Uwe; Schwabe, Astrid (Hgg.): Historisches Lernen im Internet. Geschichtsdidaktik und neue Medien. Schwalbach/Ts. 2008.

[2] Einen ersten Überblick zu verschiedenen Methoden und Projekten des Lernens mit digitalen Medien  gibt der Blog Medien im Geschichtsunterricht von D.Bernsen.

Bildnachweis: C.Pallaske, CC BY SA 3.0

Quelle: http://historischdenken.hypotheses.org/202

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