Heinrich Echtermeyers Verständnis von der Kraft des Fürbittens
Jörg Schlarb
Während des Ersten Weltkrieges war der Glaube ein wichtiger Bestandteil des Vorstellungs- und Deutungshorizontes der Beteiligten. Denn wie die jüngere geschichtswissenschaftliche Forschung zuletzt herausgearbeitet hat, waren religiöse Deutungen mit Blick auf die Kriegserfahrung des ersten maschinell geführten Krieges auf kollektiver wie individueller Ebene von immenser Bedeutung. So zeigten sich beide großen christlichen Kirchen des Kaiserreiches seit 1871 – wenngleich aus unterschiedlichen Gründen[1] – mehr und mehr bereit, „den gesellschaftlichen und politischen Status quo mit Waffengewalt zu verteidigen“.[2] Je näher eine mögliche militärische Auseinandersetzung in Mitteleuropa rückte, desto stärker wurde die Verteidigung der Nation als religiöse Aufgabe verstanden.
Es verwundert daher nicht, dass auch auf individueller Ebene, die infolge einer intensiven Auseinandersetzung mit Feldpostbriefen und -karten in den Fokus der neueren Forschung gerückt ist, die erlebte Kriegswirklichkeit religiös reflektiert wurde. Viele Soldaten suchten in ihrem Glauben Sinn,[3] Rechtfertigung[4] und Schutz.[5] Doch ist zugleich eine wachsende Kritik an den Fähigkeiten und der Moral der Frontpriester aus zahlreichen Feldpostbriefen herauszulesen, die auch einen vermeintlichen religiösen wie moralischen Sittenverfall innerhalb des Offizierskorps und der kämpfenden Truppe thematisieren.[6] Vielfach entwickelte sich aus dieser Kritik eine Art Abkehr von der institutionalisierten Religion,[7] die zu einer Hinwendung zu mythischen oder kultischen Gedanken führte.
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