Held von Babylon. Robert Koldewey

Held von Babylon mit seinen Katzen. Robert Koldewey in Babylon, fotografiert mit Selbstauslöser um 1906. (Quelle + Lizenz)

Nachstehenden Artikel veröffentlichte ich bereits 2005.  Er soll hier nochmals zu Ehren kommen, weil er schon damals zeigte, dass Gymnasialarchive unterschätzt werden – auch heute noch, obwohl sie gelegentlich den Stoff für Abenteuergeschichten enthalten. – Hier mal ausnahmsweise einen Indiana Jones statt eines Immanuel Kant .

Held von Babylon. Robert Koldewey

1885 schickt der englische Schriftsteller Henry Rider Haggard (1856-1925) in seinem Roman „King Salomon’s Mines“ einen im Folgenden höchst erfolgreichen Protagonisten in die Welt – Alan Quatermain, einen Abenteurer auf der Suche nach den vergrabenen Geheimnissen dieser Welt; die weiteren zahlreichen Romane mit Quatermain werden knapp 100 Jahre später die Vorlage werden für die Filmserie um „Indiana Jones“.



[...]

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/2597

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Gebrauchsspuren

bunker (6)

Bücher werden beim Lesen ständig auf- und zugeklappt, mit nicht gewaschenen Händen ungeduldig umgeblättert, mit Lesezeichen versehen, die allerlei Spuren hinterlassen. Seiten  werden für  Kommentare sowie persönliche Einträge benutzt, gelegentlich auch beschädigt und wieder repariert. Jahrhundertealte Bücher zeigen zahlreiche solche Gebrauchsspuren, die heute nicht nur vom wissenschaftlichen Bibliotheks- und Archivwesen, sondern auch von der Geschichtsforschung zunehmend als wertvolle Quellen erachtet werden. Sie gelten als Zeugen eines längst vergangenen und uns heute unbekanntes Alltags.

Das Header-Bild dieses Blogs – als Ausschnitt aus einem größeren Foto (Quelle) etwas unscharf – zeigt an den Buchrücken deutliche Spuren eines häufigen Gebrauchs der Drucke aus dem 16. Jahrhundert zur griechischen und lateinischen Literatur der Antike. Am unteren Ende der Rücken, besonders in der Mitte des abgebildeten Regalbretts, lässt sich eine Verdunkelung erkennen. (Read more...) Es handelt sich um Verschmutzungen der zeitgenössischen Einbände aus Schweinsleder durch Hautfett, das den Lesern gehörte. Schweinslederne Einbände sind porig und speicherten im Laufe der Zeit den durch Feuchtigkeit und Fett der zugreifenden Hände gebundenen Staub. Gelegentlich halten ungeübte Augen diese Griffspuren für unschön oder für Schimmel; auf einem sonst intakten Einband bezeugen sie heute vielmehr den Grad der Beschäftigung mit einem Werk, mit einem Buchexemplar: es wurde von den Lesern mehr oder weniger begriffen.

Die Quart- und Oktavformate der Frühen Neuzeit wurden mit einer Hand gehalten, mit der anderen Hand wurde umgeblättert. Warum die Bücher beim Lesen nicht auf dem Tisch lagen, erklärt sich, wenn man sie heute öffnet: die originalen Einbände des 16. Jahrhunderts sitzen stramm, ohne Gewalt lässt sich ein Buchblock nur bis maximal 90° aufblättern. Die Signaturfähnchen der Bände in unserem Header-Bild sind auf den verschmutzten Stellen der Rücken angebracht und zeigen die Handschrift von Dr. Hans Haupt (1911-1993), ab 1947  Lehrer am Christianeum in Hamburg und  bis zu seiner Pensionierung 1976 auch Bibliothekar.1

melber.vocabulario.manicula.nach1483Heute markieren wir uns im Buch gelegentlich am Rand Stellen durch einen Strich. Die Leserschaft des Mittelalters und der Frühen Neuzeit bevorzugte die Ausführlichkeit (die Lust?) ihrer Schreibfedern: sie malte sich gern einen Zeigefinger an der Text. Mit oder ohne Talent gebar das durchaus komplexe Zeichen, genannt manicula, kreative Lösungen, wie zum Beispiel die Anmutung eines umgestülpten Pilzes.2

Unübertrefflich ist die Vielfalt, in der sich Leser im Laufe von Jahrhunderten in den gedruckten Büchern seit der Frühen Neuzeit (gar nicht so selten auch in den handschriftlichen Werken des Mittelalters) zu verewigen wussten. Den Glossen produzierenden Händen, die man zuweilen Personen namentlich zuordnen kann, wird heute angesichts Aufsehen erregender Entdeckungen gedankt, wie zum Beispiel im Fall der Annotationen in einer Heidelberger Inkunabel: Die handschriftlichen Einträge auf dem unbedruckten Rand neben dem Satzspiegel belegen die Identität von Leonardo da Vincis weltbekannter Mona Lisa, einer Florentiner Dame der Gesellschaft.3

Enzinas Historia 004Bücher sind gewandert, sowohl als sie noch mit der Hand geschrieben wurden, aber auch insbesondere als sie gedruckt und deshalb sensationell beweglich geworden waren. Infolge wurden Bücher zu einem wertvollen persönlichen Eigentum und deshalb für ihre Besitzer ebenso zum Geschenk wie zum verkäuflichen Wertobjekt. Von der nicht selten langen Reise eines Buchs zeugen die oft zahlreichen Einträge seiner Besitzer, die außer ihrem Namen gelegentlich auch die Umstände ihres Besitzes dokumentierten und damit heute über die persönlichen Beziehungen einer nicht nur gelehrten Welt seit Jahrhunderten Aufschluss geben können.4

cod_altonensis_0141_v_dinA4Leser neigen dazu, nicht ins Bett zu finden und überm Buch einzuschlafen, zu Zeiten des Lesens bei Kerzenlicht mit manchmal fatalen Folgen. Davon zeugen die Brandlöcher in zahlreichen Handschriften und alten Drucken: die Kerze fällt um, stolpert übers aufgeschlagenen Buch und die Flamme verzehrt unverzüglich Pergament wie Papier. Das verrußte Loch durch viele Seiten hindurch bleibt. Manchmal setzte das Malheur umgehend die Feinmechanik der Reparatur in Gang. Im Codex Altonensis, der italienischen Pergamenthandschrift der Comedia des Dante aus dem 14. Jahrhundert, findet sich ganz hinten im Paradies ein Flammenfraß gleich durch mehrere Lagen; er wurde bei jedem Blatt durch Pergamentflicken mit Textergänzung repariert.5 Dieser vor Jahrhunderten enstandene und offenbar zeitnah versorgte Schaden könnte die Erklärung (und damit auch eine Datierung) bergen, warum die Pergamentlagen eine opulente Illustration des Inferno von einer Hand zeigen, das Purgatorio erkennbar von mehreren Händen illustriert wurde und das Paradiso nach einer Reihe von Vorzeichnungen am Ende gänzlich unbebildert blieb. Heute bietet uns der Schaden einen Beleg für die Arbeitsweise norditalienischer Skriptorien des späten Mittelalters: der Text wurde zuerst erstellt bis zum Schlußvermerk des letzten Schreibers, und zwar mit Freiplatz für die Illuminierung, die Malerei indes folgte zeitlich in deutlichem Abstand.

lesezeichenschaden.klio.mommsen.3Manchmal scheinen die Bücher irgendwann in den Dornröschenschlaf gefallen zu sein; eingelegte Halme und andere pflanzliche Merkhilfen bildeten über Jahrhunderte, gewichtig gepresst, die eigenen Schatten aufs Papier. Lesezeichen in Form von Zetteln, insbesondere solchen aus jüngerer Zeit, wirkten indes zerstörerisch: unbemerkt zerfraß deren Säuregehalt innerhalb von Jahrzehnten das alte Hadernpapier.6

Bücher waren nicht selten der Gewalt ausgesetzt. In einer Inkunabel hat jemandem ein Holzschnitt gefallen (oder eventuell auch nicht gefallen?), und er hat ihn hastig herausgerissen, ein Eckchen blieb. Anschließend hat jemand (derselbe oder ein anderer?) den Schaden mit einem leeren Blatt repariert und den fehlenden gedruckten Text, einschließlich des Seitenkopfs und der am Rand gedruckten Marginalien liebevoll mit der Hand nachgemalt; das leere Bildformat wurde mit dem Lineal aufgezeichnet. Die Handschrift verweist auf eine Reparatur des 18. Jahrhunderts. Das vom Bild verbliebene Eckchen macht anhand heutiger Digitalisate den Verlust sichtbar und eindeutig identifizierbar. 7

stultifera.navis.fehlstelle (2)

Kleiner Epilog

In einer Inkunabel fand ich mal ein platt gequetschtes, vollständig vertrocknetes, für mich nicht mehr erkennbares, aber anscheinend ursprünglich dickliches, zeckenartiges kleines Insekt, das eine Saftaura um sich herum hinterlassen hatte. Ich vergaß, mir die Fundstelle zu notieren; ich habe sie niemals wiedergefunden. 8

Weiterführende Lektüre

Moulin, Claudine,  Am Rande der Blätter. Gebrauchsspuren, Glossen und Annotationen in Handschriften und Büchern aus kulturhistorischer Sicht, in: Quarto, Zeitschrift des Schweizerischen Literaturarchivs 30/31, 2010; S. 19-26 (online bei: academia.edu)

Schumacher, Meinolf,  …der kann den texst und och die gloß. Zum Wortgebrauch von ‚Text‘ und ‚Glosse‘ in deutschen Dichtungen des Spätmittelalters,  in: Ludolf Kuchenbuch und Uta Kleine (Hrsg), Textus’ im Mittelalter. Komponenten und Situationen des Wortgebrauchs im schriftsemantischen Feld,  Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2006

Blogs mit Bildern

Erik Kwakkel: Voices on the Medieval Page (1): The Reader
Biblos: Manicula
Bibliotheca Altonensis: Marginalien
Flavorwire: Classic Books Annotated by Famous Authors

Abbildungen

Header: Quelle und Lizenz siehe Impressum dieser Seite
Alle übrigen: Bibliothek des Christianeums Hamburg, Archiv des Christianeums Hamburg, public domain

  1. Archiv des Christianeums Hamburg: Die Bibliothekare
  2. Abbildung und Erläuterung: Manicula, in: Melber, Johannes: Vocabularius praedicantinum. Nürnberg: Peter Wagner, 18.VIII.1483 GW M22708; bei: Bibliotheca Altonensis
  3. Armin Schlechter: Ita Leonardus Vincius facit in omnibus suis picturis. Leonardo da Vincis Mona Lisa und die Cicero-Philologie von Angelo Poliziano bis Johann Georg Graevius, 2008; bei: IASLonline
  4. Abbildung: eine Seite von mehreren mit Besitzereinträgen in Francisco de EnzinasHistoria de statu Belgico et religione Hispanica. Wittenberg 1545; Handschrift, Bibliothek des Christianeums Hamburg
  5. Codex Altonensis, ital., 14. Jahrhundert; Abbildung Bl. 141v; Bibliothek des Christianeums  Hamburg. Siehe auch: Bilder aus der Bibliothek: Flickwerk, 2009; Literatur zum Codex: Degenhart, Bernhard, Die kunstgeschichtliche Stellung des Codex Altonensis, in: Divina commedia. Codex Altonensis (Faksimile), Bd. 2, Mann, Berlin 1965; S. 67-126
  6. Siehe dazu: Lesezeichen,  bei: bibliotheca.gym
  7. Siehe dazu: Holzschnitt gefällig?  bei: Bibliotheca Altonensis und das verlorene Bild
  8. Liste der Inkunabeln in der Bibliothek des Christianeums Hamburg, via Schulhomepage: Zum Bestand und dessen Erfassung

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/838

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„Quo vadis?“ Eine fremdgestellte Frage, zwei Aufrufe und keine Lösungen #wbhyp

http://f.hypotheses.org/wp-content/blogs.dir/572/files/2015/01/697690232_416f368319_m.jpg

So wie Mareike König fragt – quo vadis? - , fällt mir als erstes der Historienschinken gleichen Titels von Henryk Sienkiewicz (1895) ein und das Hollywood-Kintopp der 1950er Jahre, in dem Peter Ustinov den Nero als eine rundliche Mischung aus Macbeth und Richard III. gibt: so brutal traurig mit seinem schick abgefackelten Rom.

Davon ausgehend, lässt sich gleichwohl direkt ins Thema „Gymnasialbibliothek“ einsteigen, denn so etwas wie der Sienkiewicz stand da schon mal 'rum. Nur deshalb gleich ein Blog? Das fragte ich ja bereits schon auf dieser Seite, wenn auch, zugegeben, einige Leser dort Ironiesignale gesehen haben wollten. Wirklichkeit ist eben manchmal ironisch.

Warum ein Blog wie „bibliotheca.gym“? Zunächst, weil's das nicht gab und weil nur eine einzige Gymnasialbibliothek bloggte, die's unterdessen aber eingestellt zu haben scheint. Und warum in einem Wissenschaftsportal? Grund waren Erkenntnisse, die ich aus dem 2012 als Causa Stralsund bekannt gewordenen Verkauf einer umfangreichen gymnasialen Buchsammlung aus einem Stadtarchiv gewonnen zu haben meinte und die ich mir in zwei Arbeitshypothesen goss:

1. Wissenschaft und Bibliothekswesen haben zwar durchaus Kenntnis von dieser speziellen, über Jahrhunderte dicht verbreiteten Sammlungsform, aber sie ist kein eigenes wissenschaftliches Thema geworden und in den Bibliotheken ein internes geblieben. Zwei externe Gutachter in Stralsund kamen ins Regionalprogramm; Tagungen zu diesem Komplex oder DFG-Förderungen wurden bislang nicht bekannt. Das wissenschaftlich orientierte Weblog Kulturgut erschien infolge der Causa.

2. Die breite Öffentlichkeit hat keinerlei Kenntnis von dieser Sammlungsform und in welch einmaliger Weise sie die Bildungsgeschichte (insbesondere die in unserem Land) zu repräsentieren vermag: eine nicht nur wissenschaftliche, sondern auch eine publizistische Brache, und deshalb eine Herausforderung. Über die Causa Stralsund berichtete die Regionalpresse, 1 (in Worten: ein) nennenswerter Artikel erschien in einer überregionalen Tageszeitung. Hier war allein das Internet der maßgebliche Motor gewesen, Verantwortliche in Bewegung zu setzen.

Was tat ich? Ich stellte zwei kleine Artikel ein (zur gymnasialen Bibliothek, zum gymnasialen Archiv), die wohlwollende Reaktionen erbrachten seitens derer, die's bereits wussten. Ich stellte eine zerzauste, unfertige Liste ein, die als Arbeitsliste schon seit einigen Jahren auf meiner Festplatte herumdümpelte, mit der Idee, a) überhaupt erst einmal irgendwo in der Literatur und im Internet bekannt gewordene vorhandene, umgesiedelte und zerstörte Bestände von Gymnasialbibliotheken zu erfassen, wobei b) ich fest davon überzeugt war (und bin), dass dies einem Einzelnen, ja auch einer Gruppe an einem einzigen (und sei es: universitären) Ort nicht in absehbarer Zeit gelingen könne, sondern dass c) ein allgemein zugänglicher Ort, den ein Blog darstellt, eventuell Personen mit ihrem Wissen herbeilocken könne. Ich legte Köder aus, auch die kleinen Entdeckungen nicht zu missachten.

Nun, ein paar kamen, schnupperten, gingen aber nicht in die Falle – gingen wieder fort und blieben fort. Ich schaute mir an, wie andere Blogs aussehen (zum Beispiel bei de.hypotheses) auf der Suche nach der Melodie des Rattenfängers. Ich habe noch keinen Klang im Kopf. Die „Öffentlichkeit“ dieses Blogs ist wohlwollend, nett – und anscheinend allein im Internet zuhause. Bürger, die als Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung signifikant Einfluss nehmen könnten, sind mir bloggend unerreichbar (auch da fehlt mir noch die betörende Melodie).

Ich bin indes der festen Überzeugung, dass Bloggen zum Thema Gymnasialbibliothek und -archiv sich dennoch lohnt, und zwar wissenschaftlich und publizistisch für ein noch zu interessierendes Publikum. Hoffnung hat sich noch niemals entlohnt:

1. Ich halte es nach wie vor für vordringlich, dass die Wissenschaft sowohl den inhaltlichen als auch den methodischen Wall aufbaut, der dieses fragile Kulturgut, das sich landauf landab nicht mal gar so selten noch an seinen angestammten Orten befindet, vor unbedarftem und unkontrolliertem Umgang beschützt.

2. „Bildung“, vor allem auch die schulische, befindet sich unterdessen fest in den Händen politischer Parteien und wurde längst für Wahlkämpfe zurechtgeschnitzt. Dringend erforderlich erscheint mir, zum Beispiel gegen abenteuerliche, aber gern unter die Leute gebrachte Missverständnisse die Kanonen der Aufklärung in Stellung zu bringen. Wörter wie „humanistisch“ und Namen wie „Humboldt“ müssen nicht zur wohlfeilen Propaganda aller Couleur zusammengedampft und so auch noch tradiert werden.

Wie haben allerdings keinen Anlass, uns zum Beispiel gegenüber einer Causa Stralsund auf ein hohes Ross zu setzen. Die DDR hatte 40 Jahre lang daran gearbeitet, die bürgerliche Geschichte zu tilgen; derlei dauert in den Köpfen. Der Westen fügte sich derweil der Diktatur der Zahl („brauchen wie das?“) - kein Anlass also zu triumphieren, wenn das Pekuniäre das Denken und Handeln bestimmt.

Versuchen wir's doch einfach mal mit der Hoffnung - einem der Leitgedanken der Aufklärung und den Ideen der Humanisten des 15. und 16. Jahrhunderts gar nicht mal so fern. Als eine der Leitideen der Gymnasien wurde sie angesichts politischer Umgebungen nicht selten vergessen. Auch von den dunklen gymnasialen Perversionen der Zeitläufte zeugen die  Buch- und Dokumentensammlungen der Anstalten gelegentlich noch.

Zurück in die Zukunft war ein hübscher Filmtitel; dann aber, so fordert der Oberlehrer, auch bitte gleich richtig und ad fontes, ihr Gesellen!

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Beitrag zur Blogparade: Wissenschaftsbloggen: zurück in die Zukunft - ein Aufruf zur Blogparade #wbhyp
Abbildung: Kite by Mario, CC BY-NC 2.0.

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/638

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Sieben veritable Gründe, warum Gymnasialbibliotheken und –archive nicht bloggen sollten

Mit Empfehlung an BIÖG und den besten Wünschen für die Tagung!

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1. Inkunabel steht nicht im Lehrplan. Genau. Lehrer haben sich dran zu halten und sich nicht öffentlich mit einem Latein aufzuspielen, mit dem sie am Ende sind.

2. Ist das denn was für Schüler? Nein. Manchmal verirren sich welche, z. B. ins Archiv; die bekommen, wenn sie zu bleiben wagen, 15 Punkte und einen Schwung Postkarten mit hübschen Abbildungen.

3. „Das sind doch nur alte verschimmelte Bücher!“ So etwas zeigt man nicht, fasst man auch nicht an. Igitt.

4. „Sei bloß still!“ Sonst kommt noch der Handel und nimmt was weg, so wie z. B. in Stralsund.

5. Das gehört ohnehin in die Staatsbibliothek und ins Staatsarchiv. Das stimmt, denn dann müsste nicht drüber gebloggt werden. Und die Wissenschaftler kämen auch endlich dran. In zehn Jahren, wenn bei den Großen die zigtausend Einheiten katalogisiert sein werden.

6. Eine schicke Büchertapete auf der Homepage tut’s doch auch.

7. Deshalb macht’s (k)einer. Es bloggte (hörte aber auf): die Bismarckbibliothek in Karlsruhe. Es bloggt die Bibliothek mit Archiv des Christianeums in Hamburg. Und wer bitte noch?

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/523

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Lesezeichen

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Das aus einem hektographierten Blatt herausgerissene Lesezeichen hat bei Papier des frühen 19. Jahrhunderts einen Schaden verursacht: Säurefraß. Der Schaden erstreckt sich auf beide anliegenden Seiten sowie auf ein in einem größeren Format dahinter eingebundenes weiteres Manuskript, am oberen Bildrand erkennbar.

Die Abbildung der Schäden zeigt Seiten aus einem der zahlreichen Bände handschriftlicher Vorträge des “Altonaer Wissenschaftlichen Primanervereins Klio”, gegründet 1828. Primanervereine waren en vogue, die Schüler der Selecta des Altonaer Gymnasiums Christianeum (gegründet 1738) folgten dem Vorbild der studentischen Burschenschaften. “Klio” existierte bis 1935; dann löste sich der Verein angesichts der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten auf. Die gesamte Hinterlassenschaft des Vereins, neben den handschriftlichen Abhandlungen auch Satzung, Kassenbücher, Mitgliederlisten etc sowie die kleine Vereinsbibliothek, wurde dem Gymnasium übereignet und befindet sich noch heute dort im Archiv.

Die Abhandlung, mit dem Titel beginnend auf der rechten Seite, stammt von der Hand J[ohannes]. Mommsens, besser bekannt unter seinem weiteren Vornamen Tycho. Tycho (1819-1900) und sein älterer Bruder Theodor (1817-1903) waren Schüler des Chistianeums und Mitglieder des Primanervereins; sie haben in den späten 1830er Jahren zahlreiche Aufsätze in den Klio-Bänden hinterlassen. Tychos Abhandlung aus dem Jahr 1836 hat im Titel die Frage: “In welchem Verhältniße stehen unter einander politische Verbindungen, in welchem religöse?”

Der Schaden wird datierbar durch ein weiteres Lesezeichen, das an einer anderen Stelle weiter hinten im selben Band einen nahezu identischen Säurefleck verursachte, wiederum eine Abhandlung Tycho Mommsens, diesmal vom 4. November 1837, betitelt: “Unser Verein ein Staat”.

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Ich vernachlässige nun allerdings die Inhalte der beiden Aufsätze; dass die jugendlichen Ideen durchaus politische Bewegung zeigen, mag aus den Titeln bereits deutlich werden. Mich interessiert vorerst das weitere Lesezeichen. Es passt in seinem Abriss genau in das erste, und es enthält ein Datum: 1963. Jemand hat sich nach 1963 ein mit dem Spiritusdrucker vervielfältigtes Blatt mit Hinweisen auf eine Publikation im “Neuen Deutschland” zur Jugend in der DDR, das er nicht mehr benötigte, zerschnitten und die Teile nochmals durchgerissen, um die Makulatur als Findehilfe zu verwenden.

Der Schaden wird 2014 entdeckt: die beiden Lesezeichen lagen exakt und unberührt in den durch die Säuerung stark gebräunten Umrissen. Die Lesezeichen werden entfernt, gesondert gesichert und nur fürs Foto nochmal hingelegt. Wann kamen sie dahin und wer hat sie hineingetan?

1967 feierte das Christianeum den 150. Geburtstag des Literaturnobelpreisträgers Theodor Mommsen. Der Festakt im Christianeum am 30. November wurde in einem Heft publiziert: “Theodor Mommsen. 1817-1967″, besorgt von Hans Haupt, Bibliothekar und Archivar des Christianeums von 1947 bis 1976. Im Anhang abgedruckt eine “Rede Theodor Mommsens am Stiftungsfeste des a. w. V. d. 15. Nov. 1837″, betitelt: “Der Altonaer Wissenschaftliche Verein – ein Staat?” Brüder arbeiten zusammen; Archivare haben herauszusuchen.

Im Jahr 2003 fand im Christianeum erneut eine Gedenkveranstaltung statt:  “Theodor Mommsen 1817-1903″,  diesmal zum100. Todestag des berühmten Eleven von einst. Wäre der Band mit den Lesezeichen vor oder in diesem Jahr konsultiert worden, hätten wir 2014 verrutsche oder gar keine Blättchen mehr darin vorgefunden; als ebenso unwahrscheinlich anzunehmen ist die Verwendung von 40 Jahre alten Zetteln als Lesezeichen Anfang der 2000er Jahre.

Wir können damit zumindest die Arbeitshypothese aufstellen, dass die Lesezeichen zwischen 1963 und 1967 in den Handschriftenband eingelegt wurden und im Lauf des folgenden halben Jahrhunderts die alten, noch geschöpften Papiere des frühen 19. Jahrhunderts durch ihren Säuregehalt angefressen haben. Die Frage nach Brüderlichkeiten im Verein, ihrem Staat, bleibt davon indes unberührt und kann in den Quellen erforscht werden, die sich nach wie vor im Archiv des Christianeums befinden.

Literatur

Niels Hansen, 100 Jahre Altonaer Wissenschaftlicher Primaner-Verein Klio. Hammerich & Lesser, Altona 1928

ders., Die Schülervereine des Christianeums. In: Heinz Schröder (Hrsg.), 200 Jahre Christianeum zu Altona 1738-1938. Hamburg 1938; S. 109-121

Gudrun Wolfschmidt (Hrsg.), Hamburgs Geschichte einmal anders. Nuncius Hamburgensis. Beiträge zur Geschichte der Naturwissenschaften. Hamburg 2009; S. 47

Theodor Mommsen. 1817-1967. Der Festakt am 30. November 1967 im Christianeum. Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde des Christianeums mit der Vereinigung ehemaliger Christianeer. 24. Jahrgang, Heft 1, Hamburg Februar 1968

Ulf Andersen, Zum 100. Todestag Theodor Mommsens. In: Christianeum, Mitteilungsblatt des Vereins der Freunde des Christianeums in Verbindung mit der Vereinigung ehemaliger Christianeer. 58. Jahrgang, Heft 2, Hamburg Dezember 2003; S. 3-9

Fotos: Archiv des Christianeums

 

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/373

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Gymnasialarchiv

Den nachstehenden Artikel verfasste ich für eine Blogparade, ausgerufen von siwiarchiv, dem Gemeinschaftsblog der Archive im Kreis Siegen-Wittgenstein; unter meinem Nick “FeliNo” veröffentlichte ich ihn am 28. Januar 2014 bei Archivalia, dem Blog von Klaus Graf (bei de.hypotheses siehe Weblog Kulturgut).

An dieser Stelle nun erneut eingestellt, mag er hier das Besondere verdeutlichen, das ein Schularchiv mit historischen Dokumenten, die bis heute an ihrem angestammten Ort haben verbleiben können, zu leisten vermag.

 

Gymnasialarchiv? Was ist das denn? 


Schulzeugnis von Peter Behrens (Quelle: Archiv des Christianeums)

„Warum sollten Archive worüber wie bloggen?“ Diese Frage stellt siwiarchiv und ruft zum Schreiben auf. Ich weiß nicht, warum Archive worüber bloggen sollten und wie. Ich mach’s einfach, aber mehr mit hübschen Bildern aus der Bibliothek und aus dem Archiv unseres Gymnasiums, dem Christianeum, gegründet 1738 im holsteinischen Altona, heute ein Bezirk von Hamburg. Der Archivbestand (zurückgehend bis zum Gründungsdatum) ist erfasst und in einem Findbuch erschlossen.

Was kann an einem Gymnasialarchiv interessant sein für ein Internetpublikum? Nun, vielleicht zunächst einmal, dass kaum eine Anstalt so etwas hat.

Nach heutigem Hamburger Archivgesetz (seit 1991 in Kraft) sind nicht mehr benötigte Dokumente aus Verwaltung und Schule dem Hamburger Staatsarchiv regelmäßig anzubieten. Das Christianeum wurde davon ausgenommen, es darf als sog. „Archiv-Schule“ seinen alten Archivbestand behalten, unter anderem auch die Unterlagen über seine Lehrer und Schüler, die somit archivalisch seit 1738 an ihrem Wirkungsort präsent sind: eine Quelle, die von Historikern und Biographen, gelegentlich auch von Familienforschern, nicht selten in Anspruch genommen wird und zuweilen sogar bislang bestehende biographische Lücken zu füllen behilflich sein konnte, wie zum Beispiel im Fall des Designers Peter Behrens (1868-1940) und des Geschichtsforschers Gottfried Heinrich Handelmann (1827-1891). Auch gelangten Archivbestände bereits in Ausstellungen, so 2005 ins Vorderasiatische Museum zu Berlin zum archäologischen Bauforscher Robert Koldewey (1855-1925) oder in die Hamburger Staats- und Universitätsbibliothek mit dem alten Siegel des Christianeums für die „Emblemata Hamburgensia“ 2009.

Die Matrikel des Christianeums, die handschriftlichen Einträge der Schullaufbahnen seit 1738, zeigen überdies die enge Verknüpfung mit der alten Bibliothek des Christianeums. Da es Sitte war, dass Schüler und Lehrer, die die Anstalt verließen, der Bibliothek ein Geschenk machten, lassen sich Besitzer- und Donationsvermerke in einzelnen Exemplaren des Bibliotheksbestands oft anhand der Matrikel erschließen. So stammt eine der Inkunabeln des Christianeums, ein wunderschöner und seltener Druck von Aldus Manutius, von einem ehemaligen Schüler im 18. Jahrhundert, dessen Name nur durch zwei Publikationen in Göttingen belegt ist – und in den Matrikeln des Christianeums.

Die Bibliothekare – seit 1738 bis heute stets Mitglieder des Lehrerkollegiums – sahen im 19. Jahrhundert die als Quellen zur Geschichte der Anstalt fungierenden Schulschriften als Bibliotheksgut an. Diese Schriften wurden seit dem 18. Jahrhunderts kontinuierlich gedruckt und gebunden, seit dem 19. Jahrhundert in Form der sog. „Schulprogramme“ gesammelt und ab 1850 mit einer Bibliothekssignatur versehen. Seit den 1920er Jahren erscheint die Schulchronik zweimal jährlich im „Christianeum“, der Publikation des Fördervereins der Schule, und wird – nunmehr wiederum gebunden im Fünfjahrespaket – der Tradition folgend in der Bibliothek verwahrt. Verknüpft mit Dokumenten des Archivs reicht die Aussagekraft dieser Schriften häufig über die Schule hinaus und verweist direkt in die Stadtgeschichte Altonas, das bis 1867 (danach preußisch, seit 1937 Hamburg) zum Herzogtum Holstein gehörte, dessen Landesherr in Personalunion der König von Dänemark war. So erfahren wir im Archiv zum Beispiel die Hintergründe des Geschenks der kolorierten Flora Danica seitens Frederiks VI. von Dänemark (komplett geliefert 1816 und die folgenden Jahrzehnte) und die Provenienz eines großen Teils unserer Inkunabelsammlung aus der Bibliothek des Altonaer Pfarres Johann Adrian Bolten (erworben 1808).

Die Stadt Altona erhielt 1664, vor genau 350 Jahren, das Stadtrecht durch Frederik III., König von Dänemark. Sie verfügte dermaleinst über ein umfangreiches eigenes Stadtarchiv, das im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde; die Überreste befinden sich im Hamburger Staatsarchiv. Heute zeigt uns Google ein „Altonaer Stadtarchiv e.V.“ an, Bestände eines Altonaer Privatsammlers, der sie dem Publikum unterdessen auf seiner Hompage zur Benutzung anbietet. Und dann gibt es eben noch das Archiv des Christianeums. Darunter unter anderem wertvollste Zeugen auch jüngerer Hamburger Geschichte: Dokumente zum Bau des derzeitigen Schulgebäudes, das dritte in der Geschichte des Christianeums (gebaut zwischen 1968 und 1971, Architekt: Arne Jacobsen) – und dabei vor allem auch Fotos.

Das Christianeum verfügt über ein umfangreiches Fotoarchiv mit Abzügen seit dem 19. Jahrhundert, nicht nur von den Gebäuden (wie z. B. dem Abriss des bauhausinspirierten zweiten Gebäudes), sondern auch von Personen und insbesondere von Altona und dessen im Zweiten Weltkrieg zerstörten Straßen und Häusern in der Umgebung des ersten Schulgebäudes (genutzt bis 1936), dem alten Stadtkern, von dem nach der “Operation Gomorrha”, dem Bombardement Hamburgs 1943, nicht viel übrig blieb.

Ob das alles aber jemanden interessiert? Ich weiß es nicht – und benutze denn auch das Blog „Bibliotheca Altonensis“ bei tumblr nicht selten dazu, auf die Homepage zu verlinken, wo sich das eine oder andere anschauen lässt – nicht nur aus der Bibliothek, sondern auch aus dem Archiv, nicht systematisch, vielmehr mit dem bescheidenen Anspruch, überhaupt einen kleinen Einblick zu liefern, was das eigentlich ist: eine Gymnasialbibliothek mit einem Schularchiv.

Felicitas Noeske

 

Quelle: http://histgymbib.hypotheses.org/56

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