How to write about the Vienna School of Art History?

Ein Kommentar zu Matthew Rampleys Vortrag:[i]

“How to write about the Vienna School of Art History?” Diese Frage ist brisant. Ihre Antwort lieferte Erkenntnis daüber, was die Welt der Wiener Schule im Innersten zusammenhält.

Um es kurz zu machen, der Referent, Matthew Rampley ließ das Publikum diesbezüglich an einem der traditionellen Mittwochsvorträge in Faustischer Unwissenheit zurück. Die Formel des Vortrags „How to write about Vienna School of Art History“ hatte sich zu „Die Wiener Schule der Kunstgeschichte“ verwandelt. Ein semantischer Shift vonTragweite. Im ersten Fall hätte es nämlich darum gehen müssen, wie die Konstruktion „Wiener Schule“ funktioniert.

Für diese zeichnet maßgeblich Julius von Schlosser verantwortlich, der 1934 in einem Aufsatz zwei Dinge gemacht hat:[ii] Erstens zeichnete er eine Genealogie von österreichischen Kunstgelehrten, die diese Schule bildeten und zweitens betonte er die deutsche Identität dieses Konstrukts und richtete es somit 1934 auf den großen nördlichen Nachbarn. Schlossers Wiener Schule ist eben keine „neutrale“ Auflistung der forscherischen Leistungen, sondern inkludiert und exkludiert bestimmte Forscher. Albert Ilg und Josef Strzygowski beispielsweise spricht der Autor die Zugehörigkeit zur exklusiven Gemeinschaft weitgehend ab. Im Falle Strzygowskis hat dies tatsächlich dazu geführt, dass er schwer integrierbar in das Wiener System zu sein scheint. Solcherlei langlebige Verzerrungen zeigen dann, wie wirkmächtig Schlossers Erfindung schlussendlich ist.

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Dass es viele Einzelstudien zu Akteuren der Wiener Schule gibt, denen wenige zur Wiener Schule als solcher entgegenstehen, damit eröffnete Rampley die Erörterung. Der erste Versuch, die Wiener Kunstgeschichte in ihrer Methodik insgesamt zu erfassen, stammt von Vincenc Kramář.[iii]

Im Zentrum der in der rezenten wissenschaftsgeschichtlichen Aufarbeitung steht die „Riegl-Renaissance“, seit den 1970er Jahren.[iv] Hier wurde Riegl nachträglich zu einem der Antipoden der Visual Culture. Dabei wies Rampley auf die wichtige Tatsache hin, dass Riegls Multikulturalismus durchaus imperialistisch zu lesen ist und in der habsburgischen Staatsideologie als Vielvölkerreich gründet. In dieser herrschte eine – wenn man so will – deutsche Leitkultur, die zwangsläufig mit nationalistischen Bestrebungen der Kronländer in Konflikt geriet. Um die Berufung des Tschechen Max Dvořak auf die Wiener Lehrkanzel entzündete sich dann auch ein heftiger Streit.

Die Wechselwirkungen zwischen ihm, Riegl und der tschechisch-sprachigen Kunstforschung konnte Rampley überzeugend am El Greco-Vortrag Dvořaks nachweisen. So fußt der Vortrag auf einem Aufsatz des kubistischen tschechischen Malers Emil Filla, dessen theoretische Basis wiederum Riegls Kunstwollen bildet. Diese Reziprozität ist ein bisher unbearbeitetes Terrain, angesichts der Sprachbarrieren und territorialen Barrieren in Zeiten des Kalten Kriegs aber längst überfällig. Die spezifische Wiener Situation offenbart sich am Gegensatz von Zentrum und Peripherie innerhalb der Donaumonarchie, sie ist als solche atypisch im deutschsprachigen Raum. Innerhalb dieses kulturrelativistischen Systems kommt es sowohl zur kulturellen Mimikry als auch zum Widerstand. Kunstgeschichte diente als Instrument des Widerstandes, als Manifest spezifischer kultureller Identität.

Denkt man Rampley weiter und fragt danach, wie eine Geschichte der Wiener Schule zu schreiben wäre, so hätte man eine Phase 1, die von 1849-1918 reicht und deren Amalgam der Liberalismus und die Habsburger Monarchie mit Fokus auf dem Deutsch-Österreichertum bilden. Einen Sonderstatus nimmt dabei einzig Strzygowski ein, der mit seinem vergleichenden bildwissenschaftlichen globalen Ansatz die Debatte nach der Frage um die gesamte europäische Identität insgesamt anstößt. Dieses progressive Denken wird allerdings vom „Nordstandpunkt“ seines völkischen Spätwerks fast vollständig verdeckt. Auch erklärt sie nicht dieses Paradoxon. Die Komplexität der politischen Haltungen nimmt in den 1920er und 1930er Jahre zu – vorausgesetzt man betrachtet alle Akteure, die am Institut in dieser Zeit lehren und nicht nur die Ordinarii. Eine Auseinandersetzung mit der Frage des Österreichischen in der Kunst liefert beispielsweise Sedlmayr mit seinem “Österreichischen Barock”.

Man ist geneigt, zu sagen: Lieber Julius von Schlosser, danke für Ihren gelungenen PR-Gag, jetzt wenden wir uns wieder wichtigeren Dingen zu. Aber solche Setzungen sind keine belanglosen Erscheinungen. Sie verschaffen Akteuren einen Zuschreibungsrahmen in ein spezifisches, exklusives elitäres Wissenschaftsdispositiv, denn nicht jede/r AbsolventIn repräsentiert(e) automatisch die Institution. Daher muss die Frage lauten: Wie wurde die Geschichte der Wiener Schule geschrieben? Oder: Wie ist die Geschichte der Wiener Schule zu schreiben. Ob sich diese Zauberformel, des Pudels Kern gewissermaßen jemals offenbaren wird, darüber bin ich sehr gespannt.

 

[i] Matthew Rampleys Vortrag, “Die Wiener Schule der Kunstgeschichte” fand am 23. Oktober 2013 im Rahmen der Mittwochsvorträge der Kunsthistorischen Gesellschaft statt. Rampley hält eine Professur für Kunstgeschichte an der University of Birmingham. Seine Monographie, The Vienna School of Art History. Scholarship and the Politics of Empire, 1847-1918 (University Park, 2013) ist derzeit in Vorbereitung.

[ii] Julius von Schlosser, Die Wiener Schule der Kunstgeschichte. Rückblick auf ein Säkulum deutscher Gelehrtenarbeit in Österreich.” Mitteilungen des Österreichischen Instituts für Geschichtsforschung Erg. Bd. 13 (1934).

[iii] Vincenc Kramář, “Videňská Škola Dějin Umění,” in: Volné Směry (1910).

[iv] Georg Vasold, Alois Riegl und die Kunstgeschichte als Kulturgeschichte. Überlegungen zum Frühwerk des Gelehrten,  Freiburg i. Br. 2005, S. 6.

Quelle: http://artincrisis.hypotheses.org/530

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