Es soll niemand sagen, daß es in der Vormoderne keinen technischen Fortschritt gegeben habe. Ein Beispiel dafür bietet die fahrbare Getreidemühle, die ich im Waldstein-Katalog von 2007 gefunden habe (S. 475, 6.5.4). Dargestellt ist eine Feldgetreidemühle, die auf einem fahrbaren Untersatz montiert war und von Pferden betrieben wurde. Der Vorteil lag auf der Hand: Man war nicht auf Mehl angewiesen, sondern konnte auch das Rohmaterial verarbeiten. Da die Versorgungsfrage für jede Armee stets eine große Herausforderung darstellte, war es naheliegend, Techniken zu entwickeln, die gerade für einen Heerhaufen – ökonomisch gesprochen eine Ansammlung von unproduktiven Menschen, der auf zumeist knappe Ressourcen zurückgriff – die notwendigen Versorgungsgüter leichter verwertbar machten.
So plausibel das alles ist, muß ich doch gestehen, daß ich von solchen Phänomenen recht wenig weiß. Über die gängigen Quellengruppen, die sonst über den Krieg und die Feldzüge informieren, habe ich kaum jemals etwas über solche Techniken und erst recht nichts über Innovationen erfahren. Pech bei der Auswahl der Akten, ein blinder Fleck in meiner Wahrnehmung? Ich kann und will nichts ausschließen, aber auch das Beispiel im Katalog selbst stimmt mich nachdenklich. Denn das Beispiel stammt aus dem Jahr 1606 und berichtet von einer Episode, derzufolge der spanische Feldherr Spinola das Stättchen „Lochum“ (gemeint ist offenbar Lochem in der Provinz Gelderland) eingenommen hat. Mit dabei waren auch „schone Muillwagen“, wie es in der deutschen Legende des Einblattdrucks heißt.
Es handelt sich also um einen Beleg aus dem spanisch-generalstaatischen Krieg und nicht aus dem Dreißigjährigen Krieg. Nun waren die militärischen Strukturen in beiden Konflikten so ähnlich, daß es methodisch kein Problem ist, solche Befunde aufzugreifen. Doch als ich nach weiteren Beispielen für solche Mühlen suchte, habe ich keine weiteren Belege entdecken können. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ausschließlich in der Armee Spinolas solche mobilen Mühlen zum Einsatz gekommen sind. Das Motiv wurde von Hogenberg in Köln verlegt, und der Druck wird sicher einigermaßen Verbreitung gefunden haben – der tschechische Nachweis im Katalog spricht schon dafür wie auch der weitere Nachweis im VD17 für die BSB in München (12:658778R).
Man wußte also von solchen Techniken. Doch seit wann gab es die fahrbaren Mühlen eigentlich? (der Hinweis im Flugblatt auf Pompeius als „Inuentor“ führt hier natürlich nicht wirklich weiter) Und wie weit waren sie verbreitet: Waren derartige Mühlen vielleicht schon in dieser Zeit allgegenwärtig? Ja waren sie womöglich Standardausstattung für den Troß der Heere des Dreißigjährigen Kriegs, daß schon gar nicht mehr über sie berichtet wurde? Vielleicht habe ich wie gesagt grundlegende Dinge, die in diesen Jahrzehnten alltäglich waren, verpaßt und ausgeblendet. Aber ein wenig frage ich mich schon, wieviel wir eigentlich über solche Techniken und auch ihre Fortentwicklungen (nicht) wissen, die für das Verständnis der Kriegsläufte in dieser Epoche wesentlich sind.
Quelle: http://dkblog.hypotheses.org/626