Juxtapose: Ottenser Nase

Das Haus wird auch als Ottenser Nase bezeichnet. Ottensen – ein Stadtteil Hamburgs im Bezirk Altona – hat einige dieser spitz zulaufenden Häuser, die ein Resultat der sog. Dreiecksplätze sind. Das historische Bild stammt von den Stadtteilgeschichten und zeigt eine (undatierte) Postkarte.

Der Beitrag Juxtapose: Ottenser Nase erschien zuerst auf Zeitsprung.

Quelle: https://www.zeitsprung.fm/juxtapose-ottenser-nase/

Weiterlesen

Juxtapose: Ottenser Nase

Das Haus wird auch als Ottenser Nase bezeichnet. Ottensen – ein Stadtteil Hamburgs im Bezirk Altona – hat einige dieser spitz zulaufenden Häuser, die ein Resultat der sog. Dreiecksplätze sind. Das historische Bild stammt von den Stadtteilgeschichten und zeigt eine (undatierte) Postkarte.

Der Beitrag Juxtapose: Ottenser Nase erschien zuerst auf Geschichten aus der Geschichte.

Quelle: https://www.geschichte.fm/juxtapose-ottenser-nase/

Weiterlesen

Lokführer- Stadtteilarchiv Ottensen

von Birgit Gewehr -

Auf dem Gleisdreieck Altona soll nach der Verlegung der Fernbahn nach Diebsteich eine neuer Stadtteil entstehen – das größte Neubauprojekt in Hamburg nach der Hafencity. Schon in seinem derzeitigen Planungsprozess stößt es auf großes, auch kritisches Interesse und wird ganz Hamburg in den nächsten Jahren sicherlich intensiv beschäftigen. Das Stadtteilarchiv Ottensen erarbeitet zur Zeit als Geschichtswerkstatt für Altona eine Ausstellung, zu der bemerkenswerten Geschichte dieses Ortes. Die Ausstellung: Achtung! Zug fährt ab. Geschichte des Eisenbahnknotens Altona – Arbeitsalltag, Nachbarschaft, Umbruch wird im Frühjahr 2013 eröffnet.

Das Porträt des ehemaligen Lokführers Jochen Lawrenz gibt einen Einblick in seinen Arbeitsalltag im Bahnbetriebswerk Altona, seit seiner Eröffnung 1895 eines der größten und bedeutendsten in Deutschland. 1992 wurde es endgültig stillgelegt. An die Dampflokinfrastruktur erinnert heute noch der unter Denkmalschutz stehende Wasserturm.

 

Das Bahnbetriebswerk Altona mit den Lokomotivschuppen und Drehscheiben 1960 / Foto: Jochen Lawrenz
 
 

Schon als Kind zog es Jochen Lawrenz, Jahrgang 1935, mit Spielkameraden an den Bahnhof seines Heimatdorfes Steinbek bei Bad Segeberg, um die Lokomotiven zu sehen. „Ich habe als Schüler beim Bauern gearbeitet, in den Ferien, hab mir Geld verdient und hab mir die ersten Märklin-Modelle in einem Spielwarenladen in Altona in der Ottenser Hauptstraße gekauft.“ Entgegen dem Wunsch seiner Eltern strebte er einen technischen Beruf an. „Lokführer war für mich ein Traumberuf. Für meine Mutter war es eine Art Albtraum. Jeden Tag lag sie mir in den Ohren, wie gefährlich es auf der Lok ist und alle möglichen Unfälle wurden dramatisch geschildert. Mein Vater sah alles gelassener, schlug aber einmal vor, Uhrmacher zu werden, da sitzt man in der warmen Werkstatt oder bedient im Laden die Kundschaft. Konnte mich alles nicht reizen.“

„Wir mussten alle Drecksarbeiten durchlaufen.“ Ausbildung zum Lokführer

Wer Lokführer werden wollte, musste einen Gesellenbrief als Schlosser, Elektriker oder in einem ähnlichem metallverarbeitenden Handwerk vorlegen, gute Leistungen nachweisen und mindestens 21 Jahre alt sein. Jochen Lawrenz machte von 1954 bis 1957 im Bundesbahn-Ausbesserungswerk Glückstadt eine dreijährige Lehre als Maschinenschlosser.

„Dann war ich Lokführerbewerber und hatte mich natürlich für das Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona beworben. Da wollten alle hin, weil die Schnellzüge hatten, weil das eine tolle Dienststelle war, das war das größte Betriebswerk in Norddeutschland.“ Doch im April 1957 kam er zum Bahnbetriebswerk (Bw) Hamburg-Eidelstedt. „Und da musste man alles mal durchlaufen, alle Drecksarbeiten. Anfangs hab ich mit meinem Kollegen Kokswagen abgeladen, einer hat immer geschaufelt und der andere hat die Kohlen unten in den Heizungskeller reingeworfen. Dann nach ein paar Tagen mussten wir mit drei Mann Dampflokomotiven putzen. Gearbeitet wurde wie am Fließband. Der erste Kollege entfernte den Ruß und Dreck mittels Bürste und Putzwolle. Der zweite ölte mit einer Zerstäubungsvorrichtung und Altöl den Kessel, das Führerhaus und die Seitenflächen des Tenders ein. Der dritte rieb dann mit Putzwolle alles blank.

 

Lokomotivführer Jochen Lawrenz auf einer Lok aus dem Bahnbetriebswerk Hamburg-Altona 1970 / Foto: Jochen Lawrenz
 
 

Als das dann durch war – wir mussten zwei große Lokomotiven sauber machen und eine kleine – wurden wir auf dem Ausschlackkanal beschäftigt: Lokomotiven ausschlacken, das war ganz schwere Arbeit. Da waren zwei Gleise, die waren gegeneinander aufgeständert und da unten schwamm Wasser in der Grube, das war in Altona ganz genauso. Die Rostfläche hatte bis zu viereinhalb Quadratmeter und in der Mitte war ein Teil absenkbar und dann fiel die ganze Schlacke raus auf eine schiefe Ebene unten ins Wasser rein und wurde da gelöscht. Das waren feste Leute; aber die jungen Leute, die Lokführer werden wollten, die liefen da mit und mussten mit Schichtdienst machen. Die Lok kam an, dann wurde der Wasserkran rumgedreht und der Deckel vom Tenderwassereinlauf oben aufgemacht und der Wasserkran aufgedreht. Dann ist man zur Rauchkammer vorne am Kessel gegangen, hat die große Tür aufgemacht und dann wurde die Rauchkammer leer geschaufelt – der ganze Ruß und Dreck, den der Funkenfänger festgehalten hat – damit das nicht aus dem Schornstein flog und Brände verursachte.“

Ab August 1958 begann seine einjährige Schlosserzeit an Dampflokomotiven im Rahmen der Lokführerlaufbahn. Jochen Lawrenz führte im Schichtdienst kleinere Reparaturen an den Loks durch. Nach einem Jahr folgte dann eine Zeit als Heizer im Rangierdienst oder im leichten Streckendienst auf der Dampflok und begleitend der Besuch der Heizerschule im Bw Eidelstedt. 1960 wurde Lawrenz zum Bw Husum versetzt. Von dort führten ihn viele Einsätze nach Altona. „Eigentlich hatten es mir von da an die großen und imponierenden Bahnanlagen des Bahnhofes und des Bahnbetriebswerkes Hamburg-Altona angetan.“

Nach einem Jahr Erfahrung als Schlosser und zwei Jahren als Heizer konnte er den fünfwöchigen Lehrgang an der Lokfahrschule in Eidelstedt besuchen und bestand im Mai 1961 die praktische und theoretische Lokomotivführerprüfung.

„Die 1084 war ein sehr guter Dampfmacher.“ Auf einem Probezug nach Altona

1962, mit 24 Jahren, begann Jochen Lawrenz auf der Lok zu fahren, zunächst als Lohnempfänger und dann verbeamtet als Reservelokführer auf Probe. Erst ab dem 27. Lebensjahr konnte man Beamter auf Lebenszeit werden. Seine Heimatdienststelle war das Bahnbetriebswerk Husum. Er fuhr die Strecken von Husum nach Altona, Westerland, Bad St. Peter-Ording, Lübeck, Rendsburg und Kiel und zurück; oft machte er Dienst auf „Rundfahrten“, die in Altona endeten.
„Die Pausen waren schön in Altona, die hatten eine tolle Kantine, da war immer Leben, die war auch nachts auf, eine eigene Kantine im Bahnbetriebswerk, neben dem Lokrundschuppen. Oben waren die Übernachtungsräume; da war auch ein Übernachtungswärter, der einen empfing und einem ein Zimmer gab, er hat die Leute auch geweckt. Im Laufe der Zeit wurde er eingespart, da kriegte das Personal von der Lokleitung einen Wecker.“

Am 28. August 1967 hatte Jochen Lawrenz Dienstschicht auf der Strecke von Kiel nach Altona. Er fuhr mit einer ölgefeuerten Dampflok der Baureihe 01, der 01 1084, die vor einem Probezug aus 13 neuen Wagen aus dem Ausbesserungswerk Neumünster eingesetzt wurde. Lawrenz war als Reservelokführer und Heizer dem Hauptlokführer Hans Heinrich Hansen – im Führerstand rechts auf der Lok – zugeteilt. „Nachdem Hans-Heinrich und ich die Lok kurz angeguckt hatten und der Kesseldruck noch bei 10 atü stand, gingen wir erst einmal zum Mittagessen in die Kantine… Der Kesseldruck war nun auf achteinhalb gefallen. Mit dem Zünden der Ölfeuerung warteten wir aber lieber noch ein wenig, um den Kesseldruck noch weiter absinken zu lassen. Durch Dampfverbrauch nach Abstellen von Luftpumpe, Lichtmaschine und Hilfsbläser kamen wir rasch auf rund 5 atü runter. Jetzt erst öffnete ich die Feuerkastentür und warf brennende Putzwolle vor den Brenner. Der Saugzug des warmen Kessels fachte sofort die Flammen an. Nun die Klappe wieder zu, Verriegelung davor, Brennerdampf auf und dann das Öl. Wumm – und die Brenner tosten. Der abgesunkene Kesseldruck bot die Gewähr dafür, dass die Feuerung nun ausreichend brennen konnte, um die Ausmauerung der Feuerbüchse richtig warm zu bekommen, möglichst hell glühend. Nur so konnte man nach der Abfahrt Spitzendruck liefern. Ganz allmählich stieg bei geringem Brenndampfdruck der Zeiger des Kesseldruckmanometers auf 8 atü, und dann sollte es schon losgehen. Mittels Achtungspfiff holte mein Meister den Drehscheibenwärter aus der Bude, die Scheibe wurde uns vorgedreht und dann vorsichtig den Regler auf, Zylinderhähne auf, und unter lauten Zischen setzte sich die Maschine in Bewegung.“

 

Eine Altonaer 03er Lok, gebaut in den 1930er Jahren, auf der Drehscheibe in Altona, 1967 / Foto: Jochen Lawrenz

 

Nachdem Jochen Lawrenz auf dem Abstellbahnhof Kiel-Ost die Lok an den Zug gekuppelt hatte, ging die Fahrt los. „Der Kesseldruck war inzwischen auf 11 atü gestiegen, die Bremsprobe wurde mittels Handzeichen ausgeführt… 13 Wagen hatten wir am Band, 463 Tonnen Zuggewicht. ‚Gottverdammich’, bemerkte Hans-Heinrich, ‚dor kömmt sacht bös an rieten [reißen]!’ Inzwischen hatte ich den Heißdampfbrenner voll losgedreht, sowie auch die Nassdampfbrenner, um einen noch höheren Brennerdruck zu erhalten und damit ein Optimum an Öl möglichst rauchfrei verbrennen zu können. Die vordere Luftklappe hatte ich bereits vorhin im Bw vor dem Zünden richtig geöffnet und so stieg der Kesseldruck unmittelbar vor der Abfahrt langsam auf 16 atü an, so dass die Kesselsicherheitsventile bereist anfingen unruhig zu werden. Bereits um zwei Minuten war die planmäßige Abfahrtszeit überschritten. Dann endlich „Ausfahrt frei“ … Vorsichtig öffnet Hans-Heinrich den Reger, schließt die Zylinderhähne, und die Maschine reißt am Zughaken, um dann einen Moment zu verharren, dann erst setzt sich der Zug in Bewegung. Es ist immer wieder ein imponierender Vorgang, diesen Moment höchster Kraftanstrengung zu erleben… Die 1084 war ein sehr guter Dampfmacher und ein guter Schnellläufer bei hohem Leistungsvermögen.“ Sie erreichten ihr Ziel, den Abstellbahnhof Hamburg-Langenfelde, sogar „zwei Minuten vor Plan“. Von dort fuhr die abgekoppelte Lok ins Bahnbetriebswerk Altona. „Die Lok wurde auf dem Ausschlackkanal mit Heizöl betankt, und gleichzeitig nahmen wir Wasser. Bereits vorher hatte ich die Schlepp- und die vordere Kuppelachse abgeölt, weil man beim Wasserfassen da nicht mehr herankam. Das Abölgeschäft war natürlich nicht jedermanns Sache, aber auch das gehörte wie selbstverständlich dazu und musste in Kauf genommen werden. Nach Abschluss aller Arbeiten und Meldung einer Reparatur nahmen wir unser vom Lokleiter zugeteiltes Übernachtungszimmer in Beschlag, wobei der Führer ganz wie auf der Lok das rechte Bett und der Heizer das linke Bett nahm. Solche Marotten pflegten wir gerne.“

„Altona hatte imposante Anlagen!“

Jochen Lawrenz wohnte in Lübeck, war „beheimatet im Bw Eidelstedt, aber große Teile seines Berufslebens spielten sich im Bw Altona ab. „Wer in Altona war, der wusste, dass er auf einer tollen Dienststelle ist.“ Seit der Eröffnung 1895 war das Bahnbetriebswerk Altona eines der größten und bedeutendsten in Deutschland und die wichtigste Dienststelle für den Fernreiseverkehr im Hamburger Raum. Dort wurden die Züge unterhalten, bevorratet und eingesetzt. Den Bahnhof Altona liefen sehr viele Reisezüge an, die hier endeten oder „Kopf machten“, die Fahrtrichtung wechselten und neu bespannt weiterfuhren. Das Betriebswerk war technisch immer auf der Höhe seiner Zeit, über die Jahrzehnte wurden zahlreiche Umbauten durchgeführt.

Die Ausschlackungsanlage war dreigleisig – „ein Riesenbetrieb“, wie Lawrenz betonte. „Altona hatte imposante Anlagen.“ Das Gleis des linken Ausschlackkanals wurde zu seiner Zeit schon als Dieselloktankstelle genutzt. Beim Ausschlacken fiel die glühende Schlacke in einen mit Wasser gefüllten Schlackensumpf unter der Lok und wurde sofort abgelöscht. 1955 war ein neuer Wasserturm nah der Entschlackungsanlage gebaut worden. Jochen Lawrenz erinnert sich an die Einfahrt in Altona: „Die Fahrt endete ja quasi am Prellbock in Altona in der Halle. Meistens Gleis 6, 8, 9. Entweder der Zug ging weiter nach Hannover oder Osnabrück, der kriegte eine neue Altonaer Lok, oder er endete in Altona, dann wurde mit einer Rangierlok der Train [der Zug] abgezogen, entweder er ging nach Langenfelde oder zum Schäferkamp. Man fuhr mit der Lok langsam rückwärts hinterher bis ans Ausfahrsignal und dann kriegte man Licht, zwei weiße Lichter, und dann waren die Weichen Richtung Bahnbetriebswerk gestellt, Richtung Ausschlackkanal, und denn ging das los: Rauchkammer reinigen, Ausschlacken, Wasser nehmen. Bei den ölgefeuerten Loks wurde nur Wasser genommen und Öl gebunkert. Das Lokpersonal hat dann schon angefangen die Lok abzuölen. Vor dem Ausschlacken, schon beim Reinfahren nach Hamburg-Altona, hatte der Heizer ein Reservefeuer angelegt, das blieb liegen und alles andere wurde beim Ausschlacken rausgeschmissen. Während der Ausschlackung hat man Papierkram gemacht oder sich mit der Lok beschäftigt, alles mal abgeklopft, ob alles in Ordnung war, schon mal eine Bremsprüfung gemacht. Die Ausschlackung dauerte zehn Minuten.“

Die Großbekohlungsanlage mit ihrem riesigen Kohlenlager und einem Portalkran war Anfang der 1950er Jahre erneuert worden. Die großen Schlepptender der Dampflokomotiven wurden hier aus einem Kohlewiegebunker mit sechs paarweise eingesetzten Schüttbehältern beladen.„Dann wurde langsam an die Kohle gefahren.“ Jochen Lawrenz erinnert sich an einen Vorfall auf der Bekohlungsanlage: „Man muss nun wissen, man war ja nicht alleine. Da waren auf beiden Seiten manchmal vier, fünf Loks hintereinander, die alle noch behandelt werden wollten. Mit dem Kohlen-Viez musste man sich gut stehen, wenn man einigermaßen gute Kohlen haben wollte. Man fuhr langsam unter die Bekohlungsanlage und da war die Kabine, wo der Kohlenlader drin war. Es fand ein Blickkontakt statt; der Kohlenlader guckte einen an, das hieß: Hast du Zigaretten oder ´ne Zigarre? Wenn der Lokführer dann Zigaretten rüberlangte oder ein Bier, dann hat der Kohlen-Viez gute Kohlen gegeben. Wir waren mal mit der P8 hinter einer Bebraner 01 und der Bebraner Lokführer hat gar nicht darauf reagiert, der wusste vielleicht auch nichts von diesen Feinheiten. Da wies der Kohlenviez ihn etwas weiter vor unter eine andere Kohlentasche. Eine Riesenstaubwolke – nur ‚Blumenerde’ kam runter, nur Kohlenstaub, nur Dreck! Stückarme Kohle nannte sich das amtlich. Der Bebraner Lokführer war außer sich. Der hatte einen F-Zug, der durchlief bis Treuchtlingen [hinter Nürnberg], der konnte so eine Scheißkohle nicht gebrauchen. Der ist runter von der Lok, zur Lokleitung, hat gesagt, was anliegt: ‚Abladen!’ Die Kohle nimmt er nicht! Die zwei, drei Mann in der Lokleitung haben sich bedeckt gehalten, sie wollten den Kohlenlader, den Kollegen, vielleicht nicht in die Pfanne hauen. ‚Ich möchte zum Chef!’ Er hat sich den Weg zeigen lassen zum Dienstellenleiter. Der Chef kam mit ihm und hat angeordnet: ‚Abladen’. Dann ging die Maschine auf die Drehscheibe und auf das Kohlenladegleis neben der Kohlenbühne und dann haben sie mit dem großen Kohlegreifer versucht abzuladen. Nur kriegt man mit dem Greifer schlecht Kohlen vom Tender. Dann wurde der Kohlengreifer auf die Erde abgesenkt neben dem Tender, zwei, drei Arbeiter wurden geholt, und die haben den Tender leer geschaufelt, durch die Tür durch, immer in den Greifer rein. Und da muss ich sagen, die Lokführer damals, das waren gestandene Leute!“

Sand gegen das Durchtrehen der Räder und zur Verkürzung des Bremsweges

Anfang der 50er Jahre war eine moderne Luftdruckbesandungsanlage mit hochgelegenem Behälter an den Drehscheibenzufahrtsgleisen gebaut worden. „Nach dem Kohlenladen wurde Sand genommen. Der Sandkasten war in der Regel auf dem Kessel, der Sand war dadurch immer trocken gehalten. Wenn eine schwere Anfahrt war, musste mit ganz viel Gefühl Dampf gegeben werden, und ein erfahrener Lokführer merkte, wenn die Räder durchtrampeln wollten, zum Beispiel wenn die Schienen durch Laubfall sehr glitschig waren. Dann betätigte er die Sandstreueinrichtung und streute mittels Druckluft Sand vor die Räder und die Reibungskraft zwischen Rad und Schiene wurde erhöht. Und Sand wurde auch bei Notbremsungen gestreut, um die Haftkraft zu erhöhen und den Bremsweg möglichst zu verkürzen.“

Das Bw Altona war ausgestattet mit einem kleinen und einem großen Halbrundlokschuppen mit insgesamt 54 Schuppengleisen und zwei miteinander verbundenen Drehscheibenkreisen. An der Nahtstelle der Lokschuppen stand das Gebäude der Lokleitung.

„Nun ging es weiter auf Hand- und Lichtzeichen des Drehscheibenwärters, auf die rechte oder linke Drehscheibe. Die Lok wurde so gedreht, dass sie rückwärts auf ein freies Gleis in den Schuppen fahren konnte. Die großen Loks gingen meistens nach rechts, die P8en [die Dampflokomotiven P8 der Preußischen Staatseisenbahnen, die noch bis 1974 eingesetzt wurden] nach links, weil die Gleise kürzer waren … Manchmal standen sie drei, vier Stunden. Die Schuppenfeuerleute haben die Lokomotiven überwacht, sind alle drei, vier Stunden rauf und haben was aufgeworfen oder Wasser gepumpt. Die Lokomotiven liefen nach einem festen Umlaufplan, weitgehend nach wirtschaftlichsten Gesichtspunkten. Die Umlaufpläne wurden von der Eisenbahndirektion, der Oberlokleitung, gemacht und die Dienstpläne von den Heimat-Bahnbetriebswerken. Das lief reibungslos. Die Loks liefen rund um die Uhr, die fuhren tagsüber die Reisezüge und nachts die Güterzuge.“

„Der Bremsweg ist schon mal vier-, fünfhundert Meter – das ist kein Auto!“

Die Lokomotiven fuhren normalerweise mit 135 km/h und zogen bis zu 15 Wagen. „Der Bremsweg ist dann schon mal vier-, fünfhundert Meter – das ist kein Auto!“ Jochen Lawrenz erklärt, dass Lokomotiven zur Sicherheit mit der „Induktiven Zugbeeinflussung“ ausgestattet waren. „Man fuhr nach Signal. Die Induktive Zugbeeinflussung, die „Indusi“, war für den Notfall. Vorsignal zeigt Warnstellung am Hauptsignal an – dann musste man beim Vorbeifahren am Vorsignal die Wachsamkeitstaste drücken, dann erschien über dem Bestätigungssignal am Wachsamkeitsmesser eine gelbe Lampe und die brannte 21 Sekunden und in 21 Sekunden musste unter 95 km/h runtergebremst werden. Wenn man das nicht schaffte, dann gab es eine volle Zwangsbremsung.“

An der Abzweigstelle Rainweg in Altona Nord ereignete sich am 4. November 1954 ein schwerer Unfall. Eine den Altonaer Bahnhof verlassende Dampflok 01 108 fuhr übers Signal und geriet in die Flanke der Vorspannlok des De 5136 aus Uelzen, die freie Fahrt auf dem Gleis Eidelstedt-Hamburg hatte. Beide Loks stürzten um. Die Zuglok des 5136 entgleiste, die aus Altona kommende Lokomotive fiel sich einmal überschlagend die Böschung hinunter in die Holtenaustraße. Jochen Lawrenz berichtet: „Die Lok habe ich da unten noch liegen sehen, mit den Rädern nach oben. Der Heizer war schwer verletzt, anschließend querschnittsgelähmt. Der Lokführer war auch schwer verletzt. Er hatte ganz klar das Halt zeigende Signal überfahren … Er hatte die Indusi nicht eingeschaltet.“

Erst ab 1972 wurden die Strecken nach und nach mit Funk ausgestattet und der Lokführer konnte bei Gefahr im Führerstand alarmiert werden. „Man hatte früher Knallkapseln, verplombt, auf jeder Lok, um sie im Notfall auf die Schienen zu legen. Ein Gegenzug fuhr dann drüber, bekam drei harte Schläge und der Lokführer hielt sofort an. Die Streckenläufer hatten auch Knallkapseln. Ich bin mal mit einer P8 auf dem Hindenburgdamm über Knallkapseln drübergefahren. Ein Streckenläufer hatte einen Schienenbruch festgestellt … Das knallte aber! Der ganze Führerstand war blau vom Pulverqualm!”

 

Bahnunfall 1958: eine vom Bahnhof Altona kommende Lok kollidierte mit einem Triebzug
auf dem Bahndamm Höhe Harkortstraße / Foto: Jochen Lawrenz
 
 
„Mit drei Achsen entgleist“

Die Fahrt von Altona nach Husum am 26. März 1964 auf der Lok 03 061 – Jochen Lawrenz war noch Heizer und dem Hauptlokführer Erwin Vogt zugeteilt – wurde „eine Dienstschicht, die uns fast nur Ärger eingebracht hatte. Der Eilzug E 1777 stand schon vor der Bahnhofshalle, die Zuglok hatte die Drehscheibe verlassen und sollte auf den Zug vorsetzen. Der Auftrag vom Posten kam per Handbewegung und Lautsprecherdurchsage ‚Lok für 1777 kommen’. Meister Vogt öffnete den Regler und die Zylinderhähne, und, laut zischend und einige Male schleudernd wegen der gerade in diesem Bereich außerordentlich schmierigen Gleise, setzten wir vor. Oben am Stellwerk RI angekommen, dreht der Wärter die Weiche in Richtung Aufstellgruppe, und per Handsignal ‚Kommen’ fuhren wir an unserem Zug vorbei. Wir sahen auch das hochstehende Gleissperrsignal, auf das wir langsam zurollten in der Erwartung, dass der Weichenwärter vom Stellwerk AL das Sperrsignal freigab. Und dann plötzlich bäumte sich unsere Lok vorne etwas auf, es krachte und knirschte, die Maschine schüttelte sich und – wir waren entgleist. Etwa 10 Meter vor dem hochstehenden Gleissignal lag eine Gleissperre mit dem dazugehörenden tiefliegenden Signal. Diese ‚hinterlistige’ Gleissperre hatten wir nicht gesehen, und so waren wir prompt ‚über den Hund gefahren’. Vor Schreck sprangen wir von der Lok und stellten fest, dass beide Laufachsen und die erste Kuppelachse entgleist waren. Die Treibachse stand oben auf dem ‚Hund’. Mein Meister blieb ganz gelassen, denn er konnte das wegstecken. Nur an seiner Zigarre kaute er unentwegt. ‚Tcha’, war sein Kommentar, ‚dann müssen wir uns wohl eine neue Maschine holen.’“

„Hässlich war das, wenn starker Wind war, wenn einem die Schlacke, der ganze Dreck in die Augen, in die Nase kam. In Westerland auf Sylt war das schlimm, da war alles im Freien. Ich habe oft was ins Auge gekriegt. Schutzbrillen? Ja, Brillen mit klaren Gläsern, die hätte ich mir kaufen sollen, aber… hatte ja keiner! Die Autozüge Niebüll-Westerland – da wurde rückwärts mit 80 gefahren, da flog einem der ganze Dreck entgegen! Wir kriegten von der Dienststelle Motorradbrillen, die waren unangenehm, wenn es im Sommer warm war.“

Der Dampflokbetrieb war mit sehr viel Dreck, Öl, Qualm verbunden. Jochen Lawrenz ist klar: „Da würden heute die Umweltschützer große Augen machen.“ Doch es ging auch anders: „In Hamburg-Altona war ich mal an meinem freien Tag als dritter Mann nach Westerland auf der Lok. Die 41er war am Zug und der Heizer hat das Feuer aufgebaut und es qualmte. Da hat der Weichenwärter vom Stellwerk gleich über Lautsprecher durchgerufen: ‚Lok 41 210, bitte sofort das Qualmen einstellen!’ Man hat schon darauf geachtet, dass nicht der ganze Bahnhof vollgequalmt wurde. Und das war ja auch hinzukriegen. Da wurde der Bläser ein bisschen weiter aufgemacht und die Feuertür auf, dass mehr Verbrennungsluft rein kam, und dann war der Qualm weg.“

„Ich habe bis 1972 nur auf Dampf gefahren.“ Das Ende der Dampflokzeit

Ab Ende der 1950er Jahre kamen die Dieselloks V 200 und V 60 im Bw Altona zum Einsatz – der erste Strukturwandel. Jochen Lawrenz liebte jedoch die Herausforderung, die die Dampflok stellte. „Mit Diesellok und E-Lok ist nur das Bremsen quasi das Gleiche geblieben, alles andere ist doch angenehm. Das Aufschalten, alles geht automatisch; drehen die Räder durch, wird über Elektronik Sand gestreut; die Höchstgeschwindigkeit wird vorher eingestellt, der macht nur einen Hebel nach vorne, alles andere macht die Maschine … Aber in der Leistung kamen diese damals modernen Dieselmaschinen nicht an die Baureihe 01 10 heran, auch wenn das unsere Bundesbahnführung nicht recht wahrhaben wollte … Dennoch war es wesentlich leichter als auf der Dampflokomotive, das ist gar keine Frage. Ich erinnere mich noch genau, als die V 200 im Kommen war und die ersten handverlesenen Lokomotivführer darauf ausgebildet wurden, dass keiner sich mehr nach der Dampflokomotive sehnte. Mein Herz hat jedoch stets der Dampflokomotive gehört.”

Von einer Romantisierung der Dampflokzeit hält Jochen Lawrenz allerdings nichts. „Das war saure Arbeit, das war harte Arbeit! Das war nicht mal eben so! Ich habe ja bis 72 nur auf Dampf gefahren, und ich habe viele begeisterte Eisenbahnfreunde, Dampflokfans, mitgehabt, und denn habe ich immer gesagt, Leute, wenn ihr diese ganze Arbeit über Jahre machen solltet, Sommer wie Winter, und Heiligabend und die Familie ist zu Hause – wir haben vier Kinder – und rund um die Uhr, da würde manch einer von euch abspringen. Meine Frau ist eine richtige Eisenbahnerfrau, das ganze Leben richtete sich nach meinem Dienst. Wenn ich vormittags von der Nachtschicht kam und die Kinder kamen von der Schule, da war Hallo! Wenn ich am Tage schlafen musste, hatte meine Frau alle Hände voll zu tun, um die vier Kinder ruhig zu halten – ich musste um 20 Uhr wieder zum Dienst. Das war für meine Frau auch nicht immer einfach.“

Als es mit den Dampflokeinsätzen bei der Bundesbahndirektion Hamburg endgültig vorbei war, ließ sich Jochen Lawrenz zum Bw Lübeck versetzen und machte dort eine Diesellokausbildung. Auf der Dampflok fuhr er nur noch Sonderfahrten für Eisenbahnfreunde. Der zweite Strukturwandel der Elektrifizierung kostete das Bahnbetriebswerk Altona die Existenz. Eine zusätzliche Rolle spielte, dass das Bw Altona nicht von LKWs mit Großbauteilen beliefert werden konnte. Um 1965 wurde zunächst ein kleiner Teil der Gleisanlagen des Bahnbetriebswerkes elektrifiziert und für E-Loks erreichbar. 1967 erfolgte der Abriss der Bekohlungsanlage. Die wenigen kohlegefeuerte Dampfloks fuhren nun zum Bahnbetriebswerk Eidelstedt, um ihre Vorräte zu ergänzen. Mit der 1965 fertig gestellten Elektrifizierung der Strecke von Hamburg nach Hannover und drei Jahre später auch nach Osnabrück verloren die Dampfloks des Betriebswerks Altona ihre wichtigen Personenzugleistungen nach Süden. Noch bis 1972 wurden aber Züge mit Dampflokomotiven auf der Marschbahn nach Westerland/ Sylt, Kiel und Flensburg eingesetzt. Seit der Elektrifizierung der Hauptstrecke nach Kiel im Jahre 1995 werden die von dort kommenden Züge vielfach über Hamburg-Dammtor zum Hauptbahnhof geleitet und enden nicht mehr in Altona. Im Jahr 1982 wurde der Doppelringlokschuppen für die Neutrassierung der S-Bahngleise abgerissen. Nach der Auflösung des Bahnbetriebswerks Altona als eigenständige Dienststelle 1983 übernahm das Bahnbetriebswerk Eidelstedt dessen Funktion. Die Drehscheiben wurden um 2000 entfernt. Heute erinnern nur noch der unter Denkmalschutz stehende Wasserturm und die Reste der ehemaligen Triebwagenhalle an dieses einst bedeutende Bahnbetriebswerk, in dem mit der 05 002 die schnellste Dampflok der Welt zu Hause war.

Seit 1999 in Pension, ist Jochen Lawrenz heute Zeitzeuge und selbst engagierter Archivar und Geschichtsschreiber in Sachen Eisenbahn. Die aktuelle Bahnpolitik kritisiert er: „Die Loks sind heute unwirtschaftlich, nicht ausgelastet. Wo sind heute die Güter? Auf der Straße. Eine Lok und ein Lokführer befördern 2000 Tonnen. Wie viele Lastwagen brauchen Sie dafür?!“ Als Pensionär immer noch in der Gewerkschaft der Lokomotivführer, ist er stolz, dass die Lokführer mit ihrem Streik den umstrittenen Bahnchef Mehdorn „zu Fall gebracht haben“. Er bedauert sehr, „dass die Bahn an die Wand gefahren wurde“, wie er sagt, dass weite Teile des Streckennetzes stillgelegt wurden. „Dieser Bahn weine ich keine Träne nach.“

Zur Autorin:

Birgit Gewehr ist Historikerin und freie Mitarbeiterin im Stadtteilarchiv Ottensen. Sie war an mehreren Ausstellungs- und Publikationsprojekten zur Geschichte Altonas beteiligt, z. B. ist sie Autorin des Buches “Stolpersteine in Hamburg-Altona. Biographische Spurensuche”. Zur Zeit forscht sie zur Historie des Altonaer Bahngeländes.

Quellen:

  • Interview 15.9.2009 in Lübeck mit Jochen Lawrenz, Bestand Stadtteilarchiv Ottensen
  • Aufsätze und Manuskript von Jochen Lawrenz zu seinem Werdegang und Berufsleben, Bestand Stadtteilarchiv Ottensen
  • Matthias Fuhrmann, Deutsche Bahnbetriebswerke (Bw Hamburg-Altona), Verlag Geramond, Garching-Hochbrück, Ergänzungsausgabe 2009
  • Uwe Jens Jansen, Die Eisenbahn in Hamburg, Hamburg 1999

Quelle: http://www.hh-geschichten.uni-hamburg.de/?p=729

Weiterlesen