Die zwei Érides der Wissenschaft oder: Everett vs. Chomsky

Als ich für meine Diss über den Eristik-Begriff nachgedacht habe stieß ich – gerade in der kritischen Rekonstruktion von da Silva (2014) – auf die Ambivalenz der Gebrauchsgeschichte dieses Begriffes; und diese wechselhafte Geschichte schien mir zunächst nicht so recht passend für eine Terminologisierung dessen, worum es ging: das kooperativ-konkurrenzielle Streiten um wissenschaftliche Erkenntnisse (benannt nach Eris, der griechischen Göttin der Zwietracht und des Streits).

In Ehlichs (1993:30) eigenen Worten:

„Wir sehen in [Wissenschaftstexten] also weit mehr als das einfache „mapping“ von Wirklichkeit über mentale Verarbeitung hinein in ein Stück Sprache. Wir erleben in den sprachlichen Formen den Prozeß der Diskussion der Wissenschaft selbst. In den Texten ist die diskursive Qualität des Wissenschaftsprozesses als eines Prozesses der streitenden Auseinandersetzungen eingeschrieben. Mit anderen Worten: Der Wissenschaftsprozeß schlägt sich in der Textstruktur in einer illokutiven Vielfalt nieder, die eine Einschränkung auf Assertionsqualität illokutiv weder sinnvoll noch möglich macht. Vielmehr tragen die wissenschaftlichen Texte als ein wesentliches Strukturkennzeichen in sich ihren diskursiven Charakter, der durch die Textualität verfremdet worden ist. Die wissenschaftlichen Texte sind sozusagen Residuen und Petrefakte von diskursiven, insbesondere von eristischen Strukturen, die in den textuellen Strukturen aufgehoben sind.“



[...]

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/1319

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Sammelband: “Deutsch in der Wissenschaft” — Deutsch in Wissenschaftsblogs?

Heute hat mich ein – gemessen an Blogkonventionen – nicht mehr ganz aktueller Sammelband erreicht. Nichtsdestotrotz ist die besprochene Sache von ungebrochener Aktualität und Dringlichkeit, weswegen ich auch auf diesen Sammelband hinweisen möchte, bevor ich ihn in Gänze zur Kenntnis nehmen konnte.

Im Olzog-Verlag ist 2012 erschienen:

Deutsch in der Wissenschaft. Ein politischer und wissenschaftlicher Diskurs [Auf die Freigabe für das Cover warte ich noch.]

Herausgegeben wurde der Band von Heinrich Oberreuter, Wilhelm Krull, Hans Joachim Meyer und Konrad Ehlich. Er dokumentiert die Tagung “Deutsch in der Wissenschaft”, die mit Unterstützung von “Deutsch Plus – Wissenschaft ist mehrsprachig” (einem Programm der Volkswagenstiftung) vom 10.-12. Januar 2012 in der Akademie für Politische Bildung (Tutzing) stattfand.

Wesentliches Anliegen der Tagung war es, die Wissenschaftssprachendebatte aus der Wissenschaft heraus hinein in die Politik zu tragen, wofür auch eine Reihe Politiker gewonnen werden konnten. So hat Norbert Lammert z.B. den Eröffnungsvortrag gehalten.

Thematisiert wurden in aller Breite und programmatisch nicht nur

  • gesellschaftlich-kulturelle Folgen einer Monolingualisierung der Wissenschaft für die nicht-englischen Muttersprachen (Abschnitt: “Chancen und Grenzen einer Lingua franca für die Wissenschaft”),
  • die Sprachfrage aus je disziplinären Perspektiven (Abschnitte: “Deutsch in den Natur- und Ingenieurwissenschaften” & “Deutsch in den Geistes- und Gesellschaftswissenschaften”),
  • und die Förderungsmöglichkeiten einer “Mehrsprachigkeit in der Wissenschaft”

- um nur einiges zu nennen – sondern vor allem auch:

  • die Frage nach Sprachpolitik!

Diese scheint sich in Deutschland vermeintlich in Zurückhaltung zu üben. Aber eben nur vermeintlich! In einem Beitrag arbeitet Hans Joachim Meyer (vgl. 2012, 37-48) u.a. heraus in welchem sprachpolitischem Widerspruch z.B. Integrationspolitik und Wissenschaftpolitik zueinander stehen. Meyer und Konrad Ehlich (2012, 33) weisen auch nicht zum ersten Mal in ihren “Thesen zur künftigen Rolle des Deutschen in der Wissenschaft” auf den weit verbreiteten Irrtum hin “Sprache entwickle sich autonom” und Sprachpolitik wäre folglich unnötig. Ein Blick in wissenschaftspolitische Bestrebungen hin zu einer Internationalisierung um jeden (auch manchmal noch so sinnlosen) Preis macht das schnell augenfällig. Mit Unsummen z.B. DFG-geförderte Spitzenforschung (natur- wie kulturwissenschaftliche) in Deutschland auf Englisch zu betreiben, um international vernetzt und anerkannt zu werden, ist dabei nur ein kleines Beispiel.

Die Langzeitfolgen solcher Politik werden massiv auf die Gesellschaft und ihre Möglichkeiten der diskursiven Auseinandersetzung zurückschlagen, wenn der Stellenwert der Wissenschaft für und ihre Verwobenheit mit politischen, wirtschaftlichen, ethisch-moralischen, künstlerischen, … also im Allgemeinen mit dem öffentlichen Diskurs nicht erkannt wird und damit in der Konsequenz die deutsche Sprache insgesamt ihrem Schicksal überlassen wird – einem Schicksal, das man irgendwann als eine Folge politischer und gesellschaftlicher Entscheidungen wird rekonstruieren können.

Mir liegt aber nicht daran, hier – mehr schlecht als recht – zu paraphrasieren, was im genannten Sammelband viel besser auf den Punkt kommt und den ich jedem zuforderst vor allem zur Selbstpositionierung nur ans Herz legen kann und danach vielleicht zur Reflexion der Frage nach der Preisgabe von mehrsprachigen Erkenntnisvermögen, die die Menschheit in Zukunft vorhalten sollte, um Probleme zunehmend globaler Reichweite zu bearbeiten…

Ebenso möchte ich den Verlag und auch die Autoren der “Thesen zur künftigen Rolle des Deutschen in der Wissenschaft und  zu den Chancen wissenschaftlicher Mehrsprachigkeit” (Meyer/Ehlich 2012) fragen, ob sie an einer Wiederveröffentlichung des knappen Textes im Internet (z.B. hier in meinem Blog) interessiert sind. Dort habe ich ihn bisher nicht finden können. Sind diese Thesen doch zwischen zwei Buchdeckeln in einer Bibliothek nicht ganz so gut aufgehoben und wirksam wie vielleicht in der sog. Blogosphäre, in der sie einfacher und weitreichender zirkuliert, adressiert und gelesen werden können.

Zum Schluss möchte ich noch zur angehängten Frage im Titel des Eintrags kommen: “Deutsch in Wissenschaftsblogs?” Seit einiger Zeit habe ich den Gedanken im Kopf, den ich aber noch nicht weiter prüfen konnte, dass es doch mal nötig wäre, die deutschsprachige wissenschaftliche Blogosphäre zu vermessen! Wie viele deutschsprachige Wissenschaftsblogs gibt es eigentlich? Welche deutschen Wissenschaftler bloggen in einer anderen und in welcher Sprache?

Ich weiß nicht, ob es Möglichkeiten einer solchen Vermessung gibt. Ich müsste mich diesbezüglich mal mit meinem Kollegen Johannes Paßmann kurzschließen oder vielleicht weiß ja auch der eine oder andere Leser einen Rat. Ich ahne, dass das nur praktikabel wird, wenn man Plattformen (wie hypotheses.org oder scilogs.de) in den Blick nimmt. Was allerdings hypotheses.org betrifft, verzweifelte ich erst vor kurzem daran, einer vollständige Liste aller ‘deutschen Blogs’ einsichtig zu werden. Hier kann sich die Redaktion durchaus angesprochen fühlen ;) – wäre es doch für die Vernetzung und die Anschließbarkeit hilfreich, eine gute und vollständige Übersicht über die existierenden Blogs sich verschaffen zu können. Wie dem im Einzelnen aber auch sei…

Worum es mir bei der Vermessung der wissenschaftlichen Blogosphäre Deutschlands geht, ist es, einen Eindruck vom Stellenwert des Blogs, seiner Zwecke und damit Sprachlichkeit in der deutschen Wissenschaft zu bekommen. Diesbezüglich kämen der Kommunikationsform Weblog – je nachdem welche Entwicklung sie in der Zukunft bezüglich ihrer institutionellen Relevanz nehmen wird – nicht unerhebliche Implikationen für die Vitalität disziplinärer Entfaltungen zu: Wo werden innovative Erkenntnisse und Paradigmen geboren bzw. sagbar, wenn Zeitschriften immer mehr verkrusten? Mit welchen Sprachlichkeit füttern diese Sagbarkeiten den wissenschaftlichen Diskurs? Wie wird (Populär-)Wissenschaft weiterhin in Verbindung mit der Sprache der übrigen Diskurse treten können? Kurz: Könnte es sein bzw. ist es plausibel, sich vorzustellen, Blogs könnten einem neuerlichen Aufschwung der vernakulären Wissenschaftssprachen Vorschub leisten?

Oberreuter, Heinrich/Krull, Wilhelm/Meyer, Hans Joachim/Ehlich, Konrad (Hg.) (2012): Deutsch in der Wissenschaft. Ein politischer und wissenschaftlicher Diskurs. München: Ozlog. 
Daraus:
Ehlich, Konrad/Meyer, Hans Joachim (2012): Thesen zur künftigen Rolle des Deutschen in der Wissenschaft und zu den Chancen wissenschaftlicher Mehrsprachigkeit. S. 30-34.
Meyer, Hans Joachim (2012): Trägt die deutsche Politik Verantwortung für die deutsche Sprache? S. 37-48.

 

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/357

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Kommunikationsformenadressen oder: Prozeduren des Situationsvollzugs am Beispiel von Weblogs : Zeitschrift für angewandte Linguistik

Was lange währt, wird endlich… alt? Wie das so bei Printpublikationen ist, spiegeln sie nicht mehr so richtig den aktuellen Überzeugungsstand wider. Dennoch freue ich mich, zu sehen, dass endlich dieses lang gehegte und gepeer-reviewte Kleinod online gegangen ist und bald auch im ZfAL-Heft erscheinen wird.

Using the example of weblogs the paper raises the question what kind of procedures are necessary to enable speech acts (written or spoken), pictures (moving or static), typography, layout, etc. – i.e., procedures that are considered to be possibility conditions for acts of communication. To answer that question a category from early Textual Linguistics – Forms of Communication (initially: Ermert 1979) – is reconstructed in its development throughout the history of Textual and Media Linguistics (cf. Brinker 6[1985] 2005; Dürscheid 2005; Holly 1996, 2011b; Domke 2010a) and is reconceptualized with a more pragmatic resp. praxeological approach. In order to do this, the concept of Speech Procedures – developed by the Functional Pragmatics approach (cf. Ehlich [1986] 1991) – is chosen, conceptually located, and adapted to enable a description that addresses all the actions which establish – quite similtaneously to acts of communication – the possibility to communicate and which are clustered and differentiated as Medializing and Addressing Procedures. In a body they work on the tasks of situating communication in space and time and between communicators. Hereby going beyond Genre Theory (cf. e.g. Puschmann 2013), it is possible to conceive of weblogs ever so adequately as being situated on an average level of communicational knowledge.

via Kommunikationsformenadressen oder: Prozeduren des Situationsvollzugs am Beispiel von Weblogs : Zeitschrift für angewandte Linguistik 2 (2013), S. 51-106.

Quelle: http://metablock.hypotheses.org/337

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